Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Die Zeiten, Architektenkind, an dem der Spiegel "links" und ein "Kampfblatt" war ("Sturmgeschütz der Demokratie" Augstein senior) sind lange vorbei.


    Heute ist der Spiegel ein Wirtschaftsunternehmen wie jedes andere auch, dass zuverlässig die schmale verbliebene Leserschaft in ihrer Echokammer bedient. Das ist ja ein Grund, warum die Auflagenzahlen des gedruckten Heftes stets sinken.


    Der Spiegel war immer gegen das Berliner Schloß und pflegt auch bei dieser Berufung nur die erste Assoziation Preußen = böse. Das entspricht der Ansicht der über 60 jährigen Lehrer und Hochschulangehörigen, die die Mehrheit der Leserschaft stellen, ist aber grsamtgesellschaftlich völlig irrelevant. Deshalb nutzt das Blatt natürlich jeden Anlaß, um über ein - jetzt aber wirklich unmittelbar bevorstehndes - Scheitern des Konzeptes des Humboldtforums zu berichten. Das war es ja, dass der Spiegel seit 10 Jahren prophezeit wie die Zeugen Jehovas den Untergang des Abendlandes.


    Deshalb ist der Text erwartbar und für die allgemeine Debatte von null Relevanz. Im Gegenteil: dem zeitgeistigen Dorgerloh wird es recht sein, dass er von links attackiert wird - das macht die Zustimmung der konservativen Landesregierungen für seine Intendanz leichter. Was den Spiegel betrifft prophezeie ich, dass in SPON in den nächsten Wochen das gleiche Sujet mit umgekehrten Vorzeichen besprochen wird, um Klickzahlen für die Onlineausgabe zu generieren. Schliesslich ist der Spiegel zuerst ein Wirtschaftsuntenehmen, wenn auch ein wenig profitables.

  • Konstantin: Also ehrlich gesagt ist deine Kurzfassung der Charakterisierung Preußens (=böse) doch nur konsequent.


    Wie soll man denn sonst einen Staat, der seine große wirtschaftliche und politische Macht ab 1871 nur darauf verwendet hat aufzurüsten, andere Völker und Staaten zu unterdrücken und zu beherschen, Angriffs und Vernichtungskriege zu führen und schließlich auch noch das eigene Volk (im Nazisreich) in gut und böse unterteilt und zum Schluß schonungslos geopfert hat, bezeichnen?


    Auf die heutige Zeit transferiert wäre Preußen ein führendes Mitglied der "Achse des Bösen" !!!


    Ansonsten ärgere ich mich auch über solche Artikel, egal ob bei SPON, FAZ oder Zeit. Da wissen ein paar Journalisten wirklich alles, weigern sich aber, der Öffentlichkeit die großen Antworten auf die wichtigen Fragen zu geben und ergießen sich stattdessen in solchen Pamphleten ;)

  • ^Das halte ich für einen irrelevanten Vergleich. Zur Zeit Preußens, gab es keinen weltweiten Liberalismus bzw. freien Handel in diesem Ausmaß. Alle Nationen waren mehr oder minder nationalistisch und imperialistisch. Dazu gab es weltweit pseudo-Wissenschaften die sogar Rassismus rechtfertigten.


    Kurzum: Eine völlig andere Zeit. Wie dem auch sei: Die Architektur dieser Zeit war wunderschön (in meinen Augen). Vielleicht weil Politik immer auch etwas mit Architektur zu tun hat, aber nicht zwingend immer Architektur mit Politik.


    However: Ästhetischer Anspruch ist ein Thema das in der Architektur seit dem Abgesang der Moderne wieder deutlich hervortritt. Ob man das jetzt ideologisch assoziert oder nicht.


    Demzufolge freue ich mich auch über den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Ich hätte allerdings auch nichts gegen neue Architektur die ästhetischen Normen wieder aufgeschlossen wäre, jenseits von Kästen mit Rasterfassaden.

  • ^ Lass mich raten: Du hältst den Spiegel für ein linkes Kampfblatt?


    Ich halte den Spiegel für irrelevant und zu wertlos um darüber eine emotionale Debatte zu führen. Besonders SPON.

