Bauakademie - Rekonstruktion und Geschichte

  • Beitrag bezieht sich auf #559.


    Na, hoffentlich kommt es dann auch so, wie es die Mehrheit der Bevölkerung möchte. Zumindest das äußere Erscheinungsbild sollte dem Original entsprechen, alles andere wäre ein Affront gegenüber Schinkel. Innen würde ich zumindest das Erdgeschoss im historischen Einklang gestalten, damit nicht wie beim Humboldt Forum beim Betreten ein unstimmiger Zeitsprung erfolgt. Die weiteren Obergeschosse könnten von mir aus, wenn es nicht anders geht, den heutigen modernen Erfordernissen entsprechend gebaut werden.


    So sieht es auf dem Areal gegenwärtig aus:


    img_8342yjks7.jpg

    Fotos: Beggi

  • Interessant finde ich, dass sich insbesondere viele Frauen (71 %) für eine Rekonstruktion aussprechen.


    Rekonstruktion wird oft als Verklärung der Vergangenheit und mithin politisch rechts und auch als männlich dargestellt. Ausgehend von den Ergebnissen kann zumindest in Frage gestellt werden, ob ein Rekonstruktionsbefürworter gleich eine politisch rechts orientierte (männliche) Person ist.


    Besteht hingegen möglicherweise ein breiter gesellschaftlicher Konsens, wäre dies in Planungsverfahren als Vorgabe aufzugreifen (Bsp. neue Bebauung Alexanderplatz 20 % Rekonstruktion für eine architektonische Durchmischung).

  • Interessant finde ich, dass die Frage nach den Kosten (und deren Tragung) in der Umfrage nicht gestellt wird.

    Die Kosten-Frage ist wohl schon in 2016 vom BT beantwortet worden - und war wohl geflissentlich nie Gegenstand einer Umfrage an die Bevölkerung^.^.

    Sind ja auch bloss schlappe 60 Mio € (Stand 2016 (?).

  • Eine gute Nachricht- und das in der Berliner Zeitung.


    Ich würde auch eine generell positive Haltung gegenüber Rekonstruktionen in der deutschen Bevölkerung als eine Ursache dieses Ergebnisses ansehen. Populäre Rekonstruktionen in verschiedenen deutschen Städten wie Dresden, Frankfurt, Berlin und natürlich Potsdam haben vermutlich dazu beigetragen, dass einzelne Rekonstruktionen als Bereicherung empfunden werden.


    Ich würde mir eine originalgetreue Fassadenwiederherstellung wünschen und auch ein geschicktes Aufgreifen der früheren Gebäudekonstruktion in einem zeitgenössisch adaptierten Inneren.

  • Zumindest das äußere Erscheinungsbild sollte dem Original entsprechen, alles andere wäre ein Affront gegenüber Schinkel.

    Und wieso das? Schinkel ging zu seiner Zeit sehr frei mit historischen Vorbildern um, wollte sogar die Akropolis in Athen neu bebauen (nicht: rekonstruieren). Warum wäre es ein "Affront" gegen ihn, wenn man an Stelle seiner Bauakademie ein neues Gebäude errichtete, das ihn nur zitiert?


    Nicht dass wir uns falsch verstehen – ich bin in diesem Fall sehr für eine Rekonstruktion zu haben und wünsche mir sogar das faszinierende Innenleben zurück. Aber der "Affront"-Vorwurf soll einfach alle moralisch ins Unrecht setzen, die andere Vorschläge machen. Das ist keine sachliche Argumentation.


    Was die Umfrage betrifft: Finde ich etwas seltsam, wenn man die Leute nicht zwischen mindestens zwei Alternativen entscheiden lässt, sondern ihnen einfach Aufnahmen der Akademie vorlegt und fragt, ob sie die wieder haben wollen oder irgendetwas anderes, was gar nicht näher zu spezifizieren ist.

  • ^Das "etwas seltsame Design" der Befragung erklärt sich vielleicht ein Stück weit, wenn man auf die Auftraggeber schaut. Das war Stadtbild Deutschland in Kooperation mit dem Förderverein Bauakademie und der Gesellschaft Historisches Berlin. Doch unabhängig davon, sehe ich das ähnlich wie Architektenkind: In diesem Fall wäre eine Rekonstruktion m. E. zu begrüßen.

