Jugendstil in Leipzig - Die Bauten des Paul Möbius

  • Mit meinem 500. Beitrag möchte ich ein neues Thema beginnen, dass den Bauwerken des

    heute vor 155 Jahren im schönen Leipzig geborenen Paul Otto Hermann Möbius gewidmet

    sein soll...



    Einerseits können hier aktuelle Sanierungen (wie zuletzt in der Jägerstr./Jahnallee) dokumentiert

    und diskutiert werden, andererseits auch der Zustand und die Geschichte der übrigen Bauten

    zusammen mit ihrem Einfluss auf andere Architekten und Bauherrn dargestellt werden.


    Die Angaben zu den einzelnen Häusern werde ich überwiegend dem Buch

    Paul Möbius - Jugendstil in Leipzig von Stefan W. Krieg und Bodo Pientka

    entnehmen, das einen sehr guten Einblick in das Schaffen des Architekten gibt,

    (zur Zeit aber nicht mehr lieferbar ist).

    Das Werk von Paul Möbius (1866–1907) hat bisher noch nicht die ihm angemessene Würdigung

    gefunden. Den interessierten Zeitgenossen allerdings war der Baumeister des Leipziger Jugendstils

    ein Begriff, seine Bauten wurden in Ausstellungen und Fachzeitschriften bekannt gemacht.

    Aus diesen alten Artikeln werde ich auch ein paar Bilder und Texte an passender Stelle zitieren...

    Von Jugendstil war erstmals im Jahr 1897 bei der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung

    Leipzig 1897 die Rede. Hierfür gestaltete Paul Möbius den außergewöhnlichen Ausstellungspavillon

    Nietzschmann-Wommer; der Pavillon wurde beschrieben als vom Hergebrachten stark abweichend mit

    gewagt humoristisch-phantastischen Motiven, die einen gewissen Schwung entwickeln.

    Während Möbius zu Lebzeiten als Erneuerer wahrgenommen wurde, geriet er später in Vergessenheit.

    Der Jugendstil wurde vom Reformstil abgelöst und später zusammen mit dem Historismus als weitgehend

    wertlos betrachtet.


    Ungefähr ab den 70ern begann sich diese Einstellung wieder zu ändern, aber die in der ostdeutschen Provinz

    befindlichen Bauten blieben dabei unbeachtet, selbst im "Architekturführer Bezirk Leipzig" von 1976 wird kein

    einziges Werk von Möbius erwähnt. Immerhin wurde der Nachkriegszustand bis zur Wende "konserviert" und

    blieb bis auf wenige Ausnahmen erhalten. Dann erfolgten Sanierungen unterschiedlicher Qualität und damit

    sind wir auch schon beim eigentlichen Thema angekommen...



    Als Ausgangspunkt bietet sich die Jahnallee Nr. 46 an, 1899 fertiggestellt. Im Erdgeschoss war später das

    Architektur-Büro von Möbius (zusammen mit Arthur Starke) eingerichtet und es handelt sich um einen Wohn-

    und Geschäftshausbau des Architekten, der im Unterschied zu seinen wenigen vorherigen Bauten nun fast keine

    historischen Detailformen mehr aufweist, so dass er als frühes Hauptwerk betrachtet werden kann, an dem viele

    der typischen Möbius-Stil-Elemente erstmals zu finden sind.


    Vor kurzem erfolgte eine Zweitsanierung der Fassade mit einem neuen Abschluss zum noch unbebauten

    Nachbargrundstück sowie eine Neufassung von Treppenhaus und Eingangsbereich.



    oben aktueller Zustand, nachfolgend um 1900:



    ...an der Fassade gab es kleinere Veränderungen - vorher:



    nachher:



    Vor Zweitsanierung mit Werbung und Fassadenfortführung als Illusionsmalerei auf der Giebelwand:



    jetzt, mit neuer Wand (links angeschnitten):




    ...neue Absturzsicherung im Erdgeschoss:



    :rolleyes: und auch sonst:



    ...die kleine Tür rechts führt jetzt zu einer Mauer:



    ...der Bereich an der Dachkante wurde nicht weiter an den Originalzustand angepasst:



    ...dazu noch ein größeres Vergleichsbild (Zustand vor Zweitsanierung)


    Unter diesem Löwenkopf...



