Alexanderplatz: Brunnen der Völkerfreundschaft vs. Warenhaus Tietz

  • ... Eine Versetzung des Brunnens der Völkerfreundschaft wäre dagegen vollkommen willkürlich und geschichtslos...

    Mag sein, aber was wäre so schlimm daran? In den vergangenen Jahrzehnten wurden so viele Denkmäler, Brunnen, Figurengruppen, Häuser oder Kolonnaden willkürlich an neue Orte versetzt und das Ergebnis wird größtenteils heute akzeptiert. Muss denn in heutiger Zeit alles penibel historisch korrekt sein? Kann es nicht einfach auch mal nach Ästhetik oder Nostalgie gehen? Mein Vorschlag mit der Versetzung des Brunnens vom Alex sollte nur eine Leerstelle verhindern. Und ich stelle ihn mir überdies als ästhetisch ansprechende Ergänzung der Wasserspiele unterm Fernsehturm vor.


    Zum Thema: Ich begrüßte es sehr, wenn der Schlossbrunnen wieder an seinen alten Ort versetzt würde, weil er dort die entsprechende räumliche Einfassung hätte. Aber bis dahin wird das Humboldt-Forum wohl einfach nur von lieblos dahingepflasterten Steinflächen umgeben. Wahrscheinlich noch nicht mal im Segmentbogen verlegt...

  • ^ Du meinst also, dass man den Brunnen der Völkerfreundschaft, der dort, wo er ist, allgemein angenommen und akzeptiert ist, deswegen willkürlich versetzen können soll, weil er am neuen Ort vielleicht auch irgendwann akzeptiert wäre? 8o

    Ich zweifle übrigens sehr daran, dass eine solche willkürliche Versetzung in diesem Fall auf algemeine Zustimmung stoßen würde, so wie ich auch daran zweifle, dass es "so viele" Beispiele willkürlicher Versetzungen gibt, die dann auch noch "größtenteils" akzeptiert würden. Kannst Du einige Beispiele nennen?

  • ^

    Ich weiß nicht ob der Brunnen d.Vf. wirklich so "angenommen und akzeptiert" ist, eigtl. ist er die meiste Zeit mit Müll und Zigarettenkippen verschmuddelt, sodass man sich nicht gerne lange dort aufhält. Tatsächlich empfinde ich den Brunnen d.Vf. als einen der unangenehmsten und auch optisch abstoßendsten Brunnen in Berlin. Die schwarz-befleckten Stehlen, die sich wie umgedrehte Krähenfüße aus dem Boden schrauben, versprühen mehr den Charme eines Gruselfilms, als an "untereinander solidarische Menschen" zu erinnern. Diese Wirkung stellt sich m.M.n. überhaupt nicht ein. Höchstens an den Friedenstäubchen könnte man es erahnen, aber es sieht einfach so aus, als wären die nachträglich draufgesprayed worden und nicht Teil des Monuments. In diesem Sinne halte ich den Brunnen auch für einen Fail. Er transportiert weder eine Botschaft, die Menschen verstehen können, welche sich nicht explizit mit ihm beschäftigt haben, noch stellt er optisch einen Mehrwert in Bezug auf die Aufenthaltsqualität des Alex dar.


    Ob es das alte Tiez als Reko sein muss, ich liebe zwar das Gebäude rein optisch, aber der Alex wird sich allein durch die HH schon verengen und in seiner Raumwirkung massiv verändern, das sollte man erstmal abwarten wie das wird. Da wäre ein neues Tiez evtl. doch etwas zu beengend. Auf jeden Fall sollten diese furchtbaren dunklen Krähenfüße mal professionell gereinigt und auf Hochglanz poliert werden, das wäre echt das Mindeste. Darüber würden sich bestimmt auch die Obdachlosen freuen.


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  • Hallo, ich habe mal ein neues Thema aufgemacht, um nicht den Thread zum Schlossumfeld sachfremd zu missbrauchen.


    Ausgangssituation: Ich hatte mich positiv zur möglichen Rückkehr des Schlossbrunnens an seinen angestammten Platz geäußert und darauf aufbauend den Gedanken entwickelt, an den freiwerdenden Standort auf dem Rathausforum den Brunnen der Völkerfreundschaft vom Alexanderplatz zu versetzen. Dadurch würde dort die Fläche frei, einen modernen Neubau in der Kubatur und mit der rekonstruierten Fassade des Kopfbaus des ehemaligen Warenhauses Tietz zu errichten. Daraus entspann sich folgender Diskussionsstrang:


    Zitat von ReinhardR

    Das ist eine (wenn auch "off topic") eine interessante Idee:

    Das Tietz-Kaufhaus am Alex mit der historischen Fassade samt Weltkugel.

