Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum / HU-Universitätsbibliothek

  • Lebt das Berlin Forum noch? Hier geschieht ja gar nichts mehr... In meiner Verzweiflung habe ich ein paar Bilder von Mitte Oktober rausgekramt, die ich eigentlich als unwürdig erachtet habe, weil sie an einem grauen Tag in der Dämmerung aufgenommen wurden. Soweit wie es ging habe ich sie aufgebessert, aber es zählt ja der Eindruck.


    Seht selbst, was uns die Auflagen der Denkmalpflege beschert haben, so ähnlich wird das Gebäude neben der Galerie von Herrn Bastian wohl auch aussehen, wenn dort nur die Patina entfernt wird:




    (click on pic for big)

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    So... manches war(s) zwar ein bissal unscharf, aber jetzt könnt ihr gerne eure Meinung posten, ich hoffe es gibt mal wieder was zu lesen hier ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Beschty () aus folgendem Grund: Nachteulenorthografie ;)

  • So... manches was zwar ein bissal unscharf, ...


    Mehr Unschärfe wäre hier Gnade gewesen... :mad:
    Ich bin entsetzt über den immer häufiger auftretenden Chipperfieldismus.
    Hat denn Berlin nicht genug sichtbare Wunden? :nono:

  • Also mir persönlich gefällt das Gebäude so wie es ist an sich sehr gut. Besonders die Farbgebung find ich gut. Diese Bonbon-farbene Altbausanierung, wie sie in den letzten Jahren in Berlin betrieben wurde, finde ich grässlich. Besonders schlimm ist es, wenn auch der steinerne Fensterschmuck übermalt wird. Natürlich sollte man dieses Gebäude in soweit sichern, dass nicht noch mehr Substanz abbröckelt, aber im Großen und Ganzen kann das ruhig so bleiben.

  • Ich schließe mich da mescha an. Ich war in Budapest auch beeindruckt an manchen Stellen noch Aufstandsspuren von 1956 entdecken zu können.


    Abgesehen vom Neuen Museum fallen mir nicht besonders viele Beispiele ein, die diesen Weg gegangen sind. Ein Projekt, welches noch aussteht und ich hier gern zur Diskussion stellen möchte, ist die Große Hamburger 29/39. Dort flankieren zwei (scheinbar gespiegelte) neobarocke Wohnbauten den Eingang zur Sophienkirche. Die Nummer 30 (links) ist bereits saniert, die 29 hat schon Balkone verloren und wird im Erdgeschoss mit Zäunen und Gerüsten gesichert. Die Fassade strotzt nur so vor Einschusslöchern, es lässt sich aber noch die gesamte Struktur ablesen. Ich hab leider kein Photo mit dem direkten Vergleich der Bauten, vielleicht kann ich das irgendwann nachholen. Hier aber dafür erstmal der unsanierte Teil.


    Kann gerne in den Dikussionsthread verschoben werden.

  • Ich finde es unverständlich... Ist ja nicht so, als würde man nicht überall sonst in Berlin die Nachfolgen des Krieg spüren. Und abbröckelnder Putz sind keine Kriegswunden, sondern einfach nur Verfall.

  • Mehr Unschärfe wäre hier Gnade gewesen... :mad:
    Ich bin entsetzt über den immer häufiger auftretenden Chipperfieldismus.
    Hat denn Berlin nicht genug sichtbare Wunden? :nono:


    Wohl kaum! Chipperfield hat den Sichtbeton tonnenweise in das Neue Museum geschüttet. Dies hier ist schon eher eine "Konservierung der Wunden", was Chipperfields Neues Museum lediglich vorgibt zu sein. Würde das Neue Museum heute so aussehen wie dies hier, gäbe es überhaupt keine Diskussion darum. Weil Teile des Museums jedoch komplett zerstört waren, war diese Form der Sanierung leider nicht möglich. Ganze Flügel des Neuen Museums mussten neu gebaut werden und hätten dabei rekonstruiert werden müssen (!) anstatt die Lücken mit modernistischem Schund aufzufüllen.



