Berlin und die Corona-Pandemie

  • Vor allem sollte man nicht gleich alle verurteilen, die mit den jetzigen oder kommenden Maßnahmen nicht einverstanden sind oder sogar gegen diese verstoßen. Seine eigene Meinung und den eigenen Wissensstand gegenüber alle anderen als allgemeingültig und einzig richtig zu sehen, ist u. a. anmaßend. Zumal es selbst unter Experten unterschiedliche Meinungen gibt.

    Ich denke es ist noch ein grosser Unterschied ob es Probleme mit der Umsetzung von Massnahmen gibt ( in Berlin ist es ja sogar bezirkstechnisch unterschiedlich geregelt ob noch ein Spielplatz aufgesucht werden kann oder nicht) und der unterschiedlichen Machbarkeit für verschiedene Gruppen und demonstrativer Ignoranz die es definitiv gibt!


    Auch die zunehmende Respektlosigkeit anderen Menschen gegenüber und Personen im Gesundheitswesen im speziellen ist ein großes Problem.


    Ganz abgesehen von der immer größer werdenden Ich - Bezogenheit. Jeder der im Gesundheitswesen tätig ist kann da Liederbücher drüber singen!


    Selbst wenn eine Ausgangssperre kommen sollte wird die hier vermutlich relativ lückenhaft kontrolliert werden - im Gegensatz zu anderen (demokratisch!) regierten Ländern wo man Personen die sich nicht an ihre Quarantäne halten per Handy ortet und aus einem Zug entfernt....

  • Backstein Das kann ich leider nur bedingt nachvollziehen. Wir haben auch mehrere Kinder und hoffen daher sehr, dass mindestens Spaziergänge erlaubt bleiben. Trotzdem bin ich in Berlin auch so schon immer weniger Anhänger des (mE übertriebenen) laissez faire gewesen. Diese 'Toleranz' geht mE viel zu oft von Seiten der 'Starken' bzw. Rücksichtslosen zu Lasten der 'Schwachen'/ Duldsamen/ Wehrlosen. Was hier gerne als lässig, weltstädtisch usw. verkauft wird, ist mE mindestens teilweise Verrohung und Verwahrlosung. Man muss sich nur mal manche U-Bahnhöfe, Spielplätze und Grünflächen anschauen.


    In diesem Fall gab es nun nachweislich(!) eine starke Welle durch Clubbesucher und da war mE schon ausreichend gewarnt worden (schon allein durch die Entwicklung in Italien - dort werden die Toten inzwischen in Militär-LKWs weggekarrt). Auch die wirksamen Maßnahmen waren durch unterschiedliche Länder bereits bekannt. Ich finde es daher nicht wirklich anmaßend, asoziales Verhalten auch als solches zu bezeichnen und entschlossen zu bekämpfen. Andere Länder schütteln nicht unberechtigt den Kopf über die disziplinlosen Menschen hier. Freiheit bedeutet auch Verantwortung und wer das partout nicht begreifen will, muss zumindest in solchen Extremszenarien auch mal eine deutliche Einschränkung seiner falsch interpretierten individuellen Freiheit durch ungewohnt konsequente Staatsorgane hinnehmen. Ebenso bin ich inzwischen dafür, dass Geschäfte bestimmte Artikel nur noch in festgelegten Mengen verkaufen und speziell ältere Menschen ggf. Vorzugszeiten zum Einkaufen erhalten. Das Recht des Stärkeren/ Rüpelhafteren gehört spätestens in solchen Lagen abgemildert. Ich erlebe momentan viel Inspirierendes, was mich stolz macht aber auch unfassbar ignorantes, asoziales Verhalten. In jedem Menschen kommen jetzt andere Seiten zum Vorschein.

  • Nur mal zur Klarstellung. Mir ging es jetzt nicht darum, Verstöße gegen die Auflagen generell gutzuheißen oder zu tolerieren (vielleicht habe ich mich da etwas missverständlich ausgedrückt), sondern nicht sofort jeden und alles moralisch anzuprangern, der oder die sich nicht umgehend konsequent dran hält. Manche brauchen da aus unterschiedlichen Gründen etwas länger, bis sie es mitgekriegt haben oder ernst nehmen. Ich glaube, das pendelt sich schon schnell ein, ich hatte heute schon den Eindruck, dass draußen deutlich weniger Gruppen zu sehen waren als gestern.


