Stuttgart & BW: Image, Wirtschaft, Kultur, etc.

  • Wir behäbigen Schwaben sind eben Schnarchnasen, die sich gerne von den cleveren Bayern die Butter vom Brot nehmen lassen. (Ich darf das sagen, da ich selbst Schwabe bin!) Das war immer schon so. Und es wird vermutlich auch immer so bleiben.

    Was soll das denn heißen? ^.^


    Ich denke, bzgl. Baustellen ist primär die Rede von S-21.


    Die Kritiken finde ich z.T. etwas übertrieben. Bzgl gespaltene Stadtgesellschaften: Wie wird deren Ausprägung gemessen? Wie die Stimmung in der Stadt? Oder ist das eher subjektives Empfinden?

    Bzgl. Stadtreparatur: In Dresden wird gerade einmal der engste Kreis um die Frauenkirche herum nach altem Stil neugestaltet - so schön das ist - direkt angrenzend stehen dutzende lose gesetzte Wohnriegel. Stuttgart dagegen, glücklicherweise nicht in der DDR gelegen, hat sich während des Wiederaufbaus seinen dicht bebauten Kessel erhalten. In Berlin entsteht das Schloss neu, naja in Stuttgart steht es schon. Allerdings ist eine 3,5 Millionen / 855 qkm Stadt eine andere Hausnummer als das 600.000 Einwohner starke Stuttgart (Ballungsraum hin oder her). Die (Schein)Rekonstruktionen der Frankfurter Altstadt, wären ggf. auch was für Stuttgart; rund ums Rathaus hieß es hier mal, wären die verschwundenen Altbauten aber auch nicht zwingend rekonstruktionswürdig.

    Stattdessen erhält die Stadt mit S-21 doch ein riesiges Plus was die städtebauliche Struktur betrifft. Vermutlich die größte Weiterentwicklung und Stadtreparatur in Stuttgart nach dem Wiederaufbau.

  • Vielleicht wird sogar objektiv wenig gebaut, subjektiv ist der Eindruck aber: ich komme am Bahnhof in der Innenstadt an und da erwartet mich erstmal ein Riesenkrater. Dann geh ich in die Fußgängerzone oder an der Theo entlang und auch da werden viele größere Gebäude abgerissen.

    Für BesucherInnen ist halt das die Visitenkarte der Stadt, und die interessiert's eher wenig ob in Wohngebieten oder Industreigebieten am Rand alles fertig ist...

    Neall: du findest das chaotisch, ernsthaft? Ich würde eher handwerklich und gewachsen sagen. Ich finde eher das was die Nachkriegsplanung am Cannstatter Wilhelmsplatz, Rotebühl- und (kleinem) Schlossplatz veranstaltet hat chaotisch.

    Logischerweise sind die Straßen auf Grund der Topologie eng und es gibt keine großen Alleen. Aber das dann dörflich zu nennen wird dem nicht gerecht. Es ist nicht Berlin oder Hamburg, aber auf dem Niveau befindet sich Stuttgart doch auch heute nicht.

    Als spezifisch stuttgarterisch würde ich die Spaltung der Gesellschaft übrigens nicht ansehen. Die Gesellschaft ist doch momentan in allen größeren Städten der westlichen Welt gespalten. Auch Mietenwahnsinn sei Dank. Stuttgart 21 wäre natürlich auch ein Beispiel, aber Hambi z.B. genau so. Eine linke Szene gibt es auch in allen Großstädten und ich habe den Eindruck in Stuttgart ist die deutlich braver als in Frankfurt, Berlin und co. ^^

  • Vielleicht liegt es auch an meinem subjektiven Empfinden. Ich komme ursprünglich aus der Graffiti Szene und habe noch ganz gute kontakte hier und da. Ich kann sagen, in Stuttgart brodelt es gewaltig. Abseits des Mainstreams hat sich in Stuttgart eine ziemlich eigene Szene herausgebildet. Die Krawalle dieses Jahr haben mich z. B. nicht sonderlich überrascht. Dazu passt auch ein Artikel der Stuttgarter Zeitung das die Polizei vor der Graffiti Szene mehr oder weniger kapituliert hat. Vom ursprünglich sehr bürgerlichen Stuttgart spüre ich teilweise nichtmehr viel. Wobei man sagen muss, das Breuninger und Böhm schon noch sehr gediegene Stuttgarter Aushängeschilder sind.

  • Ich denke, bzgl. Baustellen ist primär die Rede von S-21.

    Ja, das Europaviertel ist sogar ein ziemlich kleiner Brocken im Vergleich zum Rosenstein‐Quartier.

    Die Konzepte schrecken einen aber vielmehr ab, als das sie überzeugen könnten.