  • Tomov: ...ist eindeutig T-Online


    Aber wir driften hier ab. Der erste Beitrag von Architektenkind fasst es mE gut zusammen. Man kennt den Mann nicht und sollte abwarten. Scheinbar macht er bisher nicht alles falsch und vielleicht wächst er mit der Aufgabe. Ansonsten wird er früher oder später ausgetauscht. Das Humboldtforum muss ja nicht auf Anhieb perfekt sein, sondern wird sich wie jedes Museum bzw jede Institution des Kultur- und Wissenschaftsbetriebes entwickeln.


    Man muss es also nicht übertreiben mit der Erwartungshaltung und dem voreiligen Katzenjammer...

  • Wie soll man denn sonst einen Staat, der seine große wirtschaftliche und politische Macht ab 1871 nur darauf verwendet hat aufzurüsten, andere Völker und Staaten zu unterdrücken und zu beherschen, Angriffs und Vernichtungskriege zu führen und schließlich auch noch das eigene Volk (im Nazisreich) in gut und böse unterteilt und zum Schluß schonungslos geopfert hat, bezeichnen?


    Da sollte vielleicht doch nochmal jemand zur Schule gehen oder sich mal ein Geschichtsbuch schnappen. Wie einer meiner Vorredner schon ausgeführt hat, waren das damals einfach völlig andere Zeiten. Was hat Napoleon denn gemacht, was das Römische Reich, egal wo du in der Geschichte vor 45 hin schaust, alle Staaten oder Bündnisse waren auf Machterhalt und sehr oft auch auf Expansion ausgelegt. Ich verstehe einfach nicht, dass man immer versucht, gerade die deutsche Geschichte mit Maßstäben der Jetztzeit zu bewerten. Krieg war bis 1945 ein häufig bebrauchtes Mittel der Politik. Das kann man heute furchtbar finden, ist aber so. Dass das Dritte Reich diese bedenkliche Ansicht derart missbraucht hat, so dass ganze Volksgruppen dem Massenmord zum Opfer vielen, war der Schlusspunkt einer grausamen Entwicklung auf dem europäischen Kontinent, er war aber in seiner Grundlage nicht einmalig. Der technische Fortschritt gepaart mit einem möderischen Willen haben unter Betrachtung der Medien aber zu diesem katasprophalen Ereignis geführt.
    Trotzdem ist die grundsätzliche Herangehensweise dabei aber doch nicht auf Deutschland beschränkt. Die Römer haben Karthago dem Erdboden gleich gemacht, Napoleon halb Europa, England und Frankreich haben ganze Kontinente besetzt und die Bevölkerung versklavt. Und auch da galt, wer nicht folgte, landete unter der Erde. Ich finde es immer etwas daneben, gerade Preußen immer die Schuld für alles und jedes zu geben. Ja, auch von Preußen gingen Kriege aus, aber es soll die Nation den ersten Stein werfen, die nichts dergleichen zu verantworten hat. Ich glaube, der Steinhaufen wird klein bleiben.
    Das soll keine Schuld schmälern, die Deutschland zu verantworten hat, aber so zu tun, als wären die Deutschen und insbesondere Preußen das alleinige Unheil Europas gewesen und alle anderen Nationen unschuldige Engel, da sollte man schon mal ehrlich zu sich selber sein und etwas mehr die historischen Fakten bemühen.

    Einmal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • Danke, Odysseus, für dieses Richtigrücken! :daumen:


    Bis zum Krieg gegen Dänemark 1864 machten sich britische Zeitungen lustig über Preußen, das wohl seit 1815 nicht mehr den Mumm für einen Krieg habe.

  • Es geht mir einfach um den Versuch einer realen Betrachtung der Verhältnisse. Manche Diskussionen sind teils völlig von Fakten entrückt, es wird nur teilzitiert, nach eigenem Ermessen werden Dinge verändert und immer häufiger wird bewusst gelogen und diese Lügen werden zu Fakten erklärt.
    Gerade das Internet ist zu einem Raum geworden, wo man wie selbstverständlich rein aus der Emotion argumentiert und das, was einem nicht passt, wird Fakenews oder man schreit es direkt nieder. Und das gilt heute für alle Seiten, links wie rechts. Es ist so schade, dass gar keine ganzheitliche Analysen von Problemen mehr möglich ist, sondern dass nur noch das zu zählen scheint, was ins eigene Meinungsbild passt.
    Man kann ja aus verscheidenen Gründen für oder gegen das Schloss sein, man kann den Inhalt gut oder schlecht finden, die Architektur, den neuen Indendanten, aber gehört es nicht zu einer Diskussion dazu, dass man sich zumindest im Groben daran orientiert, was die historischen Fakten sind?

