Berliner Baupolitik

  • Die Berliner Zeitung spricht von einer vorauseilenden Diffamierung von Frau Kahlfeldt durch Teile der Presse.


    "Wenn Frauen bauen: Mit Petra Kahlfeldt als Stadtbaudirektorin hat Bau-Berlin die Chance auf einen Neustart. Der Aufruhr, den ihre Berufung auslöste, bestätigt das nur."


    Holger Friedrich schreibt in seinem Artikel, die Entscheidung für Kahlfeldt knüpfe an eine lange vermisste Tradition der Berliner Politik an, in herausfordernden Zeiten weniger auf Ideologiee und mehr auf Know-how und Durchsetzungskraft zu setzen. ... Seit längerem schon sei die Stadt zerissen zwischen den Polen ambitionierter Umverteilungspolitik und dem Agieren jener, die das Potential der Stadt sähen und heben wollten. In den letzten 30 Jahren sei die Stadt zu oft Beute jener gewesen, die die Hebung des großen Potenzials von Berlin entweder zum Nutzen eigener Interessen oder aus ideologischen Gründen verhindert hätten: der Zustand des Checkpoint Charlie, die Steinwüsten um die Schlossattrappe oder die Verkehrssituation in der gesamten Stadt zeugten von den Niederlagen im Kampf zwischen Anspruch und Realität.


    Kahlfeldt habe als praktische Architektin in zahlreichen Projekten bewiesen, dass sie die hohe Kunst beherrsche, in schwierigen (Bau)situationen zu vermitteln, ohne bei den Lösungen Abstriche am Anspruch zuzulassen.


    Die besonders lautstarken Kritiker Kahlfeldts der letzten Tage - Architekten wie Journalisten - kommen bei Friedrich schlecht weg: HG Merz und Philipp Oswalt, Falk Jaeger etc. werden alle einzeln ziemlich auseinander genommen. Sehr interessant, einmal zu erfahren, wer denn da warum so laut wird.


    https://www.berliner-zeitung.d…lfeldt-li.203268?pid=true

    2 Mal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • Wenn es in der Lounge des Architekturforums also bewusst um architekturfremde Themen gehen soll, dann bitte ich doch sehr, das in Fragen von Architektur sehr, sehr, sehr zentrale Thema der Stadtbaudirektion zu entkoppeln.

  • @Georges Henri Das habe ich so doch nicht geschrieben, dass es hier nur um architekturferne Themen gehen soll. Nur dass es hier bisher umgekehrt auch mal Raum für übergreifende Themen/Trends/Tendenzen gibt, welche die Stadt bewegen und sich durchaus auch auf das Baugeschehen auswirken können.


    Wenn Frau Kahlfeldt aus Deiner Sicht noch vor irgendeiner nennenswerten Einglussnahme so dringend einen 'eigenen' Thread bekommen soll, dann leg doch einen passenden an. Ich sehe da kein Problem. Jedenfalls machen das Nutzer in anderen Foren auch und gerade in der Lounge sollte doch Raum für die Interessen der Nutzen sein. Bei Stimmann und Lüscher sind wir zwar ohne Extrathread ausgekommen und es gab eher mal im Kontext von konkreten Projekten oder Entscheidungen Diskussionen. Andererseits könnte es aber tatsächlich recht interessant sein, solche Themen mal gebündelt zu diskutieren.

  • Ich plädiere ja nur dafür, Themen mit und Themen ohne architektonischen Bezug zu trennen.

  • Ein Frohes Neues wünsche ich!

    Hallo K-1, vielen Dank für die Links zu den Artikel. Generell wundert es mich nicht, dass es Kritik an Kahlfeldt gibt bzw. ist es ja eine Kritik an Franziska Giffey, die ja eine andere Bau- und Stadtplanungspolitik machen möchte. Die Art, wie kritisiert wird, finde ich allerdings auch fragwürdig. Ich finde auch, dass man Frau Kahlfeldt erst einmal die Chance geben sollte, ihre Ideen vorzustellen, bevor man gleich draufhaut.

    Da der Welt-Artikel hinter einer Bezahlschranke ist, konnte ich nur die ersten Zeilen lesen und weiß nicht, welche Argumente Sauerbruch anführt aber insgesamt scheinen ja die Befürchtungen im Raum zu liegen, dass wieder konventioneller/konservativer gebaut werden soll und das an den aktuellen Bedürfnissen der Stadtgesellschaft vorbei geht.