    Ein Viertel für Grünflächen, als ob es in Stuttgart nicht schon genug davon gäbe.

    Gebäudemassen, welche eher für eine Mittelstadt angemessen sind, als einer Landeshauptstadt mit 600.000 Einw.

    Natürlich muss auch alles auf Ökologie und Nachhaltigkeit getrimmt sein.


    Bei der B14, welche ebenfalls aus dem Stadtbild verschwinden soll, ist ein ähnliches Elend geplant.

  • Ich denke schon auch, dass es aktuell schlecht für das Image von Stuttgart ist, dass die Stadt oft im Zusammenhang mit Feinstaub und Quatschdenkern genannt wird. Auch die Tatsache, dass der Hauptbahnhof Großbaustelle oder runtergekommen ist (je nach dem wo man gerade genau ist), hilft nicht. Allerdings wurden viele Dinge richtig gemacht, vieles wirkt einladend (Marienplatz, Königstraße, Feuersee), das sind aber vorwiegend Orte die man bestenfalls auf den zweiten Blick wahrnimmt. Es wird also sicher helfen, wenn der Hauptbahnhof fertig ist.


    Das Image als Technologie- und Auto-Stadt finde ich ehrlich gesagt super, es kommen auch viele Touristen um z.B. die Automuseen anzuschauen. Das halte ich für ausbaubar, man könnte analog der "Route der Industriekultur" im Ruhrpot etwas ähnliches in Stuttgart und Umgebung schaffen. Der Konflikt entsteht aus meiner Sicht daher, das manche die Autobauer gerne schlecht machen während andere da z.B. arbeiten. Man könnte da ruhig mehr darauf stolz sein.


    Zusätzlich sind die Flächenknappheit und hohen Mieten natürlich nicht gerade hilfreich für die Entstehung irgendwelcher hipper Szenelocations. Sowas hilft aber eben auch beim Image einer Stadt.

  • Ich kann sagen, in Stuttgart brodelt es gewaltig.

    Und warum brodelt es? Das kann doch nicht alles an S21 liegen. Und hohe Mieten bzw. Wohnungsknappheit gibt es auch in anderen Städte der Republik. Was sind die Gründe für die Unzufriedenheit?

  • Das halte ich für ausbaubar, man könnte analog der "Route der Industriekultur" im Ruhrpot etwas ähnliches in Stuttgart und Umgebung schaffen.

    Wobei die Route der Industriekultur natürlich die Musealisierung einer abgeschlossenen Industrieepoche ist, etwas das man in Stuttgart unbedingt vermeiden will, dass man beim Umstieg auf Elektroantrieb und dem "Auto als digitalen Lebensraum" in die Röhre guckt.


    Will heißen, eher Werksbesichtigungen lebendiger und hoffentlich zukünftiger Industrien als das Starren auf verrottende Industriebauten aus einer vergangenen Zeit, die hin und wieder als Spielstätten für teuer subventionierte Hochkultur dienen.

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  • Keine Sorge, Stuttgart hat auch viele sehr schöne Ecken. Gerade die halbhöhenlagen rund um den Kessel sind sehr schön, überhaupt ist Stuttgart sehr grün und man ist recht schnell im schönen Umland wo es viele kleinere, reizvolle Städte gibt. Von woher ziehst du denn nach Stuttgart?

  • Regent, vergiss die vielen kleinen Feste im Sommer nicht (Bohnenviertelfest, Heugsteigviertelfest, Sommerfest, Marienplatzfest und Westallee usw.) Ich kenne viele aus Hamburg, Berlin und Köln, die gerade deswegen die Stadt besuchen.


    Das die Innenstadt innerhalb des Cityrings kein Schönheitswettbewerb gewinnt, ist wohl allen klar. Der Charme von Stuttgart ist mehr außerhalb des Cityrings zu finden. Besonders im Westen, Süden, im Lehnen-. Heusteig- und Stitzenburgviertel sowie die Gegend am Bopser und Teehaus (Weißenburgpark) herum. Auch besitzt Stuttgart viele schöne Hochpunkte Weißenburgpark, Landschaftspark Wernhalde direkt an der neuen Weinsteige mit seinen kalifornischen Mammutbäumen, Uhlandshöhe mit Sternwarte, Eugensplatz u. Karlshöhe mit schönen Biergarten usw. Auch der Killesberg Höhenpark ist nicht zu verachten. Das schöne an der Stadt ist, dass man schnell im Grünen ist und der Stadtwald direkt an der Stadt angrenzt und man in drei Mineralbäder innerhalb der Stadt schön den Tag vergessen kann.