    Ich möchte auch keinesfalls das leider tatsächlich immer üblere egoistische und rücksichtslose Verhalten vieler Mitmenschen relativieren oder verteidigen. Wie es neben den von dir (jan85) genannten Dingen leider auch immer mehr Autofahrer sind. Die immer größeren Kisten parken inzwischen gewohnheitsmäßig alle Kreuzungen zu oder stehen gleich reihenweise auf den Gehwegen, ist bei mir im Viertel jeden Abend so. Wird ja auch geduldet. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.


    Zurück zu Corona und einer möglichen Ausgangssperre. Es ist m. E. falsch und unsinnig, am Ende auch disziplinierte Spaziergänge / Joggingrunden einzelner oder Paare/Familien zu verbieten, wo definitiv keine Ansteckunggefahr besteht. Es sollten meinetwegen alle Gruppen(aktivitäten) ab 4 oder 5 Personen untersagt werden. Ein bisschen Augenmaß halte ich weiterhin für wichtig, auch um mehr Akzeptanz zu bekommen.

  • Zitat von Backstein

    sondern nicht sofort jeden und alles moralisch anzuprangern, der oder die sich nicht umgehend konsequent dran hält. Manche brauchen da aus unterschiedlichen Gründen etwas länger, bis sie es mitgekriegt haben oder ernst nehmen.

    Bei Menschen, die den Ernst der Lage - insbesondere bei einem Blick nach Italien - immer noch nicht verstanden haben, ist moralisch nur noch wenig anzuprangern. Manche Krankenhäuser bereiten sich in Bayern intern darauf vor, "demnächst" selbst ältere, kranke Patienten abweisen zu müssen.

    Für Personen, die sich im Falle einer Ausgangssperre also damit herausreden, ihnen sei der Ernst der Lage noch nicht bewusst gewesen, habe ich kein Verständnis.

    Es nicht mitbekommen zu haben, trifft dann eher die älteren Semester und da würde ich auch ein Nachsehen haben, i.d.R. lesen diese aber Zeitung, hören Radio oder bleiben aufgrund der Ansteckungsgefahr ohnehin lieber zu Hause. Alle anderen können sich in unserer digitalen Zeit kaum noch damit herausreden, nichts von einer Ausgangssperre, sollte sie angeordnet werden, gewusst zu haben. "Es ist ernst, nehmen Sie es auch ernst", diese Worte kann man gar nicht oft genug wiederholen.


    Zitat von Backstein

    Es ist m. E. falsch und unsinnig, am Ende auch disziplinierte Spaziergänge / Joggingrunden einzelner oder Paare/Familien zu verbieten, wo definitiv keine Ansteckunggefahr besteht.

    Eine hundertprozentige Sicherheit niemanden auf der Straße anzustecken, gibt es leider nicht. Daher finde ich es immer gut, wenn Leute in der Nachbarschaft nachfragen, ob sie nicht für jemanden einkaufen gehen sollen, und so z.B. einen Spaziergang mit Nützlichem verbinden :)

  • ^ Ja, es ist gruselig. Ein wenig Hoffnung gibt die (noch) geringe Sterblichkeitsrate in Deutschland. Bei gut 13.000 Infizierten und 34 Toten liegt sie derzeit bei ca. 0,26 Prozent. Das heißt noch nicht viel, weil es die meisten Infizierten ja noch nicht hinter sich haben, aber es sind dennoch wesentlich bessere Werte als z.B. in Italien.


    Architektenkind

    Bei den Zahlen muss man berücksichtigen, dass zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Versterben ca. 20 Tage vergehen. Es gibt dazu eine Studie basierend auf Daten aus China, habe leider die Quelle nicht mehr zur Hand. Man muss also die aktuellen Sterbefälle ins Verhältnis zur Zahl der Infektionsfälle vor drei Wochen setzen.