  • .... in wievielen Threads soll hier eigentlich über die Befähigung von Frau Kahlfeldt diskutiert werden? Reicht es nicht dies in der Lounge abzuarbeiten? Ich jedenfalls habe keine Lust diesen neuen Grabenkampf in jedem Strang serviert zu bekommen.

    Frohes Neues im übrigen.


    Völlig richtig. Die Beiträge dazu wurden entsprechend hierher verschoben. Dir auch ein schönes Neues!

  • Das Thema Baupolitik hat das Forum in den vergangenen Jahren immer wieder bewegt und teilweise polarisiert. Spannung brachten dabei gerade auch die Personalien wie logischerweise die der Senatorinnen bzw. Senatoren für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (aktuell Andreas Geisel, davor u.a. der spätere Bürgermeister Michael Müller, Katrin Lompscher und interimsweise Sebastian Scheel) sowie die der Senatsbaudirektorinnen und -direktoren (aktuell Petra Kahlfeldt, davor u.a. Hans Stimmann und Regula Lüscher). Auf Bezirksebene haben u.a. die Bezirksstadträte von Mitte (Ephraim Grothe) sowie von Friedrichshain-Kreuzberg (Florian Schmidt) die Gemüter bewegt. Zu Diskussionen führten jedoch stets auch konkrete Einzelthemen wie der Mietendeckel, Rekommunalisierung von Wohnraum sowie natürlich auch Neubau und Umnutzung von senatseigenen Immobilien. Speziell für solche übergeordneten Diskussionen gibt es nun diesen neuen Unterthread, der hoffentlich den steigenden Gesprächsbedarf gut bedienen kann.

  • Zum Start des "neuen" Senats scheint die Erwartungshaltung ähnlich hoch wie die Herausforderungen. Mal ein paar zentrale Fragestellungen im Überblick:


    1. Wieviel Neubau ist nun geplant?

    Die neugewählte Bürgermeisterin Franziska Giffey verspricht, dass man Bauen und Wohnen, i.e. den Neubau bezahlbarer Wohnungen zum obersten Ziel des Senats machen will. Konkret plant sie den Bau von 20.000 Wohnungen pro Jahr (200.000 bis 2030) von denen mindestens 5.000 geförderte Sozialwohnungen sein sollen. Sie betont dabei explizit, dass man dieses Ziel zusammen mit "städtischen und privaten Partnern" erreichen wolle. Dazu passt m.E. auch, dass mit Andreas Geisel ein Politiker als Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen eingesetzt wird, der in Zeiten als Lichtenberger Bezirksbürgermeister besonders viel Neubau begleitet und ermöglicht hat (das "Bauen" ist übrigens neu in seiner Amtsbezeichnung und das sicher nicht zufällig).

    Quelle rbb


    2. Wieviel Neubau davon ist auch realistisch und zeitnah machbar?

    Ebenfalls der rbb analysiert nun, inwiefern diese Zahlen realistisch sein könnten. So seien die Zahlen laut Koalitionsvertrag mit konkreten "Stadtquartieren und Wohnbaupotentialen" hinterlegt. Dabei stütze man sich auf Zahlen aus dem sogenannten "Wohnbauflächen-Informationssystem" (WoFIS). Laut diesem gibt es in Berlin kurz- bis mittelfristig verfügbare Flächenvorräte für 151.000 Wohnungen sowie Potentiale für 31.000 in 8-12 Jahren realisierbare Wohnungen und 30.000 weitere Wohnungen durch Aufstockung und Nachverdichtung im Bestand. In der Summe macht das 212.000 Wohnungen von denen immerhin 51.200 bereits heute im Bau oder Bauplanung seien. Für den Rest gebe es neben leeren Flächen oft bereits Konzepte, Gutachten, Bebauungsplanverfahren, Bauvoranfragen sowie teils auch schon Baugenehmigungen. Zudem gibt es wohl schon Ansätze, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

    Andererseits sei oftmals noch unklar, wer tatsächlich bauen wolle. Tatsächlich gebe es für 50.000-60.000 Wohnungen teils schon länger Genehmigungen, ohne dass dort bis auf Immobiliendeals viel passiere ("Bauüberhang"). Das betreffe auch Teile des Ziels der 200.000 sowie selbst der o.g. vermeintlich "heißen" 51.200. Ein weiteres Problem sei, dass die Baugenehmigungen bei tatsächlichem Interesse noch immer zu lange dauern. Hinzu komme noch der Personalbedarf in der Bauwirtschaft.

