Technisches Rathaus und Umfeld - Neugestaltung nach Abriss

  • Die Materialien waren fast 1000 Jahre lang dieselben, aber auch die Gesellschaft und Kultur!


    ?????????


    Dir ist schon bekannt, dass es massive Unterschiede gibt im Menschenbild des Hochmittelalters und jenem der Renaissance? Im Selbstverständnis eines spätmittelalterlichen Herrschers und eines Monarchen des aufgeklärten Absolutismus? Unterschiede zwischen katholischer und protestantischer Ethik (und letztere KONNTE es im Mittelalter logischerweise noch gar nicht geben)? Dass in den letzten tausend Jahren auf eine Epoche der Prüderie immer eine der Freizügigkeit folgte und dann wieder umgekehrt?


    Wie kann man denn da behaupten, Gesellschaft und Kultur seien 1000 Jahre lang dieselben geblieben? Mir stehen die Haare zu Berge.


    Aber dieser "Bruch" begründet sich eben durch unsere aufgeklärte, technisierte Zeit.


    Nein, der Bruch begründet sich aus den Theorien einer Elfenbeinturm-Expertenschaft, die jegliche Bodenhaftung verloren hat und keine Impulse aus der Mitte der Gesellschaft mehr aufzunehmen vermag. Nicht nur die Architektur dieser Herrschaften ist ein Ausdruck unserer Zeit, sondern auch die Ablehnung dieser Architektur durch weite Teile der Bevölkerung. Woher soll denn sonst die ganze Unzufriedenheit kommen? Die Interpretationen solcher "moralischer" Zusammenhänge zwischen Architektur und Gesellschaft sind völlig willkürlich, werden aber dennoch in den Rang von Dogmen erhoben. Glas als Symbol für Demokratie? Warum nicht als Symbol für Zerbrechlichkeit? Als Symbol für Täuschung (es spiegelt ja die Umgebung)? Alles reine Beliebigkeit. Und dennoch gibt es einen Sturm der Entrüstung unter den Fachleuten, wenn Laien nicht bereit sind, sich diese platten und hanebüchenen Metaphern zu eigen zu machen. Die Experten fürchten um ihre Deutungshoheit - zu Recht!


  • Warschau-Frankfurt:...
    Du weißt, dass der Vergleich einfach zuflach ist. Warschau ist das Symbol eines Volkes, ...


    Dann nimm halt Breslau oder Danzig. Auch die Altstädte wieder aufgebaut obwohl diese Städte vorher nie polnisch waren.



    Petit France:
    Petit France hat mehrere "Brüche". Die beiden Häuser an die ich mich gut erinnere liegen in Sichtweite voneinander, und waren auch nicht die einzigen. Außerdem ist Bruch wirklich nicht richtig.


    Trotzdem auf Frankfurt nicht übertragbar. Strasbourg hat eine Altstadt, zum überwiegenden Teil noch mit Altbausubstanz, während es in Frankfurt in dem Stadtteil der diesen Namen trägt praktisch kaum etwas gibt das man mit ruhigem Gewissen als "Altstadt" bezeichnen kann. Selbst der Römerberg wird von zum Teil sehr missratenen 50er-Jahre-Gebäuden verschandelt.



    Gestaltungssatzung:
    Find ich gut. Genauso sollte man das machen. Wenn man die Form wirklich extrem vorgibt, dann kann dabei garnichts herauskommen. Überstände, Zwerchhäuser, frankfurter Nasen (kann das jemand kurz erklären?) kann man nur schlecht mit moderner Formensparache verbinden. ...


    Wenn man das nicht kann, dann hat sich die moderne Architektur damit komplett für dieses Gebiet disqualifiziert.
    Das soll schließlich keine Fantasiealtstadt werden sondern die Frankfurter Altstadt, und da muss sich dann auch die Typologie des Ortes zumindest widerspiegeln. Gerade eben in Form von Überhängen, bei einer ausreichenden Anzahl an Gebäuden auch Knaggen, Nasen und/oder Zwerchhäusern und vor allem auch mal Fachwerkbauweise (selbst wenns nur verputzt wird). Dass Leute wie Engel oder Jourdan sowas nicht können oder zumindest wollen, ist mir klar, aber Gebäude von Leuten wie denen haben an dieser Stelle auch nichts verloren.
    Frankfurter Nasen sind übrigens diese Gebilde im oberen Bereich des Giebels, die wenn sie größer wären, das Dach fast zu einem Krüppelwalm- statt Satteldach machen würden (etwas umständlich erklärt, aber ich hoffe du weißt was gemeint ist).



    17 wenn ich mich nicht verzählt hab. Find ich in Ordnung. Sind ja auch alle begründet, wobei man sicher hier und da streiten kann (wenn man den Sachverstand hat, den ich da leider net hab).