    Ich gehe davon aus, dass man in Deutschland den Beginn der Infektionswelle ziemlich exakt erfasst hat. Den Webasto-Fall außen vor gelassen ging es bei uns am 26.02. los. Seit wenigen Tagen steigt auch bei uns die Zahl der Sterbefälle rasant. Die Aussichten sind also wirklich erschreckend. Die Regierungen weltweit reagieren nicht ohne Grund so, wie sie es tun.


    Die Ausgangssperre muss und wird bundesweit kommen. Sie soll aber nicht Bürger drangsalieren, die mal eben frische Luft schnappen wollen. Es geht nur darum der Polizei ein Instrument gegen diejenigen Personen an die Hand zu geben, die sich z.B. im Park in Gruppen treffen um zu "feiern", zu grillen usw. Es geht nicht anders. In China hat die Regierung extrem hart durchgegriffen, dort beginnt sich das Leben langsam wieder zu normalisieren.


    Bleibt gesund und sicher.



    https://www.worldometers.info/coronavirus/country/germany/

  • Die Einordnung der Covid-19 Virus Ausbreitung ist nicht leicht. Aber ein paar Zahlen können manchmal helfen sich zu orientieren und vielleicht auch das Angstlevel wieder zu senken. Eine Nachbarin von mir, eine ältere Frau über 70 und Teil der Risikogruppe ist gestern auf dem Bürgersteig vor ihrem Haus in Tränen ausgebrochen und empfindet die ständig präsente Berichterstattung mit den einhergehenden Schreckenszenarien mehr als zermürbend.


    Deshalb ist es vielleicht angemessen zu betonen, dass vor allem Menschen mit Vorerkrankungen oder einer Schwäche im Immunsystem gefährdet sind.


    In Italien ist das Durchschnittsalter der Verstorbenen, bei denen der von Drosten entwickelte Test positiv geantwortet hat, 79,5 Jahre. Die allermeisten der Verstorbenen hatten mehrere Vorerkrankungen gleichzeitig, wie Bluthochdruck, Diabetes und Verengungen der Herzkranzgefäße. Knapp die Hälfte der Verstorbenen hatte mind. drei Vorerkarnkungen, über ein Viertel der Verstorbenen litt an zwei Vorerkrankungen. (Q)


    Auch ist nicht jeder an, sondern ein großer Teil mit einem postiven Covid-Testergebnis an einer der Grunderkrankungen gestorben. Dies ist wichtig, wenn man die Statistik liest einzubeziehen.


    Man kann also sehen für wen, dass das Covid-19 Virus wirklich gefährlich ist. Hohes Alter allein ohne Vorerkrankungen gehört nicht unbedingt dazu.


    Ergänzend: Weltweit sind es mittlerweile über 10.000 Menschen, die mit und am Covid-19 Virus gestorben sind. Einer in Berlin, 95 Jahre mit schweren Grunderkrankungen.


    Bei einer Grippewelle sterben in Deutschland (nicht weltweit) 20.000 Menschen.


    Die Zahlen können helfen, wie ich finde, ein bisschen zu entspannen. Angst ist meistens kein guter Ratgeber. Und ohne Angst ist es leichter in liebevoller Mitmeschlichkeit zu bleiben.


    Über andere Menschen die moralische Keule zu schwingen hingegen ist es meiner Meinung nach nicht. Jemanden respektvoll gegenüber zu sein und gleichzeitig auf die Bedrüfnisse der Covid-19 Ausbreitung hinzuweisen ist sicher auch mit einer liebevollen Haltung möglich. Menschliche Wärme ist außerem gut für die unspezifische Immunabwehr.


    Habe die Ehre.

  • In der aktuellen Online-Ausgabe der ZEIT wird Markus Söder wegen seiner Entschlossenheit und Kommunikation gewürdigt. Als Gegenbeispiel, wie man es nicht machen soll, dient Michael Müller. Die Kontrastierung mag hier und da etwas überzeichnet sein, aber sie fasst gut zusammen, was einen Politiker in Krisenzeiten auszeichnet – und sie lässt wenig Zweifel daran, dass Michael Müller nicht über die Fähigkeiten und Eigenschaften verfügt, auf die es gerade jetzt ankommt.

