Nierstein: NTT plant Mega-Rechenzentrumscampus

  • Rhein-Selz-Park in Nierstein

    Das Areal der Anderson Barracks, von 1953 bis Ende 2009 eine Kaserne der US-amerikanischen Streitkräfte mit einer Fläche von 75 Hektar, gehört seit 2014 dem Mainzer Investor Wolfram Richter. Auf dem seitdem als Rhein-Selz-Park vermarkteten Gelände ist nun der Bau eines Rechenzentrums geplant. Dazu soll eine etwa 50 Hektar große Teilfläche im Westen der früheren Kaserne an einen noch ungenannten Investor verkauft werden, der sie dann bebauen soll.


    Der Niersteiner Stadtrat hat den Plänen bereits 2022 zugestimmt (Q). Der Merkurist und heute auch die IZ schreiben nun von einer geplanten Rechenzentrums-Leistung von mehr als 500 Megawatt. Damit würde die Anlage zu den größten Rechenzentren Europas gehören.


    Edit 23. Mai: Bauherr soll die japanische NTT Data Group werden.

  • Könnte man ja sagen 'Ende gut, alles gut' - so ganz glaube ich aber erst daran, wenn da wirklich gebaut wird.

    Und man darf mal träumen - auf den restlichen 25 Hektar baut man ein grosses Thermal-Bad - was man ja mit 500 MW Leistung (=Abwärme) locker beheizen könnte :) .

    Bisher war dieses Areal ein Beispiel dafür, was passiert, wenn eine relativ kleine Gemeinde ( Nierstein hat so knapp 9000 Einwohner ) planungsrechtlich ein grosses Stück Kuchen bekommt - nichts gescheites.

    Dass die Amerikaner abziehen würden, stand schon ein paar Jahre vor 2009 fest. Als dann das Gelände an die Bima fiel, standen die Bauten jahrelang leer und unbewacht in der Gegend herum - was einige Leute dazu anregte, dort mal private 'Urban Mining'-Projekte zu starten.

    2014 kaufte dann die Richter-Gruppe das Areal und sagte 'Habt ihr keine Pläne, dann haben wir welche !'.

    Und zwar einen Off-Road-Park ausgerechnet an der östlichen, dem Niersteiner Stadtteil Schwabsburg zugewandten Ecke. Grollende SUVs, kreischende MotoCross-Maschinen, Abgaswolken - und das in der rheinhessischen Weinromantik :huh: .

    Die Gemeinde erließ eine Veränderungssperre und stellte hektisch einen Bebauungsplan auf. Die Richter-Gruppe klagte dagegen. Der Streit ging bis zum OVG Koblenz - wo die Gemeinde zuletzt 2021 verlor. Keine Ahnung. ob man mit einem Off-Road-Park wirklich soviel Geld machen kann, dass sich dieser Hickhack lohnt. Ebensowenig, ob ein solcher Off-Road-Park lauter ist als der rheinhessische Winzer, der ja öfter mal mit heulenden Gebläsen am Traktor seine Trauben vor dem Pilzbefall rettet. Da war von 'zerschnittenen Tischtüchern' die Rede.

    Ein bizarres Zwischenspiel mit den Geld-Prinzen aus dem Morgenland gab es auch noch - 2018 kauften Kuwaitische Investoren die 'Housing Area' - also die Offiziersvillen und die Kasernen, um daraus ein Urlaubsressort für Besucher vom persischen Golf zu machen. Wein, grüne Landschaft und im Winterhalbjahr gepflegter Nieselregen - hätte klappen können. Nur leider kam dann wiedermal ein Urteil über den Bebauungsplan dazwischen - die Investoren meldeten die Pleite an.

    Zwar hatte man wohl nie den Kaufpreis bezahlt - aber man hat schon mal angefangen, die Bauten gründlich auszuräumen. Und den ganzen Bauschutt einfach auf Haufen unter freiem Himmel geschüttet. Nicht wirklich überraschend, dass sich in dem Müll ziemlich viel Asbest fand - war schliesslich in den 50ziger und 60ziger Jahren ein normaler Baustoff. Die letzten dieser Haufen hat man wohl 2023 auf Sondermülldeponien verfrachtet - wobei alle Beteiligten und auch der eigentlich für Abfallwirtschaft zuständige Kreis Mainz-Bingen dem Treiben jahrelang zugesehen haben.

    Einmal editiert, zuletzt von WOVA1 ()

  • In der Lokalpresse wurde das angedachte Rechenzentrum schon als größerer Coup als Eli Lilly in Alzey gefeiert und Verwunderung geäußert, dass die Landesregierung sich so bedeckt halte.


    Auch ich glaube erst daran, wenn gebaut wird. Und ob ein Rechenzentrum an dieser Stelle sinnvoll ist, weiß ich auch nicht. Wohin mit der Abwärme? Wieviel Arbeitsplätze bringt so ein Rechenzentrum? Gut, darüber werden sich kompetentere Menschen als ich Gedanken machen. Bei der von WOVA1 geschilderten Geschichte des Areals ist Skepsis aber sicherlich angebracht. Die ganze Sache ist schon so ein bisschen zum Running Gag verkommen in der Region.

