Neubau Mühlendammbrücke [in Planung]

  • So gerne ich deiner grundlegenden Kritik zustimme, muss fairerweise erwähnt werden, dass die Achse Leipzigerstraße bis zum Nikolaiviertel schon in recht naher Zukunft ihren Autobahncharakter verlieren wird. Nur noch eine Spur pro Richtung für den MIV in der Leipziger, im Endstadium nur noch eine Spur pro Richtung auf der Mühlendammbrücke, breitere Radwege (bzw. überhaupt mal richtige Radwege) und die Umbauten am Molkenmarkt werden viele der negativen Attribute dieser Verkehrsachse mildern, oder gar ganz beseitigen.

    Dem ist nicht zu widersprechen. Allerdings um einen Autobahncharakter zu verlieren benötigt es mehr als die Reduzierung von Fahrspuren. Eine städtebauliche Integration und ein städtischer Auftritt einer Brücke währe an der Mühlendammbrücke mindestens von Nöten gewesen. Der Molkenmarkt ist ja der Bereich vor dem Stadthaus, die Brücke reicht an ihn nicht heran. Der prämierte Entwurf verneint aus meiner Sicht optisch das "städtische", die Assoziation Autobahn bleibt.



    Ich sage voraus, dass mit dem nötigen Umbau der Gertraudenbrücke auch eine Neugestaltung des Spittelmarktes auf die Agenda kommt. Das sind Dinge, die einander bedingen, denn eine annähernde Wiederherstellung des alten Spittelmarkt-Rasters ohne Berücksichtigung der anstehenden Erneuerung der Gertraudenbrücke macht keinen Sinn.

    Ich lese aus Ihrer Erwiderung zum einen heraus, dass wir uns das gleiche wünschen. Zum anderen lese ich aber auch einen gewissen unsicheren Unterton heraus.

    So geht es mir eben auch. Wenn sie sich aber die Planungen für die Leipziger Straße samt Straßenbahn von Frau Günther (ich glaube die kamen im Frühjahr) anschauen, dann sehe ich keine Verschwenkung der Gertraudenbrücke und diese wäre ja die Voraussetzung um den (seit Jahrezehnten geplanten) Spittelmarkt (zumindest kritisch) wiederherzustellen. Schon die zum Teil groteske Hörigkeit auf die Richtung des heutigen Denkmalschutzes (z. B. Hochhausplanung Kino Treptower Park) wird diese verunmöglichen. Und die Mühlendammbrücke war jetzt der große Test ob wir wieder Stadt kriegen oder ob es Autobahn bleibt (unabhängig der Fahrspuren).

  • Ich finde den Entwurf komplett enttäuschend. Es ist nicht hü und nicht hott. Nicht schwarz und nicht weiß. Wenn man schon radikal Fahrspuren reduziert und damit höchstwahrscheinlich für entsprechende Verkehrsinfarkte sorgt, dann doch bitte wenigstens mit ansprechender Gestaltung, in Anlehnung an Zeiten als das Automobil noch keinen hohen Stellenwert hatte. Entwürfe dieser Art gab es ja durchaus:


    Grafik: Helmut Maier (Entwurf und Konzept), Philipp Jaedicke (Ausarbeitung und Visualisierung) / Quelle: Berliner Zeitung


    So bleibt nur eine reduzierte Fahrbahn mit wütenden Autofahrer und einer Brücke die - aus meiner Sicht - genauso aussieht wie die vorherige Version...

  • Dieser Entwurf ist zwar arg historisierend, aber man könnte sich vieles von ihm abschauen. Dies ist immerhin kein ordinärer Verkehrsbau mehr wie etwa am Berliner Ring, Ausfahrt Müllumladestation. Dieser Brückenbau schützt Fußgänger vor dem Straßenlärm und er verklammert die an dieser Stelle besonders weit von einander entfernt liegenden Ufer. Durch eine vertikale, architektonische Struktur würde die Stadt dort nicht mehr in zwei Teile zerrissen und man hätte auch kein dystopisches Grundgefühl mehr, wenn man einmal auf die kranke, ja abrund tief perverse Idee käme, zu Fuß von der Fischerinsel Richtung Molkenmarkt zu laufen.

    Einmal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • Hm also bin ich nicht der einzige der hier eher einen simplen funktionalen Ingenieursbau sieht und dessen Euphorie sich hier leicht zu bescheiden weis.

    Der Bau unterscheidet sich kaum von einer gängigen praktischen Verkehrsbrücke, die so auch an ner Stadtautobahn stehen könnte🙄.


    Die tollen stützen nimmt man bewusst sowieso nur als Plattenbaukaffeehausbesucher oder vom Touridampfer aus wahr und lassen in ihrer Gewöhnlichkeit ganz bestimmt jedes Herz höher springen.