    Dahinter wäre dann sogar eine schlichte "Lüscher-Kiste" zu ertragen...


    Zitat von Minimalist

    Mit welchem Argument? 🤔

    Der jetzige Kaufhof ist hochwertig und schlicht-edel im Vergleich zur restlichen neuen Architektur am Alex (Die Mitte oder Park-Inn Sockel)


    Zitat von ReinhardR

    Der Kaufhof ist von dieser Idee gar nicht berührt. Die Tietz-Fassade stand ca. 50 Meter weiter südlich.


    Zitat von ElleDebe

    Die Verschiebung des Schlossbrunnens an seinen jetzigen Ort konnte auch damit begründet werden, dass er mit der Sprengung des Schlosses seinen Kontext verloren hatte. Da dieser nun wieder vorliegt, stellt sich entsprechend zurecht die Frage nach der Rückehr des Brunnens an seinen angestammten Ort. Eine Versetzung des Brunnen der Völkerfreundschaft wäre dagegen vollkommen willkürlich und geschichtslos.

    Dennoch ist der Vorschlag von Wolke Eins bemerkenswert: Da hier der Wunsch nach Rückkehr des Schlossbrunnens (Neptunbrunnen) an seinen angestammten Ort mit dem Wunsch nach willkürlicher Verschiebung eines anderen Brunnens aus seinem angestammten Ort sowie dem Wunsch nach Rekonstruktion (der Fassade des ehemaligen Kopfbaus des Tietz-Kaufhauses) Hand in Hand geht, verbinden sich hier in krasser Deutlichkeit Rekonstruktionsinteresse und Geschichtslosigkeit. Das ist insofern bemerkenswert, als die Rekonstruktion ja leicht mit einem geschichtlichen Bewusstsein gleichgestellt und verwechselt werden kann. Ein solches kann auch in der Tat vorliegen, aber er kann auch, wie hier, vollkommen fehlen, was vielleicht sogar die Regel ist. Für dieses geschichtslose, rein von einem ästhetischen Gefühl und/oder Nostalgie motivierte Rekonstruktionsinteresse scheint mir das häufig polemisch und unbestimmt gegen jede Rekonstruktion gewendete Wort "Disneyfizierung" das passende Wort zu sein.


    Zitat von UrbanFreak

    Das Wort "Disneyfizierung" halte ich in diesem Forum für überstrapaziert. Disney ist nicht nur geschichtslos, sondern auch ästhetisch einem besonders jungem Publikum gewidmet. Man kann also sicher darüber diskutierten ob Kitsch immer nur mit dem Kontext zu tun hat oder nicht auch mit der Ästhetik als solche.

    Ich finde den Neptunbrunnen jedenfalls dort wo er jetzt steht in Ordnung. Und gegen Teilrekonstruktionen im Sinne von Referenzen an vergangen Tage spricht aus meiner Sicht weder Kitsch noch sonst irgendetwas - schließlich ist das Zitat ein Stilmittel das in der Architektur gang und gäbe ist. Ein Zitat in Kombination mit neuen Nutzungsmöglichkeiten finde ich durchaus eine gute Idee.

    Prominentes Beispiel wäre das Reichstagsgebäude, dass mehr oder weniger in Schutt und Asche lag, rekonstruiert wurde und mit einem modernen Element "verziert" - ich denke das Resultat genießt weltweit Anerkennung.


    Zitat von ReinhardR

    Nachdem die Kommunisten das durchaus noch reparierbare Schloss gesprengt hatten (das Schloss Charlottenburg war wesentlich schlimmer beschädigt), war die Verteilung der Außendekoration wie die den Rossebändigern, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten oder dem Neptunbrunnen auf andere Stadtteile in Ordnung.

    Nach Rekonstruktion der Schloss-Fassade ist es kleingeistig, sie nicht wieder an die alten Positionen zurückkehren zu lassen.

    Ebenso ist es richtig, den "St. Georg mit dem Drachen", der vom Eosanderhof ins Nicolai-Viertel versetzt wurde, nicht wieder im Schloßhof unter zu bringen.

    Der Eosanderhof wurde nicht rekonstruiert.

    So what?