    17+4 sinds ;)
    Da kommen dann aber noch einige dazu. Beispielsweise ist hier mit Ausnahme der Häuser am Hühnermarkt noch kein einziges aus dem Block zwischen Lämmchen und Markt dabei. Nur wollte ich mir da nicht anmaßen irgendein Gebäude herauszugreifen und als bedeutsamer als seine Nachbarn darzustellen, zumal ich auch nicht die genaue Geschichte der einzelnen Häuser dort kenne.


    Das frühere Ensemble ist (wahrschienlich) auch durch ausprobieren entstanden. Damals hat niemand das Gebäude auf den drei Säulen wirklich "geplant", sondern auch mal was ausprobiert, und gewagt. Auch die damalige Bebauung war ein Resultat von Trial and Error, und hat ja wirklich schönes zu Stande gebracht


    Letztenendes hat man sich aber immer an der Typologie des Ortes orientiert (und damit unterbewusst an einer Art strenger Gestaltungssatzung, die eben solche Dinge wie die erwähnten Überhänge etc beinhaltete), was dazu geführt hat dass alles wie aus einem Guss wirkt, trotz bis zu 500 Jahren Unterschied bei der Entstehungszeit. Ein Laie hätte bei den Gebäuden an diesem Ort große Probleme zwischen beispielsweise einem Gebäude aus dem 14. und einem aus dem 18. Jahrhundert zu unterscheiden, wenn er hier aber in der Lage ist ein Gebäude des 21. Jahrhunderts direkt auf den ersten Blick zu identifizieren, dann hat der Architekt definitiv was falsch gemacht. Kontraste und Brüche jedenfalls sollten an dieser Stelle ein absolutes Tabu sein.
    Zumal Frankfurt ja im Gegensatz zu vielen anderen Städten leider viel zu wenig von seiner historischen Gestalt, die es über Jahrhunderte prägte, bis in die heutige Zeit bewahren konnte.


    da sollte man das doch als Ansporn zu Experimenten nehmen


    Auf keinen Fall an diesem Ort. Dafür ist er städtebaulich viel zu sensibel als dass er als Experimentierfeld für moderne Architektur herhalten könnte. Zumal nunmal nach wie vor erschreckend oft moderne Experimente gerade in Altstädten extrem in die Hose gehen. Die Gefahr auch hier Bausünden die man dann allerdings nicht mehr so leicht loswird zu bekommen, ist einfach zu groß (Beispiel Neumarkt Dresden).



    Eine Stadt lebt davon, dass sie das Rad ständg neu erfindet, erst so beginnt sie zu leben.


    Aber doch nicht bei Baudenkmälern in der Altstadt! Frankfurt hat genug Ecken wo es sich ständig neu erfinden kann, sogar innerhalb der Altstadt, aber nicht an dieser Stelle.


    Letztenendes ist es nämlich so, dass ich, wenn dereinst die Bebauung dort fertig ist, dann dort die Gassen entlang gehen können möchte, und jedes Gebäude beim Namen nennen kann, was natürlich neben dem Stehen am richtigen Ort auch die Wiedererkennbarkeit der Fassade bedingt. Beim Stadt Mailand also beispielsweise Traufständigkeit, 2 Überhänge, mächtige Konsolsteine, 5 Fenster pro Geschoss und Dachgauben, oder beim Hinterhaus des Goldenen Haupts ebenfalls Traufständigkeit, 3 Fenster pro Geschoss, die Bowellage und besonders der Brunnen mit der Lämmchenfigur.

  • Eine Stadt lebt davon, dass sie das Rad ständg neu erfindet, erst so beginnt sie zu leben.


    Kleiner notwendiger Exkurs in die Gefilde der deutschen Sprache...


    Die Redewendung "Das Rad ständig neu erfinden" ist im Deutschen eindeutig NEGATIV konnotiert. Sie bezeichnet eine unnötige und überflüssige (und daher auch unsinnige) Handlung. Genauer: Sie beschreibt eine Mentalität, etwas anders machen zu wollen als die Vorgänger - nicht etwa, weil es sinnvoll wäre, sondern nur damit es eben um jeden Preis anders wird. Sie umschreibt also sinnentleerten Neuerungswahn, einen Schildbürgerstreich der Moderne. Welcher vernünftige Mensch würde das Rad schon neu erfinden wollen, wenn er es bereits hat? Städte leben natürlich NICHT davon, das Rad ständig neu zu erfinden. Richtiger wäre es zu sagen: Sie bewahren Bewährtes und eignen sich das neue Notwendige an.


    Von daher denke ich, du hast deine Formulierung falsch gewählt...

  • ?????????