  • Es gab mal wieder Artikel dazu im SWR bzw. in der AZ - hier der Link auf den SWR swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/mainz/so-laeuft-es-beim-geplanten-rechenzentrum-im-rhein-selz-park


    Fazit: das wird wohl noch dauern.

    Die Frage nach den Arbeitsplätzen wurde von NTT Data mit "Mehr als 100" beantwortet. Würde bei 50 ha dann einen Arbeitspatz pro 5.000 qm bedeuten.


    Wozu dann ja noch dann fallweise die Techniker der Kunden oder Hersteller kommen - als Collocation-Rechenzentrum vermietet man ja nur die klimatisierte Fläche mit Strom- und Datenleitung, auf der die Kunden dann ihre Hardware aufbauen können.


    Hat natürlich auch was Gutes für die Gemeinde - wenn es erstmal gebaut und eingerichtet ist, ist der Verkehrszuwachs recht übersichtlich.

    Etwa im Gegensatz zu der Eli Lilly - Pharmafabrik in Alzey, die auf 30 ha 1000 Arbeitsplätze bieten soll. Wo man dann im Bebauungsplan erstmal massiv Strassen und Kreuzungen ausbauen / neu bauen muss.

  • Mega-Rechenzentrumscampus "Frankfurt 6" kommt

    Gestern fand die zweite Bürgerinformation über den geplanten Rechenzentrumscampus Nierstein statt. Dabei wurde bekannt, dass ein Vertrag mit Westnetz für den Netzanschluss und damit für die Stromversorgung abgeschlossen wurde. Das 60 Hektar große Gelände an der B420 westlich von Nierstein, ehemals befand sich hier eine Kaserne der US-Armee, hatte sich der japanische Rechenzentrumsbetreiber NTT Global Data Centers bereits vertraglich gesichert.


    Die Mainzer Allgemeine Zeitung titelt heute, das Rechenzentrum werde in voller Größe kommen (Link mit Paywall / ohne Zahlschranke der SWR). Die wesentlichen Informationen in Stichworten:

    • geplant sind neun Rechenzentrums-Blöcke plus
    • Bürogebäude und eigenem Umspannwerk
    • insgesamt eine IT-Rechenleistung von 482 Megawatt
    • gesamter Strombedarf des Rechenzentrumscampus über 600 Megawatt
    • der gesamte Strom muss nach gesetzlicher Vorgabe aus erneuerbaren Energiequellen bezogen werden
    • Investition zwischen 5 und 6 Milliarden Euro auf Basis des branchenüblichen Richtwerts von 1,0 bis 1,2 Milliarden Euro pro 100 MW Rechenleistung
    • zu erwarten sind bis zu 400 Arbeitsplätze in den Rechenzentren selbst und bis zu 300 weitere bei den jeweiligen Kunden
    • NTT Global Data Centers wird den Campus "Frankfurt 6" nennen


    nierstein_mega-rechenzentrum_frankfurt6_01.jpg
    Bild: © NTT Data / TTSP HWP Planungsgesellschaft mbH, Frankfurt


    Die zeitliche Planung sieht so aus:

    • 2026 Beginn des Abbruch und Start der Erschließungsarbeiten
    • Baustart für den ersten Rechenzentrums-Block 2027
    • Inbetriebnahme des ersten Rechenzentrums-Block 2029
    • alle neun Blöcke könnten bis 2037 in Betrieb genommen werden

    Das Bild oben zeigt einen der neun geplanten Rechenzentrums-Blöcke. Unten ein Lageplan:


    nierstein_mega-rechenzentrum_frankfurt6_02.jpg

    Bild: © NTT Data

  • Ergänzend dazu:


    Nach einem Artikel in der Druckausgabe der AZ werden die Grünanlagen rund um die Rechenzentren nicht öffentlich zugänglich sein.

    Allerdings sei NTT Data dabei, weitere 16 ha ausserhalb des Areals aufzukaufen, die als Ausgleichsflächen dienen sollen. Vermutlich dann die Umwandlung von Ackerflächen in Streuobstwiesen.


    Ungeklärt ist noch die Nutzung der Abwärme. Das Energieeffizienzgesetz schreibt ja bei einer Inbetriebnahme nach 01.07.2028 einen Anteil von 20% wiederverwendeter Energie vor - wären dann im Endausbau 120 MW. Zum Vergleich: die Fernwärme Mainz hat eine Anschlussleistung von 290 MW.

    Allerdings reicht es wohl, wenn die Verbandsgemeinde Rhein-Selz ( ev. auch in Kooperation mit anderen umliegenden VGs ) "die konkrete Absicht zum Aufbau oder zur Gestattung eines oder mehrerer Wärmenetze erklärt, wodurch Anforderungen an Abwärmenutzung innerhalb von zehn Jahren erfüllt werden können".

    Oder man bereichert den rheinhessischen Weinbau, der ja ohnehin Absatzprobleme hat, um die Vermarktung von Rosinen.