  • Was soll an einer einfachen Frage seltsam sein, wenn genau der Gegenstand der Frage im Moment zur Debatte steht: Rekonstruktion oder nicht? Weil "oder nicht" derzeit nicht näher beschrieben werden kann, gibt es in der Umfrage eben auch keine Alternative, über die eine Meinung eingeholt werden kann, bzw. ist diese Alternative ja durch die Möglichkeit, die Frage mit "Nein" zu beantworten, abgebildet gewesen.


    Es wurde im Übrigen in der zweiten Frage darauf hingewiesen, dass ein Architekturwettbewerb geplant ist. Die Frage, ob die Rekonstruktion der Fassaden in diesem Wettbewerb als Vorgabe gemacht werden soll, ergab ein ähnliches Ergebnis (66 Prozent ja, 24 Prozent nein, auch in allen Teilkohorten absolute Mehrheiten von 60 bis 72 Prozent).

  • Weil "oder nicht" derzeit nicht näher beschrieben werden kann, gibt es in der Umfrage eben auch keine Alternative,

    Ja, nicht wahr? Geschickt gewählter Zeitpunkt. Die Auftraggeber können sich auch später jederzeit auf dieses Ergebnis berufen – und damit Alternativen diskreditieren, die es noch gar nicht gab, als die Leute gefragt wurden.


    Es geht mir hier nicht um die Bauakademie – die will ich, wie gesagt, auch wiederhaben. Es geht mir um vermeintliche Demoskopie als Mittel der Politik. Die ist wenig aussagekräftig, weil es immer drauf ankommt, wie man fragt. Man kann fragen: "Sind Sie dafür, dass dieses Gebäude wiederersteht?" Oder man kann fragen: "Sind sie dafür, dass der Bund für die Rekonstruktion dieses Gebäudes in Berlin ca. 100 Mio. Euro* Steuergelder ausgibt?" Beide Fragen sind korrekt und beide werden sehr unterschiedliche Ergebnisse zeitigen.


    Ich finde, man sollte in Architektur- und Städtebau-Debatten ästhetisch und mit der Sache argumentieren. Sich mittels gezielter Fragestellung und viel Geld die passende Umfrage einzukaufen, finde ich windig – auch wenn ich hier mit dem Ergebnis sehr einverstanden bin. Denkbar wäre es, am Ende einen Volksentscheid statt einer Jury über einen Wettbewerb entscheiden zu lassen. Aber ob das sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Schon die Frage nach den Abstimmungs-Berechtigten wäre kaum zu lösen.


    * 2016 bewilligte der Bundestag 62 Mio. Euro für das Projekt. Inflation und generelle Teuerungsrate bei Bauvorhaben eingerechnet, sind 100 Mio. eine konservative Schätzung.

  • ^Da finde ich eher den Zusatz mit den Kosten manipulativ. Ein Wiederstehen der Bauakademie in einem modernen Stil, wäre z.B. ebenfalls mit Kosten des Steuerzahlers verbunden, womöglich sogar mehr – je nach Entwurf. Ein hochwertiger moderner Entwurf wie z.B. der Cube am Hbf, verursacht mit Sicherheit enorme Baukosten.

  • Ich finde nicht nur den bereits bestehenden Innenraum von Nöfer eindrucksvoll, flexibel und wunderbar.


    https://www.noefer.de/de/projekte/bauakademie/


    Auch steht die Innenarchitektur Schinkels hier - quasi als Rasterbau mit Punktstützen anstelle vieler trennender, tragender Wände - prototypisch für die antizipierte Moderne. Ausgerechnet diese Räume bei einem Wiederaufbau auszulassen, der in so vielerlei Hinsicht für die Frühmoderne in der Architektur so wichtig war, fände ich ausgesprochen oberflächlich und platt. Es würde für mich auch von dem weit verbreiteten Desinteresse daran zeugen, wo die allseits gepriesene Moderne gerade in Berlin einen ihrer zentralen Ursprünge hatte.

