Zukunft des Samson-Areals im Ostend

  • Das Problem ist nicht, ob irgendwo ein Gewerbegebiet entsteht (siehe hier), die Frage ist, welcher Art es ist. Dass die Stadt Frankfurt ihren Bestand an industriell nutzbarer Gewerbefläche abbaut bzw. umstrukturiert hat mit der Kommunalwahl gar nichts zu tun, es ist ein langfristiger, jahrzehntelanger Prozess; industriell nutzbar heißt, die Betriebe dürfen hemmungslos stören (im planungsrechtlichen Sinne). Der Prozess ist seit Ende der 80er Jahre im Gang und war die Reaktion auf das, was man oft Strukturwandel nennt. Die gezielte Umnutzung ehemals von produzierenden Betrieben genutzter Fläche hat mit dem Schlachthofgelände und dem Westhafen begonnen, geht im Unterhafen weiter und hört bei der Amsterdamer Werft nicht auf. Der Strukturwandel umfasst das gesamte Gelände beiderseits der Hanauer, Flächen in Rödelheim, Bockenheim, Höchst. Das ganze Dilemma und die frühere Motivlage bei der Entwicklung von Gewerbeflächen kann man sehr schön nachvollziehen in der Begründung für die Aufstellung des B-934 (Amsterdamer Werft).


    Der Entwurf des Büros Karl Richter für das Westbachviertel in Rödelheim und seine Begründung spiegelt genau dieses Dilemma wider: in dem Antrag der BFF-Fraktion für einen Aufstellungsbeschluss heißt es, "Anstatt untergenutzte Gewerbeflächen zwanghaft konservieren zu wollen, wie es der schwarz-rot-grüne Magistrat auch hier tun will, setzen wir in diesem Fall auf die Konversion der untergenutzten Areale". Flächenreserve für zu haltende Industriebetriebe oder untergenutzte Areale?


    Im Geschäftsmodell der Stadt Frankfurt steht "die" Industrie nicht an erster Stelle, da kann es halt passieren, dass man die Bedürfnisse eines Betriebes eben nicht befriedigen kann; wenngleich es durchaus Bemühungen gibt, industriell nutzbare Fläche nicht nur zu erhalten (was die BFF dem Magistrat vorwirft), sondern auch zu erweitern, der letzte Akt in dieser Hinsicht ist die Aufstellung des B-935 "Industriepark Höchst Süd", mit dem über 74 ha industriell nutzbar werden. Dass die Samson AG nicht gehalten werden konnte, würde ich nicht auf ein Versagen des Magistrats zurückführen und stimme @Volker Thies insoweit ausdrücklich zu. Auch wenn es am IP Höchst bisher nur einen Aufstellungsbeschluss gab, es wäre sicher möglich gewesen, Samson dort unterzubringen, aber vielleicht wollten sie sich nicht nach Westen orientieren.

  • Heute geht es in der Rhein-Main-Zeitung der FAZ um Rechenzentren im Hinblick auf das in einigen Jahren frei werdende Samson-Areal. Der Artikel ist online bisher nicht frei zugänglich.


    Die Stadt in Person des Planungsdezernenten Josef und des Wirtschaftsdezernenten Frank wünscht sich Einschränkungen hinsichtlich der Folgenutzung des Samson-Areals. Rechenzentren will die Stadt an dieser Stelle verhindern. Das Gelände soll als Industriegebiet für die produzierende Industrie erhalten bleiben. Josef will unbedingt eine "hafenaffine Nutzung" sichern, äußerte er der FAZ gegenüber. Aus seiner Sicht sind außer Industriebetrieben auch Transportunternehmen denkbar, die sich die besondere Lage an Wasser, Schiene und Straße zunutze machen. Im Sinne des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung für den Erhalt des Osthafens in bestehender Form sei Josef zufolge insbesondere der Oberhafen "systemrelevant".


    Aus rechtlicher Sicht ist es allerdings äußerst schwierig, solche Beschränkung durchzusetzen. Das Areal ist Eigentum der Samson AG. Solange nicht die Stadt Eigentümerin wird, ist eine Steuerung nur über das Planungsrecht möglich. Das ist aber alles andere als einfach, zumal dem Planungsdezernat zufolge teilweise noch Baunutzungsverordnungen aus den sechziger Jahren für die Frankfurter Gewerbegebiete gelten. Es bleibt nur die Aufstellung beziehungsweise Änderung von Bebauungsplänen. Damit tut sich die Stadt generell schwer, besonders in der letzten Zeit. Doch auch auf diese Weise sind Rechenzentren kaum auszuschließen, da diese spezielle Form von Gewerbenutzung baurechtlich nicht bekannt ist. Es wäre zunächst eine Änderung von Bundesrecht erforderlich. Damit rechnet im Planungsdezernat jedoch niemand.

  • Kurzfristig kann die Stadt ihr planungsrechtliches Dilemma, das der Artikel sehr schon darlegt, nur lösen, wenn sie sich das Eigentum an den Samson'schen Flächen verschafft und sich dazu in den Wettbewerb mit anderen Bietern begibt oder - wie beim Neckermann-Areal - die Aufstellung eines B-Plans und einer Vorkaufssatzung beschließt; für einen B-Plan müsste man aber eine Vorstellung haben, wie man die Rechenzentren von der Flächennutzung ausschließen möchte und könnte. Darauf bin ich sehr gespannt.


    Unterstellt, sie würden die Fläche für produzierendes Gewerbe vorhalten, aber es interessiert sich jahrelang kein solcher Betrieb, jedoch Dutzende andere Betriebe (RZ, Logistiker, Fachmärkte, Baufirmen): sollen sie die Fläche dann leer lassen bis der Richtige kommt?

  • Und könnte sich die Stadt Erwerb und Wartezeit leisten? Samson wird der Stadt keinen Freundschaftspreis machen, warum auch, als Aktiengesellschaft ist sie den Anteilseignern verpflichtet. Auch wurde Samson jüngst aus eigener Sicht nicht so bevorzugt behandelt wie die Stadt das darstellen möchte (oben #11).


    Vom Potential her sollte das Samson-Areal plus das benachbarte ehemalige Gelände des Gaswerks Ost der Traum eines jeden Stadtplaners sein. Letzteres bietet darüber hinaus Charme mit der Lage am Hafenbecken und den erhaltenen Bauten des Architekten Peter Behrens (mehr). Hier ist Eigentümerin die Mainova AG, deren größter Anteilseigner wiederum die Stadt Frankfurt ist. Für klassische Industrie oder gar Transportgewerbe, wie es sich der Planungsdezernent vorstellt, erscheint mir dieser Bereich viel zu schade (für Rechenzentren ohnehin). Am ehesten könnte ich mir ein kleinteiliges Gewerbegebiet mit Campus-Charakter und Einbeziehung des historischen Gebäudebestands vorstellen.