Staatsbibliothek Unter den Linden

  • Und das hat absolut nichts mit mangelnden Respekt von vergangener Architektur zu tun. ... Alles was gerettet werden konnte, wurde sorgfältig wiederhergestellt, davon gibt es jede Menge. Aber alles was weg ist, ist weg und kommt nicht wieder. Ganz einfach.

    Wie du diesem Thread entnehmen kannst, wurde die notdürftig geschlossene Kuppel erst im Jahr 1977 – also 3 Jahrzehnte (!) nach dem Krieg – abgerissen. Es wurde abgerissen, was man nur abreißen konnte. (Das gilt für diesen Kuppelsaal genauso wie für andere Gebäude z.B. Anhalter Bahnhof, Anbau des Berliner Doms usw). In diesem Kontext hört sich deine Aussage ("Alles was gerettet werden konnte, wurde sorgfältig wiederhergestellt") wenig glaubwürdig an.


    Nach der Abrissorgie der DDR-Zeit stellt man sich dann in der Nachwendezeit - achselzuckend - hin und formuliert die Aussage: "Alles was weg ist, ist weg .... Ganz einfach". Da scheint die DDR ja ganze Arbeit geleistet zu haben, indem sie unverrückbare Tatsachen geschaffen hat! Was weg ist, ist weg. Da kann man halt nix mehr machen, außer mit den Achseln zu zucken. Prima!


    Ich werde die Art und Weise, wie man damals Tatsachen geschaffen hat, niemals akzeptieren! Deswegen habe ich auch kein Problem damit, wenn ich mich hier bei Mitforisten unbeliebt mache. Ich habe jedenfalls Rückgrat. Das ist mir wichtiger als beliebt zu sein.


    Ebenso ist in diesem Zusammenhang dieser permanente Hinweis auf Demutsarchitektur schon sehr fragwürdig.

    Wir können den Begriff "Demutsarchitektur gerne auch ersetzen durch Begriffe wie "Banalität", "Gesichtlosigkeit" oder "Austauschbarkeit".


    Ich sage es gerne nochmals: Ich hätte auch mit einer modernen Variante eines Kuppelaufbaus leben können, wenn diese ambitionierter gewesen wäre. "Modern" heißt ja nicht automatisch "funktional".


    Deine ganze Argumentation läuft - wie bei vielen die so insistent der Vergangenheit nachtrauern - darauf hinaus, dass sie nicht begreifen wollen, dass Architektur immer durch ihre Zeit in der sie entsteht bestimmt wird

    Wenn man mal in den Anfängen dieses Threads nachliest, kann man sehen, dass sich viele Mitforisten ursprünglich skeptisch bis ablehnend geäußert haben gegenüber einer funktional-modernen Variante des Lesesaals. Ich scheine also nicht der Einzige zu sein, der so denkt. Leider sind viele dieser Foristen mittlerweile abgesprungen. Das wundert mich nicht bei der Einseitigkeit in diesem Forum.


    Ich stimme dir zu, dass Architektur durch ihre Zeit bestimmt wird. Wir leben heute in einem Zeitalter funktionaler Architektur, die austauschbar ist. Daher kann man mit Fug und Recht behaupten, dass es sich bei diesem Lesesaal um Architektur unserer Zeit handelt. Eben funktional und austauschbar.

  • Die Amis/ Die New Yorker haben noch nicht einmal die live vor allen Augen von Terroristen zerstörten Zwillingstürme des WTC - eines DER markantesten Elemente der weltberühmten New Yorker Skyline - identisch wieder errichtet. Neben dem neuen One WTC hat man sogar eine stilisierte Wunde klaffen gelassen. An fehlendem Patriotismus und technischen Mitteln wird es da ganz sicher nicht gelegen haben. Ähnlich lief es nach IRA-Anschlägen in Manchester/England, wo anschließend auch komplett neu geplant wurde (einen zwischen den Trümmern erhalten gebliebenen roten Briefkasten ließ man aber stehen). Es gibt manchmal nicht nur eine richtige Reaktion auf einen Verlust, zumal die Uhren sich auch einfach weiter drehen und wir nicht in einem Freiluftmuseum leben.