    Warum denn keinen Abgang zur Münze hin? So bleibt das Gebiet dort, bei der Breite der Brücke doch weiter abgehängt🤔


    Die zweite Visu versteh ich örtlich nicht.

    So. stellt sich doch die bauliche Situation gar nicht dort dar oder irre ich mich.

    Die schicke Altbauklammer gibt es doch so gar nicht an der Stelle mit Blick auf das Rathaus.

    Die Aufenthaltsqualität und der Genuss der Aussicht vom Brückenbogen kann ich mir bisher schwer vorstellen, für mich stellt sich weder die Brückengestaltung relevant als Anziehungspunkt dort dar, noch der Blick auf die Fischerinsel, die Nikoleiplatten oder die hässliche Handelskammer.

    Die historisierende Variante hat schon mehr Charme und Aufenthaltsqualität als das 60er Jahre Revival - aber so passts ja ganz gut zu den plumpen Platten und das scheint der historisierende Maßstab an dem man sich gerne orientiert - der dürfte blos kaum allgemeine Begeisterungsstürme auslösen und gültige Gefälligkeit ist sowieso bäh.

    Einmal editiert, zuletzt von Endell ()

  • Auf den ersten Blick sieht der Entwurf der neuen Brücke der bestehenden zum verwechseln ähnlich, auf den zweiten Blick leider auch.

    Einzig bei den uferseitigen Unterquerungen der Brücke werden die schäbigen "Angsttunnel" durch filigranere Brückenpfeiler aufgelöst.


    Was will man aber auch erwarten, wenn man sich sogar ein vermeintlich lästiges Planfeststellungsverfahren erspart und somit eine wirklich gestaltete Brücke verhindert. Selbst eine umfassende nachträgliche Gestaltung auf der Brücke dürfte dann aus statischen Gründen fast unmöglich sein.


    Bei der Gertraudenbrücke wird man sich nicht so leicht aus der Affäre ziehen können. Schließlich soll die neue breitere Brücke (am Standort der historischen) mit den historischen Brückenelementen verkleidet werden.

    Das wird dann ohne umfangreichere Planungen (Planfeststellungsverfahren) nicht funktionieren.

    Da ist heftiger Streit quasi schon vorprogramiert.


    Übrigens, wie schon mehrfach erwähnt wird das mit der Straßenbahn erst was wenn beide Brücken fertig sind, oder selbige müßte am Petriplatz erstmal enden. Für die Gertraudenbrücke gibt es bisher nur unverbindliche Absichtserklärungen, also von irgendwelchen Planungen ist man noch meilenweit entfernt. Über dieses nicht unwesentliche Problem habe ich von verantwortlicher Seite noch nichts vernommen.



    Gruß, Jockel

  • .. irre ich mich- die schicke Altbauklammer gibt es doch so gar nicht an der Stelle ...

    Tja, wenn man dem Stadtbild rein gar nichts zu bieten hat, weil man Brücken baut wie die CDU oder die SED in den frühen Siebzigern, dann muss man wohl Hintergründe aus Never-Neverland in die Visus kleben, um die verblendete Wählerschaft zu verarschen.


    bildschirmfoto2021-077cjdm.png

    (c) ARUP/COBE

  • Ich finde den Entwurf komplett enttäuschend. Es ist nicht hü und nicht hott. Nicht schwarz und nicht weiß. Wenn man schon radikal Fahrspuren reduziert und damit höchstwahrscheinlich für entsprechende Verkehrsinfarkte sorgt, dann doch bitte wenigstens mit ansprechender Gestaltung, in Anlehnung an Zeiten als das Automobil noch keinen hohen Stellenwert hatte. Entwürfe dieser Art gab es ja durchaus:


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    Grafik: Helmut Maier (Entwurf und Konzept), Philipp Jaedicke (Ausarbeitung und Visualisierung) / Quelle: Berliner Zeitung


    So bleibt nur eine reduzierte Fahrbahn mit wütenden Autofahrer und einer Brücke die - aus meiner Sicht - genauso aussieht wie die vorherige Version...

    Da bin ich aber froh, dass dieser Kelch an uns vorbei gegangen ist. Gruselig. Findet nach Westen überhaupt kein Anschluss. Nirgends. Die Dunkelräume unter der eigentlichen Brücke bleiben und werden noch verengt. Als Brückenbauwerk wäre das ein Reinfall. Einzig die Aufbauten würde so manchem Rekoheini überzeugen. Aber was soll das sein? - Für mich ist es nur eine weitere Möglichkeit für toilettensuchende Zeitgenossen. Jede Menge Möglichkeiten in Ecken zu pissen. Nee, auch wenn der Arup-Entwurf nicht komplett überzeugt, aber solch ein Mickey Maus Entwurf ist es dann auch nicht.