    Ob mit Putz oder ohne, hier sieht man wenigstens das echte Gebäude! Gerade im Kontrast zu dem seelenlosen Bunker links daneben ist die (un)sanierte Ruine ein regelrechter "Quell des Lebens". Trotz des schönen Natursteins könnten ein paar Einschusslöcher der ornamentlosen Rasterfassade links auch nicht schaden. Dann sähe das Ding vielleicht nicht mehr ganz so "tot" aus. Das rechte Gebäude hat Geschichte erlebt und Geschichten zu erzählen, das linke nicht. Erst beides zusammen sieht umwerfend aus! Das ist Berlin wie ich es mag, nicht vollkommen verfallen, aber auch nicht vollkommen glatt poliert. Städte in denen nirgendwo der Putz bröckelt gibt es schon zu viele. Wer so leben will, kann ja gerne dorthin ziehen.

  • Nachdem ich die Bauphase wie die meisten hier mit großen Interesse verfolgt habe, war ich jetzt endlich auch mal IN der neuen Bibliothek.


    Leider war mein persönlicher Eindruck etwas enttäuschend, fast bedrückend. Auf mich machte alles eine sehr beengten und unübersichtlichen Eindruck. Der terrassenartig gestaffelte Lesesaal ist innenarchitektonisch m. E. das gelungenste, sicher auch durch die schicke Holzverkleidung. Aber auch hier Enge, alles wirkt gedrängt und trotz lediglich 3/4-Belegung der Tische (als ich dort war) irgendwie überfüllt. Außerhalb des Lesesaals gibt es unzählige schmale lange weiß getünchte Koridore wie in einem Amt... zwischen den viel zu dicht aneinandergestellten Regalen fühlt man sich wie in einem angestaubten Archiv... Und vor allem diese Unübersichtlichkeit. Zumindest bei diesem für mich ersten Besuch empfand ich dies extrem.


    Stark frequentierte Bereiche wie das viel zu enge Treppenhaus zu den Schließfächern und Teile der Korridore sehen auch schon ganz schön strapaziert aus.


    Noch etwas misslungenes sind für mich die schmalen hohen Fenster - sowohl die innerhalb des Gebäudes als auch die nach außen. Durch die sehr dicken Rahmen/Wände schaut man immer durch eine Art Schacht und hat ein sehr eingeschränktes Sichtfeld, schräg zu den Seiten ist die Sicht nicht möglich.


    Ich finde die Bibliothek wirklich nicht generell schlecht, hatte mir aber mehr versprochen. Aber ich werde sicher noch öfter reinschauen, vielleicht sehe ich ja dann einiges anders. :) Vielleicht waren meine Erwartungen auch einfach zu hoch.

  • Eng aneinander stehende Regale sind ja eher noch ein Feature für eine Bibliothek. Noch effizienter wäre nur ein automatisiertes Hochregallager, mit Strichcode-Logistik. Die bedrückende Atmosphäre entsteht aber zwangsläufig, wenn man in alle Richtungen nur auf Reihen massiver Pfeiler blickt. Da ist das Material dann auch nebensächlich, es wirkt einfach eng, ganz egal ob die Räume tatsächlich zu klein sind oder nicht. Die Bibliothek wird sicher bald Drehort für den nächsten Dystopia Film werden, der vom Studio Babelsberg gedreht wird.


    Eine dystopische Gesellschaft ist in der Regel charakterisiert durch eine autoritäre oder totalitäre Regierungsform bzw. eine Form repressiver sozialer Kontrolle. Typische Charakteristika einer Dystopie sind: Dem Individuum sind durch mechanisierte Superstaaten jegliche Freiheiten genommen, die Kommunikation der Menschen untereinander ist eingeschränkt oder anderweitig gestört und das Bewusstsein der eigenen Geschichte oder eigener Werte gekappt. (Wikipedia)


