Lehrter Stadtquartier & Hauptbahnhof Umfeld

  • < Schön, dass hier auchmal Interieur-Design zur Sprache kommt. Ich find's leider nicht sehr stimmig. Einen größeren gap zwischen äußerer Gestaltung und diesem Interieur mit starken Reminiszenzen an skandinavisches 50er Jahre-Design, kann ich mir schwer vorstellen. Es widerspiegelt überhaupt nicht die 'Coolness' des Äusseren Erscheinungsbildes sondern kommt fast gemütlich daher und spielt sogar mit diesem gap , was man am Beispiel des von Grünpflanzen umrankten Fotos des Cubes von Außen, zeugt. Beides für sich mag man das okay finden, als Melange find' ich's schwierig. Aber Interieur in einem so ikonografischen Gebäude ist sowieso ein Fall für sich. Wenn sich die Arbeitenden dort darin wohlfühlen und das ist ja das Wichtigste, dann winke ich das so durch. Würde das Interieur-Design mit dem äußeren Erscheinungsbild übereinstimmen könnte man wahrscheinlich nicht darin arbeiten, weil man erfrieren würde.

  • Ich teile deine Einschätzung, gerade in der Lobby als halböffentlicher eher repräsentativer Raum hätte man aber ruhig beim Thema bleiben können.


    Offensichtlich hat man es mit dem prismatischen Thema am Tresen versucht um es gleich mit dem warmen buttrigen Furnierton zu konterkarieren es fehlt eigentlich nur noch das Skuddenfell am Boden.

    Ich meine, Kontraste auch in der Farbwahl hätten ruhig scharf sein können um beim Thema zu bleiben.

    So wirkts leider eher kuschelig lau.

    Die Ikeastühlchen wirken da leider noch verstärkend und irgendwie merkwürdig billig.

    Mir erscheinen Farbspektrum, Materialwahl und Design der Lobby in der Mixtur aus Honig, Beige und lallend grau leider eher wie Opas Filzpantoffel.

    Möglicherweise wäre man mit Leder, Schiefer, Marmor, Mahagoni, Palisander, Eisen, Stahl, Platin und Glas in der Lobby vielleicht besser und repräsentativer am Thema gewesen und hätte eine mondäne, coole Behaglichkeit abseits einer Skandinavischen Wohnstube bieten können.

    So wirkt es leider ernüchternd Lahm und Bieder und weist alles Elementare, Dramatische und Dynamische der Äußeren Gestalt für mich viel zu weit von sich. Das Wirkt auf mich durch das Interiordesign eher unverstanden oder im besten Falle okkupiert.

    2 Mal editiert, zuletzt von Endell ()

  • Insgesamt stimme ich den Vorrednern zu, finde aber, dass der Konferenzraum schick geworden ist. Die Büros wirken aufgrund ihrer Schnitte etwas klein, um da zwischen 8 und 16 Stunden pro Tag zuzubringen.

  • ^ Falls du die kleinen Einzelbüros meinst, die sind nur dafür gedacht, sich für etwas Fokus time aus dem Großraumbüro abzusetzen. Besonders lange nutzt die eigentlich keiner (na gut, sicherlich auch immer etwas vom konkreten Aufgabenfeld abhängig).


    Die Kritik am Gallus Office verstehe ich nicht ganz, weder, dass Glas und Holz jetzt solche Gegensätze darstellen, noch, dass eine Büroetage irgendwo im Gebäude nun eine besonders repräsentative Spiegelung des Äußeren sein muss. Im Endeffekt ist das hier klassisches kontemporäres (vielleicht etwas konservatives) Bürodesign mit ein paar Reminiszenzen ans Äußere wie den Prismen am Tresen und den harten Kontrasten, also genau das, was man gemeinhin erwarten durfte.

  • Zwei Ansichten aus dem Gedenkort für das Gefängnis

    Nochmal das Edge

    Bei beiden Gebäuden wurde übrigens eine relativ gute Lösung für die Dachaufbauten gefunden, fällt mir angesichts der Diskussion darüber gerade auf


    apredges5j12.jpg



    Den gibt's zwar schon ne ganze Weile, aber der Blick von hier aus ist doch recht reizvoll


    aprhauptl4kc4.jpg

  • Ich kann beiden Gebäuden aus verschiedensten Gründen bis heute wenig abgewinnen- aber zur angenehmen Lösung der Dachaufbauten geb ich dir recht.