  • Als Brückenbauwerk wäre das ein Reinfall. Einzig die Aufbauten würde so manchem Rekoheini überzeugen. Aber was soll das sein? - Für mich ist es nur eine weitere Möglichkeit für toilettensuchende Zeitgenossen. Jede Menge Möglichkeiten in Ecken zu pissen. Nee, auch wenn der Arup-Entwurf nicht komplett überzeugt, aber solch ein Mickey Maus Entwurf ist es dann auch nicht.

    Nach deiner Logik müsste die Oberbaumbrücke sofort abgerissen und vermutlich durch eine Autobahnbrücke ersetzt werden. Da wird dann zwar nicht mehr uriniert, aber auch nicht mehr gelebt.


    Es geht doch bei manchen Vorschlägen nicht nur darum, was die Entwürfe bei uns Negatives triggern, damit wir jeden unkonventionellen Gedanken gleich wegbellen können. Konstruktiver wäre es im Sinne einer Lösung für ein von fast allen angesprochenenes Problem bei der neuen Brücke, auch bei problematischen Vorschlägen das an sich Positive zu erkennen. Viele Qualitäten des von dir kritisiereten Entwurfs sind doch vollkommen unabhängig von der Formensprache, die sich im Handumdrehen ändern ließe, damit man nicht von Rekoheinis sprechen muss, zumal ja hier überhaupt nicht die Rede von einer Rekonstruktion ist.


    Wenn man von der Oberbaumbrücke spricht, haben die meisten Menschen besonders positive Assoziationen, weil von den einzelenen Loggien aus der Blick auf den Fluss genossen werden kann, so dass man den Verkehr vergessen kann. In der Umgebung wird zudem auch immerzu das Handy gezückt, um schöne Bilder zu schießen. Mit der neuen Brücke am Mühlendamm indes bleibt diese Stelle der Spree wie gehabt ground zero.

    Einmal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • Da bin ich aber froh, dass dieser Kelch an uns vorbei gegangen ist. Gruselig. Findet nach Westen überhaupt kein Anschluss. Nirgends. Die Dunkelräume unter der eigentlichen Brücke bleiben und werden noch verengt. Als Brückenbauwerk wäre das ein Reinfall. Einzig die Aufbauten würde so manchem Rekoheini überzeugen. Aber was soll das sein? - Für mich ist es nur eine weitere Möglichkeit für toilettensuchende Zeitgenossen. Jede Menge Möglichkeiten in Ecken zu pissen. Nee, auch wenn der Arup-Entwurf nicht komplett überzeugt, aber solch ein Mickey Maus Entwurf ist es dann auch nicht.

    Das war auch nur ein Beispiel. Dieses Geblubber von "Rekoheini" und "Mickey Maus Entwurf" geht mir langsam auf den Senkel. Da du mich auch schon auf dieses Art und Weise beschimpft hast, überlege ich mir dir ein ebenfalls passendes Attribut zu geben. Wie wäre es mit Moderno-Brutalo? Ob das zur Qualität des Austausches in diesem Forum beitragen wird, wage ich zu bezweifeln...

  • Ich habe ja geschrieben, dass der Siegerentwurf nicht unbedingt meine Nummer eins war. Allerdings gehörte er auf jeden Fall zu den besseren Entwürfen. Und da ich kein Fachmann bin, werde ich mich gern mit den Argumenten beschäftigen, die die Jury zu ihrer Entscheidung geführt haben. Denn in der Jury waren ausgewiesene Architekten und Bauingenieure vertreten, und sie werden vielleicht Aspekte gesehen haben, die ich nicht bedacht habe.

    Wenig konstruktiv finde ich es, wenn jetzt einige Nutzer völlig ausrasten, nur weil vielleicht nicht ihr Lieblingsentwurf gewonnen hat. Wertungen wie "intellektuell primitivst" oder "Totalversagen" zeugen nicht von Respekt vor anderen Meinungen.


    Weiterhin zeugen einige Beiträge nicht nur von mangelndem Respekt gegenüber anderen Meinungen, sondern von völliger Unkenntnis des Planungsprozesses. Auch hier im Forum kann man nachlesen, dass diese Brücke sehr umstritten war. Eine Seite wollte eine möglichst breite Brücke, damit der Autoverkehr nicht behindert wird, andere wollten eine möglichst schmale Brücke, damit der Autoverkehr reduziert wird. Am Ende stand der Kompromiss mit zwei Autospuren plus einer kombinierten Bus- und Fahrradspur in der ersten Phase und nur einer Autospur in der zweiten Phase. Ein solcher Kompromiss gefällt nicht allen (das haben Kompromisse so an sich), aber wie sonst soll man mit solch entgegengesetzten Positionen umgehen? Auf jeden Fall war nie geplant, eine verkehrsfreie Brücke zu schaffen, sondern es war immer das Ziel, den Verkehr mehr auf den ÖPNV, vor allem auf die Straßenbahn zu verlagern. Die Straßenbahn soll deshalb schnell auf eigenem Bahnkörper über die Brücke fahren. Und Autos wird es auch weiterhin geben. Eine zweite Friedrichsbrücke ganz ohne Autos und Verkehr war nie vorgesehen.


