Band des Bundes, Spreebogenpark und Reichstag

  • Außerdem, so wild wuchernd wie der Bundestag und seine Verwaltung ständig neuen Platzbedarf entdecken könnte so ein Gebäude neben der Schweizer Botschaft (oder in korrrespondierender Beziehung) auch schnell mit einer Funktion erfüllt werden?

  • Spreebogenpark

    Ich finde den städtebaulichen Entwurf mit dem Spreebogenpark eigentlich recht gut. Zwischen großen Regierungs- und Parlamentsbauten sind Grünflächen wie hier (nach dem Vorbild Washingtons) zur Betonung des Representativen Charakters doch wirklich schön - dazwischen die Spree und die Bebauung die am HBF noch entsteht. Schließlich sollten Demokratien nicht nur alte Schlösser wiederaufbauen (was man natürlich auch mal machen kann ;)), sondern dürfen sich selbst auch selbstbewusst darstellen. Die Millionen in der Reichtagskuppel und bei den Tagen der offen Tür im Bundeskanzleramt sind der Beweis, dass dies bei Berlinern und Touristen auch gut ankommt.


    Die zweifelsfrei etwas deplatzierte Schweizer Botschaft würde am Rande des Parks zwischen Bäumen (die natürlich erstmal 20 Jahre wachsen müsssen) als annehmbare, historisch bedingte Kuriosität gar nicht stören (vielleicht noch mit Efeu bewachsen). So war ja auch der Entwurf, den man in diesem zentralen Punkt einfach nicht umsetzt.


    Ursprünglich sollte der Verkehr bis an die Nord-Ost-Ecke des Bundeskanzleramtes geführt werden um dann unter dem Vordach des Paul-Löbe-Hauses zu verlaufen. Die Umfahrung und die Straße mitten übers "Bürgerforum" könnten entfallen. Die Symmetrie würde nur noch durch die Botschaft leicht gestört. Eine Torsituation braucht man hier nicht, da hier dann gar keine Straße verläuft. Noch ein unterdimensioniertes Würfelchen würde ich hier nicht hinstellen.
    Dies wollen Kanzleramt und Bundestag nicht, weil: zu nahe am Kanzleramt, zu nahe am Paul-Löbe-Haus. Haben hier eventell die Schildbürger geplant?
    Stattdessen bleibt die unerfreuliche und nur temporäre Situation, wie man sie auf dem Bild von quomodo gut erkennen kann, einfach bestehen.


    Hier müssen die Planer nochmal ran. Der Baustadtrat kann sich doch mal mit Vertretern von Kanzleramt und Bundestag zusammensetzen und dann muss eine Lösung her und das nicht erst in 15 Jahren.
    Diese halbfertigen Provisorien in der HAUPTSTADT gehen mir wirklich auf die Nerven.

  • Der Vergleich mit Washington DC ist für mich nicht legitim, warst du dort schon? Man sieht Washington zwar deutlich an dass dort sehr sehr viele Touristen unterwegs sind, beispielsweise ächzen die Rasenflächen sehr unter dem Ansturm. Aber Washington ist wirklich eine würdige Hauptstadt für eine Weltmacht. Ich fand regelrecht erstaunlich wie solch eine junge Nation so starke Symbol und eine gewisse "Patina" in dieser Planhauptstadt hinbekommen konnte, die Stadt hat schon viele altehrwürdige Ecken (wenn auch nicht wirklich alt). Aber gut, das Regierungsviertel Berlins ist eh ein "Junior", das müssen wir auch im Hinterkopf behalten. Vor 25 Jahren war da noch Brache und Todesstreifen. Dafür hat es sich dann schon sehr erstaunlich entwickelt und wurde wunderbar von der Bevölkerung "angenommen".


    Der letzte Schliff der IMHO aber einfach fehlt ist die Freiraumgestaltung. Sei es die tristen Straßen die wirklich nach Stadtrand ausschauen, die willkürlich durch das Gelände führen. Seien es die kargen Rasenflächen ohne gärtnerische Ambitionen, sei es die betonte Banalität zB des Spreebogens, mit 0815 Möblierung, nicht einmal anständiger Beleuchtung (von einer spektakulären Illumination des demokratischen Zentrums eines führenden Industrielandes träume ich ja noch nicht einmal).