    Ich bin ganz dankbar dass sich das herausstellen der Technik als Gestaltprägendes Element zur Untermauerung der „ehrlichen Architektur“ nicht durchgesetzt hat.

    Son aufgehängter Heizkörper wie beim Bauhaus oder provokant freigelegte Rohr- und Kabelschachtsysteme find ich persönlich immer hässlich und wirken als ob Solche Bauten auf dem Seziertisch gelegen haben.

    Reicht ja das Häuser oft keine Augenbrauen mehr haben.


    Bei Bild 1 empfinde ich die Farbliche Reflektierung der Gurte und Platten auf die Mauer durchdacht kann aber natürlich auch ein eher unbeabsichtigter Effekt sein. Die Mauer hat mich immer irritiert dachte immer das wären Reste der Akzisemauer oder es befände sich ein Friedhof dahinter.

  • Ich kann beiden Gebäuden aus verschiedensten Gründen bis heute viel abgewinnen.


    Die Verbindung von den Dachaufbauten auf Bauhaus und das Herausstellen der Technik ist schon etwas willkürlich.

    Wenn Dachaufbauten wie hier baulich kaschiert werden, dann bestimmt nicht, weil sich das gestaltprägende Element zur Untermauerung der Architektur nicht durchgesetzt hat. Abgesehen davon ist diese Behauptung völlig falsch, danach könnte man auch das gleiche über den Verzicht von Stuck behaupten oder allem anderen Stilelementen, die nicht mehr oder wesentlich seltener eingesetzt werden.


    Wenn Technik freigelegt und es entsprechend baulich herausgestellt wird, ist das eben ein Element von vielen die in der Architektur verwendet wurden oder auch heute noch verwendet werden. ich kann auch mit der Aussage in diesem Zusammenhang, ob sich das 'durchsetzt' nichts anfangen.

    Es ist je nachdem wie es eingesetzt wird, ein Stilmittel das ein Gebäude prägen kann, nicht mehr nicht weniger. Beim Centre Pompidou als wohl bekanntesten Vertreter, hat das ja ganz gut geklappt.

  • Das Centre pompidou (la raffenerie) gilt mir in seiner Wirren, gerüsthaften, technoiden Konsequenz eher als originäres künstlerisches Konzept das in seiner Gestalt, zum einen Architektur als lebendigem Organismus darzustellen versucht und sich an der resultierenden Ästhetik des Antischönen abarbeitet.


    Für mich eher eine verkopfte, postmoderne Bauskulptur die nach meinem Eindruck weit über einer Projektionsfläche für Stilmittel liegt und erst recht weit weg ist von reiner Notwendigkeit abträglicher , technischer Additionen.


    Wir stören uns ja schon an der teilweise skurrilen Erscheinung von Fallrohren, die zuweilen ein hässliches Eigenleben entwickeln, an unruhigen Dachaufbauten oder Satelitenschüsseln und Abluftrohren die zwar notwendig erscheinen aber durch ihre Hinzufügung, Architektur nachteilig verunstalten und ihre Silhouetten verunklaren - das Stilmittel hingegen würde doch voraussetzen dass hier eine bewusste Gestalterische Entscheidung getroffen wurde die über die reine Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hinausgeht.

    Für mich dient das Stilmittel dazu den Bau ästhetisch zu stützen, abzurunden, Spannung zu erzeugen oder der Harmonisierung und erschöpft sich nicht der authistischen Inszenierung von einzelnen Funktionselementen.

  • ^ Ich finde es hervorragend, dass du das Centre Pompidou ins Spiel bringst. Denn der Bau bietet sich an, die Grundfrage zu erörtern, was Architektur sein soll. Geht es bei Architektur darum, eine Karosserie zu entwickeln, die sich ästhetische unabhängig macht von inneren funktionalen Nöten des Baus? Oder bildet Architektur im besten Falle ästhetisch raffiniert das eigentliche Wesen des Gebäudes ab, das sich selbstverständlich in seiner Funktion und seinen zahlreichen Nebenfunktionen verdichtet? Zugegebenermaßen werden beim Centre Pompidou zum Teil die sekundären Funktionen wie die Belüftung ästhetisch in den Vordergrund gerückt. Denn tatsächlich handelt es sich ja nicht um eine Belüftungsinstitution, sondern um ein Ausstellungsgebäude. Das ganze wird hier in Form und Farbe jedoch mit Humor vermengt und wird dadurch zu freier Baukunst im engen Sinne. Ich bin sicher, dass die Architekten damit kein Beispiel für Allgemeingültigkeit erzeugen wollten. Aber die Belebung der allgemeine Architekturdebatten wurde kraftvoll und mutig angestoßen.