    Dir ist schon bekannt, dass es massive Unterschiede gibt im Menschenbild des Hochmittelalters und jenem der Renaissance?


    Ich sehe durchaus eine Kontinuität und große Ähnlichkeit in dieser Zeit. Du gehts in erster Linie auf moralische Aspekte und das Menschenbild ein.
    Ich kann da aber verstehen, dass man wegen dämlichen Nazi-Beschimpfungen, die wohl schon bei einige Vorträgen aufkamen, da sehr empfindlich ist.


    Allerdings gings mir mehr um alltäglichere Aspekte des städtischen Lebens, nicht um die großen Weltbilder und auch nicht um Freizügigkeit.
    Ich hab hier nicht alles in einen Topf geworfen, denn so wie es zwischen Romanik, Gothik, Renaissance und Barock Unterschiede gibt, so gab es diese natürlich auch in der Gesellschaft. Wenn man also eine harmonische Kontinuität in der Architektur sieht, so hat es diese auch in den Gesellschaftsformen gegeben. Die zeitgenössische Architektur ist da nicht anders. Ich finde sogar, dass die stilistischen Unterschiede weitgehend proportional zu den gesellschaftlichen Änderungen sind.


    Aber dass die Spätgothik wohl heutzutage etwas anachronistisch ist, werden wohl die meisten so sehen.
    Eine Komplettrekonstruktion schreit geradezu danach alte Stile als aktuelle Baukunst vorzuführen und entledigt sich damit gleichzeitig der durchaus ehrenhaften Denkmalfunktion.
    Eine gute Bebauung der Altstadt kann nicht nur aus Rekonstruktionen bestehen, aber gleichzeitig muss die moderne Architektur möglichst schonend sein und gleichzeitig zu Flugzeug und Pferdekutsche passen. Dieser Brückenschlag wäre die bestmögliche Lösung.


    Aber mal ganz im Ernst, diese Diskussion kann sich ohne konkrete Entwürfe ins unendliche erstrecken. Ich lehne bisher alle ab. Sowohl die modernen als auch die Komplettreko. Meine Traummischung aus alt und neu entspräche wahrscheinlich sogar der Mehrheit der Bürger, ist aber nicht in Sicht und jeder hat ein anderes Bild im Kopf.
    Unter diesen Umständen scheint mir die Komplettreko noch die beste realistische Möglichkeit. Und wenns meinem Regionalstolz auch etwas peinlich wäre, so kämen wenigstens ein paar Japaner mehr in die Stadt.
    Insofern hoffe ich in erster Linie, dass sich hier auch irgendwann mal was bewegt :nono:

  • Also kein neues Rad. Es mag ja sein, dass man damit landläufig etwas negatives meint, ich sehe das aber nicht so. Wozu brauchte man denn überhaupt die Renaissance, man hatte doch die Gotik. Vollkommener Unsinn sich etwas neues auszudenken, um etwas funktionierendes zu ersetzen.
    Ich glaube sich immer wieder neu Gedanken über etwas bestehendes zu machen ist der beste Weg immer wieder auch Neues zu schaffen, und so möglicherweise auch ein besseres Ergebniss zu erzielen. Sich aber nicht die Mühe machen Dinge zu hinterfragen, aus Genügsamkeit, oder wie beim Rad aus Faulheit führ zwangsläufig zu den immer Gleichen langweiligen Dingen.
    Es gab auch irgendwann jemanden, der ein neues Rad erfunden hat. Sackkarren mit speziellen Rädern (kann man verschieden auslegen) können "jetzt ganz einfach ohne große Mühen Trepen hoch gezogen werden. Der Mensch hat das Rad neu erfunden und viel Geld damit gemacht.


    Breslau und Danzig waren also nie polnisch. Da werd ich keine Debatte drüber anfangen.


    Der Fachwerkbau ist durch schlichtes immer wieder Ausprobieren entstanden. Wie du sagst 1000 Jahre immer nur mehr oder minder 2 Materialien. Niemand wusste, wie man Vertikalkräfte bestimmt, Verkehrslasten errechnet oder wie sich Momente innerhalb eines Kragträgers bilden, was gerade bei diesem Haus sehr wichtig scheint. Man hat einfach geschätz, sich darauf verlassen, was der alte Ohm gesagt hat, und gebetet. Gerade bei einem Haus, das von seiner Konstruktion eher selten ist waren die Erfahrungen damit nicht sehr tiefgründig, und es war zumindest zum Teil ein Spiel mit dem Teufel.