  • Über andere Menschen die moralische Keule zu schwingen hingegen ist es meiner Meinung nach nicht. Jemanden respektvoll gegenüber zu sein und gleichzeitig auf die Bedrüfnisse der Covid-19 Ausbreitung hinzuweisen ist sicher auch mit einer liebevollen Haltung möglich. Menschliche Wärme ist außerem gut für die unspezifische Immunabwehr.


    Moralische Werte sind und bleiben mE wichtig, aktuell noch mehr als sonst. Natürlich gilt das zunächst und primär für einen selbst. Man muss mE aber auch nicht alles tolerieren, egal wie rücksichtslos und potentiell gefährlich es ist.


    Deine Darstellung der Lage ist mE auch nicht völlig korrekt. Die Analyse zu dem hohen Anteil Toter mit Vorerkrankungen (laut einer anderen Quelle übrigens überwiegend eine und nur teilweise mehrere, mitunter keine oder 'nur' Bluthochdruck/ Diabetes etc.) stammen mW vorwiegend aus Italien, wo u.a. anders gezählt wird und wo dazu besonders viele gefährdete Menschen im engen Umfeld von symptomfreien Menschen leben. Die erwischt es dann natürlich früher und sofort in statistisch auffälligem Maße. Es gibt anderswo (z.B. USA) parallel auch Hinweise, dass selbst junge Menschen kritisch erkranken und sterben können, womöglich wenn sie genügend Erreger tief einatmen und sich vor dessen massenhafter Verbreitung innerhalb der der Lunge keine frühzeitige Immunreaktion bilden konnte. Auch bezweifle ich, dass etwa im Iran - ohne frühzeitige Maßnahmen - allein extrem gebrechliche Menschen mit multiplen Vorerkrankungen verenden (dort gibt es inzwischen inoffiziellen Schätzungen zufolge ähnlich viele oder mehr Tote als in Italien).


    Man sollte mE generell aktuell weder die Zahlen noch die Zusammensetzung der Verstorbenen als repräsentativ bewerten und zu kollektiver Gelassenheit blasen. Der Effekt schiebt sich weit, weit nach hinten (Drosten: Naturkatastrophe in Zeitlupe) und wenn er sich voll zeigt, ist es im Zweifel längst zu spät für Einsicht und Maßnahmen. Man kann auch nicht oft genug betonen, was das alles für Belastungen und Überlastungen für das Gesundheitssystem bringen kann (so klein kann die gefährdete Gruppe gar nicht sein, wenn RKI, Charité und Politik dermaßen alarmiert sind - da wird normal eher vieles runter gespielt) und dieses könnten wir alle noch brauchen in den nächsten Monaten. Niemand ist immun gegen spontane Notfälle.

  • Ergänzend: Weltweit sind es mittlerweile über 10.000 Menschen, die mit und am Covid-19 Virus gestorben sind. Einer in Berlin, 95 Jahre mit schweren Grunderkrankungen.


    Bei einer Grippewelle sterben in Deutschland (nicht weltweit) 20.000 Menschen.


    Äpfel und Birnen.


    Vollständig fehlende Grundimmunität in der Gesamtpopulation (neuartiger Erreger), eine teilweise extrem lange Inkubationszeit bei gleichzeitig deutlich höherem Ansteckungsrisiko (höhere Virenproduktion im Rachen bspw.) und damit eine raschere Verbreitung sowie eine höhere Sterblichkeit machen diesen Erreger eben NICHT mit der Grippe vergleichbar. Ein einfacher Blick auf die Belegungssituation in norditalienischen Hospitälern vor einem Jahr und auf die Situation heute sollte hier helfen, die Relationen zu erkennen.


    Dies muss jetzt langsam aber sicher in den Köpfen der Menschen ankommen. Auch in Berlin.

  • Ergänzend: Weltweit sind es mittlerweile über 10.000 Menschen, die mit und am Covid-19 Virus gestorben sind. Einer in Berlin, 95 Jahre mit schweren Grunderkrankungen.


    Bei einer Grippewelle sterben in Deutschland (nicht weltweit) 20.000 Menschen.

