Holzmarktstraße 51 + Krautstraße 30 (Friedrichshain | in Bau)

  • Stimmt, sieht ähnlich aus. Offenbar inspiriert die ähnliche Umgebung Architekten zu dieser Formensprache.


    Das mit der integrierten öffentlichen Schwimmhalle finde ich super, wenn diese groß genug wird. Wäre auch was für die Fischerinsel und den Thällmannpark, könnte Schule machen.

  • ^In der Gegend hängt die Meßlatte, seit das mog dort abgestellt wurde, ja ganz niedrig. Ich glaube, man hat gute Chancen, die ganze Nordseite der Holzmarktstraße zu einem unstrukturierten Einerlei zu verhunzen. Zwischen Lichtenberger und Alexanderstr. blieb es ja bei dem zugigen Straßenprofil. Doppelt so breit wie nötig gehen Bauflächen unter Asphalt verloren. Fernab grüßt die Plattenfront. Ab der Ecke Lichtenberger folgen Richtung Stralau zwei Punkthochhäuser, dieses freistehende Projekt hier, die Bahnbrücke, eine Tankstelle, Wiese, das mog, mehr Wiese und schließlich das Parkdeck vorm Ostbahnhof. Das ganze wirkt unausgegoren, lieblos und irgendwie fürderhin verwahrlost...


    Theseus532 : Im FEZ gibt es ein 50m-Becken. Tritt in die Köpenicker DLRG ein, dann kannste dort ungestört und viel schwimmen...

  • ^ Die Beschreibung stimmt vollkommen. Es gäbe also immensen Raum für die Visionen einer modernen Stadt in nahezu Bestlage.


    Vieles wäre hier möglich. Raum für Neues. Schaunwama.

  • Dass dieses geplante Gebäude als steingewordener Kompromiss daherkommt, liegt meines Erachtens auch in der Natur der Sache. Einerseits ist das Grundstück gemäß Bauleitplanung als Sportstättenfläche deklariert und die Politik ist (zum Glück für alle begeisterten Schwimmer) nicht gewillt, diese Widmung aufzugeben. Andererseits werden dringend Wohnungen gebraucht. Und wenn es langsam auch in Berlin Mode wird, Wohnraum über Supermärkten zu schaffen mit dem Ziel einer effizienteren Flächennutzung, dann scheint es vernünftig, auch über Schwimmhallen gleiches zu errichten. Beides unter einen Hut zu kriegen und auch noch wirtschaftlich zu sein, wird eine echte Herausforderung.


    Zur Beurteilung der architektonischen und städtebaulichen Qualität brauche ich jedoch auch erstmal eine Visualisierung, aus der alle Ansichten sowie die genaue Lage des Baus hervorgeht. Die Straße im Vordergrund des Bildes ist doch sicher nicht die Holzmarktstraße, oder?

  • Ja, das ist sie. Im 2019er Geschäftsbericht der Berlinovo gibt es ein paar dürre Infos und diese Projektskizze auf S.18 (sorry, Handyscreenshot):


    https://abload.de/img/mobile.11l0kjk.jpeg


    Im Hintergrund die beiden Punkthochhäuser, Holzmarktstraße und Stadtbahn sind nicht zu sehen. Das Foto ist von der Schillingbrücke aufgenommen.


    Der GB bezeichnet das Vorhaben als Leuchtturmprojekt für Berlin, ohne näher darauf einzugehen, worin das besondere liegt. Ich vermute drei Dinge:


    (1) Bedarfsgerechtes Bauen: Der GB redet viel davon. Bedarf ist letztendlich Nachfrage ohne Kaufkraft, also etwas was man sich leisten will, da es sich nicht rentieren muss. Es scheint sich um ein Pet Project des Sozialsenators zu handeln.


    (2) Kreative Entlastung: Die Betriebskosten, die sonst im Budget des Senators auflaufen würden, fallen nun in zwei Betriebsgesellschaften des Landes an. Nur etwaige Verluste sind auszugleichen. Investitionskosten lassen sich gleichzeitig annualisieren, sozusagen das Nirvana der Kameralistik. Aber auch sie werden auf zwei Landesgesellschaften verschoben und über Mieteinnahmen quersubventioniert.


    (3) Da geht noch mehr: Das Projekt testet die Grenzen dessen, was ohne B-Plan und Beteiligung möglich ist. Mit Studentenbuden lässt sich Geld verdienen - diese Quersubventionierung ist auch für private Investoren attraktiv und man hat hier ein Modell, proof of concept sozusagen. Der Cluster ist ja recht dicht: Vielleicht ist der Fingerzeig von oben, was man hier als Senat wohlwollend begleiten würde.


    OK, that’s my two cents...

  • Bedarf ist letztendlich Nachfrage ohne Kaufkraft, also etwas was man sich leisten will, da es sich nicht rentieren muss.

    Bedarf ist Nachfrage ohne Angebot. Mangelnde Kaufkraft kann einer der Gründe sein, warum es kein passendes Angebot gibt. Sie ist beileibe nicht der einzige.