    Das Strasbourger Beispiel war kein Beispiel, dass sich auf die Altstadt bezog, sondern nur und ausschließlich auf die Typologie zweier Gebäude. Diese beiden Gebäude fügen sich nämlich gut in die Fachwerkumgebung, und ich sehe kein Anzeichen dafür, dass ähnliches in Frankfurt zwischen anderen Fachwerkbauten nicht möglich ist. Es geht einzig und allein um das Gebiet des technischen Rathauses, wo wie ich das verstanden habe auch Fachwerkhäuser stehen sollen. Darum geht es und nicht um den Rest der Altstadt, sondern nur darum, dass das frankfurter Umfeld, dass entstehen soll dem Strasbourger ähneln wird, und daher auch die Neubauten sich dort gut machen würden.


    "Wenn man das nicht kann, dann hat sich die moderne Architektur damit komplett für dieses Gebiet disqualifiziert."
    Es wäre interessant, eine Studie zu machen, was Menschen mit dem Begriff Altstadt verbinden. Für mich ist es die Diche, die Kleinteiligkeit, die Vielfalt. Deshalb finde ich es vollkommen angemesen Architektur die dies erfüllt zuzulassen. Für dich sind es Primär ganz bestimmte Bautypologien, weshab es für dich nicht akzeptabel ist.
    Jourdan kann beides nicht. Da hast du Recht.


    Ich glaube wenn man von unserem heutigen Standpunkt zurück blickt, und sich all die Gebäude ansieht, dann kommt man wirklich zu dem Schluss ein wirklich harmonisches Bild vor sich zu haben. Aber das auch nur glaube ich, weil das heutige Spektrum der Architektur wesentlich weiter ist, als es damals war. Wenn ich das damalige Gebiet aber versuche mit damaligen Augen zu betrachten, dann sehe ich in dem Mix von Gotik, Barok, Klasizismus, Gründerzeit nicht mehr das enge eingeschränkte Feld, dass sich harmonisch zusammen fügt, sondern ein Spektrum dass fast alles an damalig möglicher Architektur umfasst.
    Sicherlich hast du aber Recht, dass sich die Gebäude am Ort, also am Genius Loci orientiert haben, was manch einem leider heute nicht mehr zuzuschreiben ist. Ein großer Teil der heutigen "Weltarchitekten" schafft m.E.n. keine Architektur mehr, sondern verkauft nur noch ein Produkt, das belibig an allen Orten der Welt abgestellt wird. Leider gehört die Generation unser Bauherren auch zu denen, die sich wenig an den Ort halten, und öfter den Namen des Architekten sehen und die PR, ich bin aber der Meinung, dass es immer noch geng Architekten gibt, die sich an den Genius Loci halten und villeicht auch ohne Knaggen und Fachwerk Zitate in der Umgebung finden, die es möglich machen ein modernes Gebäude in en Fachwerkensemble einzufügen.
    Danke für die Erklärung. Wenn man es sich als Nase vorstellt, dann versteht man es.


    17+4 also.


    Heißt das Haus "Stadt Mailand"?
    Daraus kann man ja schon was machen. Ein guter Architekt erkennt ja sofort, dass das ein teil des Genius Loci ist, und lässt so etwas in seinen Entwurf einfließen. Ein wenig südliches Flair z.B. wie auch immer das aussieht. Traufständigkeit ist ei weiterer Punkt, den manübernehmen kann. Man kann auch was mit Konsolen machen und trotzdem ein modernes Haus bauen.
    Es geht ja nicht darum alles wieder aufzunehmen, sondern das Flair oder den Geist des Hauses das einst dort stand wieder zu geben. Aber halt auch mal modern.


  • Es wäre interessant, eine Studie zu machen, was Menschen mit dem Begriff Altstadt verbinden. Für mich ist es die Diche, die Kleinteiligkeit, die Vielfalt. Deshalb finde ich es vollkommen angemesen Architektur die dies erfüllt zuzulassen. Für dich sind es Primär ganz bestimmte Bautypologien, weshab es für dich nicht akzeptabel ist.


    Aus gutem Grund. Es sollte tunlichst vermieden werden ein Fantasiegebilde zu errichten das zwar für den Normalbürger irgendwie nach Altstadt aussieht, aber mit der Frankfurter Altstadt rein gar nichts zu tun hat, denn dann begibt man sich wirklich in die Gefahr des Disneyland-Vorwurfs. Außerdem wäre es eine regelrechte Verhöhnung der Frankfurter Bautradition und damit auch eines Teils ihrer Identität.
    Und noch ein Grund: vergleiche doch einfach mal die Altstädte (im Vorkriegszustand) von beispielsweise Münster, Dresden, Frankfurt und Neckarsteinach (oder einer anderen Kleinstadt). Gebäude die zur gleichen Zeit gebaut wurden sehen an den einzelnen Orten vollkommen unterschiedlich aus und spiegeln die Typologie des Ortes wieder. In der Frankfurter Altstadt gab es auch mehrere Barockgebäude aber solche wie am Dresdner Neumarkt wirst du hier vergeblich suchen.