    Teilweise steht der Senat auch vor einem eigenen Zielkonflikt: Weil manche Planungen nachträglich noch mal dichter bzw. höher umgeplant werden, wird es in diesen Fällen dann insgesamt länger bis zu Bau und Fertigstellung dauern.

    Insgesamt lautet der Tenor aus Politik und Baubranche, dass die Zahlen sehr ambitioniert aber grundsätzlich nicht völlig unmöglich seien. Parallel wird jetzt auch noch analysiert, ob Berlin die 200.000 Wohnungen bis 2030 überhaupt noch benötigt...

    Quelle rbb


    3. Inwieweit ist der geplante Neubau auch bedarfsgerecht? Kann er die zuletzt breit geforderte Kommunalisierung von Wohnbestand ersetzen oder ist letztere doch zielführend(er)?

    Kritik gibt es allerdings u.a., weil "nur" ein Viertel der 20.000 bzw. 200.000 Wohnungen (i.e. 5.000 bzw. 50.000) mit günstige Mieten realisiert werden sollen. Tatsächlich sei ein Bedarf von gut 100.000 günstigen Wohnungen erhoben worden. Etwa 36 Prozent der Berliner haben demnach Anspruch auf einen WBS.

    Quelle Berliner Zeitung

    Anders herum gedacht sind die für diese Bevölkerungsgruppe benötigten Wohnungen einfach nicht lukrativ genug, weshalb sehr viel Neubau die Probleme auch nicht wirklich löse. Deshalb reicht es einigen Kritikern auch nicht, dass der neue Senat nun vor allem jenen Neubau voranbringt und die im zeitgleich vom Wähler durchgebrachten Volksentscheid geforderte Rekommunalisierung zunächst einmal nur näher prüfen will.

    Quelle Nordwest Zeitung

    Übrigens hat Berlin laut einer Anfrage der Opposition (FDP) seit 2015 insgesamt 530 Millionen Euro in den Kauf von 2.674 Wohnungen investiert. Laut FDP hätte Berlin zum gleichen Preis ähnlich viele bzw. wenige Wohnungen in weit besserem Zustand neu bauen können. Stattdessen müsse man sich nun mit einem Sanierungsstau sowie juristischen Problemen herumärgern. Tatsächlich hatte zuletzt das Bundesverwaltungsgericht das Berliner Vorkaufsrecht stark eingeschränkt und zuletzt wurde schon die Rückübertragung von 13 Wohnhäusern durchgesetzt.

    Quelle 1 B.Z.

    Quelle 2 Tagesspiegel (Paywall)


    4. Welche sonstigen (Neben-)Schauplätze gibt es zur Vermehrung oder doch zumindest Bewahrung von (bezahlbarem) Wohnraum?

    Nebenher hat der Senat bekanntlich die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen gerade in Milieuschutzgebieten

    massiv erschwert. Kurz vor Inkrafttreten der verschärften Bestimmungen wurden 2020 nochmal 19.200 Wohnungen entsprechend umgewandelt (2019: 12.700). Nun sollen es also deutlich weniger werden.

    Quelle 1 rbb

    Quelle 2 B.Z.

    In deutlich kleineren Dimensionen spielte sich jetzt die Auseinandersetzung zwischen einem abrisswilligen Wohnhauseigentümer und dem Bezirk Mitte ab: Seit längerem blockiert der Bezirk den Abriss einer leerstehenden Immobilie mit rund 100 Wohnungen. Eine Initiative hatte zuletzt dann die Besetzung durch Obdachlose ermöglicht und sogar selbst Rauchmelder installiert. Der Bezirk will die Besetzung nun in einen legalen Dauerzustand umwandeln und verhandelt mit dem Besitzer schon entsprechend darüber. Es soll sich wohl auch tatsächlich ein "Kompromiss" andeuten. Sogar die Süddeutsche Zeitung berichtete über das Geschene.