    Das so manche in der Republik Stuttgart als hässlich empfindet, liegt auch daran, dass die meisten nur die Innenstadt innerhalb des Cityrings kennen und mehr nicht. Den Feinstaubalarm wurde aufgrund der guten Luftqualität auch wieder abgeschafft. Ich habe aufgrund Couchsurfing viele Gäste und viele sind über die Stadt positiv überrascht.

  • „Stuttgart ist wieder da – die Baustellen sind weg“ das war eine Kampagne von 1977. Zu dieser Zeit wurde die S-Bahn fertiggestellt, nachdem die U-Bahn über lange Jahre entstanden ist. Heute sind die Baustellen imho erheblich weniger auffällig, siehe Bau der Klettpassage ...

    Ich persönlich liebe Baustellen, so war ich des Öfteren, am Potsdamer Platz unser Rosenstein könnte die gleiche Größe sein und ich finde auch das dieser Bereich mehr Dichte gebrauchen wird. Berlin war Mitte/Ende der 90er gerade wegen der Baustellen der Platz auf der Welt.

    Es gibt keinen Grund, warum wir im Rosenstein nicht in der Lage sein sollten, die smarter City der Zukunft zu bauen. Mit dem bisherigen OB jedoch wenig vorstellbar. Er selbst nannte sich einen "wertkonservativen" Politiker, der Werte erhalten will, dies ist die Gegenhaltung zu Bauen von Neuen.


    Wer ohne Lust baut, der produziert Frust, so wird es reichen, dass wir wieder die Menschen in den Vordergrund setzen, die eine Freude an Neuem haben. Genau das wird der neue OB nach meiner Meinung machen und ist somit alles nur nicht Einer, der keine Neuerung will. Genau das ist die Angst von Einigen im Gemeinderat, das wir von einer sehr ruhigen wertkonservativen zu einer zielgerichteten Führung wechseln, die viele aus ihrem Winterschlaf wecken wird.

  • Aber woran kann es liegen, dass Stuttgart trotz Geldregens so unattraktiv ist? Viele Städte in Ost-Europa machen mittlerweile einen weitaus wohlhabenderen Eindruck als das Zentrum des technologischen Herzens der Republik. Korrigiere: jede Stadt vergleichbarer Größenordnung in dieser Region, die bis vor einer Generation noch von bitterer Armut gekennzeichnet war. Es ist mir ein Rätsel Leute, ganz ehrlich.


    Fallstudie: Posen. Oben Stuttgart, unten Polen. Wo würdet ihr lieber wohnen? Wer sagt: Das ist doch selektiv! Dem möchte ich entgegnen, dass er sich selbst ein Bild von der Lage machen sollte. Noch besser: finde er mir den schönsten Straßenzug Stuttgarts. Er wird nicht gegen ost-europäische Provinzhauptstädte bestehen, behaupte ich.


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  • Vergleich Nachkriegsbauten zu Gründerzeit funktioniert nicht, blauer zu trüber Himmel ebenso ... und Du täuschst Dich wir haben einige Ecken mal nur den Feuersee zu nennen, die keinen Vergleich scheuen müssten.


    Was soll ein Vergleich, Architekturfan hat ja nicht umsonst den Bayern Vergleich erwähnt, jahrelang haben wir uns mit München verglichen. Wer sich vergleicht, landet schnell bei seinen eigen Schwächen und sieht dann nicht mehr die eigenen Stärken.


    Stuttgart ist wie Trumpsky beschrieben hat, für Einige eine Stadt des zweiten Blickes, der dann jedoch langlebiger ist wie der flüchtige Erste. Das es einen Zweiten braucht, liegt auch an dem Ruf der durch Begriffe wie "Feinstaubalarm" in letzter Zeit in die falsche Richtung geprägt/verstärkt wurden.

    Wir haben eine einzigartige Topografie, die eben einen nicht zwingt raus zu fahren, sondern man ist in kurzer Zeit, zu Fuß oder mit dem Rad von der Innenstadt im Wald in den Weinbergen, auf Obstwiesen, was man gerade in der Coronazeit genießen kann.

  • Aber die Nachkriegsbauten zeichnen Stuttgart nun einmal aus. Wenn sie einen stören, sollte es beim Einkommensniveau doch kein Problem darstellen, die Bebauung durch hochwertigen Wohnraum zu ersetzen, oder zumindest in einem repräsentativen Zustand zu halten. Und warum sind die Gehwege und Straßen in einem so schlechten Zustand - wenn die Stadt doch in Geld schwimmt. Es ist mir einfach unverständlich und ich bitte um Aufklärung, nicht Ausflüchte (Obstwiesen...)


    Hier ist die Gegend um den Feuersee, darunter wieder Posen


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  • Obwohl ich die 50er Wiederaufbau Viertel ebenfalls banal bis hässlich finde, ist dein Vergleich doch recht selektiv.