    Leider gehört die Generation unser Bauherren auch zu denen, die sich wenig an den Ort halten, und öfter den Namen des Architekten sehen und die PR, ich bin aber der Meinung, dass es immer noch geng Architekten gibt, die sich an den Genius Loci halten und villeicht auch ohne Knaggen und Fachwerk Zitate in der Umgebung finden, die es möglich machen ein modernes Gebäude in en Fachwerkensemble einzufügen.


    Wieso soll ein modernes Gebäude auf Fachwerk oder Knaggen und andere ortstypische Gestaltungsmerkmale verzichten? Wenn da schon unbedingt Neubauten hinmüssen, dann ist es doch das Mindeste sich nach eben diesen Gestaltungsmerkmalen, an denen man sich über Jahrhunderte hinweg - ob es in der Gotik war oder der der Renaissance - orientiert hat, zu richten. Ich sehe nicht ein dass ausgerechnet für das 21. Jahrhundert da eine Ausnahme gemacht werden soll.
    An Materialien kommt wie es sich möglichweise abzeichnet zum Glück sowieso nichts anderes als (Mainsand-)Stein, Schiefer und Holz in Frage (Beton hat hier überhaupt nichts verloren). Als Teil von Fassaden ist Holz aber nunmal eigentlich nur als Sichtfachwerk sinnvoll, also kann man auch gleich Nägel mit Köpfen machen und das ein oder andere Gebäude komplett in Fachwerkbauweise errichten. Müsste sich der zuständige Architekt natürlich vorher in die Materie einarbeiten, aber das wird man ja wohl vorraussetzen können. Was ich auf jeden Fall nicht sehen will ist, dass irgendwelche Holzbretter einfach an die Fassade als quasi-Ornament aufgenagelt werden, sondern wenn schon Holz dann als richtiges Fachwerk mit statischer Funktion.

  • Übrigens wäre die Interpretation des Hauses "Stadt Mailand", wie hier vorgeschlagen, eine geradezu geniale Fehlinterpretation. Denn architektonisch hatte das Gebäude mit Mailand nix am Hut, es war schlicht wie alle "Stadt *.*"-Häuser in der Stadt, von denen es dutzende gab, das Stammhaus für die Messegäste der jeweiligen Stadt. Das Stadtbild war höchstens in das Hauszeichen über der Tür eingearbeitet, darüber hinaus waren diese Bauten aber völlig den anderen Frankfurter Bauten untergeordnet. Eine Interpretation im südländischen Stil wäre somit nicht nur geschichtsfremd, sondern würde auch einen sinnfreien Bruch im Ensemble erzeugen.


    Rohne hat darüber hinaus schon richtig erwähnt, Frankfurt hatte einen eigenen, extrem konservativen Stil. Die schmuckreicheren rheinischen Einflüsse im Fachwerk blieben hier fast völlig außen vor, die ganz wenigen äußerlich prachtvollen Bauten sind ausschließlich von Einwanderern errichtet - sei es der Schwarze Stern, der Große Engel, der Große Speicher oder die Goldene Waage. Und auch dies geschah oft nur mit Abstrichen und gegen massivste Widerstände aus der Bürgerschaft. Man hört oft von der "Ehrlichkeit" der Architektur - wenn sie an einem Ort in Frankfurt ehrlich sein sollte, dann hier. Und genau deswegen sollte man auch irgendwelche provokanten Klötze vermeiden, die dort historisch betrachtet niemals entstanden wären.

  • Wenn ich das richtig verstehe, dann war die Goldene Waage auch provokant, weil sie ja garnicht ortstypisch ist, und gegen den Wilen der Brgerschaft errichtet wurde. Hier gibt es glaube ich zwei Maßstäbe mit denen du misst. Goldene Waage vollkommen OK, auch wenn sie provokant ist, bei NEubauten darf das aber nicht der Fall sein. Hätte man früherschon so gedacht, dann müsste man heute gar nicht über die Reko der Goldenen Waage streiten.

  • Und genau deswegen sollte man auch irgendwelche provokanten Klötze vermeiden, die dort historisch betrachtet niemals entstanden wären.


    Niemand will auf dem Areal "provokante Klötze" bauen. Die zeitgenössische Architektur ist in vielerlei Hinsicht die Kreativ vielfältigste und damit auf gar keinen Fall auf den Brutalismus zu reduzieren oder was auch immer du vor Augen haben magst.
    Abgesehen davon könnte man Fachwerkhäuser genausogut als kitschige Hexenhäuschen diffamieren.