    In die Gebäude hat man unglaublichen Aufwand und riesige Mittel gesteckt, der öffentliche Raum kann aber fast schon als verwahrlost betrachtet werden bezüglich der Gestaltung. Sehr abweisend, sehr lieblos, zugig, trist. Da will man nicht verweilen. Auch ob der zentralen Lage könnte das eine tolle Parklandschaft sein, in der Berliner und Besucher ihre Mittagspause und Freizeit miteinander verbringen, in Kontakt kommen, in Sichtweise die Regierung und das Parlament - stets unter den Augen des Souverän (das wäre mal Architektenlyrik die ich nicht für weit hergeholt halte). Ein riesiges Wasserspiel inmitten eines großen Parks direkt vor dem Reichstagsgebäude, mit Blumenbeeten von botanischer Qualität, verschiedenste Sitzgelegenheiten, hell gekieste Wege und ein-zwei gut gepflegte Rasenflächen für Sonnenbad oder Ballspiele, übergehend in den Spreebogen (weg mit den Mauern, Kanten und Geländesprüngen!!), vielleicht ist die Spree irgendwann auch mal so sauber dass man einen direkten Zugang mit Flachwasserbereich, zum die Beine ins Wasser hängen, herstellen kann.


    Ich denke da an Parks wie man sie in französischen und englischen Städten findet. Nicht das was man in Deutschland meist Park nennt (kränklicher Rasen durchsetzt von Unkraut der ab und zu gemäht wird, vereinzelte Bäume, Wege).

  • Während meiner Recherche bin ich auf der Internetseite des Deutschen Bundestags auf einen lesenswerten Überblick über die Geschichte des ehemaligen Alsenviertels gestoßen. Passend dazu möchte ich Euch auch eine Auswahl der eindrucksvollsten Aufnahmen präsentieren, die ich im Bildarchiv Foto Marburg gefunden habe.



    Zum vollständigen Text: http://www.bundestag.de/kultur…ellungen/parl_hist/alsen/



    Luftbild des historischen Alsenviertels, oben links zu erkennen der Lehrter Bahnhof, unten rechts das Brandenburger Tor


    Blick über den Königsplatz in Richtung Nordwesten


    Von links nach rechts: Krolloper mit Moltkedenkmal, Siegessäule und das Generalstabsgebäude am unmittelbar angrenzenden Alsenplatz


    Blick auf den westlichen Teil des Königsplatzes


    Vogelperspektive


    Reichstagsgebäude fotografiert aus der Luft


    Blick von der Platzmitte auf Reichstagsgebäude und Bismarck-Nationaldenkmal


    Blick vom Reichstag auf den großzügig angelegten Königsplatz


    Fontänen am Bismarck-Nationaldenkmal

    © Bildarchiv Foto Marburg

  • Danke vielmal!


    Das nenn ich repräsentativ, einer Metropole, einer Haupstadt, würdig. Sowas will ich wieder haben! Man beachte auch Details, wie das Muster im Bodenpflaster um die Siegessäule, zu solcher detailverliebten Gestaltung ist man heutzutage offensichtlich gar nicht mehr in der Lage.


    Mir ist, pardon, spontan "Mensch, ist Berlin häßlich geworden! Was für eine Stadt das mal war!" in den Sinn gekommen als ich diese alten Fotographien genau angeschaut und mit dem Ist-Zustand verglichen habe. Waren mir so noch nicht bekannt!

  • Danke, aber sowas gibt es zum Glück nicht mehr, das ist übelster Preußenkitsch, vor allem die Siegessäule ohne die heutige Erhöhung wirkt wie ein primitiver Versuch von Großmachtphantasien. Wer echte historische Prunkarchitektur sehen will, die zugleich nicht kitschig wirkt sollte mal einen Spaziergang durch Londons Whitehall machen.


    Nein, der Spreebogen bräuchte in der Tat eine Aufwertung der Außenanlagen, soweit stimme ich zu, aber es sollte natürlich mit modernen Stilmitteln umgesetzt werden, verschwenderische Mosaike und verschnörkelte Pseudo-Alte-Bänke brauche ich nicht. Gepflegte Rasenanlagen mit vereinzelten Bäumen, eventuell kleine Zierhecken, schön definierte Wege mit Zierrand und Kies oder Pflasterung, moderne Holzbänke und vor allem ein schlüssiges Beleuchtungskonzept könnten es eigentlich schon sein. Bei der Wegebeleuchtung und der Beleuchtung des Spreebogenparks würde ich komplett auf Mastlampen verzichten und statt dessen komplett auf niedrige oder im Boden eingelassene Strahler, Parklampen setzen.