    ...hat der umsichtige Architekt eine Tür eingefügt, so dass man auch ins Innere gelangen kann:



    (hier ist der Zustand vor und nach Zweitsanierung klar zu unterscheiden, so dass ich auf entsprechende Kennzeichnungen verzichte)




    Während die Vorhalle deutlich die Handschrift von Möbius zeigt, ist nach der Windfangtür ein stilistischer Bruch zu bemerken,

    lediglich eine Deckenmalerei direkt im Anschluss setzt die Formensprache ansatzweise fort:




    ...alles folgende im Treppenhaus entspricht dem Leipziger Standard aus dieser Zeit, ohne die später von Möbius wiederholt

    angewendeten Motive, wie bspw. die Löwen-/Drachenköpfe am Anfangspfosten der Treppe.





    vorher:











    zum Vergleich hier noch ein Bild vom Zustand vor der Erstsanierung















    ...abschließend nochmal die Fassade:




  • ...da ich den ersten Beitrag nicht zu ausführlich werden lassen wollte, hier nun nachträglich noch ergänzende Bilder zum bereits erwähnten ersten kleinen Bauwerk:


    Von Jugendstil war erstmals im Jahr 1897 bei der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung

    Leipzig 1897 die Rede. Hierfür gestaltete Paul Möbius den außergewöhnlichen Ausstellungspavillon

    Nietzschmann-Wommer; der Pavillon wurde beschrieben als vom Hergebrachten stark abweichend mit

    gewagt humoristisch-phantastischen Motiven, die einen gewissen Schwung entwickeln.


    k3r4ubgd.jpg


    rechts im Bild, unter dem Ballon. 8)


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    Rückblickend scheint es wenig bedeutsam, aber für seine Zeit war es etwas Neues...


    Auf der Gewerbeausstellung fiel ein kleiner Bau in die Augen durch die selbständige Eigenart, in der er auftrat.

    An diesem Werk ... finden wir das Bestreben ... allen altgewohnten Profilformen aus dem Wege zu gehen.

    Fritz Schumacher, Deutsche Kunst und Dekoration

    größeres Bild


    Die humoristische Note verleiht dem Pavillion unter anderem der Umstand, dass als Höhepunkt keine allegorische Figur oder antike Gottheit auf den Sockel gehoben wird, sondern ein Schwein aus Carrara-Marmor:


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    Zusammen mit dem Relief der Frauengestalten in wehenden Kleidern sollte dies den "Tanz der Menschheit um das goldene Schwein" darstellen. ^.^ Die Dachspitzen waren als Gabeln mit aufgespießter Wurst ausgeführt...

    Außerdem bemerkenswert, dass die Ketten und Pfosten aus damals noch sehr teurem Aluminium bestanden.


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    Zeichnung des Pavillions in idealer Parklandschaft.



    Ebenfalls 1897 wurde das Geschäftshaus Wolanke in der Petersstr. 9 errichtet.

    Es ist das früheste Gebäude nach einem Entwurf von Möbius und galt als erster Jugendstilbau Leipzigs.

    Leider gibt es kaum Fotos, das folgende rechte Bild ist das einzige bisher von mir entdeckte, das die Fassade zumindest in seitlicher Ansicht zeigt,

    links im Straßenverlauf:


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    zusammen mit der Bauzeichnung:


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    größeres Bild


    Das Gebäude diente als Vorbild für weitere ähnlich aufgebaute Häuser mit relativ schmaler Fassade und dürfte zudem das erste mit derart großflächiger Verglasung gewesen sein.

    In einem Rahmen aus Kalkstein wurde die tragende Eisenkonstruktion als Dekoration sichtbar gemacht und nur über dem Gesims erhebt sich noch ein steinerner Dachaufbau, alles zusammen wirkt wie eine große Skulptur im Straßenraum.


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    Gegenüber entstand 3 Jahre später das Mädlerhaus (von Leopold Stentzler):


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    größeres Bild


    ...in dessen Fassade sich der ältere Bruder im Geiste dezent spiegelt. :love:


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    (beides übrigens erstklassige Kandidaten für eine Fassadenrekonstruktion)

  • Dann steuere ich zum Geschäftshaus Wolanke mal noch diese Ansicht aus Richtung Markt bei:

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    Der Verlust vom Mädlerhaus schmerzt schon sehr. Allerdings ist eine Fassadenreko hier nicht möglich da das Grundstück nun durch die Grünfläche vor der Thomaskirche belegt ist. Nichts desto trotz war es natürlich ein großartiges Gebäude und reiht sich ein in eine Riege von außergewöhnlich hochwertigen Geschäfts- und Messehäusern jener Zeit:


    Geschäftshaus Stadt Warschau von 1903 (Brühl 74)

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    Derart großflächige Verglasung fand sich bereits im 1866 entstandenen Lomer Haus (Pelzkirche) Brühl 42

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    Zwei weitere Beispiele aus der Innenstadt von Vorkriegs-Gebäuden, die leider nicht mehr existent sind:


    Bekleidungshaus Hollenkamp von 1906 (Brühl 32)

    bekleidungshaushollenfskkw.jpg


    Messepalast Großer Reiter von 1900 (Petersstraße 44)

