Wiederaufbau Berliner Stadtschloss

  • Ich sehe das anders herum. Erst in der jüngeren Zeit, die uns das Mitspracherecht bei allem und jedem beschert hat, haben sich eigenständige "Volksmeinungen" entwickelt. Die Basis dafür ist nicht etwa ein irgendwo objektives Schönheitsempfinden (das Trägern von schwarzen Rollkragenpullovern irgendwie abhanden gekommen ist) sondern die Tatsache, dass man sich heute nicht mehr intensiv mit Dingen beschäftigen muss, wenn man mitreden oder mitgestalten will.


    Expertenmeinungen taugen nach diesem Demokratieverständnis nicht mehr als die von Lieschen Müller. Eine Wortmeldung, die aus dem Bodensatz eines ungelenkigen Geistes entsteht gilt mittlerweile als völlig legitim. Mehrere davon sollen dann offenbar Volkes Meinung abbilden.


    Nicht umsonst gibt es hier noch ältere Generationen oder andernorts ganze Gesellschaften, deren Wertmaßstäbe bei architektonischen Beurteilungen völlig vom aktuellen Zeitgeschmack der neudeutschen Wir-Wissen-Alles -Besser-Ära abweichen.


    Einigen dürfte das analog zur Hochhaus-Debatte bekannt vorkommen.


    Zusammengefasst: Es ist eher das neuere, tumbe Demokratieverständnis (samt seiner medialen Verbreitung) als die Unfähigkeit oder Arroganz zeitgenössischer Planer und Architekten, die zur genannten Diskrepanz führt. Dafür, dass einzig Architekten die Buhmänner sein sollen, sehe ich keine ernsthafte Begründung. Pauschal Dummheit oder Arroganz zu unterstellen, ist haltlos und billig.



    Gruss
    AeG

  • Zitat von AeG


    Expertenmeinungen taugen nach diesem Demokratieverständnis nicht mehr als die von Lieschen Müller.


    Ist mir schon klar, daß sich Fachleute für raffinierte techn. Details und aufwendige Konstruktionen usw. begeistern können, aber viel mehr als die Fassade nimmt ein Normalo eben nicht wahr. Und diese Normalos stellen eben die große Mehrheit und da ist es durchaus legitim, daß sie äußern können was ihnen gefällt und was nicht. Kann ich schon verstehen, daß es für einen (angehenden?) Architekten frustrierend ist, wenn Zeitgenössisches oft abgelehnt wird. Da hilft nur: gefälligere (bessere) Entwürfe machen. Provozieren und Experimentieren tut man besser im eigenen Hinterhof.


    Zitat von AeG


    Pauschal Dummheit oder Arroganz zu unterstellen, ist haltlos und billig.


    Machst Du aber irgendwie:
    "Eine Wortmeldung, die aus dem Bodensatz eines ungelenkigen Geistes entsteht"
    Hast Du Dir das Umfrageergebnis hier im Forum angeschaut? Willst Du die Mehrheit hier so beschimpfen?

  • Ich sehe es weniger als Unterstellung an, wenn ich das jemandem, der sich definitiv nicht so intensiv mit der Materie berschäftigt hat wie jene, die es von beruf(ung)swegen tun, vorhalte. Im umkekehrt Falle finde ich es treffender.


    MartyMUC die ernsthafte Beschäftigung mit der Architektur geht üblicherweise weit über die Begeisterung an Details und Konstrukion hinaus (ich zähle mich definitiv nicht zu dieser kleinen Gruppe, für die das genügt!). Einen intensiven Zugang zur Thematik kann man m. E. auch nur erlangen, wenn man die heutigen Rahmenbedingungen analysiert und akzeptiert hat. Diese werden gemeinhin nicht von den Architekten gemacht.



    Wenn Du mir unterstellst, als Angehender müsste ich zwangsweise die Zunft in Schutz nehmen, dann zäumst Du das Pferd von hinten auf. Zuerst war schließlich das Interesse an der Architektur vorhanden. Daraus bildeten sich erst nach intensivem Studium heutige Standpunkte. Anderfalls würde es bedeuten: wer arrogant und blöd ist, der studiert Architektur. Und folgend: eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus (das würde einigen natürlich gerade passen ;))



    Gruss
    AeG

  • Könnte auch sein, Dein Interpreter bräuchte mal ein Update ;). Zitier' mir doch einfach die Passagen mit "schräger Logik". Dann können wir darüber reden.