    Mal andere, auch kriegszerstörte polnische Städte:

    Danzig

    Warschau


    Schlimm finde ich vielmehr eben dass die Innenstadt innerhalb des Cityrings so furchtbar aussieht. Die beiden polnischen Städte haben hier Wiederaufbau geleistet und damit Identität gestiftet (und ein Unesco Weltkulturerbe, mal so nebenbei). Stuttgart als reiche Stadt könnte das auch. Will man aber nicht, nicht mal ein kleines bisschen. Lieber reisst man alle 30 Jahre die halbe Königstraße und Theo ab und baut was neues, das dem Zeitgeist, nicht aber dem Genius Loci entspricht. Aber auch nicht visionär à la Potsdamer Platz, sondern einfach nur klein-klein. So kann die Stadt gar kein Image aufbauen!


    Frankfurt hätte übrigens auch sagen können: ist halt eine Stadt für den zweiten Blick, man hat die kleinen netten Vororte und sogar ein paar Wolkenkratzer! Das reicht Frankfurt aber eben nicht, da hat man einen Teil der Altstadt wiederhergestellt und baut weitere spektakuläre Wolkenkratzer.

  • Danke für die Antwort. Danzig spielt in einer anderen Liga, und das Warschauer Pendant wirkt sauber und gepflegt. Aber ich habe dezidiert innenstadtnahe Bereiche für meine Vergleiche herangezogen. Kaufkraftstarke Wohngegenden, sollte man meinen. Nürnberg halte ich übrigens auch für schlimm, wenn es um das Stadtbild geht. Die selbe Mischung aus Stagnation und Verwahrlosung. Und das in einer bayerischen (fränkischen) Großstadt! Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Osteuropäische Städte mit einem Bruchteil des Budgets schaffen es, ihre Städte besser in Schuss zu halten als einige der reichsten Städte der Welt! Wobei Warschau tatsächlich reicher als Stuttgart sein dürfte, genau wie Bratislava und Prag.

  • Polen hatte in den letzten Jahren das stärkste Wirtschaftswachstum Europas! Da konnten die dann halt jetzt all ihre Häuser sanieren.

    Und Franken ist innerhalb Bayerns übrigens ziemlich arm, im Norden von Oberfranken sieht man das noch stärker. Ein Stuttgart 21 wäre hier wohl nicht drin. Naja, Lichtenreuth wird ja was ähnliches wie das Rosensteinviertel, warten wir's ab.

    So übel dass die Innenstadtviertel in süddeutschen Städten verwahrlost rüberkommen müsste es aber definitiv nicht sein, ich denke da fehlt es einfach an Interesse. In Deutschland ist halt trotzdem noch das Automobil von Hauptinteresse, wahrscheinlich gefolgt von der Haustechnik, weniger die Fassaden.

  • Viele Städte in Ost-Europa machen mittlerweile einen weitaus wohlhabenderen Eindruck als das Zentrum des technologischen Herzens der Republik.

    So entfernt muss nicht einmal geschaut werden, selbst in Ostdeutschland sind in Summe schon mehr charmante Altstädte erhalten geblieben. Vorrangig lassen sich solche Zustände sicherlich damit begründen, dass über 40 Jahre kaum bis keine Entwicklung stattfinden konnte, Gebäude also höchstens verrotteten und nach der Wende ein wieder gefälligerer Geist wehte. Wenn man in Erfurt, Wismar oder gar Leipzig auf einem schön eingerahmten Platz steht und sich wundert, warum das in Ba-Wü nicht mehr möglich ist, dann weil hier vor 40 Jahren solche Plätze mit Autobahnen bebaut und Altbauten nicht den modernen Ansprüchen für Geschäfte und Büros genügen konnten. Ba-Wü (+andere Gebiete in Westdeutschland) sind durch die starke Industrialisierung aber auch tatsächlich schon besonders stark vom Krieg betroffen gewesen. Als dritter Grund gilt es zu Beachten, dass die Bauordnungen in Polen trotz EU noch nicht derart ausufernd geregelt sind. In Deutschland schießt man sich bloß selbst ins Aus, damit das kein Häusle ohne Gutachten, Statiker und extrem langwierigen Genehmigungsverfahren gebaut/saniert werden darf.

  • Ich fasse zusammen: Desinteresse und Bürokratie. Wohingegen der bürokratische Faktor vernachlässigt werden kann, wenn man, wie hier schon richtig angeführt wurde, den Blick bis Ost-Deutschland schweifen lässt. Bleibt also Desinteresse, denn am Geld kann es, wiederum im Vergleich zu Ost-Deutschland und Polen, auch nicht liegen. Das lässt für Stuttgarts Zukunft nicht gerade Hoffnung aufkommen!