    Quelle 1 rbb

    Quelle 2 Sueddeutsche Zeitung (Paywall)


    Zwischenfazit:

    Man kann dem Berliner Senat m.E. zumindest nicht vorwerfen, dass man es nicht versucht oder dass es nur leere Versprechungen gibt. Das Problem wurde erkannt und angenommen. Es wird seither auf allen Ebenen und teils bis tief in rechtliche Grauzonen um Lösungen gerungen, auch wenn der neue Senat nun teilweise andere Ansätze und Prioritäten sucht. Diese könnten sich juristisch und "realpolitisch" womöglich auch als etwas vielversprechender erweisen. Noch bleibt vieles aber weiter offen und spannend. Die zuletzt diskutierte Baudirektorin Kahlfeldt kann ich persönlich übrigens noch nicht einordnen und habe sie deshalb erst einmal raus gelassen. Das können gerne Andere diskutieren, die sich da schon mehr mit befasst haben.

  • Habe jetzt doch auch mal ein wenig zu Petra Kahlfeldt recherchiert.


    Zunächst einmal ein paar nüchterne Fakten:

    -Seit 1985 als Diplomarchitektin aktiv. Die Projektliste des Büros ist lang sowie m.E. entgegen einiger Behauptungen relativ vielseitig und es sind auch diverse (teils durchaus eindrucksvolle) moderne Entwürfe dabei. Zudem sind auch einige größere Gebäude und Komplexe darunter wie etwa Hochhäuser und auch der Entwurf für eine Hafencity Universität. Die Frage ist halt noch, welchen Anteil sie persönlich jeweils daran hatte.

    -Professorin mit akademischer Arbeit u.a. in den Bereichen Entwerfen, Baukonstruktion und Denkmalpflege

    -Kuratorin im Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin-Brandenburg (dieser hat einen Fokus auf die künstlerische und kunsthistorische Ausbildung)

    -ehemalige Vorsitzende des BDA (wegen Reaktionen auf ihre Kritik an Vetternwirtschaft nach wenigen Jahren zurückgetreten)

    -Gestaltungsbeirätin in Lübeck und Potsdam

    Klingt insgesamt schon eher nach einem Fokus auf einzelne Bauvorhaben, ohne dass der Horizont aber komplett auf exklusive Villen und Familienhäuser im Reko-Stil beschränkt wäre. Zumindest die Arbeit in Potsdam und Lübeck klingt jedoch nach übergeordneter Perspektive. Vernetzt ist sie demnach grundsätzlich auch, wenngleich sie offenbar bei Problemthemen auch schon mal konfrontativ vorgehen kann und sich damit nicht gerade nur beliebt gemacht hat.


    Bei den Bewertungen zeigt sich eine eindrucksvolle Spaltung:


    Die Kritik ist auffallend heftig und formierte sich im Grunde ja bereits vor der Berufung: Es hieß "damals", man wolle direkt an der Auswahl beteiligt werden (mW in diesem Amt sehr unüblich) und hat zugleich einen ganzen Forderungskatalog formuliert. Gerade der letzte Absatz klingt dann m.E. eigentlich schon etwas als habe man die nahende Berufung schon geahnt. Man erwarte vom Senat eine "verantwortungsbewusst(e)" Personalentscheidung wobei "stilistische Vorlieben einzelner Akteure" und "Debatten der Vergangenheit" keinen Raum mehr haben dürften. Entsprechend listet man anschließend in der Reaktion auch wieder identisch die ursprünglichen Forderungen auf, die nun allesamt nicht erfüllt worden seien. Die Wahl des Senats bzw. des Senators sei demnach ein "Affront" an die Unterzeichner. Man erwarte eine Rücknahme der "Ad-hoc-Entscheidung" (Sauerbruch sprach anderswo wohl von "Gutsherrenart") und ein "offenes und transparentes Findungs- und Auswahlverfahren", welches "einer Hauptstadt würdig" sei. Rein von der Form (i.e. der Rhetorik und dem gesamten Ansatz) her wirkt das m.E. ganz schön auf Krawall gebürstet.