  • Für diese reflexhafte Selbstherabsetzung der Deutschen habe ich inzwischen kein Verständnis mehr, mir war absolut klar dass solch eine Erwiderung recht rasch nach dem Post dieser Fotos kommen musste. Um gleichzeitig irgendwas im Ausland hochzujazzen, als viel stilvoller etc..


    Ich bin weder Berliner noch "Preuße" und bevorzuge persönlich auch die süddeutsche Renaissance mit hell verputzten Fassaden. Aber das schaut einfach verdammt mondän, monumental und beeindruckend aus. Und demokratische Bauten dürfen gerne monumental sein!! Whitehall fügt sich viel zu sehr in's Stadtbild ein, bedingt durch die Entwicklungsgeschichte. Und in London ist vorallem die Architektur der Monarchie monumental, der Premierminister residiert in einem unscheinbaren Klinkerhaus. Mag ja alles seinen Charme haben wenn sich das so mit der Zeit entwickelt hat, England hat 800 Jahre demokratische Entwicklung hinter sich und entsprechend sukzessive und in Stücken ist die londoner Regierungsarchitektur entstanden.


    Berlin wurde erst vor 150 Jahren deutsche Hauptstadt und entsprechend wurde alles in recht kurzer Zeit, von einer einzigen Generation, aus dem Boden gestampft. Damit hat man ungeheure Gestaltungsmöglichkeiten. Die man leider bei der zweiten Ernennung Berlins zur deutschen Hauptstadt nicht wahrgenommen hat. Das was du beschreibst gibt es in jedem Stadtteilpark in jeder Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern. :nono:

  • Also wenn du das als Kitsch bezeichnest muss Paris für dich ja der Horror schlechthin sein. Was der Einwurf mit der Siegessäule soll versteh ich auch nicht so recht. Speer hat sie erhöht weil sie sonst aus der ferne fast untergangen wäre im Blätterwald des Tierparks. Auf dem Königsplatz hätte sie in der Höhe vollkommen überdimensioniert gewirkt.

  • @ Baumeista und Saxonia: Vielen Dank für Eure Beiträge! Zum Glück gibt es doch noch ein paar Menschen in Deutschland, die über ein kulturgeschichtliches Bewusstsein und einen Sinn für Ästhetik verfügen.


    @ Richard Neutra: Deine Kritik ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar. Würde ich morgen vor dem Reichstagsgebäude stehen, den Passanten diese Aufnahmen zeigen und sie fragen, ob ihnen die historische Platzgestaltung besser gefallen würde als der jetzige Zustand, hätte ich sicherlich Zustimmungswerte, von denen unser Bundespräsident nur träumen könnte.


    Die reflexartige Selbstverachtung an dieser Stelle ist wieder einmal typisch deutsch: London darf sich repräsentativ zeigen, Washington monumental in Szene setzen, Paris als mondäne Metropole glänzen - aber Berlin? Nein, Berlin braucht eine karge Mondlandschaft mit faden Betonklötzen als Regierungszentrum. Tut mir leid, aber solch eine Form der Selbstablehnung stößt bei mir auf absolutes Unverständnis.

    2 Mal editiert, zuletzt von Architektator () aus folgendem Grund: Korrektur

  • Der Vergleich mit Washington DC ist für mich nicht legitim, warst du dort schon? Man sieht Washington zwar deutlich an dass dort sehr sehr viele Touristen unterwegs sind, beispielsweise ächzen die Rasenflächen sehr unter dem Ansturm. Aber Washington ist wirklich eine würdige Hauptstadt für eine Weltmacht.


    Berlin hat ein Vielfaches an Touristenaufkommen im Vergleich zu Washington DC...

