Technisches Rathaus und Umfeld - Neugestaltung nach Abriss

  • Schonmal ganz gute Nachrichten. Aber noch längst kein Grund sich zurückzulehnen.
    Aber ich will auch keine Phantasie-Altstadt wie der Artikel den Eindruck vermittelt, sondern wirklich authentische Gebäude. Aber immerhin besser als irgendwelche modernen Kisten.
    Zumindest bei Tuchgaden 9 und Markt 15 wird man wohl auch gar nicht drumherumkommen ebenfalls zu rekonstruieren, wenn man sich den wahrscheinlich nicht gerade geringen Aufwand ersparen will, die Statik, Balkenlagen, etc des Roten Hauses bis ins kleinste Detail zu analysieren.


    Kann man nur hoffen, dass der Altstadt-Beirat dann auch durch Personen besetzt wird die Ahnung von der Altstadt und ihrer Typologie haben, und nicht irgendwelche der Moderne verfallenen Architekten mitbestimmen können.

  • Die FAZ schreibt, dass die CDU das gesamte Viertel äußerlich historisch genau rekonstruieren wollte. Die Grünen haben das natürlich erfolgreich verhindert. So langsam frage ich mich, was die mit diesem Theater bewirken sollen? Noch 500 Jahre lang "ihr bösen bösen Deutschen, schämt euch und versucht ja nichts ungeschehen zu machen"? Die in das Ensemble hineininterpretierte Symbolwirkung für Holocaust- und Kriegsschuldleugner ist schlicht und einfach lächerlich und der Ausdruck einer Ohnmacht, mit der eigenen Geschichte unverkrampft umgehen zu können. Statt dessen wird wieder mal völlig unschuldige Architektur der frühen Neuzeit in einen Topf mit all den diffusen faschistoiden Feindbildern geworfen, die es ideologisch-dogmatisch zu bekämpfen gilt. Diese Damen und Herren sollten sich bitte erst einmal über ihre tatsächlichen Feindbilder im Klaren sein, bevor sie Dinge sabotieren, die die breite Mehrheit der Frankfurter befürwortet...


    Sorry für den off-topic-Anfall, aber das musste ich jetzt einfach mal loswerden.

  • Komplett rekonstruiert im Auftrag der Stadt würde also die Nordseite der Gasse Hinter dem Lämmchen. So sahen die Fassaden aus:



    Bild: Historisches Museum Frankfurt am Main


    Häuser v. l. n. r.: Klein-Nürnberg | Goldenes Lämmchen | Alter Esslinger | Junger Esslinger (Haus der Tante Melber)


    Interessant ist besonders das Ende des von Knotsch in #951 verlinkten FAZ-Artikels: Bauherrn müssen demnach mindestens zwei verschiedene Entwürfe zur Genehmigung durch Altstadt-Beirat einreichen! Natürlich müssen beide der eng gefassten Gestaltungssatzung entsprechen. Diese sicher kostspielige und vermutlich ziemlich zeitraubende Prozedur würde aber entfallen, wenn sich der Bauherr zu einer originalgetreuen Rekonstruktion entschließen sollte!


    Daher erwarte ich, dass allein wegen dieser Regelung noch einige dem Original entsprechende Rekonstruktionen dazukommen. Und die Herren Zarges und Albrecht beispielsweise, die sich als bau- bzw. mietwillig geoutet haben, werden ja wohl auch Rekonstruktionen wollen.

  • Toll ist dabei, dass auch das einstige Nürnberger Hof-Tor als einziger Überrest des Ensembles mit Originalsubstanz wieder etwas mehr Sinn erhält, schade im gleichen Zug, dass das angrenzende Haus Mohrenkopf (baugeschichtlich wesentlich bedeutender als z. B. Klein-Nürnberg, dank einer Renovierung im frühen 20. Jahrhundert exzellent dokumentiert UND es gibt noch den Originalkeller!) vom Kunstverein-Kubus blockiert wird. Das gotische Spitzbogentor, das dann an der Ostwand des Kubus lehnt, dürfte übrigens gelinde gesagt bescheiden aussehen...


    Ingesamt aber klingt alles nach einer sehr positiven, und ich muss sagen, unerwartet durchdachten Entwicklung. Wie immer dürfte der Teufel aber vor allem im Detail stecken!


    Völlig unklar ist mir z. B. die Formulierung für den Archäologischen Garten - wenn die Goldene Waage originalgetreu rekonstruiert wird, und das steht ja eigentlich schon am längsten von allen Bauten fest, muss auch der AG wenigstens teilüberbaut werden. Insofern geht der Architektenwettbewerb wohl um die Art der Überbauung?