    Darauf reagierte ich mit folgendem Statement bezugnehmend auf ein Zitat von ElleDeBe ("Eine Versetzung des Brunnens der Völkerfreundschaft wäre dagegen vollkommen willkürlich und geschichtslos"):

    Mag sein, aber was wäre so schlimm daran? In den vergangenen Jahrzehnten wurden so viele Denkmäler, Brunnen, Figurengruppen, Häuser oder Kolonnaden willkürlich an neue Orte versetzt und das Ergebnis wird größtenteils heute akzeptiert. Muss denn in heutiger Zeit alles penibel historisch korrekt sein? Kann es nicht einfach auch mal nach Ästhetik oder Nostalgie gehen? Mein Vorschlag mit der Versetzung des Brunnens vom Alex sollte nur eine Leerstelle verhindern. Und ich stelle ihn mir überdies als ästhetisch ansprechende Ergänzung der Wasserspiele unterm Fernsehturm vor.

    Zum Thema: Ich begrüßte es sehr, wenn der Schlossbrunnen wieder an seinen alten Ort versetzt würde, weil er dort die entsprechende räumliche Einfassung hätte. Aber bis dahin wird das Humboldt-Forum wohl einfach nur von lieblos dahingepflasterten Steinflächen umgeben. Wahrscheinlich noch nicht mal im Segmentbogen verlegt...


    Hierauf folgten noch zwei Beiträge von ElleDeBe und Berlinier:


    Zitat von ElleDebe

    ^ Du meinst also, dass man den Brunnen der Völkerfreundschaft, der dort, wo er ist, allgemein angenommen und akzeptiert ist, deswegen willkürlich versetzen können soll, weil er am neuen Ort vielleicht auch irgendwann akzeptiert wäre? 8o

    Ich zweifle übrigens sehr daran, dass eine solche willkürliche Versetzung in diesem Fall auf algemeine Zustimmung stoßen würde, so wie ich auch daran zweifle, dass es "so viele" Beispiele willkürlicher Versetzungen gibt, die dann auch noch "größtenteils" akzeptiert würden. Kannst Du einige Beispiele nennen?


    Zitat von Berlinier

    Ich weiß nicht ob der Brunnen d.Vf. wirklich so "angenommen und akzeptiert" ist, eigtl. ist er die meiste Zeit mit Müll und Zigarettenkippen verschmuddelt, sodass man sich nicht gerne lange dort aufhält. Tatsächlich empfinde ich den Brunnen d.Vf. als einen der unangenehmsten und auch optisch abstoßendsten Brunnen in Berlin. Die schwarz-befleckten Stehlen, die sich wie umgedrehte Krähenfüße aus dem Boden schrauben, versprühen mehr den Charme eines Gruselfilms, als an "untereinander solidarische Menschen" zu erinnern. Diese Wirkung stellt sich m.M.n. überhaupt nicht ein. Höchstens an den Friedenstäubchen könnte man es erahnen, aber es sieht einfach so aus, als wären die nachträglich draufgesprayed worden und nicht Teil des Monuments. In diesem Sinne halte ich den Brunnen auch für einen Fail. Er transportiert weder eine Botschaft, die Menschen verstehen können, welche sich nicht explizit mit ihm beschäftigt haben, noch stellt er optisch einen Mehrwert in Bezug auf die Aufenthaltsqualität des Alex dar.

    Ob es das alte Tiez als Reko sein muss, ich liebe zwar das Gebäude rein optisch, aber der Alex wird sich allein durch die HH schon verengen und in seiner Raumwirkung massiv verändern, das sollte man erstmal abwarten wie das wird. Da wäre ein neues Tiez evtl. doch etwas zu beengend. Auf jeden Fall sollten diese furchtbaren dunklen Krähenfüße mal professionell gereinigt und auf Hochglanz poliert werden, das wäre echt das Mindeste. Darüber würden sich bestimmt auch die Obdachlosen freuen.

  • Und hier antworte ich nun auf die jüngsten Beiträge:

    Zitat von ElleDeBe

    ^ Du meinst also, dass man den Brunnen der Völkerfreundschaft, der dort, wo er ist, allgemein angenommen und akzeptiert ist, deswegen willkürlich versetzen können soll, weil er am neuen Ort vielleicht auch irgendwann akzeptiert wäre? 8o

    Ich zweifle übrigens sehr daran, dass eine solche willkürliche Versetzung in diesem Fall auf algemeine Zustimmung stoßen würde, so wie ich auch daran zweifle, dass es "so viele" Beispiele willkürlicher Versetzungen gibt, die dann auch noch "größtenteils" akzeptiert würden. Kannst Du einige Beispiele nennen?


    Wie gesagt, es ist nicht meine Absicht, den Brunnen der Völkerfreundschaft auf Krampf loszuwerden. Ich finde ihn eigentlich sehr gelungen, wenn er nur öfter mal gereinigt würde. Aber letztlich resultiert mein Versetzungsvorschlag nur aus den Überlegungen, den Schlossbrunnen an seinen angestammten Platz zurück zu bringen, den Alexanderplatz wieder auf eine angenehme Ausdehnung zu verkleinern und den Standort am Rathausforum nicht leer zu lassen.