  • Oh mann,


    immer dieses abrutschen in die moralisch berichtigende, normative attitüde. das braucht hier kein mensch




    zugegeben, auch ich bin nicht zufrieden mit der derzeitigen gestaltung. aber eines möchte ich doch festhalten: sie birgt weitaus mehr repräsentatives potential als die alte, hier gezeigte kaiserzeitvariante.


    auch ich hoffe auf eine baldige entfernung des straßenprovisoriums und wünsche den bäumen im spreebogenpark zügiges wachstum als auch dem rasen gute pflege.


    der räumlichen enge, der übertrieben dekorierten wie kleinteiligen vorkriegssituation kann ich allerdings hier wirklich nicht viel abgewinnen.


    städtebaulich ist doch so vieles hier nicht abgeschlossen! mit fertigstellung der uferbebauung entlang der spree und der einfassung des washingtonplatzes am bahnhof wird dies ein einzigartiges, sehr großzügiges ensemble um das man in vielen metropolen europas beneidet werden wird. der wiedererkennungswert, der repräsentationsfaktor ist dann um ein vielfaches höher als bei der kitschigen Puppenstube vor 1918...


    D.

  • Berlin hat ein Vielfaches an Touristenaufkommen im Vergleich zu Washington DC...


    Und ein Vielfaches der Einwohnerzahl ;)


    der wiedererkennungswert, der repräsentationsfaktor ist dann um ein vielfaches höher als bei der kitschigen Puppenstube vor 1918...


    D.


    Sagst du, ich nehm mir einfach mal das gleiche Recht raus und behaupte das Gegenteil. Das Wort "kitsch" für eine Architektur die sinnbildlich für eine ganze Epoche steht verbuche ich darüber hinaus unter Polemik. Ich weiß ehrlich gesagt nicht was das soll. Das Regierungsviertel vor dem Krieg ist das Ergebnis einer weitgehend einheitlichen Planung und Durchführung. Logischerweise erscheint es auf den Bildern deshalb auch geschlossener und stimmiger als der momentane, halbgare Zustand.
    Was die Puppenstube angeht, die Denkmäler stehen heute bis auf wenige an anderen Orten Berlins. Nicht zuletzt war der Königsplatz auch das Ende der repräsentativen Siegesallee. Freilich, über die haben die Sowjets ihr eigenes unpassendes und provokatives Protzdenkmal geschoben aber eine Rekonstruktion des Vorkriegszustandes ist ja nicht das Ziel und darüberhinaus auch utopisch.
    Ich vermisse lediglich eine Planung die über den Tellerrand hinausschaut, es erscheint alles als Stückwerk. Das hat man früher ungeachtet der Architekturstile besser gelöst.

    2 Mal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Wieder alt vs. neu

    1. @ Baumeista: Ja ich war schon in Washington. Wie Du war ich auch extrem positiv überrascht vom dortigen Regierungsviertel. Ich sprach hier ja auch von einem Vorbild. Das RV ist dort auch als eigenes Quatier mit großen zentralen Grünflächen angelegt, so wie das RV in Berlin. Mir ging es jetzt nicht um einen wertenden Vergleich, der ja irgendwie auch unangemessen ist, wenn man die beiden Staaten vergleicht.


    2. Es brennt immer im Herz, wenn man Bilder von Berlin vor dem Krieg sieht. Aber man kann nicht alles wieder aufbauen. I
    ch habe immer zu Stimman gehalten, der wie kein Anderer, zur Stadtreparatur in den alten Maßstäben nach 1989 beigetragen hat.


    3. Ich finde die Kritik zu pauschal. Das RV mit dem RT, dem Kanzleramt und den Bundestagsbauten sowie den Grünflächen (die tatsächlich Zeit zum Wachstum brauchen) ist nicht perfekt aber auch nicht verhunzt. Es ist durchaus imposant und wurde ja auch mit großer Geste geplant.
    Allerdings (ich habe es ja schon zweimal hier betont) sollte der provisorische, auf 3/4 des Realisierungsweges abgebrochene Zustand S C H N E L L vollendet werden. Danach kann und wird es natürlich irgendwann weitere Eingriffe, die hoffentlich zur Verbesserung beitragen, geben.


    Da würde mir einfallen: Realisierung Bürgerforum, Abriss der in dieser Lage unsäglichen Bundestagskita, Korrekturen an der Fassade des Bundeskanzleramtes (Schmutzstreifen am Sichtbeton), Verkleidung bzw. Abriss der Sichtbetonteile am Spreebogenpark, Abriss der Rasenrampen und vernünftige Parkgestaltung und natürlich immer Pflege, Pflege, Pflege ...