  • Ich finde man sollte auf alle Fälle aufpassen, dass die Altstadt noch Entwicklungsmöglichkeiten haben wird in den nächsten Jahrzehnten. Eine organische Entwicklung (wenn auch nach einem künstlichen Start) kann langfristig dafür sorgen, dass Orte auch wirklich leben. Ich habe doch etwas Sorgen bei einer Gesamtrekonstruktion, dass man dann sagen wird: das war es jetzt und auf Ewigkeit wird in der Altstadt nichts mehr verändert. Vielleicht sollte man zumindest einige (wenige) Baulücken lassen, die eine zukünftige städtebauliche Entwicklung zulassen. Etwas neue Architektur zwischendurch gibt den rekonstruierten Häusern auch eher Authentizität. Die neue Architektur muss dann natürlich auch gut sein, nicht so wie beim Gewandhauswettbewerb in Dresden.


    Übrigens sollte man sich mal alte Kirchen anschaut, die über Jahrhunderte gebaut wurden und zwischendurch immer mal wieder teilweise abgebrannt sind. Nach meinem Wiseen hat in vielen Fällen der Neuaufbau dann neue Elemente übernommen anstatt 100% rekonstruktiv zu sein.

  • Entwicklungspotenzial hat das Altstadt-Areal, indem man weitere Bausünden der 50er bis 80er (et tu, Schirn! :D ) abreißt und durch neue, standortgerechte Bauten ersetzt.


    Ansonsten ist die Forderung nach "weiterer Entwicklung" ein wenig merkwürdig formuliert - andere Neubaugebiete sind ja auch zum Zeitpunkt X "fertig", ohne dass es anschließend viel Bedarf für weitere Neubauten gäbe (sofern die Planer zu Anfang nichts lebenswichtiges vergessen haben, versteht sich). In den zu errichtenden Bauten kann sich ganz von selbst eine dynamische "Kultur" entwickel, ohne dass es dafür neuer Gebäude bedarf. Dass das klappt, sieht man an der "Kunstmeile" Braubachstraße/Fahrgasse, wo es kein einziges Neubauprojekt außer dem MMK gegeben hat.


    Was das Kirchenbeispiel betrifft, so hast Du natürlich recht. Bei Fachwerkhäusern war und ist es doch genauso. Es schreit ja auch niemand (mehr) danach, jedes Haus Balken für Balken und Stein für Stein zu 110% exakt wieder aufzubauen. Dass es im fraglichen Gebiet auch neu gestaltete Gebäude geben wird, dürfte außer Frage stehen. Von daher wird es auch im recht eng gefassten Korsett der Altstadt-Bauordnung die eine oder andere Innovation geben, selbst wenn diese nur daraus bestehen würde, ein seit über 60 Jahren untergegangenes Stück Frankfurt wiederzubeleben...

  • @ vondraussen:


    Bloß nicht! Wie sieht das nur aus, wenn man da Lücken lässt!
    Entwicklungsmöglichkeiten gibts in der Altstadt auch danach noch genug. Der Kunstverein muss früher oder später beseitigt werden (wo dann aber das Häuser Mohrenkopf und Zu den 3 Römern rekonstruiert werden sollten), ebenso wie die Kulturschirn. Am Römerberg selbst und westlich davon, sowie rund um den Dom warten haufenweise missglückte 50er-Jahre-Vorstadtgebäude auf ansprechendere Neubauten. Und auch nördlich der Braubachstraße befindet man sich noch auf dem Gebiet der Altstadt, und gerade dort ist ja weit mehr als 50% der Bausubstanz alles andere als erhaltenswert.



    Etwas neue Architektur zwischendurch gibt den rekonstruierten Häusern auch eher Authentizität.


    Stell dich auf den Römerberg und lass den Blick schweifen. Dort hast du genau diese Situation und die ist extrem unbefriedigend.
    Innerhalb des Alleenrings gibts in Frankfurt fast keine Ensembles die nicht irgendwo durch mehr oder weniger banale, auf jeden Fall aber negativ auffallende Nachkriegsbauten gestört werden. Da kann man doch nicht allen ernstes verlangen, dass hier der gleiche Mist schon wieder gemacht werden soll.
    Und der Vergleich mit abgebrannten Kirchen hinkt ja extrem. Schließlich ist hier eine komplette Altstadt in Schutt und Asche versunken, und kaum was davon ist wieder aufgebaut worden, so dass es jetzt erstmal darum gehen sollte, hier auch wieder eine Altstadt die diesen Namen auch verdient hat entstehen zu lassen (auch wenn sie im Vergleich zu früher extrem winzig ist).

