Leipzig: Neubau Universität (realisiert)

  • Unikirche ist keine alleinige Universitätsangelegenheit

    @ dj tinitus


    Der Neubau am Ort der gesprengten Universitätskirche St. Pauli ist keine reine Angelegenheit der Universität Leipzig, die, und das sollte nicht vergessen werden, durch ihre damalige Universitätsleitung seit Anfang der 50er Jahre vehement die Vernichtung der Universitätskirche von der Berliner SED-Führung verlangte.
    Die Sprengung hat dem Gemeinwesen Leipzig eine bis heute offene Wunde geschlagen. Dies reicht bis zur Diskussion über die von der Universitätsleitung geforderte Trennwand, die nicht nur von der Landeskirche, der Theologischen Fakultät, den Studierenden der Theologischen Fakultät, vielen Prominenten wie Friedrich Schorlemmer, Ludwig Güttler, Herbert Blomstedt, Fabio Luisi, Georg Christoph Biller, Udo Reiter, Erich Loest, Reiner Kunze, Bernd Lutz Lange, den beiden ostdeutschen Altbischöfen Dr. Dr. Hempel und Dr. Dr. Krusche usw. usf. abgelehnt wird, sondern nicht zuletzt auch von zahlreichen Leipzigerinnen und Leipzigern. (Übrigens alles Steuerzahler, die die Trennwand mit bezahlen müßten.)
    Die Bach- und Mendelssohn-Stätte Universitätskirche St. Pauli mit ihrer überaus reichen Geschichte, "dieser Symbolbau des wiedervereinigten Deutschland", wie die ZEIT sie nannte, besitzt eine Bedeutung, die weit über Leipzig hinausreicht.


    P.S.: Sie sprechen fälschlicherweise von "Rektor Häussler" statt richtig "Häuser". Ein Herr Häußler war der damalige SED-Verantwortliche für Kultur im Bezirk Leipzig, der ein Gutachten mit dem Ziel anfertigen ließ, die in der Universitätskirche St. Pauli vor ihrer Zerstörung befindlichen Kunstwerke in ihrer Bedeutung zu degradieren.

  • hallo bienitz, willkommen im forum!


    @dase: du hast es schon ganz richtig erfasst. in dem raum sollen zahlreiche veranstaltungen stattfinden, die keinen kirchlichen bezug haben. und darum sollte dann der altarraum abgeteilt werden.


    Bienitz: ohne die architektonischen zitate des alten kirchenbaus liesse sich nicht nur das glasportal einsparen - der ganze bau wäre weniger teuer. gut, dass trotzdem kein billigbau entsteht. zu den briefeschreibern etc.: das ist ja nun alles schon hundertmal durchgekaut worden. postiv ausgedrückt haben sie mit bewirkt, dass eine art "sühnebau" für die gesprengte kirche errichtet wird. negativ liesse sich anmerken, dass es ihnen nie um die beste lösung für die universität ging und sie ihre forderungen stets mit einem kontraproduktiven "moralischen imperativ" vortrugen.
    zwei beispiele: wenn herr loest sagt, ihn interessiere nicht die meinung der studenten, stellt sich die frage, warum die uni die meinung von herrn loest interessieren sollte. und wenn ex-nikolaikirchenpfarrer führer fordert, "was wie eine kirche aussieht, muss auch eine kirche sein!", dann kann die schlussfolgerung für die uni nur lauten, das paulinum eben nicht einfach wie eine kirche zu gestalten.


    davon abgesehen: hätte van egeraat nicht an diesem wettbewerb teilgenommen, würde heute der zweitplatzierte entwurf von kulka realisiert werden - mit aula in der unteren hälfte und andachtsraum darüber. kein mensch würde heute fordern, die zwischendecke herauszureissen. und die erde hätte sich trotzdem weiter gedreht.
    das sollte alle ermutigen, sich positiv mit den gestalterischen und funktionalen qualitäten des jetzt entstehenden gebäudes auseinander zu setzen.

  • Aufgabe der Universität ist zu verbinden, nicht zu trennen.