    Zitat von MartyMUC

    Provozieren und Experimentieren tut man besser im eigenen Hinterhof.



    Das sehe ich ganz genau so. Ich bin definitiv kein Freund von "Erfindungen" um der Erfindung wegen (das sollte bereits an anderen Stellen dieses Forums klar geworden sein) Aber - und damit beweißt Du die von mir unterstellte Ungelenkigkeit - zwischen einer Schloss-Kopie (die allenfalls städtebaulich interessant wäre, aber architektonisch nichts Herausragendes darstellen würde!) und einer selbstgefälligen Erfindung liegen Welten! Im Übrigen sind selbst fremdartige "Erfindungen", wenn sie erst einmal geschaffen wurden (und nicht ausschließlich dem Diktat der wirtschaftlichen Maximierung verpflichtet sind) von der Mehrheit anerkannt und werden irgendwann sogar geliebt. Das betrifft z. B. das Centre Pompidou, die Glaspyramide im Louvre, die affige Reichstagskuppel, die Stuttgarter Nationalgalerie, das selige World Trade Center, den Eiffelturm etc. Vorher haben alle aufgeschrien - genau wie hier!



    Hast Du Dir das Umfrageergebnis hier im Forum angeschaut? Willst Du die Mehrheit hier so beschimpfen?


    Schwerer Tobak. Ein nicht unbeachtlicher Teil von Polit-Akteuren hält den jeweiligen Gegner für unterbelichtet (d. h. z. B. bei den Grünen: 95 Prozent aller Deutschen sind in deren Augen doof, oder? ;) - und dafür gibt's sogar noch Geld :D). Ein Lehrer hat 25 Schüler, denen er was beibringt (folglich sind in dieser Konstellation 96,2 Prozent der Anwesenden doof; gibt'S auch Geld dafür). Kannst Du bis hier folgen, oder ist das schon wieder zu schräg? :D


    Behauptest Du eigentlich, die zwölf Prozent Nein-Sager seien nicht sehr helle im Kopf? Ist Hirnschmalz eine Frage von Mehrheitsverteilungen? Die Sache liegt hier doch etwas anders. Ich gehe davon aus, die große Mehrheit der abstimmenden Anwesenden hat ihre Entscheidung aus dem Bauch getroffen. Die Abstimmung reflektiert damit zwar die derzeitige Gemütslage, könnte aber nicht als politischer Auftrag durchgehen.


    Und ich setze mich in die Nesseln: Wer vom Schloss derart überzeugt ist, dass er hier nicht nur mal eben einen Klick macht, sondern alle Argumente der Gegner in den Wind schlägt, keine Toleranz und keinen Respekt vor den heutigen und möglichen künftigen Leistungen zeigt und in dessen Fantasie es nur das Schloss geben kann, weil die Alternative angeblich nur ein misslingendes Experiment werde (was historische Erfahrungen widerlegen - s. o.), wer so selbstgefällig eine historische Zäsur betreibt, die ausser auf dem eigenen Fokus auf nichts gründet, der wäre ziemlich dämlich (das Schicksal früherer Potsdamer-Platz Gegner wüde ich nur ungern teilen wollen :)) Und in diesem Fall wäre es mir auch egal, wenn das alle 88 Prozent der hier anwesenden Schloss-Befürworter beträfe! Mit dem Zeigefinger der politicall correctness jedewede Mehrheitsmeinung zemetieren zu wollen, beindruckt mich nicht, MartyMUC.



    Ich fasse es gerne noch einmal weniger "schräg" erscheinend zusammen:


    nur auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen und der bequemen Gewohnheit erliegen = doof,


    Vertrauen in andere und in die Zukunft haben, jedwede Fakten, wie Rahmenbedingungen berücksichtigen und die Realitäten akzeptieren = nicht so doof. :)




    Gruss
    AeG

  • Zitat von AeG


    Das sehe ich ganz genau so. Ich bin definitiv kein Freund von "Erfindungen" um der Erfindung wegen (das sollte bereits an anderen Stellen dieses Forums klar geworden sein)


    Ich finde die Philosophie von Hilmer, Sattler und Albrecht gut:


    "Entwerfen hat weniger mit Erfinden als mit dem Neukombinieren von gespeicherten architektonischen Erinnerungen zu tun."