  • Die Rhein-Main-Zeitung der FAZ bittet an dieser Stelle um Meinungsäußerungen zu der Entscheidung, sieben Häuser zu rekonstruieren und ansonsten eine strenge Gestaltungssatzung auszuarbeiten. Vielleicht möchte ja jemand etwas dazu schreiben ...

  • Und die Kommentare aus dem Publikum müssen ja die Architekten zur Weißglut bringen!


    Vorwurf: Rekos sind nur ein Museum!
    Publikum: Is mir wurscht!


    Die Architekten müssen sich ja denken, wie "blöd" man sein muß, ideologielos diese Diskussion zu führen, bzw. die Ideologie der Architekten nicht zu verstehen!!!

  • Besonders bemerkenswert erscheint mir, dass selbst die Berichterstattung der Frankfurter Rundschau, über deren Positionierung im politischen Spektrum man wohl kein Wort verlieren muss, allmählich Richtung Pro-Reko zu kippen scheint. Das gilt offenbar auch für FR-Leser, ein erstaunlicher Leserbrief eines Veteranen im Kampf gegen Ostzeile und Wiederaufbau der Alten Oper (!) findet sich heute in der Rundschau.

  • Und die Kommentare aus dem Publikum müssen ja die Architekten zur Weißglut bringen!


    Mich bringt das nicht zur Weißglut. Die "Architekten" sind im Übrigen keine homogene Gruppierung gesellschaftsfeindlicher Autokraten.



    Abgesehen davon - schön dass es so langsam voran geht!

  • Schmittchen. Ich verstehe die Anmerkung nicht. Warum sollte denn die "politische Ausrichtung" der FR automatisch gegen eine Rekonstruktion sprechen? Der Leserbriefschreiber, der hier in der FR schreibt irrt nämlich auch - nicht alle "Linken" waren immer grundsätzlich gegen Rekonstruktion und Wiederaufbau, viele waren ja auch FÜR den Erhalt alter Bausubstanz, dass kann eine Reko mit einschließen. Es zeigt aber das man endlich diesen Schwachsinn der Grabenkämpfe zwischen links und Rechts aus der Diskussion mit Architektur herauslassen muss, dann muss ich mir z.B. als Grün-Wähler UND Hochhausfan auch nicht immer anhören, dass man alle Grünen an den Bäumen aufknüpfen soll nur wenn sie sich mal kritisch zu einem Bauprojekt äußern... ich persönlich kann mich durchaus differenziert und unideologisch mit Architektur und Stadtplanung beschäftigen (meistens ;-).

  • Automatisch meinst du im Sinne von zwangsläufig? Brauchen wir nicht zu diskutieren, ob deswegen oder aus anderen Gründen. Jedenfalls war die FR anfangs entschieden gegen Rekonstruktionen, Belege gibt es mehr genug. Ich lese die Online-Berichterstattung und die Kommentare der FR seit Beginn der Diskussion und meine einen gewissen Sinneswandel festzustellen. Muss man ja auch nicht teilen, diese Einschätzung. Aber über deinen letzten Satz* solltest du noch einmal nachdenken, den Willen zum Erhalt alter Bausubstanz und den zum Bau von Rekonstruktion würde ich nämlich keinesfalls gleichsetzen.


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    * Nach Editieren jetzt der dritte Satz, und der letzte Halbsatz wurde später hinzugefügt.

  • ^^ Nein natürlich darf man das nicht gleichsetzen, das ist es ja. Die Dinge können von Fall zu Fall anders liegen. Ich z.B. würde nicht den vollständigen Erhalt der Großmarkthalle befürworten aber stimme für eine Reko der Altstadt. Und die FR wird sicherlich ihre Gründe gegen eine Reko gehabt haben aber wohl (hoffentlich) keine ideologischen, sondern fachliche.

  • Die Rundschau gibt es ebensowenig wie das DAF. Nach meiner Wahrnehmung hängt die Meinung doch vom jeweiligen Redaktionsmitglied ab.

  • Natürlich gibt es eine politische Ausrichtung der FR. Genauso wie bei fast jeder Zeitung
    Die FR ist traditionell eher links, während die FAZ z.B. das bürgerlich-konservative Lager bedient.
    Schon allein aus marktwirtschaftlichen Gründen ist so ein leichter politischer Einschlag sinnvoll.


    Bei der Altstadtdiskussion handelt es sich allerdings um Fragestellungen, zu denen es aus jeder der politischen Richtungen Pros und Kontras gibt.
    Insofern gibt es hier sicherlich Einzelmeinungen von Redakteuren. Allerdings muss ja trotzdem jeder Artikel irgendwie abgesegnet werden und man kann die jetzige Entwicklung auch durchaus als einen Erfolg in der Entideologisierung werten.