    Zum letzten Wettbewerb, den van Egeraat gewann, war es gekommen, weil der Protest gegen den von der Universitätsleitung vehement verfochtenen Entwurf von Behet + Bondzio diesen erzwang.
    Mit dem Siegerentwurf, über den das Leipziger Amtsblatt schrieb, im Inneren entsteht die Paulinerkirche mit Pfeilern und Kreuzrippengewölbe in Anlehnung an ihr Original, schien dann etwas gefunden worden zu sein, was die Bezeichnung Kompromiß wirklich verdient hatte und womit, so konnte man damals noch annehmen, alle Beteiligten und die interessierte Bürgerschaft leben konnte.
    Die Probleme enstanden erst wieder, als auf Drängen und Verlangen der Universitätsleitung Schritt für Schritt von diesem Wettbewerbsergebnis abgewichen wurde. Zu nennen sind hier vor allem der verlangte Einbau einer Trennwand, das Abweichen von der im Siegerentwurf vorhandenen Wiederaufstellung der Barockkanzel im Kirchenschiff sowie die Amputation von drei Pfeilerpaaren oder, wie Rektor Häuser es nennt, die Errichtung von "Säulen, durch die man am Boden laufen kann".
    Wie sehr der Konflikt schwelte, zeigte die Anbringung des Bauschildes durch die Universität, welches als Bauvorhaben lediglich "Aula" vermerkte und nicht, wie es korrekt gewesen wäre, "Kirche/Aula". Auch hier erfolgte eine Richtigstellung erst aufgrund von Protesten. Zudem ist die damalige Wortmeldung des Universitätskanzlers "Wir bauen eine Aula und keine Kirche" unvergessen, die ebenfalls zu Protest führte.
    Wen wundert es da, wenn die von Rektor Häuser verlangte Trennwand nun ebenfalls weithin auf alles andere als Zustimmung stößt?
    Zudem Herr Häuser, wie die LVZ berichtete, sogar den Vorschlag des Finanzministeriums ablehnte, eine Variante zu wählen, die eine vollständige Öffnung ermöglichen würde.
    So schreibt beispielsweise Gewandhauskapellmeister a. D. Herbert Blomstedt:
    "Als Künstler, Wissenschaftler und Christ ist es mir ein Herzensanliegen, daß die Trennwand zwischen Altarraum und Kirchenschiff in der neuen Universitätskirche St. Pauli in Leipzig nicht gebaut wird, sondern daß der ursprüngliche Siegerentwurf des Architekten van Egeraat realisiert wird. Dies sowohl aus akustischen als religiösen Gründen. Die Aufgabe der Universität ist zu verbinden, nicht zu trennen."


    P.S.: Die von Ihnen Herrn Loest zugeschriebene Äußerung ist mir gänzlich unbekannt. Wäre es Ihnen deshalb möglich, diese zu belegen?

  • Danke Bienitz,


    für diese Zusammenfassung einiger Hintergründe zum Streit um den Universitätsneubau. Herr Häuser, unser lieber Magnifizenz, ist wirklich untragbar im Zusammenhang um die Paulinerkirche. Ich habe ihn schon auf mancher Veranstaltung erlebt und für ihn scheint das alles eher ein Spaß zu sein, zumindest fällt es ihm schwer, Verständnis dafür aufzubringen, warum es eine solche Diskussion um die Paulinerkirche und deren Neufassung gibt. Manche Genossen sind bestimmt angetan von seinem Verhalten, dass einem Fußtritt in die kirchlich-aufgeklärte Richtung gleichkommt. Vielleicht überreicht ihn mal jemand einen Orden, Restposten sind gewiss noch vorhanden.
    Die importierte Hochschulleitung sollte lieber mal ihren Job machen, dafür hat man sie auch nach Leipzig geholt. Die Feingestaltung und den Schliff des Unineubaus können sie ruhig anderen überlassen.


    :lurk:

  • Einen Einblick in die Geschehnisse gibt heute Dankwart Guratzsch in DIE WELT mit seinem Artikel "Späte Rache Ulbrichts".


    hier ist besagter Artikel. Gruß, Cowboy.

  • @dase: du hast es schon ganz richtig erfasst. in dem raum sollen zahlreiche veranstaltungen stattfinden, die keinen kirchlichen bezug haben. und darum sollte dann der altarraum abgeteilt werden.


    Warum stört der Altar Veranstaltungen ohne kirchlichen Bezug? Ich schrieb ja bereits, ein Nebeneinander sollte mit zeitlicher, nicht räumlicher Trennung einhergehen. Leider gehst du nicht darauf ein, warum das unmöglich sein soll.