    Und würde man SARS-Cov-2 einfach weiterlaufen lassen, wie man es bei Influenza-Viren ja tut, kannst du bei den 20.000 nochmal ein bis zwei Nullen dranhängen. Und genau das ist der Unterschied. Aber ich denke mittlerweile sollte es auch dem letzten klar geworden sein, dass dieser Virus durch die Kombination von leichter Übertragung und einer hohen Rate von schweren Krankheitsverläufen eben deutlich gefährlicher als saisonale Influenza-Viren ist.

  • Bei der Betrachtung gilt es auch immer Gegenstimmen zu berücksichtigen, wenn diese fundiert sind. Ausgelöst durch diesen Artikel https://www.achgut.com/artikel…ie_klippe_hinunterspringt habe ich ein paar Punkte notiert.

    Ohne mir diese Argumentation zu eigen zu machen, denn dazu fehlt mir das Wissen, möchte ich sie dennoch zur Diskussion stellen:


    a) Es sterben ca. 2500 Menschen täglich in Deutschland.

    b) Menschen sterben in den wenigsten Fällen "eines natürlichen Todes". Wir mögen diese Beschreibung, weil sie so schön seelig klingt, so nach "er/sie ist friedlich eingeschlafen". In Wahrheit sind es aber in fast allen Fällen Erkrankungen, die uns im Alter (und in Altenheimen) töten und nicht blos die innere Lebensuhr und zu diesen Erkrankungen gehören Viren, bzw. sind Viren generell geneigt, sich dort zu versammeln, wo ein schwaches Immunsystem vorherrscht. So wird man in vielen im Altenheim Verstorbenen multiple Virenstämme nachweisen können. Wenn jemand durch Vorerkrankungen immungeschwächt war und in seiner Leiche sowohl Influenza, als auch diverse Corona-Stämme nachzuweisen sind, wie und mit welcher Sicherheit will man sagen, dass es nun speziell Virus xy war, der für den Tod die Hauptverantwortung trägt?

    c) Die neue Situation wird damit begründet, dass n-cov19 deutlich gefährlicher wäre, als bekannte Grippeviren und deutlich ansteckender, aber wissen wir das und wenn ja, mit welcher statistischen Evidenz können wir das sagen? Wenn die Bandbreite der Schätzungen von 0,05-1% Todesrate reicht, wie will man diese drakonischen Maßnahmen rechtfertigen und um welchen Preis?

  • Mitte Februar wurden die Fallzahlen in China von 40.000 auf 80.000 Fälle hochgesetzt. Ab diesem Zeitpunkt müsste jedem Politiker / jedem Entscheidungsträger in Deutschland klar gewesen sein, dass diese Lawine auch auf uns zuläuft. Ab Mitte Februar hatte ich persönlich eine Corona-Angst, die ich täglich mit mir herum getragen habe. Ich habe im Fernsehen die Übertragungen zum Karneval gesehen. Ich habe die Leute gesehen, wie sie in Karnevals-Veranstaltungen sitzen ... und ich dachte mir die ganze Zeit .... was ist mit dem Corona-Virus? Warum hat man die Veranstaltungen zum Karneval in der letzten Woche vor Aschermittwoch nicht untersagt? Niemand kann behaupten, dass er/sie Mitte Februar noch nichts von Corona gewußt hatte. Und da wurde noch fröhlich Fasching gefeiert. Warum?!?


    Was ich nicht verstehe:

    Die Chinesen hatten keine Vorlaufzeit, weil es sie zuerst getroffen hat. Im Gegensatz zu China hatten wir Deutschen eine Vorlaufzeit von etwa zwei Monaten. Warum haben wir diese Zeit einfach ablaufen lassen?

  • ^


    Eine Gefahr, die 9.000 km entfernt lauert, beunruhigt abgesehen von Experten und wenigen Bürgern, kaum jemanden ("Die Chinesen mit ihrer Hygiene brauchen sich nicht wundern" etc. habe ich zu Beginn des Ausbruchs oft in meinem Bekanntenkreis gehört).

    Wie wir aktuell sehen, war die Hoffnung unserer abgesehen von wirtschaftlichen Verwerfungen weitgehend krisenfreien Gesellschaft, vom Ausbruch des neuartigen Erregers verschont zu bleiben, kindlich und naiv. Ich möchte da aber niemandem in den verantwortlichen Positionen einen Vorwurf machen - wer vor ein paar Wochen von Ausgangssperren gesprochen hätte, wäre vermutlich für verrückt erklärt worden.