    Ob dieses Ansinnen auf allgemeine Zustimmung stoßen würde, wäre zu überprüfen. Mal eine Umfrage starten?


    Was andere willkürliche Versetzungen betrifft, möchte ich aufzählen: Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, Siegessäule, Löwen vom Nationaldenkmal, Ermelerhaus, Gaststätte Zum Nußbaum, Fischerbrunnen, Königskolonnaden, Spittelkolonnaden.

  • Völlig überflüssiger Thread. Der Brunnen der Völkerfreundschaft wird in naher, mittlerer und auch in ferner Zukunft nicht versetzt werden.

    Und selbstverständlich wird dieser gut angenommen. Es gibt keinen Grund diesen zu versetzen.

  • ^ Ja, Du hast Recht, aber ich habe mir doch die Mühe gemacht, etwas eingehender auf die gestellte Frage einzugehen.


    ^^ Die meisten der von Dir genannten Versetzungen gehen über "einige Jahrzehnte" hinaus, und es fraglich, inwieweit man sie als willkürlich bezeichnen kann (z.B. hatten nach Abriss des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal und des Schlosses die Löwen ihren Kontext verloren und ihre Versetzung erscheint vor diesem Hintergrund durchaus nicht willkürlich.)


    Aber mein Punkt ist ein anderer: Wie verhältst Du Dich zu den von Dir aufgezählten Versetzungen? Findest Du sie bedauerlich, problematisch, fragwürdig, selbst dann, wenn sie jeweils begründet werden konnten, selbst wenn sie im Einzefall womöglich "akzeptiert" wurden? Wie steht man zu einer Einstellung gegenüber einer Stadt, die teilweise Jahrhundete alte geschichtliche Zeugnisse aus Gründen der Praktikabilität oder aus ideologischen Gründen verschiebt oder auslöscht, sie also als frei verfügbare Manövriermasse eigener gegenwärtiger Einstellungen und Absichten hält?


    Diese Haltung, die sich vom "Gewachsenen" und Ererbten in keiner Weise einschränken lassen will, die sozusagen "volle Beinfreiheit" haben will (Nietzsche sprach, bejahend, vom "Willen zur Macht" und verband diesen mit der Moderne), nannte ich "geschichtslos", und eine solche Haltung erkannte ich auch in Deinem Vorschlag, einen Brunnen, der in seinem angestammten Ort "funktioniert", angenommen ist, eines der wenigen Bauten am Alexanderplatz, mit dem sich Menschen identifizieren können und den sie mit dem Platz identifizieren, wie ein Legostück aus seinem angestammten Ort zu entwurzeln und anderswo zu verpflanzen, um anderswo eine Lücke zu stopfen.


    So wie Teile der radikalen Linke teilweise ins Geschichtslose kippen, wenn sie auf der Grundlage heutiger moralischer Intuitionen (und z.T. mangelnden geschichtlichen Kenntnissen) Zeugnisse der Vergangenheit unerträglich finden und auslöschen wollen, so zeigen viele jener, die sich gegen diese Geschichtslosigkeit empören, ebenso geschichtslos, wenn es um Geschichtszeugnisse geht, die ihnen ideologisch-moralisch nicht schmecken. Ließe man beiden freien Lauf, würden die einen Bismarck etc., die anderen Marx etc. aus dem Stadtgedächtnis tilgen, die einen den Schlossbrunnen, die anderen den DDR-Brunnen, und wir fänden uns irgendwann in einer Stadt wieder, die ihre geschichtliche Tiefe eingebüßt hätte und uns immer weniger dabei helfen kann zu verstehen, woher wir kommen, indem sie uns immer wieder einmal vor die Wahl stellt, gemeinsam streiten und entscheiden zu müssen, was wir bewahren, erneuern, verändern, und, ja, auch überwinden und nicht mehr haben wollen.

  • Ich glaube du übersiehst einen wesentlichen Punkt: Durch den geplanten Neubau des Sockels des Park-Inn-Hotels sowie mindestens der zwei angrenzenden Hochhäuser (Covivio-Areal und Hines-Hochhaus) wird der Platz deutlich kleiner wirken.

    Und selbst das Hochhaus am Alexa wird aufgrund seine nahen Lage den Platz räumlich deutlich verdichten Und hinter dem Park-Inn und dem Kaufhof selbst sind ja auch zwei 130-Meter-Hochhäuser in Planung...