  • ^ Mit Verlaub, so kann man nur argumentieren wenn man in das Humboldt Forum mehr hineininterpretiert oder sehen will als in diesen 3 Seitenwänden, der Kuppel und dem Schlüterhof stecken. Nur wenn man die Fragmente als eine Art lebensnotwendige Essenz Preussens betrachtet braucht man diesen ganzen Rechtfertigungsüberbau.
    Mir reicht immer noch, dass der alte Fritz den „ollen Kasten“ verabscheut hat. Das macht ihn mir von daher symphatisch und den Kasten erträglich.

  • @ camondo


    das ist genau wieder das, was ich vorhin ansprach. Du unterstellst einfach etwas, einfach weil du meinst es ist so.
    Ich für meinen Teil freue mich über den Wiederaufbau des Stadtschlosses einfach, weil es ein schöner Bau war, weil er die Mitte wieder fasst und der Stadt den historischen architektonsichen Bezugsrahmen zurück gibt.
    Ich will weder einen Kaiser zurück, noch glorifiziere ich Preußen oder will irgendwas legitimieren oder vergessen machen oder sonst was. Das einem das immer unterstelllt wird, das ist einfach einer völlig destrutiven Weltsicht zuzuschreiben.
    Es wäre daher mal schön wenn du einen inhaltichen Beitrag liefern würdest, der Argumente enthält, mit denen man sich auseinandersetzen kann.
    Die Aussage, dass du den Bau erträglich findet, weil der Alte Fritz ihn nicht mochte, das ist doch Kindergarten. Schalte doch mal dein Hirn ein und schreibt was Vernüftiges!

  • ^
    Und du hälst das für vernünftig was du da so von dir gibst? natürlich, wie sollte es anders sein bei dir.
    Ich bleibe bei meiner Meinung ich finds erträglich und freue mich auf die ausgestellten Objekte und den Dialog in den sie mit der Museums Insel treten.
    Anders als dir ist mir der Inhalt wichtiger, fast immer.

  • Baukörper
    Lies einfach mal Sebastian Haffner's 'Preussen ohne Legende', das Beste und Intelligenteste, was über Preussen geschrieben wurde.



    Es ist schon deprimierend wie selektiv und vereinfachend du Preussen darstellst
    und das anscheinend auch noch glaubst.

  • Der Kollege "Baukörper" tritt nicht zum ersten mal mit von Fakten weitgehend ungetrübter Preußenphobie in Erscheinung. Fruchtlos, darauf näher einzugehen.
    Weite Teile der geistigen "Elite" des Landes, als deren Sprachrohr sich der Spiegel ja durchaus noch sieht, stehen mit dem Schloss auf Kriegsfuß. Man weiß gar nicht so genau warum. Häufig wird die Rekonstruktion rundum abgelehnt. Spiegel-Kolumnist Georg Diez, bekanntlich um keinen Unsinn verlegen, schrieb jüngst das Schloss symbolisiere das "Gröbste und Empathieloseste im deutschen Wesen". Drunter gehts offenbar nicht. Selbst aus dem Inhalt, einst als größtmöglicher Konstrast zur äußeren Hülle gepriesen, drehen selbsternannte Kämpfer gegen Rassismus und Kolonialismus dem Projekt einen Strick. Man fragt sich, wo diese Leute waren, als die Sammlungen ein ja nun auch nicht völlig unbeachtetes Dasein in Dahlem gefristet haben.

  • Nur nochmal so nebenbei, für alle denen der Kamm schwillt wenn ich oder andere von Preußen nicht begeistert sind. Es bedarf zum Glück keiner Preußen-Phobie mehr, da es konsequenterweise abgeschafft wurde.