    Im Organischen Bauen der deutschen 50er Jahre ging es ja schon früher darum, den Wesenskern eines Baus in den ästhetischen Fokus zu stellen. So sehen wir bei der Berliner Philharmonie vor allem einen hermetischen Baukörper, der in seiner Gestalt den akustischen und sichttechnischen Nöten im Inneren folgt. Im New Brutalism Großbritanniens warf man den Blick im Sinne der 'Ehrlichkeit' in der Architektur auch auf kleinteiligere Strukturen des Gebäudes. Der ganze Organismus sollte verständlich werden, so dass auch Stromleitungen sicht- und damit lesbar wurden - gedanklich ähnlich wie beim Centre Pompidou.


    Und das liebe Fallrohr ist und bleibt ebenfalls ein sichtbares Attribut der Architektur in ihrem Kampf mit dem Regen. Diese Grundfunktion des Schutzes vor Wind und Wetter ästhetisch ins Antlitz eines Baus überzeugend zu integrieren, verbindet für mich zwei vermeintlich gegensätzliche Pole: Es verbindet einen geerdeten Zugang zum Grundwesen eines Bauwerks mit der Idee von 'Form follows function'.


    Jede sinnvolle Freilegung von sekundärem Rohr- und Kabelgedärm gehört allerdings schon fast die Königsklasse der Zunft. Und so bin ich mit vielen froh, dass man sich bei dem Bau am Hbf. für die dezente Einhausung entschieden hat. Anders ürbigens als im Foyer, wo man die 'roughness' von freiliegenden Innereien abfeiert.

  • Gute moderne Architektur gefällt auch mir, der ich eigentlich Nostalgiker und Barock-Fan bin.
    Es liegt eben doch an der Qualität! :P;)

  • Update vom 24.04.2021, fotografiert von mir


    Der Europaplatz bekommt allmählich Fassung:

    Beitrag wurde thematisch gesplittet - der Teil zum Humboldthafen ist jetzt hier


    hbf_1ddjk8.jpg


    d.

  • ... trotzdem kann man dieses Sammelsurium verschiedenster Architekturen nur sehr unzureichend mit 'Platz' bezeichnen. Das trifft allerdings genauso auf den Washington Platz zu und viele andere Kreuzungen, Unterführungen und Verkehrsinseln die völlig sinnfrei das Prädikat 'Platz' verliehen bekommen. Ein Witz ist das.

  • ^Gibt es Gründe dafür? Die Gestaltung ähnelt dem Landeslabor in Adlershof - kann mir kaum vorstellen das ein Neubau so viel besser wird (leider..)

  • ^ Ja, sie werden im Beitrag ja auch genannt: veraltete Technik und Schadstoffbelastung im gesamten Gebäude.


    ^^ Danke, G. Henri, sehr interessant. V.a. die "Wartebereiche mit Edelholz" (0:39) und die Kantine "im alten S-Bahn-Look" (0:41) sind an Surrealität kaum zu überbieten. Wer hätte sich die Kantine in diesem Gebäude so vorgestellt? Wäre natürlich schön, wenn solche skurrilen Preziosen irgendwie entgiftet und gerettet werden könnten.

  • Für mich wäre dies der ideale Ort für den Neubau der Landesbibliothek gewesen. Wegen der Stadtbahn ist Wohnungsbau eh schlecht bis unmöglich, Groß genug wäre die Fläche auch, verkehrsmäßig angebunden ist es hervorragend und es würde einen kulturellen Anziehungspunkt für diese Ecke darstellen.

    Soll nicht sein.

  • ^Wenn ich mich recht entsinne, ist das letzte verbliebene Grundstück an der Ostseite des Washingtonplatzes auch in Landesbesitz, und Ephraim Gothe stellt sich in der Lage vor allem öffentliche Nutzungen vor. Das wäre ein noch prominenteres Grundstück, das auch zum Spreebogen hin einen architektonischen Akzent setzen könnte.