    Inhaltlich kann man sicher dennoch über einige der Kritikpunkte diskutieren. So sei Kahlfeldt eher mit kleineren Maßstäben vertraut als mit ganzen Städten und Stadtquartieren zu tun gehabt. Dass sie deshalb automatisch gar nicht in größeren Maßstäben denken und handeln könne, klingt für mich dann aber schon etwas anmaßend. Sie soll die Projekte ja auch nicht alle selbst mit ihrem Büro ausführen. Und wenn sie den Job angenommen hat, wird sie grundsätzlich auch über die soziale und ökologische Agenda der Stadt Bescheid wissen, selbst wenn das bislang nicht ihr Fokus gewesen sein mag. Das sind für mich auch alles keine Fragen von unterschiedlichen Baustilen (Lüschers-Bauhaus-Affinität vs. Kahlfeldts Reko-Affinität). Letzteres scheint mir einer der eigentlichen Hauptkritikpunkte zu sein. Es sei ein Zurück zum Stimmann-Stil zu erwarten und man befürchte anstrengende und (vermeintlich) längst bewältigte bzw. aufgegebene Auseinandersetzungen über Ästhetik sowie über das traditionelle (europäische/berlinerische) Stadtkonzept.


    Die Unterstützung ist etwas weniger geballt aber ebenfalls recht leidenschaftlich zu vernehmen. Frau Kahlfeldt kenne die Stadt Berlin, ihre Bauverwaltung und Architektenszene aus vielen verschiedenen Funktionen und Perspektiven. Sie stehe für qualitätsvolles Bauen und zudem wie Stimmann für ein klares Bewusstsein für Bautradition. Interessant ist m.E. zudem, welche Interessen die unterschiedlichen Analysten den Kritikern unterstellen. Frauenfeindlichkeit ist übrigens keiner der genannten Punkte.

    Quelle 1

    Quelle 2

    Quelle 3

  • Sind wir wieder mit der typischen Berliner Spaltungstendenz im Bauwesen konfrontiert (Spitzdach gegen Flachdach, Stein gegen Glas, WDVS gegen Holz- oder "Ökofassade", etc.) oder handelt es sich hierbei nur um einen wiederholten Anachronismus? Diesmal vermute ich gilt letzteres.

    Dass Berlin seit jeher widerstreitende Tendenzen beherbergt ist nicht von der Hand zu weisen und beide haben aus Berlin das gemacht was es heute eben ist, im Guten wie im Schlechten. Ob man das Anhalten oder Aufhalten kann oder soll glaube ich nicht, dafür ist der Berliner Grund zu streitlustig und zu jedem Grabenkampf bereit. Gehört zur Grundhaltung.

    Wenn man sich aber die Mühe macht und in den zweiten Stock hinaufläuft und dem Grabenkampf von oben betrachtet dann wird dieser doch schnell zu einem Sandkastengrabenkampf. Die Stadtentwicklung Berlins wurde Anfang der 90er geplant und beschlossen, davon zehren wir heute noch. Damals konnte man sich auch gut in seiner Anti-Haltung einrichten und sich hinter dieser auch verstecken.


    30 Jahre Stadtplanung im vereinten Berlin, teilen wir einfacher halber in 15 Jahre Stimmann und 15 Jahre Lüscher. Der erste stand für Spitzdach und Stein und die zweite konnte dem Versuch nicht widerstehen sich von der zweiten Gruppe vereinnahmen zu lassen, obwohl sie am Anfang etwas moderierendes hatte. Und obwohl ich persönlich Stimmann für intellektuell und in seiner Verbindung zu Berlin als überlegener empfinde, so muss man beiden Amtszeiten attestieren, dass sie am Ende in einer Verhärtung endeten.

    War nicht mit Stimmann mit den Townhouses am Friedrichswerder auch ein Höhe- oder auch Endpunkt erreicht gewesen? Und atmet die Heidestraße nicht eine Sprödigkeit aus bei der man sich Frischluft wünscht?


    Kollhoff gab mit seinen Beiträgen zum Alex gleich den Beleidigten, der Mann der Konservativen wurde Nöfer. Kleihues passte sich an, Patzschke arbeiten soweiso unterm Radar der SenStadt. Tchoban Voss füllt den Rest auf.

    Die andere Seite muss immer mt der höheren Moral daherkommen, darunter gehts nicht. Brandlhuber spricht lieber von "Ankommenden" als von Flüchtlingen, nur in seiner Antivilla oder in der Brunnenstraße haben diese dann doch keinen Platz. Der Herr Sauerbruch wirkt vom Alex irgendwie überfordert, gleiches gilt für seinen Aufsatz "Heimat", die er anscheinden selbst zu suchen scheint. Generell problematisch wenn sich Architekten (wer auch immer) ins politische historische verirren. Nicht zu vergessen: Eike Becker und Graft - zu cool für dieses Berlin.