  • Und ein Vielfaches der Einwohnerzahl ;)


    Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht... zumal es auch falsch ist. Washington hat ca. doppelt so viele Einwohner wie Berlin.


    *zusammenschieb*


    der repräsentationsfaktor ist dann um ein vielfaches höher als bei der kitschigen Puppenstube vor 1918...


    1933, wenn schon. Da nahm das Unheil seinen Lauf.

  • Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht... zumal es auch falsch ist. Washington hat ca. doppelt so viele Einwohner wie Berlin.


    Die Stadt Washington hat meines Wissens nach um die 600.000 Einwohner, Berlin ~3.5 Millionen. Der Zusammenhang? Eine Stadt mit viel höherer Einwohnerzahl kann logischerweise mehr Besucher beherbergen.

  • Die Stadt Washington hat meines Wissens nach um die 600.000 Einwohner, Berlin ~3.5 Millionen. Der Zusammenhang? Eine Stadt mit viel höherer Einwohnerzahl kann logischerweise mehr Besucher beherbergen.


    Das verstehe jetzt wer will... Die 'Stadt' Washington mag recht klein sein - sie ist jedoch Teil einer Metropolregion. Die darf man getrost mit hinzu zählen. Berlin hingegen hat so gut wie keine dichtere Besiedlung im Umland. Abgesehen davon - was soll denn die Einwohnerzahl mit der Besucherzahl zu tun haben? Privatunterbringung ist doch eher die Ausnahme.. was machen da wohl die paar Eingeborenen in Rothenburg ob der Tauber? ;)

  • Das Wort "kitsch" für eine Architektur die sinnbildlich für eine ganze Epoche steht verbuche ich darüber hinaus unter Polemik.

    gut, kitsch ist polemisch. aber ich nehme für mich auch in Anspruch "gute Archtiektur" von schlechter(er) zu unterscheiden. die schwierige vereinnahmung des wortes "ästhetisch" durch die rekonstruktionisten stört mich.


    ich persönlich ziehe bspw. das Kanzleramt der Kroll-Oper eindeutig vor. Letztere war - in meinen Augen - ein stückwerk historischer zitate und das dann auch noch plump zusammengewürfelt. typisch für die flotte inszenierung der damals ja neureichen Hauptstadt. schinkel und schlüter häten sich im angesicht dessen im grabe umgedreht.
    auch der heutige Hauptbahnhof ist - so finde ich - dem alten Lehrter Bahnhof bauhistorisch weit überlegen und eine ausserordentliche landmarke.


    Was die Puppenstube angeht, die Denkmäler stehen heute bis auf wenige an anderen Orten Berlins. Nicht zuletzt war der Königsplatz auch das Ende der repräsentativen Siegesallee.

    ich mag die siegessäule auf dem stern, auch aufgestockt, deutlich lieber als vor dem reichstag. das oben verlinkte bild zeigt doch wie übermöbliert und zugepflanzt das alles war. die hier gezeigten vogelperspektiven sind doch kein maßstab!
    D.

  • Obwohl ich ein großer Fan gründerzeitlicher Architektur und Stadtraumgestaltung bin, muss ich hier ganz ehrlich sagen, dass der Königsplatz eher ein wirres Sammelsurium von Gebäuden und Denkmälern darstellte, die allesamt nicht so recht zusammenpassen wollten:
    Der Reichstag, noch total überladen, und damals als eher misslungener Bau betrachtet; das Bismarckdenkmal (auch von einer eher misslungenen Komposition); die Siegessäule in ihrer ursprünglichen noch recht plumpen Version als Point de Vue der sehr umstrittenen (und ehrlich gesagt) schon etwas kitschigen Siegessallee und zu guter Letzt die vergleichsweise wenig repräsentative Krolloper (die thematisch nun auch total fehl am Platze war). Alles auf gar keinen Fall zu vergleichen mit den großen, ganzheitlichen, eleganten Plätzen von Paris, Wien oder London.
    Dennoch, die jetzige Situation ist natürlich noch magerer und irgendwie unfertig.
    Warum nicht dieses total unnütze Einheitsdenkmal in den Spreebogenpark stellen?
    Und der Platz der Republik sollte gegen Westen irgendwie abgegrenzt werden. Gerade verläuft er (was wohl so gewollt ist) übergangslos ins "Buschwerk" des Tiergartens, was wie gesagt für mich unfertig und ungepflegt aussieht.