    Weiterhin mag es ja sein, dass es schlechtere Alternativen gegeben hätte, aber eben deswegen wurde gegen ebendiese gekämpft. Am Ende wurde, wie Binietz bereits richtig schrieb ein Kompromiss erzielt, der alle Seiten soweit zufrieden gestellt hat. Seither wurde ebendieser Kompromiss von Seiten der Unileitung immer weiter aufgeweicht und gebrochen - da braucht man sich nicht zu wundern, dass erneute Proteste aufbranden. Die Trennwand ist da nur das Quentchen, dass das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Besonders geschickt war das von Seiten der Uniführung nicht. Der zweite Absatz des verlinkten Welt-Artikels fasst das Ganze gut zusammen.


    Noch etwas: "die" Uni gibt es nicht - auch an der Universität Leipzig sind nicht alle des Rektors Meinung (*hint* schau mal auf die Teilnehmer des Vermittlunsgespräches */hint*) - insofern stellt sich schon die Frage, warum die Meinung der Uniführung und des Studentenrates, die, wie du bereits korrekt festgestellt hast, nichts dafür bezahlen, über sämtliche Einwände anderer Interessengruppen steht?


    Eins sollte man nicht vergessen - ursprünglich wollte der Freistaat Sachsen Augusteum und Paulinerkirche rekonstruieren, dies erfolgte nur aufgrund von Protesten der Uniführung nicht. Insofern stelle ich in Frage, dass die Ursprungsprämisse ausschliesslich "zweckmässiges Unigebäude" lautete. Dies möchtest du uns mit deinen Ausführungen nämlich nahelegen, wenn ich dich richtig verstehe.


    Grüße vom *D

  • Noch etwas: "die" Uni gibt es nicht - auch an der Universität Leipzig sind nicht alle des Rektors Meinung (*hint* schau mal auf die Teilnehmer des Vermittlunsgespräches */hint*) - insofern stellt sich schon die Frage, warum die Meinung der Uniführung und des Studentenrates, die, wie du bereits korrekt festgestellt hast, nichts dafür bezahlen, über sämtliche Einwände anderer Interessengruppen steht?


    Eins sollte man nicht vergessen - ursprünglich wollte der Freistaat Sachsen Augusteum und Paulinerkirche rekonstruieren, dies erfolgte nur aufgrund von Protesten der Uniführung nicht. Insofern stelle ich in Frage, dass die Ursprungsprämisse ausschliesslich "zweckmässiges Unigebäude" lautete. Dies möchtest du uns mit deinen Ausführungen nämlich nahelegen, wenn ich dich richtig verstehe.


    Grüße vom *D



    Verstehe ich das richtig: Andere , die nicht zur Uni gehören, sollen über die Nutzung des Unigebäudes verfügen können? Wie soll das funktionieren? Gibt es dazu ein großes Meeting auf dem Augustusplatz? Jeder kann kommen und dann wird abgestimmt. Und anschließend bestreitet die unterlegene Seite die Rechtmäßigkeit des Votums wie in Dresden. Die Meinung der Studenten ist vermutlich unwichtig; ist ja nur deren Universität und da sollen sie nur eins sein: Dankbar. Oder?



    Der Freistaat Sachsen wollte das Augusteum wieder aufbauen? Bin etwas irritiert. Nach dem was ich gelesen habe, wollte der Freistaat die Bestandsgebäude nur umbauen lassen. Besonders das Hauptgebäude am Augustusplatz sollte auf keinen Fall abgerissen werden. Merkwürdigerweise hat der Architekt, der sich nicht an die Vorgaben des Wettbewerbstextes gehalten hat, gewonnen.



    Sicherlich bekommen wir hier noch die entsprechenden Quellen -die Deine Einlassungen bestätigen- von Dir zu sehen. BILD-Artikel sind allerdings nicht ausreichend.


    Auch wenn es schwer fällt, Meinungen die mit dem Rektor Häuser konform gehen, sind gar nicht so selten.



    Hier ein Beispiel

  • Ich habe nicht behauptet, dass niemand mit Häuser konform geht. Umgekehrt wird aber behauptet, dass Häuser für die komplette Uni spricht, was ganz einfach nicht der Fall ist.