    Die Situation ist jetzt wie sie ist - beschissen - umso mehr zählt es, sich an die neuen Regeln zu halten und für die Zukunft zu lernen, dass ein Virus nicht vor der Zollkontrolle am Flughafen halt macht und es dadurch in kurzer Zeit auch das reichste und fortschrittlichste Land am anderen Ende des Globus treffen kann. Ich bin mir sicher, dass unser Gesundheitssystem in Zukunft noch besser vorbereitet sein und die Politik zügiger und entschlossener handeln wird, ein konsequentes Absagen von Großveranstaltungen eingeschlossen. Denn mit Sicherheit wird Covid-19 nicht das letzte unbekannte Virus sein, das auf die Menschheit überspringt.

  • Ich möchte da aber niemandem in den verantwortlichen Positionen einen Vorwurf machen - wer vor ein paar Wochen von Ausgangssperren gesprochen hätte, wäre vermutlich für verrückt erklärt worden.

    Ich bin nicht intelligenter als andere Menschen. Und dennoch wußte ich genau, dasss es so kommen wird.


    Vorschlag:

    Aus meiner Sicht wäre so etwas wie ein staatlich verkündetes Moratorium sinnvoll. Moratorium heißt, daß Frau Merkel vor die Kameras tritt und erklärt, daß vom heutigen Tag an - per Definition - kein Arbeitsplatz verloren geht, bis dieses Moratorium wieder aufgehoben. Die wirtschaftliche Aktivität ab dem heutigen Tage findet in keiner Bilanz ihren Niederschlag. Der erste Tag des Moratoriums ist der Tag, an dem jede buchhalterische Bilanz eingefroren wird. Jede Bilanz, jede Einnahmen-Überschuss-Rechnung wird eingefroren, bis die Seuche vorbei ist un ein solches Moratorium wieder aufgehoben wird. Konkret würde das bedeuten: Jeder bleibt auf seinem Sofa sitzen. Keiner geht arbeiten (mit Ausnahme der Lebensmittelproduktion und anderer lebenswichtiger Güter). Weil niemand arbeiten geht, werden auch die Löhne ausgesetzt. Kein Arbeitgeber muss Löhne auszahlen an seine Arbeitnehmer. Als Ausgleich zahlt der Staat jedem Bürger einen Tagessatz (z.B. 50 Euro pro Tag ), mir dem er/sie die lebenswichtigen Güter einkaufen kann.


    Von einem solchen Moratorium rede ich in meinem Bekanntenkreis bereits seit zwei Wochen. Und jeder schüttelt den Kopf. Jeder entgegnet mir, man können solche Maßnahmen nicht durchführen, weil ein solcher Eingriff in die Freiheitsrechte zu weitreichend wäre. Solche Eingriffe gäbe es doch nur zu Kriegszeiten ........ nein, einen Krieg haben wir nicht. Aber eine Seuche! Und das haben einige noch nicht begriffen.

  • Die Chinesen hatten keine Vorlaufzeit, weil es sie zuerst getroffen hat. Im Gegensatz zu China hatten wir Deutschen eine Vorlaufzeit von etwa zwei Monaten. Warum haben wir diese Zeit einfach ablaufen lassen?

    Hinterher ist man immer schlauer. Und die Erfahrung aus den letzten Jahrzehnten war halt stets, dass es nicht so schlimm kommt, wie zunächst befürchtet. Ich erinnere an die SARS-Epidemie von 2002 oder die Schweinegrippe von 2010. Hat auch fast 20.000 Tote gefordert, aber nicht in Deutschland – hier wurden die Behörden hinterher heftig kritisert, weil sie Impfstoffe für Hunderte von Millionen Euro gekauft hatten, die auf dem Müll landeten, weil sie keiner brauchte.