  • Diese Haltung, die sich vom "Gewachsenen" und Ererbten in keiner Weise einschränken lassen will, die sozusagen "volle Beinfreiheit" haben will (Nietzsche sprach, bejahend, vom "Willen zur Macht" und verband diesen mit der Moderne), nannte ich "geschichtslos", und eine solche Haltung erkannte ich auch in Deinem Vorschlag, einen Brunnen, der in seinem angestammten Ort "funktioniert", angenommen ist, eines der wenigen Bauten am Alexanderplatz, mit dem sich Menschen identifizieren können und den sie mit dem Platz identifizieren, wie ein Legostück aus seinem angestammten Ort zu entwurzeln und anderswo zu verpflanzen, um anderswo eine Lücke zu stopfen.

    Ein sehr überzeugendes Argument wie ich finde. Wer auch immer meint mit grosser Geste historisch gewachsene Zusammenhänge, Räume und Situationen aus ästhetischen oder sonstwelchen Gründen, verändern zu müssen, sollte sich darüber im klaren sein, dass er hier mit der Geschichte und dem Erfahren von Menschen spielt wie mit Bausteinen. Jede Generation macht die für sie wichtigen und entsprechenden Stadträumlichen Erfahrungen in ihrer Zeit und nicht im Nach- oder Vorhinein. Dazu muss man aber nicht zwangsläufig auch an Ort und Stelle gewesen sein. Ich bin und muss nicht in der DDR aufgewachsen sein um eine solche Idee als völlig geschichtslos und als eine Art Anschlag auf mein Vorwendeleben werten zu können.

    " Jegliches hat seine Zeit " und verdient es auch in seinem Kontext gesehen, erfahren und gespürt zu werden. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich ausgesprochen gerne eine Erinnerung an die Weltfestspiele der Jugend 1973 auf dem Alex und speziell an diesen Brunnen dort gehabt hätte. Etwas wie ein Phantomschmerz, den zu erkennen mir aber auch erst die Erfahrung und Zeit hier im Architekturforum, ermöglicht hat.


    https://www.imago-images.de/fotos-bilder/x-weltfestspiele

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Was mich am "Brunnen der Völkerfreundschaft" mehr stört als Gestaltung und Ausformung ist das durch seinen Namen betriebene Framing:
    Die DDR hatte mit ihrem Militarismus und ihrer Menschenverachtung gegen Andersdenkende im In- und Ausland ähnlich viel mit "Völkerfreundschaft" am Hut wie Mao tse Dong, Pol Pot oder Kim il Sung ,

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    Völkerfreundschaft gab es zwar, aber ausschließlich gegenüber ideologiekonformen Genossenstaaten. Der Brunnen müsste eigtl. "Brunnen der Genossenfreundschaft" heißen.

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    Ich kann ElleDeBEs Argument grundsätzlich auch teilen, sehe aber ausgerechnet am Alex, der immer noch so viel DDR ausstrahlt, als wäre die Mauer erst 2011 gefallen, hier nicht unbedingt den schützerischen Handlungsbedarf mit Hinblick auf den Verlust von erlebbaren Erinnerungsstätten. Tatsächlich ist der Alexanderplatz heute noch beinahe vollends, nämlich durch und durch bis hin zum Straßenverlauf geprägt durch den Eingriff sozialistischer Stadtplaner des SED Regimes. Das ist doch kein realistischer Abdruck der Geschichte des Alexanderplatzes!

    Der Alex ist doch weit älter und hat weit mehr Geschichte erlebt, als durch die Betrachtung der heutigen Situation -geprägt von lauter DDR-Bauten (Memi,HdT,HdR,HdL,HdE,HdS,Fernsehturm) und DDR-Monumenten (Weltzeituhr, Vv-Brunnen) überhaupt beim Rezipienten noch ankommt, bzw. erfahrbar wäre.

    In diesem Sinne herrscht am Alex eine deutliche Verschiebung, bzw. Schlagseite zugunsten eines gerade einmal etwa 40 Jahre bestehenden geschichtlichen Zeitraumes. Das wird der historischen Bedeutung des Alexanderplatzes nicht gerecht und bildet sich auch nicht ab.


    Und für die Entwicklung des Alex ist das ungefähr so, als würde mich meine Mutter zwingen fast alle meine alten Kinderzimmer-Möbel mit in das neue Haus zu stellen, das ich mit meiner Ehefrau beziehen will. Niemand hat was dagegen ein paar Kindheitserinnerungen zu bewahren, aber Menschen entwickeln sich weiter und mit ihnen entwickeln sich auch die Städte weiter. Sie müssen es einfach.