    Ebenso habe ich nicht behauptet, dass die Meinung der Studenten unwichtig ist, schliesslich habe ich selber in Leipzig studiert. Nur können eben, wenn an diesem Ort gebaut wird, nicht ausschliesslich die Meinung der künftigen Nutzer zählen. Oder darf ich, sofern ich das möchte und das Geld habe, in der Innenstadt ein Fertighaus bauen?


    Was die ursprüngliche Intention betrifft, es gab mal eine Pressemitteilung, in der kolporiert wurde, das Geld für den originalen Wiederaufbau stehe zur Verfügung. Sofern ich in den nächsten Tagen mal Zeit habe, werde ich im Netz mal danach suchen. Vielleicht kann ja auch jemand anderes aushelfen. Insofern - falls die Ursprungsintention eine andere war, bitte ich meine Schlussfolgerung zu entschldigen, Fakt ist aber, dass Dresden zwischenzeitlich zu weit mehr bereit war, als am Ende rauskam.


    Ich bin übrigens ein echter Fand es Egeraat Baus, insofern würde ich es begrüßen, wenn mal jemand auf die Diskussion um die Plexiglaswand eingehen würde.


    Das mit der Bildzeitung hättest du dir übrigens sparen können, das habe ich mal überlesen.

  • Kurios ist doch auch, dass immer so dargestellt wird, nur die Kirche wäre für eine Rekonstruktion gewesen. Dem ist mitnichten so. Ich bin, wie viele andere Leipziger sicher auch, nicht gläubig. Trotzdem war ich stets für eine Rekonstruktion. Und zwar aus folgendem Grund: Die Paulinerkirche und das Augusteum als Ensemble sind objektiv einfach schöner, als das was zu DDR-Zeiten gebaut wurde, und das was nun gebaut wird. Und die Optik ist das, was für mich als unbeteiligter Leipziger, der hier in dieser Stadt sein Leben verbringen möchte, nun mal ausschlaggebend ist. Trotzdem kann ich mit der modernen Interpretation der Front zum Augustusplatz durchaus leben. Aber wie man nun sieht, ist auf moderne Architekten kein Verlass, und die restlichen Seitengebäude sehen einfach bescheiden aus. Da braucht man sich nicht wundern, warum immer nach Rekonstruktionen geschrien wird. Da weiß man nämlich was man hat! Die frühere Bausubstanz hat sich jahrzehntelang bewährt und wird auch heute noch als zeitgemäß und schön betrachtet. Warum das nicht akzeptiert wird, ist mir unbegreiflich. Man muss ja nicht alles genauso wie früher bauen, aber man könnte auf den früheren Formen aufbauen und diese mit modernen Formen ergänzen. So stelle ich mir architektonisch angepasste Weiterentwicklungen vor.

  • es macht doch keinen sinn, aus frust irgendwas zu schreiben.


    der zweite wettbewerb wurde durchgeführt, weil im ersten wettbewerb kein erster preis vergeben wurde. auch der uni war der behet-bodzio-entwurf nicht gut genug. und im jury-entscheid zum zweiten wettbewerb wurde festgeschrieben, dass der innenraum in hinblick auf die nutzung als aula weiter überarbeitet werden soll. genau das wurde getan. bevor irgendwas von "gebrochenem kompromiss" geschrieben wird, sollte man erst einmal der jury-entscheid lesen.
    der ehemalige sächsische kultusminister roessler hatte sich tatsächlich für eine kirche-reko ausgesprochen. daraufhin war das gesamte rektorat geschlossen zurück getreten. erst danach und unter dem neuen rektor häuser kam es zum zweiten wettbewerb. dies zeigt: hier geht es nicht um personen, deren herkunft oder geschmack. sondern um haltung: die bewahrung der autonomie der universität. (ich gehe mal davon aus, dass in jedem anderen zusammenhang diese haltung volle zustimmung erfahren würde. konsequenterweise sollte das dann auch in diesem fall gelten.)
    zum schluss: etwas als "objektiv einfach schöner" zu beurteilen, ist nun mal subjektiv. wenn selbst blobel als vorsitzender des paulinervereins erklärte, den fassadenentwurf von van egeraat finde er genial, besser noch als die neogotische rossbach-fassade, wird die luft ganz dünn...


    und noch kurz zu dases frage, warum ein altar veranstaltungen ohne kirchlichen bezug stören sollte:
    die frage ist schlicht falsch gestellt. sie muss lauten: was haben in der aula einer staatlichen universität religiöse oder weltanschauliche symbole zu suchen? nichts. und das ist auch besser so.