    Wenn man diese Rahmenbedingungen berücksichtigt, dann ist dieser Entwurf ziemlich gut. Er ist elegant, filigran, und er fügt sich zurückhaltend in die Stadtlandschaft ein. Und er verbreitet eine gewisse Dynamik, die zum Verkehr nun einmal gehört. Deshalb freue ich mich auf die neue Brücke.

  • Was ich nicht verstehe:

    Auf der Visualisierung ist doch bereits die Straßenbahn PLUS zwei MIV-Spuren PLUS Fahrradweg PLUS Fußweg zu sehen.

    Wenn wir von einem langfristigen Wegfall der zweiten MIV-Spur sprechen (ich glaube noch nicht daran, aber eines Tages vielleicht...) dann wird eben jener "Endzustand" noch gar nicht dargestellt. Dann wäre die Brücke sinnloserweise breiter als nötig.

    Entsprechend hätten doch die Fußwege an den Seiten als auskragendes Element in Leichtbauweise bis zum Jahr 20XX genutzt werden können, um diese dann wieder rückbauen zu können. Der Fahrradweg hätte die äußere MIV-Spur bekommen und der Fußweg den Fahrradweg des Zwischenzustands. Somit hätte die Brücke im Endausbau locker sieben Meter schmaler ausfallen können. Im Tagesspiegel stand auch, dass ein Entwurf eine Modularität berücksichtigt hat. So baut man jetzt für mindestens 50 Jahre ein Betonmonster (sorry für den lapidaren Begriff) und bei der Gertraudenbrücke wird es nicht besser, will man verständlicherweise die denkmalgeschützte alte Brücke nicht antasten.

  • Klarenbach

    .. ich stimme Dir in vielen Teilen Deiner Ausfûhrungen zu lieber Klarenbach. ich hätte einen angedeuteten Rundbbogen an dieser Stelle vielleicht angemessener gefunden, ähnlich der Brücken über den Humboldthafen, die ja auch moderne Konstruktionen sind.

    Was mir aber wirklich übel aufstösst und das finde ich wirklich schon manipulativ an der Visualisierung des Siegerentwurfs, die so nicht vorhandene und auch so nicht angedachte Seitenbebauung in einem völlig frei erfundenen historisierenden Stil. Weder existiert ein solches Eckgebäude auf der linken noch auf der rechten Ecke. Ich wage mal die These, dass dieser Entwurf nur aufgrund der freierfundenen Randbebauung gewonnen hat. Hätten die Entwerfer die tatsächlichlen Gegebenheiten visualisiert wäre der Faktor des uninspirierten, spannunglosen Einerlei, wesentlich mehr zum Tragen gekommen. So schafft die moderne Brücke ein interessantes Spannungsfeld, gar einen gestalterischen Kontrast mit der so nicht vorhandenen Bebauung, und das Auge lässt sich zu gern irritieren. Das kann nur Eines zur Folge haben, dass die Anforderungen und Erwartungen an die optische Qualität der zukünftigen Bebauung nun immens hoch sein werden. Vielleicht bereitet jetzt so diese Brücke mit der fiktiven Gestaltung der Umgebungsbauten die Grundlage für die zukünftige Gestaltung des ganzen Quartiers. In 20 Jahren wird man das beurteilen können, denke ich.

    2 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Die prämierte 'neue' bzw. eben gerade nicht neue Brücke ist für mich das in Beton gegossene Abbild der verpassten Verkehrswende.

    Einmal editiert, zuletzt von Georges Henri ()

  • ^Wieso soll der Entwurf für eine "verpasste Verkehrswende" stehen? MIV-Reduktion auf zwei Spuren pro Richtung, breite Fahrradwege und separat laufende Straßenbahngleise klingen für mich jetzt erstmal ziemlich sinnvoll und deckt sich mit dem, was Experten und große Teile der Bevölkerung seit langem fordern.

  • Weil für mich zu einer sinnvollen Verkehrswende auch gehört, dass rein vom Verkehr geprägte Stadträume wieder Lebensräume werden, die als solche auch erkenn- und erlebbar sind. Das Hin- und Herschieben von Verkehr auf städtebaulichen Unorten erzeugt für mich noch längst keine attraktive Stadt.