  • Das stimmt auch nur sehr eingeschränkt. Memi ist vom Alex aus überhaupt nicht zu sehen und dessen Zukunft mehr als unsichert. Entweder wird es saniert und verändert sein Gesicht völlig oder es wird neu gebaut. Haus des Reisens und Haus des Lehrers verschwinden hinter dem Saturn und dem Hines-Hochhaus und sind typische Vertreter einer städtebaulichen Moderne, die so auch in Japan, Rio oder Kapstadt stehen könnten. Die Mosaike dominieren doch keinesfalls den Stadtraum wie propagiert und SED-Fahnen wehen dort schon lange nicht. Das Park-Inn wurde schon vor einigen Jahren umgebaut und wird, nach Abriss des Sockels, ebenfalls keine DDR-Assoziationen wecken außer, man möchte diese sehen und kennt explizit die Geschichte des Hauses. Auch hier: Es könnte überall stehen, aber das ist doch kein Kriterium zu behaupten, es sieht noch aus wie in der DDR oder der Mauerfall wäre gerade erst passiert. Die Behrensbauten stammen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und dominieren städtebaulich genauso den Platz wie der von Kollhoff komplett umgebaute Kaufhof - Spuren der DDR? Komplett Fehlanzeige. Eher der teilweise geglückte, teilweise gescheiterte Bezug an die Berliner Vorkriegsarchitektur der späten 1920er und frühen 30er Jahre. Das Haus der Elektroindustrie wird in den nächsten Jahren fast sicher verschwinden. Bliebe noch das Haus des Berliner Verlags, welches für mich aber genauso in die Kategorie des späten International Styles fällt wie HdL + HdR. Saturnneubau + Straßenbahn haben das Gesicht des Platzes seit 2000 zusätzlich verändert.


    Jetzt kommen drei Hochhäuser, die direkt am Platz stehen werden bzw. von diesem zu sehen sind plus die Umgestaltung der nördlichen Sockelbebauung.

    Der Brunnen der Völkerfreundschaft wird das letzte (!) sichtbare und im Originalzustand befindliche Gebäude der DDR sein, ergänzt durch das stark veränderte Park-Inn-Hotel und natürlich dem Fernsehturm, der in seiner Einzigartigkeit und Monumentalität seit Jahrzehnten für das vereinte Berlin steht und nicht als Symbol des Sozialismus.

    Welche Scheindiskussion führen wir denn also eigentlich? Rekonstruktion der Berolina-Statue? Gerne. Machbar und erweitert die Geschichte um einen interessanten Aspekt: Den Alex gab es auch vor der Grundsteinlegung der Behrensbauten. Die DDR sieht doch nur noch die Person, die sie dort wirklich sehen möchte.

  • ^ Ach ja? Ist dann die Siegessäule auch nicht unantastbar? Ich meine, wir könnten doch diskutieren, ob die Siegessäule nicht vor dem Reichstag zurück zu versetzen sei und dafür der Fernsehturm an den großen Stern...


    Herrjeh, was für eine Phantomdiskussion.

  • ^ In der Tat. Außerhalb dieses Strangs in diesem Forum redet niemand darüber, den Brunnen zu versetzen. Ich kam vorhin vorbei, auf dem Brunnenrand saßen Dutzende Leute jeden Alters, aßen Eis, planschten mit den Fingern im Wasser und erfreuten sich des Sommers. Das Ensemble aus Kaufhaus, Behrensbauten, Brunnen und Weltzeituhr ist der Teil des Alex', der funktioniert. Es wäre völlig meschugge, das anzutasten, während die andere Hälfte des Platzes noch über 10, 15 Jahre Entwicklungsgebiet bleiben wird.

  • Rein abstrakt betrachtet habe ich die Debatte hier mit großem Interesse verfolgt und so viele betrachtenswerte Gedanken und Argumente mitnehmen können. Dafür zunächst einmal vielen Dank.


    Ich schließe mich jedoch an, dass wir hier eine Luxusdebatte par excellence haben. Zwar werden wir in den kommenden Jahren investieren und 'Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen' einleiten müssen. Aber zugleich gibt es unendlich viele lohnenswerte(re) Investitionsobjekte, sodass solch eine Brunnenrochade mE keine Priorität besitzen darf. Ich persönlich würde überhaupt keinen Brunnen abtragen und dem 'Schloss' entweder einen Zwilling spendieren oder es erst einmal bei den geplanten Flächen belassen.

  • Wie verhältst Du Dich zu den von Dir aufgezählten Versetzungen? Findest Du sie bedauerlich, problematisch, fragwürdig, selbst dann, wenn sie jeweils begründet werden konnten, selbst wenn sie im Einzefall womöglich "akzeptiert" wurden?