  • ^ Gegenfrage: würde man die religösen Symbole dann heute entfernen, weil sie nicht mehr als zeitgemäß gelten? Würde man die Paulinerkirche in eine reine Aula umbauen? Wohl kaum. Sollte dann in letzter Konsequenz ein Theologiestudium ebenfalls nicht mehr möglich sein?


    Ich hab hier ja schon mal geschrieben, wo liegt der Unterschied zwischen religösem Fanatismus und atheistischem Fanatismus? Einem normaldenkenden aufgeklärten Atheisten sind doch irgendwelche Kruzifixe, Halbmonde und andere religöse Symbole vollkommen wumpe. Wem es hinterm Ohr juckt, sobald er ein Kreuz sieht, hat doch selber ein Problem, dass er irgendwie zu kompensieren versucht (zur Vermeidung von Mißverständnissen: damit meine ich nicht dich). Versucht man dann, den Nikolaikirchhof zu meiden oder wie darf ich mir das vorstellen?


    Hier geht es nicht darum, der Universität in ihre Lehrinhalte hineinzureden. Hier geht es darum, etwas zu ermöglichen (nämlich eine parallele, meinetwegen zeitlich getrennte Nutzung), was jahrhundertelang die Normalität war.

  • damit sprichst du ja gleich mehrere aspekte an.
    zum einen: was jahrhunderte lang normalität war, ist es heute nicht mehr. die neue normalität ist, dass studenten, dozenten und gäste der uni ganz unterschiedliche bekenntnisse und weltanschauungen haben. diesem fakt rechnung zu tragen, hat nichts mit fanatismus zu tun.
    schon gar nichts mit "atheistischem fanatismus". es ist doch wohl nicht zu viel verlangt, die glaspforte zu öffnen, um andachtsraum und hauptraum in gänze für kirchliche zwecke nutzen zu können. und es ist auch völlig in ordnung, den altarraum abzutrennen, wenn im hauptraum dinge diskutiert oder veranstaltet werden, die man aus respekt vor christlichen empfindungen besser nicht unterm altar stattfinden lassen sollte. es geht doch im grunde (bis auf ex-pfarrer führer) unausgesprochen darum, durch die verhinderung dieser glaspforte derartige veranstaltungen zu verhindern. auf dieses spiel sollte sich eine konfessionsfreie staatliche universität nicht mal im ansatz einlassen.


    selbstverständlich würde heute niemand auf den gedanken kommen, eine noch existierende unikirche umzubauen. in diesem fall hätte man eine aula an anderer stelle errichten müssen. aber diesen fall gibt es nicht. hier entsteht ein neubau, der mehrere aufgaben erfüllen soll. darum war das ringen um die bestmögliche lösung so schwierig. und deshalb hat der entwurf van egeraats jeden respekt verdient.
    weil er seinerseits respekt erweist.
    den dessen gegner nur all zu oft vermissen lassen.
    das ist meist ein gutes zeichen dafür, auf dem richtigen weg zu sein.

  • Wenn Herr Prof. Ludwig Güttler im heutigen Artikel der LVZ "Star-Trompeter Güttler: Uni-Rektor betreibt Proletenkult" davon spricht, daß der "Gestaltungs-und Machtmißbrauch" der derzeitigen Universitätsleitung" die "Gefühle, Überzeugung und Identität jener, die unter diesem barbarischen Akt der Sprengung gelitten haben", verletze, verdeutlicht er, warum die Bebauung am Ort der gesprengten Universitätskirche St. Pauli keine reine Angelegenheit der Universität Leipzig ist.


    P.S.: Dank und Gruß an Cowboy.