    Im übrigen wird "Bedarf" gerne auch synonym zu "Nachfrage" verwendet – im Sommer steigt der Bedarf an Sonnencreme, im Winter der an Streusalz, und so weiter. In den Krankenhäusern steigt derzeit der Bedarf an Intensivbetten und in Berlin seit Jahren der Bedarf an Wohnraum. Wenn man hier schulterzuckend auf "mangelnde Kaufkraft" verweist ("Intensivbetten will man sich halt leisten"), wird es zynisch.

  • ^ Beide Beispiele sind sehr gut gewählt, das Beispiel Intensivbetten, weil es anschaulich zeigt, dass nicht alle Bereiche der Gesellschaft den sogenannten Marktgesetzen unterworfen werden können, ohne dass wir in eine real existierende Dystopie landen, und das Beispiel mit den saisonalen Produkten, weil es zeigt, dass es zu Nachfragespitzen kommen kann, die durch das Angebot nicht ausreichend gestillt werden können, weshalb punktuell Bedarf entstehen kann trotz Kaufkraft. Eben deswegen spricht es für Deine Definition "Bedarf = Nachfrage ohne Angebot", aber gerade nicht dafür, die Termini Nachfrage und Bedarf synonym zu verwenden oder den Unterschied zu verwischen.

  • ^ Ich habe gerade mal nachgeschlagen: Cavendishs Verwendung von Bedarf ("Nachfrage ohne Kaufkraft") entspricht der volkswirtschaftlichen Terminologie und geht schon auf Adam Smith zurück. Das gibt der Bedarfsbefriedigung einen Beiklang des Illegitimen: Da soll jemand etwas bekommen, was ihm nicht zusteht, weil er es sich nicht leisten kann. (Gilt dann auch für den Verhungernden, der Brotbedarf hat, mangels Geld aber die entsprechende Nachfrage nicht "generieren" kann.)


    Aus der Soziologie/Politikwissenschaft kenne ich das anders. Da ist Bedarf schlicht alles, was gebraucht wird – mit einem Beiklang von "aber nicht hinreichend verfügbar ist". Daher mein Vorschlag "Nachfrage ohne Angebot". Ich finde das ist, bezogen auf den (halb-)öffentlichen Wohnungsbau, angemessener, denn der freie Markt kann den Bedarf an passendem Wohnraum in Großstädten nicht befriedigen. Das konnte er noch nie, weshalb in Berlin erst ein großer öffentlicher bzw. genossenschaftlicher Bausektor das Elend in den Arbeiterslums überwunden hat.


    In diesem Sinn bauen Berlinovo & Co. auch nicht das, was Berlin sich leisten will, sondern was es sich leisten muss. Die Bezeichnung "Pet Project" finde ich unangemessen. (Auf einem anderen Blatt steht, dass die Berlinovo meist nicht besonders schön baut. Wir sollten zu diesem Thema zurückkehren...)

  • Kann jemand sagen, ob nur das derzeitige Grundstück der Schwimmhalle oder auch der angrenzende Flachbau (derzeit Obdachlosen-Quartier) bebaut werden soll? Im Letzteren Fall würde auch der Mehlbeerenweg überbaut werden, was ich nicht glaube.


    An dieser Stelle gibt es sehr viel Lärm aus Straßen- und Bahnverkehr. Es ist kaum möglich, Fenster längere Zeit zu öffnen. Insofern ist der Büroturm an der Bahntrasse sinnvoll und Studenten-Wohnungen ohne Balkon sind eigentlich auch dieser Umgebung angemessen. Das ist wahrlich keine A-Lage dort.

  • Naja, ich will nicht die nächste Debatte vom Zaun brechen, aber die Termini Bedarf, Nachfrage, Angebot und sogar Nutzen sind völlig wertungsfrei. Der mit Kaufkraft ausgestattete Bedarf ist Nachfrage und erzeugt das Angebot. Gern auch umgekehrt, Angebot erzeugt erst den Bedarf: Vor 20 Jahre hätte niemand den Bedarf für iPhones artikulieren können.


    Die Wertungen sind von Architektenkind eingebracht, nicht meine.


    Der genossenschaftliche Sektor gehört übrigens zur Privatwirtschat. Der größtmögliche öffentliche Sektor, Volkseigentum, hat sich beim Thema bedarfsgerechter Versorgung nun auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Könnte am Scheitern des Sozialismus als Wirtschaftsmodell gelegen haben. Es liegt mir fern, Zynismus zu unterstellen. Sagen wir es so, es ist nicht alles schwarz und weiß, eher fifty shades of grey...


    Interessant ist hier noch, dass die berlinovo ja die Auffanggesellschaft für das Fondsgeschäft der Bankgesellschaft ist. Mit der Finanzierung vermuteter Bedarfe ohne Nachfrage kennt man sich also aus. Auch damals hatte ein Berliner Finanzsenator seine Finger im Spiel und war total clever. Ältere Berliner werden sich an das Debakel vor 20 Jahren noch erinnern, vielleicht auch an die sozialen Kosten der Pleite. Die explodierenden Immobilienpreise in Berlin haben die berlinovo übrigens saniert, sonst würde der Steuerzahler noch immer zuschießen. Auch im Moment scheint wieder ganz große Politik am Start zu sein.