    Es gibt da ein wirklich sehr interessantes Buch von Benedikt Goebel: Modernisierung und Zerstörung des Berliner Stadtkerns von 1850 bis zur Gegenwart. Wenn man sich vergegenwärtigt, was allein in diesen letzten 180 Jahren in der Berliner Altstadt vernichtet wurde, um Neuem Platz zu machen, kommt man ins Grübeln. Wie viele Feldsteinhütten stehen heute noch, wie viele Fachwerkhäuser oder Renaissancebauten? Welche Gebäude am Alexanderplatz stammen heute noch aus dem Jahr 1900? Und da rede ich jetzt nicht von den Zerstörungen des 2.WK. Damit möchte ich sagen, dass zu allen Zeiten Altes abgeräumt wurde, egal ob es baufällig war oder zu klein oder noch tadellos in Ordnung. Ja, ein stückweit sind Gebäude Manövriermasse, ob das nun allen gefällt oder nicht. Und zu den angesprochenen Versetzungsbeispielen: manche hätte ich gern wieder an ihrem alten Platz, manche können gern an neuer Stelle bleiben. Ich sehe das nicht wirklich dogmatisch.


    Zitat von ElleDeBe

    Diese Haltung, die sich vom "Gewachsenen" und Ererbten in keiner Weise einschränken lassen will, die sozusagen "volle Beinfreiheit" haben will ... nannte ich "geschichtslos", und eine solche Haltung erkannte ich auch in Deinem Vorschlag, einen Brunnen, der in seinem angestammten Ort "funktioniert", angenommen ist, eines der wenigen Bauten am Alexanderplatz, mit dem sich Menschen identifizieren können und den sie mit dem Platz identifizieren, wie ein Legostück aus seinem angestammten Ort zu entwurzeln und anderswo zu verpflanzen, um anderswo eine Lücke zu stopfen.

    Ehrlich gesagt, hat mich der Vorwurf der Geschichtslosigkeit ziemlich hart getroffen. Vielleicht sollte ich nochmals klarstellen, dass ich den Brunnen der Völkerfreundschaft nicht abreißen und zerstören will. Ich hatte mir lediglich Gedanken darüber gemacht, wie man einerseits den Alexanderplatz wieder näher an seine ursprüngliche Form heranführen könnte (durch den Neubau auf dem Tietzareal) und andererseits die Lücke füllt, falls eines Tages doch der Schlossbrunnen wieder auf den Schlossplatz zieht. Und da kam ich auf eben diesen Brunnen, der nun eben nicht mehr in seiner Ursprungsumgebung steht, nachdem die Fassade des Centrum-Warenhauses leider ersetzt wurde durch Allerwelts-Kaufhausarchitektur, nachdem der Sockelbau des Hotels Stadt Berlin (in meinen Augen ebenfalls zum Schlechteren) umgestaltet wurde, nachdem dieser oberhässliche Saturnklotz vom Himmel fiel und alsbald mehrere Hochhäuser den Alex umrahmen werden. Da hielte ich es für eine durchaus lohnenswerte Überlegung, diesen Brunnen besser in ein Ensemble zu setzen, dass noch am ehesten nach DDR aussieht. Und das ist nun mal das Rathausforum. Der Fernsehturm, seine Fußbebauung mit den markanten Spitzen, die Wasserspiele und eckigen Grünflächen schienen mir ein trautes Heim für diesen wunderschönen Brunnen. Und irgendetwas mit Zeitbezug sollte schon an diese Stelle am Schnittpunkt aus Fernsehturm- und Rathausturmachse, finde ich.

  • Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich ausgesprochen gerne eine Erinnerung an die Weltfestspiele der Jugend 1973 auf dem Alex und speziell an diesen Brunnen dort gehabt hätte. Etwas wie ein Phantomschmerz, den zu erkennen mir aber auch erst die Erfahrung und Zeit hier im Architekturforum, ermöglicht hat.

    Im Gegensatz zu dir bin ich in der DDR aufgewachsen, und zwar in ihrer Hauptstadt. Ich kenne den Alex noch sehr gut aus diesen Tagen und ich muss konstatieren, dass mich der heutige Anblick des Brunnens in keinster Weise mehr an diese Zeit erinnert. Dafür hat sich sein Umfeld zu radikal verändert.

    Und entschuldige, aber ich empfinde es als ausgesprochen unangenehm, wie du als Nicht-DDRler hier von Phantomschmerz und Anschlägen auf dein Vorwendeleben schreibst.