  • Für alle, die hier gegen das Vorgehen der Umfrage argumentieren, bzw. es als "windig", "geschickt", "seltsam" bezeichnen, eine fehlende Alternative bemängeln, oder ein Verschweigen der Finanzierung aus Bundesmitteln wittern, hier die genaue Fragestellung aus der Umfrage (Hervorhebung durch mich):

    „Im historischen Zentrum Berlins soll das von 1832 bis 1836 nach Entwürfen des Architekten Karl Friedrich Schinkel erbaute Bauakademiegebäude aus Bundesmitteln für eine neue, öffentliche Nutzung wiederaufgebaut werden. Das baugeschichtlich bedeutende Gebäude brannte im 2. Weltkrieg aus und wurde 1962 abgerissen. Derzeit ist offen, ob das wieder zu errichtende Gebäude eine moderne oder eine originalgetreu rekonstruierte Fassade erhalten wird.“

    Das Bauakademiegebäude sollte wiederhergestellt werden mit

    a) Fassade nach historischem Vorbild

    b) moderne Fassade

    c) weiß nicht

    Die originale Wiederherstellung der historischen Fassaden des Bauakademiegebäudes in einem Architekturwettbewerb zur Vorgabe zu machen, finden

    a) gut

    b) nicht gut

    c) weiß nicht

  • Danke für die Aufklärung, Civitas fortis! Es macht auf den ersten Blick in der Tat einen erklärungsbedürftigen Eindruck, wenn die Befürworter einer Rekonstruktion die Auftraggeber einer solche Studie sind. Umso wichtiger ist die hier erfolgte transparente Kommunikation. Ich werde versuchen, es in den nächsten Tagen in einem eigenen Artikel gleichzutun.

  • Genau....


    aber vorgelegt wurden nur Fotos der alte Bauakademie (weil was anderes gibt es ja auch noch nicht). Steht auch in dem Text!


    Es bleibt einfach schwierig, bei solchen Themen sachlich zu argumentieren.

    Diese Umfrage wird auf jeden Fall die Diskussion um den Wiederaufbau begleiten und macht einen ergebnisoffenen Wettbewerb um ein insgesamt gutes Ergebnis schwierig.

    Es wird leider zu oft vom äußeren Erscheinungsbild her argumentiert und nicht von der Nutzung.


    Sicher ist das Erscheinungsbild der alten Bauakademie erstrebenswert (ich bin auch für eine Rekonstruktion, genauso wie beim Schloss!), aber wenn darunter die zukünftige Nutzung leidet (wie beim Humboldtforum) macht es keinen Sinn, eine Rekonstruktion von vornherein, durch so eine Umfrage, zur Bedingung zu machen. Denn die Verantwortlichen sehen sich ja ab jetzt dem Vorwurf ausgesetzt, bei einem vollständig oder teilweise modernen Neubau, gegen den "eindeutigen Willen der Bevölkerung" zu handeln...

  • Man könnte auch eine Umfrage starten mit der Frage: Finden Sie es gut, dass in Berlin für 100 Miliionen Euro die Bauakademie originalgetreu wiederhergestellt wird, statt die 100 vergammelsten Schulklos in Berlin auf Vordermann zu bringen. Ja oder Nein.


    Die Umfrage sagt also erst einmal gar nichts.


    Es wird kommen, wie es kommt: Planung, Wettbewerb, Diskussion, Verwirklichung. In jedem Prozess wird es Informationen und vielleicht sogar Beteiligungsmöglichkeiten geben. Was es aber sicherlich nicht geben wird, ist eine bundesweite Volksabstimmung darüber.

  • Man könnte auch eine Umfrage starten mit der Frage: Finden Sie es gut, dass in Berlin für 100 Miliionen Euro die Bauakademie originalgetreu wiederhergestellt wird, statt die 100 vergammelsten Schulklos in Berlin auf Vordermann zu bringen. Ja oder Nein.

    Die Optionen sind ja ganz andere. Da der Bundestag das Geld bereits freigegeben hat, ist die Frage nicht ob, sondern wie die Bauakademie gebaut wird. Insofern machte die Umfrage sehr viel Sinn und war auch aussagekräftig. Ob einem selbst das Ergebnis passt oder nicht...

  • Das ist mir schon klar. Trotzdem macht die Umfrage nicht so viel Sinn, weil ich eben auch glaube, dass wie Camondo schrieb, viele außerhalb Berlins das Projekt nicht kennen. Ich wollte nur sagen, dass der Prozess unabhängig von einer einseitigen Umfrage nachvollziehbar und eben ein Prozess ist.


    Ich kann in diesem Zusammenhang das Interview mit dem Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie Guido Spars im Tagesspiegel empfehlen.

