Postblock-Areal an der Wilhelmstraße

  • Danke ReinhardR, den Entwurf kenne ich. Allerdings bezog ich mich hauptsächlich auf die Nordecke Leipziger/Wilhelmstraße. Hier sollte ja das kleine Platzstück (heute: Platz des Volksaufstandes von 1953) fortgeführt werden, halt durch die Diagonale in kleinerem Maßstab.

  • An dieser sensiblen Stelle, immerhin dreifach vorbelastet (Reichsluftfahrtministerium, Haus der Ministerien der DDR und sicher für viele auch als Sitz der Treuhandanstalt) wird man bestimmt nicht einfach die Geschichte weiter bauen und dem Gebäude eine Ergänzung auf der anderen Strassenseite hinzufügen. Da wird alles was der speerschen Planung ähnelt, selbstverständlich nicht in Frage kommen.


    Gerade deswegen ist es aber äußerst spannend, zu sehen was da kommt, wäre ja ein Treppenwitz der Geschichte, wenn der Betrachter zu dem Ergebnis käme, Speer hätte schöner und besser gebaut.

  • Alles interessante Mutmassungen und Gedankengänge hier. Ich bin mittlerweile froh, dass überhaupt mal dort etwas gebaut wird und der Berliner Brachenkult, fast 80 Jahre nach dem Krieg, langsam ein Ende hat.


    Schon mit wohl gegliederten, proportionierten Blockrand wäre ich zufrieden, so gering sind mittlerweile meine Erwartungen an die Architektur unserer Hauptstadt.


    Ich befürchte aber Kostendruck, Zeitdruck und Bürokratenseele werden den am wenigsten interessanten Entwurf propagieren.


    Und, ganz allgemein, ich frage mich manchmal, ob auch teilnehmende Architekturbüros (zumindest deutschsprachige) unsere oft passionierten Debatten um Ästhetik hier mitverfolgen?

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    Gerade deswegen ist es aber äußerst spannend, zu sehen was da kommt, wäre ja ein Treppenwitz der Geschichte, wenn der Betrachter zu dem Ergebnis käme, Speer hätte schöner und besser gebaut.

    Das halte ich nicht einmal für ganz unwahrscheinlich.


    Man muss davon ausgehen, dass es 1. ein Regierungs-Bürogebäude wird 2. beschränkte finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden 3. einen engen Wettbewerb mit wenigen "kreativen" Spielräumen geben wird bei dem 4. am Schluss nicht der extravaganteste, sondern der kompromissreichste Entwurf gewinnen wird.


    Aber jetzt heißt es erst einmal abwarten und hoffen.

  • Wobei der geplante Anbau/Neubau des Umweltministeriums in der Stresemannstrasse zeigt, dass es nicht zwingend einfach nur eine kostengünstige und funktionale, gesichtslose Büroraumkiste sein muss, die da entstehen soll.

  • Und, ganz allgemein, ich frage mich manchmal, ob auch teilnehmende Architekturbüros (zumindest deutschsprachige) unsere oft passionierten

    Es wäre zumindest zu hoffen, dass dies der eine oder andere Architekt tut.

    Vorhin stand hier noch ein wirrer Beitrag in dem irgendwas von Germania stand. Da möchte ich darauf eingehen, um die eigentliche Germania-Planung handelte es sich beim damaligen Bauvorhaben RLM in der Wilhelm-/Leipziger Straße nicht. Diese und die Weiterplanung auf die andere Seite wurde in einem sehr frühen Stadion des Nationalsozialismus geplant. In wie weit die Planungen hier Ministerien auszubauen schon in die 20er zurückgeht ist nur schwerlich herauszufinden, da könnten nur die Archive helfen.