    Das Set könnte in viele solche Filme passen: Equilibrium, The International, Die Bourne Trilogie. Eigentlich überall wo ein Einzelner gegen ein ganzes System kämpft. Nur als Universitätsbibliothek, wo sich der Geist frei entfalten soll, kann ich mir die Innenräume nicht vorstellen. Dafür müsste man noch einen anderen Drehort finden. Aber Utopia Filme werden ja auch eher selten gedreht. :Colgate:

  • Berlin ist ein beliebter Drehort für SciFi-Filme da es dort viel Architektur gibt die man auch und gerade außerhalb der Bundesrepublik als "modern" und "futuristisch" bezeichnet. Und in dieser Tradition scheint auch dieser Bau zumindest "gewollt" worden zu sein. Ob sich ein Zweckbau überhaupt immer dazu eignet ist eine andere Frage. Mancher wäre zB um "banale" größere Fenster froh, wie man ja hier auch in Kritiken rausliest. Auf Photos macht alles n' guten Eindruck.


    Auch mache ich große Augen wenn du Einschusslöcher von Waffen die zum Töten bestimmt waren (vielleicht ist im Kugelhagel genau dort vor 70 Jahren auch jemand gestorben) indirekt "Quell des Lebens" nennst bzw. sagst dass eine Fassade mit solchen Einschusslöchern weniger "tot" sei.

    3 Mal editiert, zuletzt von bayer ()

  • bayer
    Auch mache ich große Augen wenn du Einschusslöcher von Waffen die zum Töten bestimmt waren (vielleicht ist im Kugelhagel genau dort vor 70 Jahren auch jemand gestorben) indirekt "Quell des Lebens" nennst bzw. sagst dass eine Fassade mit solchen Einschusslöchern weniger "tot" sei.


    Gibt es eigentlich auch Waffen, die nicht zum Töten bestimmt sind? Genau dort wo die Einschusslöcher zu sehen sind, sind vor 64 Jahren zig-tausende Menschen gestorben und das nicht nur vielleicht. Berlin hat bis heute eine Millionen Einwohner weniger als vor dem Krieg. Umso wichtiger ist, das man die Spuren des Krieges noch sieht. Nicht jeden Schutthaufen, aber doch wenigstens Spuren davon. Hätte man die Einschusslöcher zugespachtelt, die Fassade entstuckt und neu verputzt, dann wären die Menschen genauso tot. Es würde nur nichts mehr daran erinnern, weil die Gegend genauso steril und leblos aussähe wie halb Nachkriegsdeutschland. Ich war auch dezidiert dagegen, die Statuen von Arno Breker vor dem Olympiastadion abzuräumen (was dann auch nicht geschehen ist) oder den geplanten U-Bahnhof Reichstag in Bundestag umzubenennen (was leider doch geschehen ist). Wer die Spuren von Geschichte tilgt, macht sie nicht ungeschehen. Antifaschismus und Pazifismus machen auch nur vor Kriegen Sinn. Danach macht man sich damit höchstens lächerlich. Soll doch ruhig jeder sehen, das Berlin nicht kampflos übergeben wurde und um jeden Straßenzug erbittert gekämpft wurde. Ob aus Heimatliebe oder Rassenideologie kann ja jeder für sich selbst ergründen.

  • Politische Aufladung von Bauwerken und Orten kann ich nicht nachvollziehen, dafür fehlt mir das Grundverständnis insofern kann ich dazu nichts weiter sagen. Sie haben da halt Ihren Standpunkt und ich meinen. Diese Schlagwörter wie "steril" sind aber für mich ein Beispiel von Phrasendrescherei höchster Güte. Und jetzt kommt gleich wieder irgendwas mit Schwaben und "Provinz"? Berlin sollte sich mal überlegen was es sein will anstatt sich darüber zu definieren was es alles nicht sein will bzw. zwanghaft vorgibt nicht zu sein. Das hat mit Stuck oder dergleichen auch gar nichts zu tun. Und so sehr ich, nicht nur die politische, Aufladung von Bauwerken mit Emotionen wenig nachvollziehen kann so muss ich sagen dass ich Berlin als eine der sterilsten Städte die ich in meinem Leben besucht habe empfinde - nicht aufgrund von Bauwerken und Architektur, sondern aufgrund der Menschen die auf mich eine befremdliche Kälte ausgestrahlt haben. Menschen machen lebendige Städte aus, nicht Einschusslöcher & Stuck. Keine Gesellschaft wird an Bauwerken genesen.