    Insgesamt bin ich schon überrascht, wie ausgeprägt die Rückwärtsgewandheit bei einigen hier im Forum ist. Eine nüchterne Betrachtung des Verlaufs der Geschichte würde sicher helfen und nicht noch ein und noch ein Erklärversuch benötigen, teilweise mit Hilfe aller möglichen i.d.R. konservativen Leute (z.B. Haffner), die natürlich auch nur Ihre Sicht von Preußen beschrieben haben.


    Ich erkenne an, das Preußen im Kaiserreich ein modernes, wirtschaftlich und gesellschftlich starkes Land war. Aber es ist völlig indiskutabel, was daraus gemacht wurde.
    Wer das leugnet, nach dem Motto - so waren halt die Zeiten damals - diskreditiert sich doch selbst! Als wenn es eine zwingende Notwendigkeit gab, Angriffs- und Vernichtungskriege zu führen :gewehr:


    Dennoch unterstütze ich den Wiederaufbau des Schlosses (hat ja baugeschichtlich auch nicht so viel mit dem Kaiserrreich zu tun).


    Übrigens ist es nicht nur der "linke" Spiegel, der sich kritisch zum Schloss äußert, auch die FAZ u.a. lassen kein gutes Haar daran.
    Im Grunde ist bei allen kritischen Kommentatoren immer das gleiche Muster zu erkennen: Da kein perfektes Museum, mit dem weltbesten Konzept und dem besten Management des Universums zu erwarten ist, muss es halt scheitern!


    Ich bin da anspruchsloser: Ich freue mich auf die städtebauliche Wirkung, das Museum ist für mich zweitrangig.

  • ... Spiegel-Kolumnist Georg Diez ... schrieb jüngst das Schloss symbolisiere das "Gröbste und Empathieloseste im deutschen Wesen". ....


    Ich habe versucht, den verlinkten Text zu lesen - wenige Sätze nach dem Zitat geht es plötzlich um ein Buch mit dem Spruch "Rassismus ohne Rasse" und das alles unter einer Überschrift mit Horst Seehofer und dem Islam. Insgesamt wirkt es wie denkbar wirres Zeug - aus juristischen Gründen verkneife ich mir Fragen um eventuelle Substanzen im Blut des Verfassers während des Verfassens. Insgesamt wurden im wirren Buchstabensalat -zig Sachen erwähnt - es hat nicht mal viel Sinn, auf einzelne einzugehen. Wenn man zufällig einen trifft, der irgendwas vor sich hin murmelt, diskutiert man doch nicht mit dem wirren Gemurmel, oder?

  • ^
    :lach:


    Das hat mir doch einen Lacher beschert. Nichtsdestotrotz, sollten wir unsere Diskussion (wie ein Vorredner dies bereits angemerkt hat), einfach auf das Aussehen und das Bauvorhaben beschränken. Zu oft werden Architektur und Politik vermischt.


    Das gibt ungute dicke Luft.


    Also zurück zum Thema: Ich verfolge seit geraumer Zeit die Webcam des Stadtschlosses und ich habe den Eindruck, dass es nicht so recht weitergehen mag. Hatte das schon mal erwähnt vor einiger Zeit.


    Konkret: Weiß jemand wann die äußeren Fassaden fertiggestellt sein sollten?

  • Zu Ende März sollten „die Gerüste fallen“ lt. Schlossbauverein. Ich bin letzten Sonntag ums Schloss gewandert und dachte: „Das wird aber knapp!“


    Ich kann mir vorstellen dass die letzten Kälteeinbrüche für Verzögerung um einen Monat sorgen. Süd und Nordfassade sind ca. 2/3 verputzt, bei der Westfasssade fehlt soweit ersichtlich gänzlich der Putz...

  • Gemütlichkeit

    ...dass der alte Fritz den „ollen Kasten“ verabscheut hat.


    Das mag wohl daran liegen, dass der "Junge Fritz" im "ollen Kasten" von seinem Vater viel verprügelt worden ist. In Potsdam hatte er mehr Mögliochkeiten, dem zu entgehen.
    Aber besonders gemütlich wird das Berliner Schloss mit seinen Deckenhöhen von über sieben Metern nicht gewesen sein.
    Die unter fünf Metern Deckenhöhe im Potsdamer Stadtschloss und später die Gestaltung von Sanssouci dürften ihm weit mehr entgegen gekommen sein!