  • zum schluss: etwas als "objektiv einfach schöner" zu beurteilen, ist nun mal subjektiv. wenn selbst blobel als vorsitzender des paulinervereins erklärte, den fassadenentwurf von van egeraat finde er genial, besser noch als die neogotische rossbach-fassade, wird die luft ganz dünn...


    ziemlich unlogisch, diese Argumentation:
    Da wird einerseits darauf verwiesen, dass es sich bei der Bewertung „objektiv einfach schöner“ lediglich um eine subjektive Meinung handelt – was natürlich stimmt. Gleichzeitig wird einer anderen subjektiven Meinungsäußerung soviel Gewicht zugesprochen, dass selbige Einzelmeinung (also nur sie allein) die Luft (für die Gegenseite) ganz dünn macht.
    Es drängt sich schon der Verdacht auf, dass für Dich, dj tinitus, die „Subjektivität“ einer Einzelmeinung vorrangig dann gegeben ist, wenn Du selbst die betreffende Einzelmeinung nicht teilst.

  • die frage ist schlicht falsch gestellt. sie muss lauten: was haben in der aula einer staatlichen universität religiöse oder weltanschauliche symbole zu suchen?


    Sie fragen, was in einer Aula "religiöse Symbole" zu suchen hätten. Nun entsteht aber keine "reine" Aula, sondern ein sog. "Kirche-/Aula"-Bau, den inzwischen sogar die LVZ schlicht und ergreifend Paulinerkirche nennt.
    Wenn im Chorraum jener weltberühmte Altar wieder aufgestellt werden würde, der über Jahrhunderte dort stand, dann wäre er vor allem auch ein Zeugnis jahrhunderteralter Leipziger Universitätsgeschichte. Am wenigsten würde sich übrigens die ausländischen Gäste der Universität daran stören.
    Gleiches gilt für die Barockkanzel Schwarzenbergers. Mir ist übrigens kein Kunstwerk bekannt, deren Restaurierung vom Eigentümer abgelehnt wird, obwohl ihm von dritter Seite das Geld dafür zur Verfügung gestellt wird.

  • ^ Richtig, es geht um die Geschichte der Universität Leipzig, und somit auch die Geschichte und die Idendität der Stadt Leipzig. Das wollen einige scheinbar einfach nicht verstehen, weil es ihnen gegen den Strich geht.


    Es ist doch wohl offensichtlich, dass 550 Jahre Universität eine viel größere Bedeutung und Gewicht haben, sowie mehr zur Idendität der Uni und zur Stadt beigetragen haben, als lächerliche rund 50 Jahre seit dem Neubau zu DDR-Zeiten.


    Dass das die Herren von der Uni immer noch nicht begriffen haben, zeigt doch dass sie überhaupt kein Verantwortungsgefühl und Nähe zur Stadt und ihrer Vergangenheit haben.
    Paradox wird das ganze wenn man sich überlegt, das genau diese Herren im nächsten Jahr dann zur 600-Jahr-Feier laden, um letztlich die Tradition und Vergangenheit der Universität Leipzig pompös zu feiern.

  • Zum Thema *Ursprungsintention*, hier eine Pressemitteilung des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 28. Januar 2003:


  • umfragen sind doch was feines: 56% der gesamten leipziger bevölkerung waren dagegen, 55% von den menschen, die die kirche nie in echt gesehen haben, dafür. wieviel das über staatsdoktrinen und deren halbwertszeit in den köpfen der menschen aussagen kann.

  • In einer TED-Umfrage der BILD Leipzig, die sich auf die Seite der Befürworter der Unikirche schlug, waren sogar 89 Prozent der Leipziger für den originalgetreuen Wiederaufbau von St. Pauli. Das hielt auch ich völlig überzogen. Dass sich der Freistaat (siehe PM von BautzenFan) urplötzlich ebenso den Wiederaufbau befürwortete, hielten manche für ein politisches Machtspielchen: Die CDU-geführte Landesregierung gegen das SPD-geführte Leipzig mit seinem (damals) beliebten OBM Tiefensee. Die Rekonstruktion der Unikirche halte ich kulturhistorisch gesehen für außerordentlich wichtig. Aber gut, die Sache ist (leider) gegessen.


    Nur am Rande erwähnt: Kennt noch jemand den Kollhoff-Entwurf, der auf dem Grundstück des Cafè Felsche neben der Paulinerkirche ein Hochhaus vorsah, das gewisse Ähnlichkeiten mit dem Frankfurter Main Plaza (ebenfalls Kollhoff) aufwies?



    Bild: Kollhoff-Architekten