  • Ein Lesetipp für "bayer":


    Georg Simmel und dessen Vortrag über das Geistesleben in Großstädten (1903).
    Stichworte: Blasiertheit und Reserviertheit sind Eigenschaften, die der Großstädter zum Überleben in der selbigen entwickelt.



    Simmel will dies nicht per se negativ verstanden wissen, sondern betont auch die positiven Effekte die aus den Eigenschaften erwachsen. Er war damit Begründer der modernen Stadtsoziologie.


    Und Deutschland kann wie jedes Land dieser Welt nur EINE wahre Metropole haben. Das ist Berlin. Auch wenn das meine bayrischen Landsleute allzu sehr schmerzt. München hat mit dem Slogan "heimliche Hauptstadt mit Herz" im Grunde die eigene Provinzialität ins positive zu wenden versucht. Das ist hübsch, aber grade eben NICHT Metropolitan.



    Zum Grimm-Zentrum:


    ich erlebe die Nachteile des Gebäudes fast Tag für Tag. Wesentlicher Kritikpunkt meinerseits ist die Garderobensituation.
    Trotzdem ist das Gebäude aber ein echter Hingucker und funktioniert fast zu gut. Denn immer mehr nicht HU-Staff/Studies macht sich da breit weil es so zentral gelegen und so gut ausgestattet ist.



    D.

  • bayer: Das ist nun mal die Mentalitaet in unseren Breitengraden. Anstatt in Lederhosen Schuhplattler zu veranstalten, kultivieren wir lieber die "Grimmigkeit." Ick find's janz jut so...

  • Diese neuen Dachgeschosse sind ja schön und gut, aber ich komme einfach nicht darüber hinweg, dass man die Fassade des Hauses (so ein prächtiger Vertreter des Späthistorismus!) neben der Bibliothek mit allen Kriegsschäden "konserviert" hat. Wird im Werbevideo ebenfalls beworben und als etwas einzigartiges in Berlin dargestellt. Dabei breitet sich dieser Ruinenkult gerade wie eine Seuche um die Museumsinsel aus (wo sie ja mit dem Neuen Museum ihren Anfang nahm).
    Ich finde diese zerschossenen Fassaden mit absichtlich abröckelndem Putz echt grausig! D: Hoffentlich ist dieser Kriegs/Zerstörungs-Fetisch nur eine kurzlebige Modeerscheinung...

  • Schlimm, schlimm, dass in der feinen Mitte von Deutschlands Hauptstadt noch so ein eigentlich schönes Gebäude vor sich hin bröckelt.:Nieder:
    Auch das Gebäude direkt neben Chipperfields Galerie am Kupfergraben fällt mir da ein. Wir kann's sowas geben?:nono:


    Die Fassade der Geschwister Scholl Str. 5 soll so aussehen und wurde kurz vor der Fertigstellung der Bibliothek konserviert. Man kann über das Konzep des Landes Denkmal Amtes geteielter Meinung sein, es kamen aber nur wenige ausführende Unternehmen in die engere Auswahl. Damal war ich Bauleiter an diesem Objekt und kann nur sagen, dass es eine sehr interessante Ausführungsvariante ist (zudem preiswerter). An der Doro 1 (neben Chipperfields Galerie) wurde das gleiche durchgeführt.

  • kein Sandstein

    Kann denn dieser gelbliche Sandstein überhaupt ergrauen?


    Das ist Kalkstein, und dazu noch nicht Materialgerecht verwendet. wird wohl in rund 20 Jahren wieder runter kommen.

  • ^Wie ist denn die Bröckelfassade konserviert worden, Propp? Wird das verkieselt, mit Harz überzogen oder wie macht man so etwas?