    Was das Thema "ortstypisch" betrifft, so müsste man sich auch mal mit der jüngeren Geschichte der Altstadt und Frankfurts auseinandersetzen.


    Dann hat die Betonlandschaft, rein historisch betrachtet, sogar auch eine architektonische Erwähnung verdient. Schließlich wird die kulturelle Geschichte der jungen BRD im 20. Jhd. später einmal viele Generationen interessieren. Gerade die Frankfurter Altstadt ist in ihrem jetzigen Zustand ein Paradebeispiel der Architekturepochen des 20. Jhd.
    Zuerst die "kritische Rekonstruktion" der bescheidenen 50er, dann die 70er Betoneuphorie gefolgt vom Wiederaufbau der Ostzeile und der postmodernen Renaissance traditioneller Stadtstrukturen mit der Schirn...
    Wenn wir uns in der Altstadt ernsthaft mit Geschichte befassen wollen, so müssen auch Überbleibsel dieser Epochen erhalten werden. Sonst verliert jede Neubebauung ihren historischen Anspruch!

  • Zuerst die "kritische Rekonstruktion" der bescheidenen 50er, dann die 70er Betoneuphorie gefolgt vom Wiederaufbau der Ostzeile und der postmodernen Renaissance traditioneller Stadtstrukturen mit der Schirn...
    Wenn wir uns in der Altstadt ernsthaft mit Geschichte befassen wollen, so müssen auch Überbleibsel dieser Epochen erhalten werden. Sonst verliert jede Neubebauung ihren historischen Anspruch!


    Deine Ausführungen würden zuende gedacht bedeuten: Ganz egal, was jetzt gebaut wird auf dem Areal - sobald es erst einmal steht, müsstest du deiner eigenen Argumentation folgend für seinen Erhalt plädieren.


    Dann könnte es dir ja eigentlich auch egal sein :D

  • mik: also in der jüngeren Geschichte braucht man bei der Definition von "ortstypisch" kaum zu suchen, denn da hat man ja vorwiegend eben nicht mehr ortstypisch gebaut, sondern so wie man es auch überall sonst auf der Welt hätte hinstellen können. Hat auch was mit dieser sinnlosen Totalabkehr von der Geschichte zu tun die die moderne Architektur viel zu lange betrieben hat.


    Zitat von mik


    Zuerst die "kritische Rekonstruktion" der bescheidenen 50er, dann die 70er Betoneuphorie gefolgt vom Wiederaufbau der Ostzeile und der postmodernen Renaissance traditioneller Stadtstrukturen mit der Schirn...
    Wenn wir uns in der Altstadt ernsthaft mit Geschichte befassen wollen, so müssen auch Überbleibsel dieser Epochen erhalten werden. Sonst verliert jede Neubebauung ihren historischen Anspruch!


    Selbst wenn mans darauf hinauslaufen lassen würde, könnte man da noch extrem viel Nachkriegszeug wegreißem, denn es kann ja wohl nicht sein dass weit mehr als 50% der Bausubstanz der Altstadt aus den 60 Jahren seit 1945 stammt, während die vorherigen fast 1000 Jahre sich um den Rest zanken müssen.
    Und von der Postmoderne würde ich lieber die kleinteilige Saalgassenbebauung erhalten wissen als die viel zu große Kulturschirn ;)

  • Wenn ich das richtig verstehe, dann war die Goldene Waage auch provokant, weil sie ja garnicht ortstypisch ist, und gegen den Wilen der Brgerschaft errichtet wurde. Hier gibt es glaube ich zwei Maßstäbe mit denen du misst. Goldene Waage vollkommen OK, auch wenn sie provokant ist, bei NEubauten darf das aber nicht der Fall sein. Hätte man früherschon so gedacht, dann müsste man heute gar nicht über die Reko der Goldenen Waage streiten.


    Die Goldene Waage wurde nicht gegen den Willen der Bürgerschaft errichtet, es gab nur von Seiten der Bürgerschaft so lange Klagen gegen den Bauherren, bis dieser beim Entwurf Abstriche machte, die Architekten heute "Anpassungsarchitektur" nennen - z. B. wurde das Gebäude um ein geplantes Stockwerk reduziert, um so die einheitliche Traufhöhe am Markt zu wahren.


    Der Unterschied zu heute ist, dass Politik und Architekten weitestgehend das machen, was sie wollen, und die Bürgerschaft dazu nichts mehr sagen darf. Und Leute wie ein Herr Mäckler dann noch Wahnphantasien entwickeln, dass der Bau des Technischen Rathauses dem Wunsch der Menschen in den 70ern entsprochen hätte.