    Mit dieser Philosophie möchten die Münchener Architekten Hilmer & Sattler und Albrecht zum Ausdruck bringen, dass sie sich nicht der besonders in der Moderne gehegten Hoffnung hingeben, etwas wirklich Neues erfinden zu können, sondern sich statt dessen bewusst an den immer wiederkehrenden Grundformen der Architektur und des Städtebaus orientieren.
    Hilmer & Sattler und Albrecht haben weder den Ehrgeiz noch das Ziel, das ganz andere Haus oder die ganz andere Stadt zu entwerfen, sondern das Haus und die Stadt so gut wie nur möglich aus ihrem jeweiligen Kontext heraus zu entwickeln. Sie möchten mit ihrer Arbeit im wörtlichen Sinn auf der Erfahrung der Vergangenheit aufbauen.


    Zitat von AeG


    Aber - und damit beweißt Du die von mir unterstellte Ungelenkigkeit - zwischen einer Schloss-Kopie (die allenfalls städtebaulich interessant wäre, aber architektonisch nichts Herausragendes darstellen würde!)


    Ist mir egal. Ich finde meistens die alte Architektur in ihrer Ästhetik überlegen. Das bereitet mir keine Magenschmerzen, wenn Du mich deswegen für dumm hältst.


    Zitat von AeG

    Schwerer Tobak.
    Behauptest Du eigentlich, die zwölf Prozent Nein-Sager seien nicht sehr helle im Kopf?


    Du bist doch derjenige, der hier einer Menge Leute Dummheit unterstellt. Ich habe sowas nie behauptet. Ich unterstelle allenfalls schlechten Geschmack oder ideologische Verbohrtheit.


    Zitat von AeG


    weil die Alternative angeblich nur ein misslingendes Experiment werde


    Das würde es, glaub mir.


    Zitat von AeG


    Mit dem Zeigefinger der politicall correctness jedewede Mehrheitsmeinung zemetieren zu wollen, beindruckt mich nicht, MartyMUC.


    :confused: Mir gefielen nur Deine Beleidigungen nicht.

  • Um den Dialog ein wenig zu erweitern:


    Ich sehe das Kernargument nicht wirklich widerlegt. Was mich und - so ich meinen Vorredner richtig interpretiere - auch AeG an vielen (nicht allen!) öffentlich geführten Debatten stört ist die schiere Oberflächlichkeit, die, so scheint es manchmal, mit aller Kraft verteidigt wird, nur um keinen Boden an den ideologischen Gegner zu verlieren.
    Läuft dies dann z.B. auf die bekannte pauschale Ablehnug moderner Ästhetik hinaus, muss man deswegen sicher nicht polemisch werden, ich halte es aber für durchaus angemessen in solchen Fällen Inkompetenz zu unterstellen (die nun beim besten Willen nicht durch die Masse ihrer Vertreter im Bezug auf die Sache zu rechtfertigen ist).


    Noch ein kurzes Zitat von AeG aus dessen vorigem Beitrag (hoffe das geht in Ordnung):


    Ich gehe davon aus, die große Mehrheit der abstimmenden Anwesenden hat ihre Entscheidung aus dem Bauch getroffen. Die Abstimmung reflektiert damit zwar die derzeitige Gemütslage, könnte aber nicht als politischer Auftrag durchgehen.


    Das trifft es auf den Punkt.

  • Die einen nennen es "Dummheit", andere "geistige Unbeweglichkeit" und wieder andere "Inkompetenz" (wobei mir Letzteres auch sehr gut gefällt, weil man sich damit am besten den Vorwurf der Beleidigung fernhalten kann)


    Noch andere Vorschläge? :D

  • Zitat von Agamemnon


    Noch ein kurzes Zitat von AeG aus dessen vorigem Beitrag (hoffe das geht in Ordnung):


    Ich gehe davon aus, die große Mehrheit der abstimmenden Anwesenden hat ihre Entscheidung aus dem Bauch getroffen. Die Abstimmung reflektiert damit zwar die derzeitige Gemütslage, könnte aber nicht als politischer Auftrag durchgehen.


    Was soll an einer Bauchentscheidung falsch sein?