    Aber von Brandlhuber bis Kollhoff, von Patzschke bis Gewers Pudewill - all das ist halt auch in der Summe Berlin. Wenn es auch Zeit ist, dass noch einmal neu gedacht wird. Hier könnte Frau Kahlfeldt durchaus die richtige zur richtigen Zeit sein. Geisel wird ihr vertrauen, sie wird den Faden zur zweiten Gruppe nicht reissen lassen und 15 Jahre Lüscher kann sie auch nicht einfach ausradieren.


    Hier verlinke ich gerne das Video mit Harald Bodenschatz, vor allem zum Ende sagt er über die gewünschte Zukunft Berlins etwas sehr weises:

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    Keiner weiß wie die Zukunft genau aussieht, die Planung sollte jedoch das Gewünschte vor dem Ungewünschten ermöglichen.

  • RRG hat sich auf Landesebene in den letzten 5 Jahren den wohl deutschlandweit schlechtesten Ruf in der Baupolitik erarbeitet.

    Mit unzähligen Maßnahmen wurde die private Bauwirtschaft, die für mehr als 70% der städtischen Bauleistung verantwortlich ist, bekämpft und bürokratisch behindert. Die vorhandenen Fördermilliarden des Bundes wurden nicht abgerufen. Der Bund selber hat kaum im Berliner Wohnungsbau investiert.


    Das Ergebnis: Berlin hat während der letzen Legislatur weniger Wohnungen gebaut als das halb so große Hamburg. Bei mehr Bevölkerungswachstum wohlgemerkt.


    Man kann deshalb nur sehr skeptisch für die Zukunft sein, inwieweit baupolitisch ein Umschwung gelingen kann. Die Zeichen, dass RRG weitere 5 Jahre den Baufortschritt behindert dominieren. Die Wohnungskrise wird eher durch den Corona-bedingten Abschwung des Zuzugs abgemildert als das die politischen Entscheider das Baugeschehen voranbringen.

  • Ich finde es bemerkenswert, dass man sich für Frau Kahlfeld als Baudirektorin entschieden hat, angesichts des zu erwartenden heftigen Gegenwindes. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass eine solche Personalentscheidung heute noch möglich / durchsetzbar gewesen wäre. Daür zolle ich Herrn Geisel Respekt. Die Kampagne zeigt, wie dreist und selbstbewusst die BDA-Lobby in den Lüscher-Jahren geworden ist. Sie betreibt genau das, was sie scheinheilig zu verhindern vorgibt: Gutsherrentum und Durchsetzung eigener Vorlieben / Stile. Daran, eigene Interessen wie selbstverständlich durchsetzen zu können, hat sie sich in den Lüscher-Zeit gewöhnen können. Inzwischen fasst sie offenbar jede Abweichung als Majestätsbeleidigung auf. Auf diese Art, mittels Diffamierungskampagne Einfluss auf die Personalpolitik nehmen zu wollen, ist schon ein starkes Stück. Frau Kahlfeld würde ich gar keinem "Lager" zuordnen. Wie man ihrer Webseite entnehmen kann, produziert ihr Büro sowohl klassische, wie auch modern-schlichte Entwürfe.

  • Ich denke mal, dass die besagte Gruppe durch die offene Konfrontation gezielt gepokert hat (sie haben vermutlich mindestens geahnt, dass ein Kurswechsel anstehen könnte). Gerade durch so eine forsche Herausforderung konnte die Politik aber eigentlich fast nur verlieren: Entweder man behauptet die eigene Position und bekommt dann die geballte Verärgerung um die Ohren gehauen. Oder man gibt nach und wirkt anschließend schwach und fremdbestimmt. Ich denke, dass es speziell nach so spaltenden Persönlichkeiten wie Lompscher (und Interimslösung) sowie Lüscher grundsätzlich mal angenehm gewesen wäre, kompetente aber zugleich möglichst wenig kontroverse Personen in solchen Ämtern zu haben. Andererseits finde ich es in dem Fall aber gut, dass sich die Politik nicht hat beeindrucken oder gar erpressen lassen. Das habe (u.a.) ich wohlgemerkt auch schon exakt identisch geschrieben, bevor die Personalie Kahlfeldt bekannt wurde.