  • @ Rohne und Restitutor


    Ich wollte mit dieser Ausführung eigentlich eher nochmal Dvoraks Definition einer lebendigen Stadt wiedergeben, in der alle Zeiten ihre Berechtigung haben. Natürlich kann man vieles Neubauen, aber eben diese Totalabkehr von der moderneren Architektur halte ich für "unhistorisch" und in dem Sinne für nicht "ortstypisch", da sich das heutige Dom - Römer Areal aus extremer Diversität architektonischer Stile zusammensetzt. Eine komplett homogene Bebauung widerspricht diesem Zustand.
    Wobei mein Favorit, die Teilreko, da natürlich auch nicht besser ist, aber es auch nicht nötig hat sich an lange toten Traditionen festzuklammern.


    Ich habe jedoch nie gesagt, dass die aktuelle Situation so erhaltenswert wäre und ich will bestimmt nicht die ganze Gegend unter Denkmalschutz stellen.
    Jedoch kann man einfach nicht behaupten, dass Fachwerkhäuser in diesen Zeiten, auf diesem Areal eine größere "ortstypische" Berechtigung hätten, als die ebenfalls zur Geschichte gewordenen Phasen der Architektur des 20. Jhd.
    Ob gut oder schlecht, international oder lokal spielt da gar nicht mal so die Rolle. Aber man kann nicht einen Stil von vor 300 Jahren als Den regionalen Stil festnageln, der - obwohl technisch und gestalterisch überholt - uneingeschränkten Vorrang genießt. Besonders unter dem Aspekt, dass dieser Stil von vor 300 Jahren seit 60 Jahren gar nicht mehr vor Ort vorhanden ist!

  • Ich wollte mit dieser Ausführung eigentlich eher nochmal Dvoraks Definition einer lebendigen Stadt wiedergeben, in der alle Zeiten ihre Berechtigung haben. Natürlich kann man vieles Neubauen, aber eben diese Totalabkehr von der moderneren Architektur halte ich für "unhistorisch" und in dem Sinne für nicht "ortstypisch", da sich das heutige Dom - Römer Areal aus extremer Diversität architektonischer Stile zusammensetzt. Eine komplett homogene Bebauung widerspricht diesem Zustand.


    Nun, es ist ja eben gerade *keine* Totalabkehr von der modernen Architektur. Es wäre eine Komplett-Rekonstruktion auf einem relativ kleinen Areal, die dort eine ganz bestimmte Funktion erfüllen würde.


    In anderen Bereichen soll ja auch modern gebaut werden (und nicht rekonstruiert), bloß wären wir da bei einem anderen Thema, nämlich was qualitätsvolle zeitgenössische Architektur wäre. "Moderne Architektur" im wahrsten Sinne des Wortes würde für mich bedeuten, dass sie einerseits in die Zukunft weist, andererseits aber auch in der Vergangenheit wurzelt. Das wäre eben keine Reko und auch kein Historismus, sondern einfach "Weiterentwicklung" statt "Bruch".
    Aber eben, wie gesagt: Nicht auf diesem Areal!


    Ich habe jedoch nie gesagt, dass die aktuelle Situation so erhaltenswert wäre und ich will bestimmt nicht die ganze Gegend unter Denkmalschutz stellen.


    Na ja, du hast Gebäude aufgezählt, die deiner Meinung nach alle erhalten werden müssten - und zwar nur aufgrund der Tatsache, dass sie einen bestimmten Zeitgeist repräsentieren (also unabhängig von ihrer tatsächlichen architektonischen Qualität). Was aber heute gebaut wird, ist die Geschichte von morgen, und auch eine Komplett-Reko würde den heutigen Zeitgeist repräsentieren...


    Ich denke, so einfach darf man es sich nicht machen. Man muss den Mut haben zu sagen: Das waren Fehlentwicklungen, das ist nicht erhaltenswert, das kann weg! Sonst würde man zu einem "Mann ohne Eigenschaften": Alles, was ist, ist gut, weil es ist... davon halte ich nichts.


    Ob gut oder schlecht, international oder lokal spielt da gar nicht mal so die Rolle. Aber man kann nicht einen Stil von vor 300 Jahren als Den regionalen Stil festnageln, der - obwohl technisch und gestalterisch überholt - uneingeschränkten Vorrang genießt. Besonders unter dem Aspekt, dass dieser Stil von vor 300 Jahren seit 60 Jahren gar nicht mehr vor Ort vorhanden ist!


    Doch. Wenn meine These ist, dass die Bauten der letzten 60 Jahre überwiegend (also natürlich nicht alle) wesentlich zur Unzufriedenheit der Menschen mit ihren Städten beigetragen haben, dann charakterisiere ich sie als Fehlentwicklung, die es zu korrigieren gilt. Sie sind in diesem Sinne "ortsuntypisch", weil sie mit der Tradition des Ortes gebrochen haben und die Bevölkerung sich nicht mit ihnen "versöhnen" konnte. Daher auch der Begriff "Stadtreparatur".