    Vor allem diese frühe Phase der Architektur im Nationalsozialismus ist noch stark von der Sachlichkeit und Modernität der Moderne vor allem der Entwicklung der 20er Jahre geprägt. Wenn man sich den Komplex Finanzministerium einmal anschaut erkennt man zwar eine Erhöhung zur Leipziger Straße und einen großen Ehrenhof, im Inneren befinden sich 2 größere Säle. Der Ehrenhof entspricht der damaligen Typologie der Bebauung an der Wilhelmstraße mit Ministerien und Palais. Freilich in einer größeren Dimension und der Einnahme eines ganzen Straßenblockes. Das selbe gilt, wenn auch aus meiner Sicht noch etwas eleganter, für die Reichsbank am Friedrichswerder. Erkennbares Zeichen dieser Gebäude ist jedoch ihre Modernität vor allem im Innenbereich (hier lässt Fahrenkamp noch grüßen), zudem wie man sieht eine gute Nutzbarkeit und zudem gute Umnutzbarkeit für andere Aufgaben. Die Planungen für Germania sahen reine Repräsentationsgebäude mit überdimensionierten Hallen vor, wobei die eigentliche Nutzfläche in keinem Verhältnis mehr zur Wirtschaftlichkeit des Hauses stand. Hierzu gab es mal eine gute Arte-Doku mit Rob Krier, der hierzu viele Abhandlungen verfasst hat.


    Mein Rat an die Architekten wäre, versucht nicht städtebaulich eine Art Anti-Antwort auf das Gebäude des RLM zu geben, das wird nichts. Formuliert den Platz an der Leipziger Straße fertig aus als Entree zum Ministeriumsbau, gegenüber ist der Blockrand wenn auch mit zwei sehr windigen Gebäuden, ja geschlossen. Eine reine Blockrandschließund würde hier profan wirken. Zudem würde auch eine asymmetrische Antwort auf den Ehrenhof des Gebäudes des RLM in der Wilhelmstraße nicht zünden.

    An dieser Stelle kann man aber auch keinen x-beliebiges Ministeriumsbau wie der Neubau des BMU oder den Neubauten Unter den Linden/Schadowstraße hinsetzen. Hier müsste man schon in der Lage sein einen intellektuellen Zusammenhang herzustellen, damit die geschichtliche Dialektik auch am Neubau lesbar wird (die Jury müsste natürlich zu solchen Geistesanstrengungen auch in der Lage sein).

    Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass die Antwort auf das Gebäude des RLM nur in der Fassade ausgedrückt werden kann. Genau hier sollte die Umkehrung (RLM: außen massiv monumental überklebt, innen: eine eingeschlossene Modernität) genutzt werden. Eine reine Glasfassade befindet sich bereits bei den Blockrandschließungen im Norden Ecke Wilhelm-/Leipziger Straße, zudem würde es zu einer ähnlichen Situation wie am Pariser Platz kommen, dass sich das Adlon in der Akademie der Künste widerspiegelt. Eine helle freundliche Fassade im Sinne von Fahrenkamps Shell-Haus, Kleihues sen. Torhäuser am Pariser Platz oder eine gekonnte Verfremdung in Sinne der Französischen Botschaft von Portzamparc wären meine Empfehlung für diesen Ort.

  • Helle und freundliche Fassade, da stimme ich zu.


    Ansonsten sollte es genau kein Gebäude werden, das in den Verdacht geraten könnte, nur eine Ergänzung zu sein.


    Hier sollte der Blockrand keine Rolle spielen, das würde m.A.n. die Gestaltung zu sehr beschränken. Dafür aber hochwertiges Matrial, kein Beton, kein Muschelkalk und Farbe und das nicht zu knapp, eher abgerundet als eckig in der Form. Ausserdem Pflanzen - Bäume, Büsche, Blumen, aber kein Rasen.


    Die Aufgabe wird bestimmt nicht so leicht, aber ich kann mir schon passende Antworten auf das RLM vorstellen.

  • ^


    Beim Material könnte heller Putz (ohne gleich ein Dämm-Monstrum zu sein) auch eine Möglichkeit sein. Rundungen würde ich nur für Höfe als Möglichkeit in Betracht ziehen, dies kann nach meinem Empfinden schnell zu zu viel Unruhe führen.

    Fassadenbepflanzung sehe ich generell skeptisch und mich hat bis heute keine wirklich überzeugt. Obwohl eine ephemere Richtung (z. B. Begrünung) zwar eine Antwort wäre auf das RLM sein kann, so glaube ich jedoch, dass dies zu schwach wäre. Der Architekt muss trotz schwieriger Umstände (Zellenbrüros, Reihung, Maximalmeter, etc.) um mich zu überzeugen eine richtige Fassade erschaffen.

  • ^prinzipiell hast du recht. Allerdings ist dieses Grundstück schon so lange brachliegend das ich froh bin, dass wenigstens überhaupt etwas gebaut wird. Der Entwurf nimmt im Prinzip die strengen Formen des Altbaus auf und erhellt sie wenigstens mit einem großen Glasanteil an der Fassade. Tatsächlich könnte dieser Bau aber auch in Adlershof entstehen...