  • Warum nicht dieses total unnütze Einheitsdenkmal in den Spreebogenpark stellen?


    seh ich ganz genauso....! was den spreebogen angeht, nun ja...der park funktioniert nicht zu 100%, die schweizer botschaft ist ein fremdkörper, die umgehungsstrasse unsinnig...ergo, das gesamte ensemble wie es jetzt aktuell eben angeboten wird, ist eher unschön, unpraktisch und def. ein provisorium, das nicht wirklich gefällt...die grünanlage ist zudem zumindest im sommer recht ungepflegt, verbrannter rasen, trampelpfade...das herz der bundesrepublik wirkt einfach etwas arg vernachlässigt....:nono:

  • Für diese reflexhafte Selbstherabsetzung der Deutschen habe ich inzwischen kein Verständnis mehr, mir war absolut klar dass solch eine Erwiderung recht rasch nach dem Post dieser Fotos kommen musste. Um gleichzeitig irgendwas im Ausland hochzujazzen, als viel stilvoller etc..


    Reflexhafte Selbstherabsetzung? Ähm, nein. Ich würde das Ensemble auch hässlich finden, wenn es in Paris, London oder sonstwo stehen würde. Ich finde es einfach kitschig, unproportioniert, hässlich. Das ist meine Meinung, die darf ich mir erlauben und die behalte ich. Finde deinen Ton auch sehr bedenklich diesbezüglich, ist man jetzt ein "gottloser Vaterlandsverräter", wenn man Preußenkitsch nicht schön findet und nicht dem Kaiserreichsberlin nachtrauert?


    Ich bin weder Berliner noch "Preuße" und bevorzuge persönlich auch die süddeutsche Renaissance mit hell verputzten Fassaden. Aber das schaut einfach verdammt mondän, monumental und beeindruckend aus. Und demokratische Bauten dürfen gerne monumental sein!! Whitehall fügt sich viel zu sehr in's Stadtbild ein, bedingt durch die Entwicklungsgeschichte. Und in London ist vorallem die Architektur der Monarchie monumental, der Premierminister residiert in einem unscheinbaren Klinkerhaus. Mag ja alles seinen Charme haben wenn sich das so mit der Zeit entwickelt hat, England hat 800 Jahre demokratische Entwicklung hinter sich und entsprechend sukzessive und in Stücken ist die londoner Regierungsarchitektur entstanden.


    Mondän, monumental, beeindruckend, das sind ja Wortschöpfungen. Aber Germania war dann doch etwas zu monumental oder wäre das für dich die konsequente Fortsetzung des Kaiserreichzustandes gewesen?


    London ist natürlich eine andere Situation als Berlin, aber ich habe London auch nur angeführt als Beispiel für Architektur, die zwar monumental/repräsentativ aber nicht kitschig wirkt. In Londons Regierungsviertel wirkt nicht unbedingt die Weite, dafür aber die Baumasse. Und mit Whitehall meint man das komplette Regierungsviertel entlang der Prachtstraße, nicht (nur) die Downing Street.


    Berlin wurde erst vor 150 Jahren deutsche Hauptstadt und entsprechend wurde alles in recht kurzer Zeit, von einer einzigen Generation, aus dem Boden gestampft. Damit hat man ungeheure Gestaltungsmöglichkeiten. Die man leider bei der zweiten Ernennung Berlins zur deutschen Hauptstadt nicht wahrgenommen hat. Das was du beschreibst gibt es in jedem Stadtteilpark in jeder Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern. :nono:


    Der Spreebogen ist auch nach einem Masterplan entworfen und bebaut worden und innerhalb der letzten 20 Jahre ist viel neu gebaut, umgebaut und geplant worden. Das Ensemble ist sicher noch nicht komplett und wird auch immer kleinere oder größere Änderungen erfahren, ein fehlendes Gesamtkonzept kann man im Berliner RV nun aber wirklich nicht ausmachen.


    Die "ungeheuren Gestaltungsmöglichkeiten" sind wahrgenommen worden, nur eben anders als du es dir gewünscht hast.