    Einmal editiert, zuletzt von Wolke Eins () aus folgendem Grund: Zitat wurde (wohl vom Admin) an falscher Stelle gekürzt.

  • Haus des Reisens und Haus des Lehrers verschwinden hinter dem Saturn und dem Hines-Hochhaus und sind typische Vertreter einer städtebaulichen Moderne, die so auch in Japan, Rio oder Kapstadt stehen könnten.

    Ja, aber die Berliner deuten diese Gebäude eindeutig als DDR-Bauten und zuordnen sie auch so zu. Sie sind also durchaus auch bei "normalen" Leuten bekannt, nicht nur bei Architekturfans und Historikern. Und was heißt "verschwinden hinter dem Saturn"? Wie eng möchtest du den Alex denn fassen? Ich meine schon, dass diese Gebäude im Blick sind, wenn man sich im/am Rand des nördlichen Teil des Platzes bewegt.

    Die Mosaike dominieren doch keinesfalls den Stadtraum wie propagiert und SED-Fahnen wehen dort schon lange nicht.[..]

    Mosaike dominieren den Stadtraum?! Weder noch habe ich behauptet. Ich hab auch nicht davon gesprochen, dass die DDR den Platz optisch unterwerfen würde, sondern das die DDR zahlenmäßig die mit Abstand meisten Gebäude aus vergangenen Epochen am Alex versammelt hat und das andere zeitgeschichtliche Epochen kaum noch, bis gar nicht mehr als Abdruck am Alex erlebbar sind (wie z.B. das berühmte Tiez, wie z.B die Berolina-Statue ect.). Die Dominanz besteht nicht darin, dass man mit seinen Augen überall den piefigen DDR-Blümchentapetencharme ausmachen kann, sondern in dem Ungleichgewicht des historischen Fußabdrucks, der hier zum Ausdruck kommt. Das Park-Inn habe ich auch gar nicht erwähnt in meiner Aufzählung, weil es mich am wenigsten stört, da es relativ zeitlos ist, aber im Prinzip stammt es auch aus dieser Epoche und ist damit zur DDR zu zählen.

    Die Behrensbauten stammen aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und dominieren städtebaulich genauso den Platz wie der von Kollhoff komplett umgebaute Kaufhof - Spuren der DDR? Komplett Fehlanzeige.

    Was ist das denn für eine Argumentation? Ich zähle 7 DDR-Bauten+Monumente am Alex auf (ohne Memi, Fernsehturm und ParkInn) und du nimmst die restlichen zwei Gebäude (mit dem Saturn&Alexa 4), um den Beweis zu führen, dass an diesen beiden keine DDR-Spuren zu finden sind. :hmmm: Da steht es dann aber immer noch 7:4, bzw. 7:1 (Behrens/20er) und 7:3 (Saturn+Kaufhof+Alexa/2000er). Gehen wir davon aus, dass in diesem Jahrzehnt alle HH am Alex realisiert werden, dann wird man noch 8 Gebäude der 2020er Jahre addieren können. Damit stünde es dann 7-1(TLG kommt ja weg) = 6 DDR : 12 Rest. Somit würden DDR-Bauten auch nach Vollendung aller HH die Hälfte der historischen Substanz des Alex ausmachen. Die goldenen 20er, die mit Abstand beste Zeit die Berlin jemals hatte, ist nur noch mit einem Haus, dem Berolina vertreten (das darüber hinaus noch nicht mal exemplarisch für seine Zeit steht, weil es damals überaus modern war). Alles vor den 20ern kommt nicht mehr vor, dafür muss ich ca. 800m weit bis zum Schloss laufen, bzw. weiter zur Museumsinsel. *Alles mit Bezug auf den Alex nördlich des Bahnhofs inklusive Blick auf die jew. gegenüberliegende Straßenseite.

    Welche Scheindiskussion führen wir denn also eigentlich? Rekonstruktion der Berolina-Statue? Gerne. Machbar und erweitert die Geschichte um einen interessanten Aspekt: Den Alex gab es auch vor der Grundsteinlegung der Behrensbauten. Die DDR sieht doch nur noch die Person, die sie dort wirklich sehen möcht

    Darum gehts doch. Das die Geschichte des Alex in Ihrer Gänze erfahrbar wird und nicht blos die DDR ihren Abdruck behält. In diesem Sinne ist es auch keine Scheindiskussion, sondern ein konkretes Anliegen, obschon eine Rückkehr der Statue oder des Tiez gegenwärtig überaus unwahrscheinlich ist. Lassen wir die Hochhäuser erstmal stehen und dann sehen wir weiter.