  • Die Koalition hat sich einer FNP-Vorabmeldung zufolge auf ein Konzept für die Neubauung geeinigt. Zu den bisher vier Gebäuden werden zwei bis drei weitere Bauten originalgetreu rekonstruiert, nämlich der "Alte Esslinger", "Klein Nürnberg" und ggf. auch das "Haus Rebstock". Im Übrigen soll es eine eng gefasste Gestaltungssatzung geben - die neuen Gebäude sollen aussehen, als wären sie alt. Ansonsten


    - wird ein Altstadt-Beirat gegründet,
    - sollen die Grundstücke in Erbpacht an möglichst viele verschiedene Bauherrn gehen,
    - die, wenn sie dies wünschen, weitere Rekonstruktionen bauen können.
    - In jedem Fall aber traditionelle Bauweise, d. h. Holz oder Mauerwerk.
    - Ein Projektentwickler und ein einheitliches Quartiersmanagement werden eingesetzt und
    - für den Archäologischen Garten soll es einen Architektenwettbewerb geben.

  • Nun bin ich aber gespannt:


    Es werden als neue Gebäude entstehen, die so aussehen, als seien sie alt.


    Wenn ich das richtig verstehe, sollen also neu gestaltete Häuser entstehen, die aber so aussehen als seien sie ein Produkt der letzten Jahrhunderte? Mit Anderen Worten, eine Phantasie-Altstadt, die das unselige Prädikat "Disneyland" eher verdient hat als alle anderen Pläne und Ideen...


    Ich sehe nicht so recht das Problem mit den Pseudo-Rekonstruktionen. Wenn man nun alte Bauweisen anwenden will, wäre es nur ein kleiner Schritt weiter zu (äußerlichen) Komplettrekonstruktionen. Wo wäre das Problem, den Bauherren einfach die Pläne für "ihr" Haus zur Verfügung zu stellen, damit der Architekt erst gar nicht in Versuchung kommt, sein kreatives Potenzial auszuschöpfen? Ich wage zu unterstellen, dass moderne Architekten niemals die Attraktivität der ursprünglichen Bebauung auch nur ansatzweise erreichen können, zumal auch "eine modernere Interpretation" möglich sein soll, was meiner Meinung nach ein krasser Gegensatz zum oben genannten quasihistorischen Anspruch ist. Eine zweite Saalgasse kann und darf dabei nicht herauskommen, dafür ist dieses Areal viel zu bedeutend für Frankfurt.


    Meine Hoffnungen ruhen darauf, dass trotz aller Widersprüche in dem genannten Artikel eine attraktive Bebauung mit möglichst vielen privaten Rekonstruktionen (diese gerne auch nur äußerlich) auf dem Areal entstehen wird. Und sollte es wirklich einmal weiter aufwärts gehen mit dem städtischen Geldsäckel: Die einzelnen Parzellen erlauben es immernoch, in einigen Jahren Gebäude wieder abzureißen und an ihrer Stelle Nachbildungen der historischen Bauten zu errichten. Die Hoffnung stirbt zuletzt....

  • Ich könnte mir vorstellen, dass letztlich um die Gestaltung jedes einzelnen Hauses gerungen wird. Anders scheint es wohl auch nicht zu gehen.


    Als Zwischenergebnis und Leitlinie kann man damit zufrieden sein, denke ich. Wenn man Beitrag 1 dieses Threads betrachtet, ist es jedenfalls jetzt schon mehr als man vor zweieinhalb Jahren erträumen konnte. Und die Details werden sich hoffentlich auch noch zur Zufriedenheit entwickeln.

  • Nun warten wir doch erstmal ab, wie die Entwürfe aussehen werden. Ich finde die Nachricht könnte kaum besser sein, eine richtig gute Meldung. Was sollten wir mehr erwarten?


    EDIT wg. Posting-Überschneidung: Genau das meine ich auch. Abwarten und auf schöne neue alte Gebäude hoffen!

  • Damit ich nicht falsch verstanden werde: Die derzeit propagierte Lösung ist besser als alles andere, was bisher von offizieller Seite zum Thema Altstadt bekanntgegeben wurde. Nun ist man allerdings nur noch um Haaresbreite von einer quasi vollständigen Rekonstruktion entfernt, will dieses Potenzial aber ohne Not verschenken. Hier ist meiner Meinung nach nur noch politische Ideologie der Hinderungsgrund, denn die Baukosten dürften bei den vorgeschriebenen Methoden auch nicht mehr weit unter denen von Komplett- oder Teilrekonstruktionen liegen.