  • Für die Rekonstruktion bin ich auf jeden Fall. Man muss sich immer überlegen, dass selbst das Außenministerium der DDR bei den Anhängern der DDR Architektur keinen guten Ruf hatte. Ich kenne wirklich niemanden von den wichtigen Leuten, der je hierüber positiv gesprochen hat. Selbst Karl Heinz Grafunder hat das Außenministerium kritisiert. Da war man beim Staatsratsgebäude bedeutend besser gewesen.

    Eine andere Frage ist, ob man das Wandbild von Walter Womacka "Der Mensch gestaltet die Welt" in irgendeiner Weise integrieren kann.

    Es muss ja nicht unbedingt in der Bauakademie sein, meinetwegen könnte man es beim Umbau des Auswärtigen Amtes irgendwo unterbringen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/…_gestaltet_seine_Welt.jpg

  • ... aber der Aufhänger, weswegen ich mich zumindest hier eingelassen habe, war doch die steile Aussage, dass sich "eine Mehrheit der Bundesbürger" für eine Rekonstruktion der äusseren Gestalt ausgesprochen hat, was ich bezweifelte. Da 1. Eher eine Mehrheit der Bundesbürger keinen blassen Schimmer von der Bauakademie und deren früherer Existenz hat, 2. man vielleicht und richtiger Weise sagen sollte, dass sich in 'einer Umfrage' die Mehrheit der Befragten für eine Rekonstruktion ausgesprochen hat und nicht so tun als wäre jeder und jede des Landes zu diesem Thema befragt worden.

  • Da 1. Eher eine Mehrheit der Bundesbürger keinen blassen Schimmer von der Bauakademie und deren früherer Existenz hat

    Muss man das denn, um die ästhetische Wirkung zu beurteilen? Die Kenntnis der früheren Funktion des Baus spricht nämlich erst recht für eine originale Rekonstruktion der Außenhülle.



    2. man vielleicht und richtiger Weise sagen sollte, dass sich in 'einer Umfrage' die Mehrheit der Befragten für eine Rekonstruktion ausgesprochen hat und nicht so tun als wäre jeder und jede des Landes zu diesem Thema befragt worden.

    Damit sprichst du aber jeder unabhängigen Forsa-Umfrage einen Aussagegehalt ab. Wir dürfen doch aber annehmen, dass das Institut seit Jahren weiß, wie man repräsentative Umfragen durchführt.

  • Sicher ist das Erscheinungsbild der alten Bauakademie erstrebenswert [...], aber wenn darunter die zukünftige Nutzung leidet (wie beim Humboldtforum) macht es keinen Sinn, eine Rekonstruktion von vornherein, durch so eine Umfrage, zur Bedingung zu machen.

    Worunter die Nutzung des Humboldt-Forums durch das äußere Erscheinungsbild leiden soll, müsste nochmal schlüssig hergeleitet werden (wenn man von der Abneigung einiger gegen die rekonstruierten Fassaden absieht, die sich nicht in der Akzeptanz der Bevölkerung widerspiegelt).


    Davon unabhängig erlaube ich mir folgende Replik: Sicher ist die Ausrichtung auf die zukünftige Nutzung erstrebenswert, aber wenn darunter das Erscheinungsbild leidet, ergibt es keinen Sinn, eine Rekonstruktion der Fassaden nicht von vornherein zur Bedingung zu machen.


    Bei der Umfrage ging es auch nur um die Fassade, nicht um die Innenräume oder die Bauweise. Mal ehrlich: Dem Urvertreter der modernen Fassadengliederung eine Beeinträchtigung der Nutzbarkeit zu unterstellen ist so weit hergeholt, dass es schon fast lächerlich erscheint. Es kann doch keiner ernsthaft glauben, dass irgendwelche "individuellen" modernen skulpturalen Entwürfe mit heutzutage modischen geschwungenen, durchbrochenen oder sonstwie vom Mantra "Form folgt Funktion" abweichenden Fassaden weniger Beeinträchtigung der Nutzung bedingen, als Schinkels Entwurf.


    Sehr interessant, dass sich fast alle Diskussionsteilnehmer die Rekonstruktion der Bauakademie zu wünschen scheinen, aber trotzdem vehement gegen dafür sprechende Fakten argumentieren, nur, weil sie von der "falschen" Seite sichtbar gemacht wurden.