    Bousset Der Mehlbeerenweg wird nicht überbaut. Anbei die Flurkarte:


    mobile.1374jxh.jpeg


    Die Baumasse sitzt ungefähr so:


    mobile.14ohkcp.jpeg


    Im Vergleich zur vorherigen Situation gibt es zwei Schwimmbecken statt einem:


    mobile.15m0k9s.jpeg

    Quelle: Beschlussvorlage des Abgeordnetenhauses

    Einmal editiert, zuletzt von Cavendish ()

  • ^ Was die Wertfreiheit der VWL angeht, werden wir uns nicht einig. Und immer gleich die Planwirtschaft aus dem Hut zu zaubern, sobald jemand Zweifel an der alleinseligmachenden Kraft des Marktes äußert, ist inzwischen etwas abgenutzt. (Was die Umkehrung von Angebot und Bedarf angeht, gebe ich Dir allerdings recht.)


    Aber egal: Danke für die Pläne! Die Kubatur sieht besser aus, als ich befürchtet hatte. Die Visu sah für mich nach einem quadratischen Grundriss mitten auf dem Grundstück aus. Stattdessen passt er sich dem spitzen Winkel zwischen Holzmarktstraße und Mehlbeerenweg an. Außerdem sieht die Schwimmhalle nach einem vollwertigen Badebetrieb aus, nicht nach einem besseren Planschbecken für die Bewohner. Zwei Punkte, die ich so nicht erwartet hatte.

  • ^ Gute Frage. Vergleicht man den Ist-Zustand mit dem von 1928 (auf der unbezahlbaren Seite https://1928.tagesspiegel.de/), dann wird deutlich, dass das geplante Gebäude an der Holzmarktstraße 51 auch nach Norden hin ein Stück Stadtreparatur leistet und der Verlängerung der Langen Straße (heißt verwirrender Weise auch Mehrbeerenweg) hier wieder eine Fassung verleiht. Aber eben diese Stadtreparatur wird durch den isolierten und von der Kubatur her wenig verheißungsvollen Klotz direkt neben dem Bauprojekt (in östlicher Richtung) wieder halb zunichte gemacht.

  • Hatten wir hier im Forum mal vor längerer Zeit. Ich glaube es war im thread zum Thema ehemaliges Pintsch-Areal. Da tauchte auch die Planung dieses Hochhauses auf.

  • ^ Vergleicht man den Ist-Zustand mit dem von 1928 (auf der unbezahlbaren Seite https://1928.tagesspiegel.de/), dann wird deutlich, dass das geplante Gebäude an der Holzmarktstraße 51 auch nach Norden hin ein Stück Stadtreparatur leistet ....

    Der Vergleich zwischen dem, sagen wir mal salopp, Vorkriegszustand und dem jetzigen, zeigt im Zeitschieber des Tagesspiegels an der Holzmarktstraße besonders drastisch die Probleme die uns der Städtebau nach den Dogmen der Moderne eingebrockt hat: Verlust an Baumasse, Verlust an definierten, bzw. gefassten städtische Räume, Umwandlung von Bauland in überdimensionierte und maßstabslose Verkehrsflächen. Ohne Bewusstsein für die Prinzipien der Urbanität bei den für die Stadtplanung politisch verantwortlichen wird sich hier nichts grundlegendes verbessern. Diskussionen ob ein Einzelgebäude gefällt oder nicht, wie sie hier immer wieder mit großer Leidenschaft (und darüber hinaus) geführt werden, bleiben in diesem Kontext nebensächlich.

  • ^ Ich kann Dir da nur zustimmen, sehe ich ganz genau so.
    Auch wenn die kleine Zeitreise ins Jahr 1928 wirklich spannend war, (ich persönlich liebe es ja, mit dem Auge über alte Stadtpläne zu fliegen) wird einem auf krasse Art und Weise bewusst, was hier, im Bereich der Stralauer Vorstadt, an Urbanität und Stadt im allgemeinen, verloren gegangen ist.
    Auf mich wirken diese ganzen Riegel und Punkthochhäuser immer so, als ob sie vollkommen wahllos und zufällig in die Gegend gepflanzt wurden. Hat für mich leider gar nichts mit Innenstadt zu tun.
    Bei all der Wehmut über das zerstörte und verlorengegangene Stück Stadt, möchte ich aber auch nicht in Abrede stellen, dass die Menschen, die dort in ihren Wohnungen leben, bestimmt gerne dort leben.

  • Hier nochmal die markierte Stelle des geplanten Neubaus in der 3D Visualisierung von Google Earth. Hoffentlich entwickelt sich auch bald die Julius-Pintsch Brache. Der Altbau wurde ja immerhin renoviert.


  • ... wobei man von der Entwicklung dieser Brache nicht allzu viel erwarten sollte. Gemäß Aufstellungsbeschluss vom 18.02.2020 zum Bebauungsplan V-52 soll auf dem Gelände ein Schul- und Sportstandort entwickelt werden. Das wird also wieder eine rechteckige Kiste mit Sportplatz. Aber vielleicht trotzdem besser als der momentane Zustand.