Avantgardistische Architektur im Vorkriegsdeutschland

  • Zitat von Norimbergus


    Das Gebäude war im Krieg stark beschädigt. Inzwischen hat es natürlich schon lange die typische Horten-Einheitsfassade (an der wir ins bis heute erfreuen können).



    Wenn man die Fassade abnehmen würde und den Rest restaurieren, hätte man dann wieder das alte Gebäude oder ist es komplett abgerissen worden?


    Finde die Schocken-Kaufhäuer persönlich auch gräßlich, aber damals stachen sie echt heraus... und nicht unbedingt negativ. Heute baut man sowas nicht, weil es kreativ ist sondern weil es Abschreibungsarchitektur ist....

  • Ich weiss, es ist ein alter thread, den ich da wieder nach oben hieve...
    Auf die Gefahr hin, mich unbeliebt zu machen oder gar als Besserwisser da zu stehen, möchte ich doch einige Stilzuordnungen korrigieren, die Dir möglicherweise durcheinander geraten sind.


    Aber ich denke, es hilft, zukünftig die klassische avangardistische Architektur zuzuordnen:


    Hansa-Hochhaus


    Architekt: Jacob Koerfer
    Bauzeit: 1924-1925
    Standort: Köln
    Stil: Art Moderne
    Status: vollendet



    Das Hansahochhaus in Köln ist eines der Paradebeispiele expressionistischer Architektur in Köln mit hochwertiger Fassadengestaltung in Backstein sowie Bauplastik in Terrakotta (Tierköpfe über den Erdgeschossfenstern). Auch bei diesem Haus ist gut zu erkennen, dass expressionistische Architektur oft auf die Gotik bezogen hat (so werden gotische Spitzbögen oft durch dreieckige Fensterspitzen zitiert). Da auch Köln eine Hansestadt war, ist die Verwendung des roten Klinkers oder Ziegels - ähnlich wie in den berühmten expressionistischen Kontorhäusern Hamburgs (Chilehaus), als hanseatischer Baustoff nicht verwunderlich.


    Das Hansahochhaus war übrigens seinerzeit - man mag es kaum glauben - das höchste Haus Europas



    Kaufhaus Schocken


    Architekt: Erich Mendelsohn
    Bauzeit: 1928-1930
    Standort: Stuttgart
    Stil: Expressionismus
    Status: zerstört




    Hierbei handelt es sich eben nicht um eine expressionistische Architektur sondern um ein hervorragendes Beispiel der sogenannten klassischen Moderne. Keine Zitate vergangener Baustile oder verwendung klassischer Baumaterialien. Dagengen eine extrem horitzontale Gliederung der Fassaden und starke Betonung der inneren vertikalen Verkehrswege (Treppenturm). Gewisse Ähnlichkeiten zur später aufkommenden "Streamline-Architecture" in England und den USA sind ebenfalls zu erkennen.


    Vor einigen Jahren ist übrigens eines von Mendelsohns Hauptwerken - das Geschäftshaus des Mosse-Verlages in Berlin - wieder errichtet worden. Schon zur Erbauungszeit war die modernistische Erweiterung eines historisierenden Gechäftsgebäudes, welches zu teilen in den Berliner Novemberunruhen zerstört wurde, spektakulär.



    Kaufhaus Schocken


    Architekt: Erich Mendelsohn
    Bauzeit: 1929-1930
    Standort: Chemnitz
    Stil: Expressionismus
    Status: vollendet




    siehe oben


    Mendelsohn war übrigens nach seinem erzwungenen Exil durch die Nazis einer der Wegbereiter der "weissen Moderne" in Tel A Viv. Grosse Teile der frühen Bebauungspläne wurden von ihm mitgestaltet.


    Mit über 6000 teilweise hochkarätigen Bauten aus den 30er und 40er Jahren, die zu grossen Teilen von berühmten Architekten der frühen Moderne erstellt wurden, ist diese Stadt eine Perle für Freunde dieser Architektur. Während bis vor wenigen Jahren viele dieser Gebäude noch abgerissen wurden, gibt es nun auch in Tel A Viv das Bewusstsein für die Qualität jener Gebäude, die inzwischen oft liebevoll restauriert auch schon Teil von interessanten Stadtrundfahrten geworden sind.





    Anzeiger Hochhaus



    Architekt: Fritz Höger
    Bauzeit: 1927-1928
    Standort: Hannover
    Stil: Art Deco
    Status: vollendet



    Auch hier handelt es sich nicht um Art Deco sondern um expressionistische Architektur in ihrer Reinform. Filigrane Strebpfeiler die im Erdgeschoss aus angedeuteten Spitzbögen wachsen, sind auch hier wieder ein Zitat gotischer Architektur

  • Disch-Haus
    Brückenstraße/Herzogstraße, Köln
    1929/30
    Architekt: Bruno Paul, Franz Weber


    Im Krieg beschädigt, vereinfacht aufgebaut, in den 80ern originalgetreu wiederhergestellt. Innenausstattung mit Paternoster und Treppenhaus
    Gegenüber übrigens das neue Diezösanmuseum von Zumthor., um die Ecke die Nord-Süd-Fahrt mit Opernvorplatz. Die Ecke ist ziemlich hässlich, sind jedoch viele interessante Gebäude in der Nähe. Liegt sehr versteckt, 5 min. vom Dom



    http://www.bildindex.de/bilder/MI06309b08b.jpg



    http://www.f1online.de/thu/000043000/43227L.jpg

  • Rheinhallen der Messe
    Messeplatz-Köln Deutz
    1926-1928
    Architekten: Adolf Abel und andere


    Bereits vorhandene Bauten und Hallen wurden 1926-28 mit einer einheitlichen expressionistischen Fassade zu einem großen Komplex zusammengefaßt. Als wahrzeichen wurde ein Turm errichtet mit Restaurant auf 50m Höhe (bis vor 1 jahr zugänglich). Die Fassade überstand den Krieg, die Hallen innerhalb nicht. wurden mehrfach umgebaut, letztmals seit 2005 total entkernt und aktuell für den neuen Hauptsiz von RTL aufgebaut. Fassaden und Turm bleiben erhalten


    Übersicht:
    http://www.schael-sick-online.de/blick%20deutz5.jpg


    Messeturm:
    http://forum.bauforum24.biz/fo…-117-1143746030_thumb.jpg


    Rheinfront:
    http://images.google.de/imgres…6hl%3Dde%26lr%3D%26sa%3DN