    Randnotiz: Irgendwie finde ich es auch bemerkenswert, dass Frau Kahlfeldt damals beim BDA raus ging, nachdem sie dort Vetternwirtschaft festgestellt und beklagt hatte. Dass man trotz der vergangenen Jahre speziell dort nicht besonders erfreut ist, wenn nun ausgerechnet diese Person so ein Amt in der Stadt erhält, wundert nicht. Dort ist Frau Kahlfeldt ja letztlich dann gegangen. Im neuen Amt konnten die betreffenden Netzwerke sie dagegen nicht verhindern. Natürlich könnte es jetzt insgesamt ungemütlich werden und im schlimmsten Fall eine Art Blockadehaltung entstehen, wie wir sie ja schon in der jüngeren Vergangenheit kannten. Zumindest bislang geht die destruktive Energie m.E. aber allein von einer Seite aus - und das ist nicht die von Frau Kahlfeldt.

  • Der BDA ist ein Verein, der jahrzehntelang architektonisches Graubrot propagiert hat.

    Unter Kahlfeldt wird jetzt die Kuchen - und Tortenproduktion gefordert. Zum Wohle der Bürger, zum Wohle der Stadt und zum Wohle der Ästhetik. Hoffentlich auch ein bisschen im Sinne der Innovation und Ökologie.

  • Stimmann war der richtige Mann zur falschen Zeit.

    Lüscher war die falsche Frau zur richtigen Zeit.

    Kahlfeldt wird hoffentlich die richtige Frau zur richtigen Zeit sein.


    Stimmann hat Berlin verwaltet wie Paris, als es aussah wie Essen.

    Lüscher hat Berlin verwaltet wie Essen, als investiert wurde wie in Paris.

    Kahlfeldt wird wohl einen eigenen Stil finden, der irgendwo dazwischen, aber in der Summe wohl näher bei Stimmann liegt.

  • Ich habe die Debatte um Frau Kahlfeldt nachgelesen, und ich glaube nicht, dass das alles nur eine Kampagne des BDA ist. Den Offenen Brief haben viele sehr namhafte Persönlichkeiten unterzeichnet, die sich nicht einem Lager zuordnen lassen, darunter:

    -Frank Barkow

    -Eike Becker

    -Arno Brandlhuber

    -Winfried Brenne

    -Kees Christiaanse

    -Georg Gewers

    -Almut Grüntuch-Ernst

    -Gabriele Kiefer

    -Hilde Leon

    -HG Merz

    -Dominique Perrault

    -Matthias Sauerbruch

    -Volker Staab

    -Jörn Walter

    -Thomas Will

    Ich glaube kaum, dass sich diese Persönlichkeiten für eine billige Kampagne des BDA hergegeben hätten.

    Ich finde auch nicht, dass die Forderung nach einem Auswahlverfahren schlecht ist. Ich hätte es gut gefunden, wenn auch international nach einer neuen Senatsbaudirektorin gesucht worden wäre. Ein bisschen frischer Wind von außen hätte Berlin sicher gut getan. Deshalb bin ich schon enttäuscht, und mir ist unklar, warum die SPD nun gerade Frau Kahlfeldt ausgewählt hat. Wenn ich mir ihre Website anschaue, dann finde ich dort nicht besondere Erfahrungen mit dem massenhaften Neubau bezahlbarer Wohnungen. Ich habe bisher auch noch keine Erklärung seitens der SPD gehört. Ich vermute eher, dass es sich bei dieser Personalie um eine Verlegenheitslösung handelt, zumal ja Frau Kahlfeldt schon aufgrund ihres Alters nur kurze Zeit amtieren wird.

    Aber wir werden ja sehen, inwieweit Frau Kahlfeldt den Wohnungsbau ankurbeln kann.

  • Ein bisschen frischer Wind von außen hätte Berlin sicher gut getan.

    Nein, da muss ich doch widersprechen, diesen "frischen Wind" hatten wir nun 15 Jahre mit Frau Lüscher, denn genau so wurde sie im Jahre 2007 angepriesen.


    Aber wir werden ja sehen, inwieweit Frau Kahlfeldt den Wohnungsbau ankurbeln kann.

    Frau Lompscher und Frau Lüscher standen ja nun nicht gerade für ein Ankurbeln des Wohnungsbaus. Im übrigen der überwiegende Teil der von Ihnen aufgelisteten "Persönlichkeiten" eben auch nicht.


    Geben Sie der Frau Kahlfeldt mal eine Chance, die hat Frau Lüscher auch bekommen.