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    Zwar nicht mehr ganz Innenstadt und auch kein Geschäftshaus aber dennoch sehr prägnant - Großgarage inkl. Hotel Goldene Laute von 1927 (Ranstädter Steinweg 8-10)

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  • Georg-Schumann-Straße 124-126


    Gerade heute im Vorbeiflug fotografisch abgeschossen, dieses Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1903 in Gohlis-Süd:


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    pics by 555Farang maps

  • Kurt-Eisner-Straße 68

    Danke, Rundling, dass du uns auf diese Schmankerl im schönen Leipzig hingewiesen hast. Seit diese Jugendstilbauten bei mir in das Bewusstsein gerückt sind ploppen sie sozusagen überall im Stadtgebiet unter mysteriösen Umständen auf.


    Dieses Wohngebäude in der Südvorstadt aus dem Jahr 1901 scheint als Festung konzipiert worden zu sein - die Bewohner wären vermutlich die einzigen, die einen thermonuklearen Erstschlag überleben würden:


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    pics by 555Farang maps

  • Seit diese Jugendstilbauten bei mir in das Bewusstsein gerückt sind ploppen sie sozusagen überall im Stadtgebiet unter mysteriösen Umständen auf.

    Ging mir ebenso als mir gestern in der Fritz-Seger-Straße die Nr. 21 ins Auge gefallen ist. Laut Landesamt für Denkmalpflege 1897-1900 vom Architekten Alphons Berger für den Kaufmann Adolf Poppe errichtet nimmt sie deutlichen Bezug zu gleichzeitig errichteten Villen von Möbius, von denen sie offensichtlich beeinflusst war:

    fritz-seger-strae21aro2kcw.jpg


    In natura noch weit monumentaler als es das Foto vermitteln kann wirkt die Gestaltung der südwestlichen Fassade:

    fritz-seger-strae21arbzjdu.jpg

    Eigene Bilder

  • Johannisallee 11


    ^Sehr geil.


    Ich selber bin heute vor diesem Wohnhaus aus dem Jahr 1900 in der Nähe vom Ostplatz kleben geblieben:

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    pic by 555Farang maps

  • Danke, Rundling, dass du uns auf diese Schmankerl im schönen Leipzig hingewiesen hast. Seit diese Jugendstilbauten bei mir in das Bewusstsein gerückt sind ploppen sie sozusagen überall im Stadtgebiet unter mysteriösen Umständen auf.

    Das ist doch ein sehr mysteri*ähm* schöner Effekt. :cool:


    Georg-Schumann-Straße 124-126


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    pics by 555Farang maps

    Dazu gibt es etwas aktuelles zu berichten:


    Das "Möbius-Haus" in der Schumann-Str. wird ab dem nächsten Sonntag zum Schauplatz einer Ausstellung über


    "Paul Möbius - Seine Jugendstilhäuser in Gohlis"


    Am Tag des offenen Denkmals wird sie um 16:00 Uhr vom Arbeitskreis Gohliser Geschichte eröffnet,

    17:00 Uhr startet ein geführter Spaziergang zu fünf Häusern in Gohlis mit Denkmalpfleger Dr. Krieg-von Hößlin.



    Johannisallee 11


    Ich selber bin heute vor diesem Wohnhaus aus dem Jahr 1900 in der Nähe vom Ostplatz kleben geblieben

    Zu diesem Objekt ein paar Überlegungen...


    Es wurde ca 1995 saniert und hat dafür eine Anerkennung bekommen

    Artikel

    die sicher auch berechtigt war.


    Beim Vergleich mit alten Bildern ist mir aber ein Detail aufgefallen:


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    größeres Bild


    Im Zwerchgiebel sind Fugen bzw. eine Struktur deutlicher erkennbar als nach der Sanierung,

    für mich sieht es so aus, als ob auf die originale Bausubstanz (ev. Naturstein) ein Farbanstrich

    aufgetragen wurde, der den Gesamteindruck doch etwas verändert...


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    größeres Bild


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    Rechts und links ist an den Kanten über dem Erker gut zu erkennen, dass sich die Fugen jeweils aus dem Stein in den übermalten Bereich fortsetzen.


    Entwurfszeichnung und ein Vergleich mit dem Zustand ca. Ende der 80er


    Meine Vermutung wäre, dass im Original die Fassade - so ähnlich wie es heute noch beim Haus in der Kurt-Eisner-Str. zu sehen ist - bis ganz oben aus Stein gearbeitet war, der dann dementsprechend auch nicht überstrichen wurde.


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    Nur die Pfeiler im Fenster sind wohl nicht übermalt worden und fallen "ein wenig aus dem Rahmen".


    In einem späteren Beitrag geht's im Inneren weiter...