  • ... vielleicht, dass sie zu stark vom Wetter, vom Wochentag, vom Fernsehprogramm oder vom Kantinenchef anhängig ist, dass sie sich leicht von Bauernfängern manipulieren lässt oder dass sie auf Entscheidungsebene nicht ernsthaft mit dem Verstand konkurrieren kann? ;)

  • Deine einzige Hoffnung wird Geldmangel sein, ansonsten werden wir rückwärtsgewandten Nixchecker siegen :Koenig:

  • "rückwärtsgewandte Nixchecker" find' ick jut! :D


    Klar, weiß ich, das Ihr die Schlacht breits gewonnen habt. Deswegen mach' ich ja hier den Joschka: wenig zu melden, aber dafür um so mehr Wind - samt dessen nachdenklicher Attitüde, versteht sich. ;)

  • Hab' ich jemals gesagt, ich will den Palast?


    Ich könnt' ja jetzt schon wieder sagen, dass ... :D


    Aber ich lass' es lieber. ;)

  • "Infobox am Schlossplatz muss warten


    Berlin (dpa/bb) - Die geplante Infobox auf dem Schlossplatz muss solange warten, bis alle Baustelleneinrichtungen für den Abriss des Palastes der Republik und die Details der Zwischennutzung des Platzes geklärt sind. Das geht aus einer am Freitag veröffentlichten Antwort von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) auf eine Mündliche Anfrage der FDP hervor. Eine vorzeitige Aufstellung der Infobox würde «dem Entwicklungsziel des Abrisses des Palastes der Republik» entgegenstehen, heißt es darin."


    http://morgenpost.berlin1.de/z…eyword=&suche=&nid=385367


    ich versteh beim Besten willen nicht, warum sie das vertendeln...wenn die schon zur WM stehen würde, könnte man sicher einiges an Spenden einstreichen... :nono:

  • Hallelujah!


    Der Abriss beginnt!
    Schiffsbagger beginnen schon mit den Vorarbeiten für das Ende des Palastes


    Mitte - Viele Berliner haben gehofft, dass dieser Tag nicht kommen würde: Der Tag des Abrisses des Palastes der Republik. Doch jetzt hat der "Rückbau" der Betonruine, wie das die Fachleute beschönigend nennen und wie es im Bundestag beschlossen wurde, ganz still und heimlich begonnen.


    Die Vorboten des Untergangs: Es sind unscheinbare Lastenkähne, die nun still und leise und von der Öffentlichkeit unbemerkt an der Spreeseite des Palastes der Republik festgemacht haben.


    "Die Arbeiter richten gerade eine Anlegestelle für die Schlepper her, die den beim Abriss entstehenden Bauschutt über den Wasserweg zu den Deponien transportieren werden", sagt eine Mitarbeiterin vom Schifffahrtsamt Berlin dem KURIER.


    Der Vorteil der Schiffe: Beim Abtransport des Schutts übers Wasser wird der Berliner Straßenverkehr entlastet. Man muss sich nur vorstellen, wie viele Baulaster ständig unterwegs wären und die Straßen verstopfen würden, um tonnenweise die Stahl- und Betonteile auf die Schutt-Deponien ins Berliner Umland zu bringen.


    Außerdem können die Kähne viel größere Mengen bewältigen: Ein Schlepper fasst bis zu 400 Tonnen.


    Auf der Hinfahrt werden die Schiffe Tonnen von Sand zu der Palast-Baustelle bringen: Die werden in das "schwimmende Fundament" des Palazzo eingespült, auf dem die Ruine steht. Der Sand dient quasi als Gegenlast. Denn das "schwimmende Fundament" würde sonst plötzlich auftauchen und schweren Schaden anrichten, wenn der Palast darauf abgerissen ist.


    Doch wer wird "Erichs Lampenladen" beseitigen? "Die europaweiten Ausschreibungen sind gerade raus", sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsbauverwaltung. In einem Monat steht fest, wer den Palast zerlegt.


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    Arbeiten starten eher als geplant


    Dass jetzt der Palast-Abriss beginnt, kommt überraschend: Denn erst ab Dezember sollte laut Senat mit den Arbeiten begonnen werden (Kosten: 20 Millionen Euro). Der Palast der Republik: 1976 wurde er eröffnet. SED-Parteitage, Jugendweihe, Frühlingsbälle und Konzerte mit Stars aus Ost- und West - damit war 1990 Schluss. Der Palast wurde wegen Asbestverseuchung geschlossen. 1999 wurden die verseuchten Bauteile entfernt. 2002 beschloss der Bundestag den Abriss des Hauses.


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    http://www.berlinonline.de/ber…28/berlin/0005/index.html