    Beim historischen Lesesaal der Stabi bin ich übrigens noch über ein paar interessante Aspekte gestolpert, die hier mE teils verfälscht oder verklärt wieder gegeben wurden:

    - Weil der 36m hohe Glaskubus ja angeblich so banal und austauschbar zeitgenössisch/modisch daherkomme und auch funktional schlechter ist: Laut Wikipedia war der Originalsaal eine klare Nachahmung von den Lesesälen in Paris, London und Washington. Übrigens soll er laut Überlieferungen "hallend", "kalt" und "zugig" gewesen sein, was ich angesichts der Komposition sofort glaube (das mit dem "hell" kann ich mir dagegen anders als beim modernen Entwurf nur schwerlich vorstellen).

    - Weil der alte Saal ja angeblich Opfer der DDR-Ideologie wurde: Der Saal wurde nachweislich in Folge eines (mW selbst begonnenen Angriffs-)Krieges von einer Fliegerbombe weitgehend zerstört. Die Reste wurden in der DDR dann sogar noch recht lange notdürftig erhalten. Übrigens hängte man aber damals schon die Kuppel mit einer weit flacheren Zwischendecke ab - um Heizkosten zu sparen. Der Abriss und anschließende Neubau von Magazintürmen erfolgte zwar gegen Protest, war jedoch wohl auch funktionalen Zwecken geschuldet. Ganz so monokausal wie dargestellt verlief das Ganze also absolut nicht (Quelle identisch).

    - Weil das alte Gebäude ja angeblich vom geltungsbedürftigen Architekten gezielt gebrochen/erniedrigt/verunstaltet wurde:

    Aus Interesse habe ich doch noch einmal diverse Presseberichte zur Fertigstellung des neuen Lesesaals angesehen. Diese liegt wohlgemerkt anders als man bei der hitzigen Resonanz vermuten müsste rund 10 Jahre(!) zurück, während seither eigentlich eher genau die erhaltene Originalsubstanz ertüchtigt wurde. Das Medienecho quer durch alle Sparten damals war ziemlich einstimmig positiv bis euphorisch und deckt sich mE auffallend mit den mehrfach erwähnten Google-Rezensionen und meinen eigenen Erfahrungen mit Bibliotheken. Und letztlich war der neue Lesesaal inkl. monumentalem Glaskubus nach Kriegsresten und Magazintürmen nichts anderes als eine Rückkehr zur ursprünglichen Struktur, wenngleich in zeitgemäßer Form und Funktionalität (man liest an vielen Stellen von einer nach 70 Jahren endlich adäquat geschlossenen Wunde). Ich verlinke jetzt aber nicht die ganzen Berichte. Das kann bei Bedarf jeder selbst recherchieren.


    Da man es aber trotzdem immer wieder und wieder neu ausrollen kann und mutmaßlich auch wird, bin ich jetzt auch raus.


    Da es hier zuletzt sehr in Wortklaubereien und Streitereien ausgeartet ist, wurden die entsprechende Beiträge ins Off verschoben und der Thread bleibt für ein paar Tage geschlossen. Danach bitte wieder sachlich diskutieren. Danke.

    2 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Nach der ganzen Kuppeldiskussion hier jetzt mal was erfreuliches aktuelles aus dem Umfeld rund um die Staatsbibliothek: Die Baustelleneinrichtung und -absperrungen östlich der Staatsbibliothek in der Universitätsstraße sind nach vielen, vielen Jahren endlich beseitigt, der Gehweg ist wiederhergestellt und eine Seite der Straße ist neu asphaltiert. Nur westlich der Staatsbibliothek in der Charlottenstraße ist man immer noch nicht fertig, auch die Ampelanlage an der Einmündung der Charlottenstraße in Unter den Linden ist immer noch provisorisch. Zuletzt war das hier Thema in #229 und #230.


    Eine schöne ausführliche Bilderstrecke gibt es im Nachbarforum "Stadtbild Deutschland" in zwei Beiträgen hier: Klick