  • Hmm... haut mich nicht gleich vom Hocker. Sieht schon recht monoton und rastermäßig aus. Bei der Kubatur hätte man gern etwas mehr Abwechslung reinbringen können.


    Soweit man es auf den hochaufkösenden Bildern erkennen kann, sind die Säulen und Vorderflächen mit Natur- oder Kunststein verkleidet, die hinteren Flächen zeigen eine Holz-Maserung. Könnte Holz, aber auch verschalter Sichtbeton sein.


    Mal sehen, wie es wird.

  • Der Gewinnerentwurf erinnert an die Europacity nähe HBF und an das Projekt "New Courts". Nach meinem Geschmack hätten die 1970iger Jahre nicht zurückkehren brauchen

  • Ich denke es ist positiv, dass hier die Brache verschwindet. Es ist eine Behörde und entsprechend sieht es eben aus, ich weiß nicht, was manche hier erwarten. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass der Öffnung des Sagebielbaus in der Wilhelmstrasse, wo sich der Eingang befindet eine ähnlich akzentuierte Öffnung gegenüber geschaffen wird, das ist leider nur andeutungsweise der Fall, wenn ich das richtig sehe.

    Staab Architekten sind allerdings prinzipiell eine gute Wahl denke ich mal. Ich hoffe, dass es vielleicht etwas früher als 2025 losgeht.

  • ^was man sich erwarten hätte können ist eine Durchbrechung der Tristesse an dieser Stelle - immerhin befindet man sich in der Mitte Berlins. Was spräche gegen 5 weitere Sockelgeschosse die den MItarbeitern als Wohnungen dienen könnten? Wir reden immer von Verkehrswende und dann schaffen wir wieder die gleichen Büroghettos wie seit 70 Jahren und wundern uns dann warum wir so viel Pendelverkehr haben. Und gleichzeitig beschweren wir uns wenn Gutverdiener (wie z.B. Mitarbeiter des Finanzministeriums) sich teure Eigentumswohnungen in Kreuzberg & Co kaufen. Nun - wenn man diese vor Ort schaffen würde in form weiterer abgesetzter Sockelgeschosse hätte man

    A) einen interessanteren architektonischen Entwurf der innerhalb der MItte weiter verdichtet

    B) Verringerung des Pendelverkehrs

    C) Effiziente Nutzung des vorhandenen Raumes und Reduktion der Gentrifizierung anderer zentraler Stadtteile...

  • Der um die Ecke in Realisierung befindliche Entwurf des Bundesumweltministeriums ist zwar leider noch nicht so weit wie UrbanFreak sich das wünscht (urbane Mischnutzung) und sieht auch keine öffentliche EG Nutzung vor; von der architektonischen Außenwirkung her ist er aber deutlich spannender

  • Unglaublich, die zeitgenössische Architektur ist im gleichen Dogmatismus erstarrt wie schon in der frühen Moderne...Sind den Architekten auch andere geometrische Prinzipien außer rechte Winkel bekannt?
    Einzig die sehr filigrane Ausführung könnte dem Raster zumindest einen luftigen Ausdruck verleihen und den erschlagenden Maßstab mildern.


    Interessant finde ich die Beschreibung im Text, die eine Differenzierung des modernen Baus zum gegenüberliegenden Nazi-Bestand lobt, wodurch das neue Deutschland symbolisiert werden soll. Ich finde den Entwurf in seiner Wirkung sogar erstaunlich ähnlich zum ebenfalls strengen, großmaßstäblichen Nachbarn von dem man sich eigentlich zu distanzieren versucht.

  • Man darf jedoch auch nicht die Symbolik aus den Augen verlieren.


    Was hätten wir für einen Aufschrei, wenn sich gerade das Bundesfinanzministerium einen verspielten Prachtbau, eine moderne Stilikone oder im Prinzip alles andere als einen (für eine Behörde noch immer recht ansprechenden) Zweckbau dort hinsetzt. Stichwort: Steuergelder.


    Das ließe sich der Mehrheit der Bundesbürger - zugegeben ausserhalb der lokalen Mitglieder eines Forums für Städtebau :) - schwer verkaufen.


    Als Füller für diese Brachfläche kann ich damit leben.