    Diesmal ist es anders gekommen, aber war das unbedingt absehbar? Bis zu dem Massenausbruch in Italien war Europa weitgehend verschont, und die WHO hat Corona erst vor anderthalb Wochen zur Pandemie erklärt. Noch vor zwei Wochen bin ich jeden Tag im vollbesetzten RE1 zur Arbeit gefahren und habe mich dabei höchstens ein bisschen mulmig gefühlt. Inzwischen völlig undenkbar.


    Vor einem Monat wären Einschränkungen wie jetzt in Deutschland nicht durchsetzbar gewesen – die Sache wird tausenden kleineren Betrieben die Existenz kosten und mit Sicherheit zu einer Rezession führen, die sich gewaschen hat. Man nehme nur mal die Einnahmeausfälle, die sich für Gastronomie und Hotelerie allein in Berlin ergeben. Das kriegst Du nicht durch, nur weil irgendwo in einer Kleinstadt fünf Leute mit Husten in Quaränte geschickt werden. Da muss (leider) mehr passieren.


    Eine demokratische Massengesellschaft lässt sich nicht einfach aus heiterem Himmel anhalten oder wenden, da sind politische, ökonomische und soziale Trägheitskräfte am Werk. Normalerweise ist es ein Riesenvorteil, dass unser Staat den Bürgern nicht befehlen kann, was sie zu tun oder zu lassen haben. Jetzt hat uns das in eine gefährliche Lage gebracht. Wenn Du so willst: Der Preis der Freiheit.

  • Ich erinnere an die SARS-Epidemie von 2002 oder die Schweinegrippe von 2010. Hat auch fast 20.000 Tote gefordert, aber nicht in Deutschland ...

    Diesmal ist es anders gekommen, aber war das unbedingt absehbar?

    Ja, es war absehbar!


    Offenbar glauben wir Deutschen, dass die Menschen in Wuhan alle dumm sind!


    Eine demokratische Massengesellschaft lässt sich nicht einfach aus heiterem Himmel anhalten oder wenden, ....

    ... und deswegen haben wir jetzt eine Seuche. Wie schön!


    In einer demokratischen Gesellschaft sollte es das höchste Gut sein, Menschenleben zu schützen. Unsere träge, demokratischen Gesellschaft hat bisher den Virus geschützt, aber dummerweise nicht die Menschen.

  • Ich bin nicht intelligenter als andere Menschen. Und dennoch wußte ich genau, dasss es so kommen wird.

    Ja, bei der Schweinegrippe "wussten" das bestimmt auch eine Menge Leute. Kam aber anders. Und Berlinier sieht immer noch keine Problem – stellvertretend für Zigtausende, die bei Corona-Partys öffentlich ihre Verachtung demonstrieren.


    Dein Moratorium ist, mit Verlaub, ein Ding der Unmöglichkeit: Die Kanzlerin ist keine Wirtschaftsdiktatorin und eine kapitalistische Volkswirtschaft kann man nicht "aussetzen" wie den Handel an der Börse.

  • Dein Moratorium ist, mit Verlaub, ein Ding der Unmöglichkeit: Die Kanzlerin ist keine Wirtschaftsdiktatorin und eine kapitalistische Volkswirtschaft kann man nicht "aussetzen" wie den Handel an der Börse.


    Erkläre das bitte denjenigen Menschen, die sterben werden!


    Man kann wirtschaftliche Prozesse sehr wohl "aussetzen". Wirtschaft hat viel mit Psychologie zu tun. Ein Beispiel: Ein Geldschein ist ein theoretisches Zahlungsversprechen. Im Gegensatz zu Goldmünzen steht hinter dem Geldschein kein materieller Wert. Dass ein Geldschein überhaupt als Zahlungsmittel akzeptiert wird, hat mit Psychologie zu tun. Wirtschaft ist zu 99% Psychologie. .... ich dachte, wir wären in der Diskussion schon weiter. Das wir über solche Dingen überhaupt diskutieren müssen, wundert mich ja schon.


    Vor einem Monat wären Einschränkungen wie jetzt in Deutschland nicht durchsetzbar gewesen – die Sache wird tausenden kleineren Betrieben die Existenz kosten und mit Sicherheit zu einer Rezession führen, die sich gewaschen hat. Man nehme nur mal die Einnahmeausfälle, die sich für Gastronomie und Hotelerie allein in Berlin ergeben.

    Mein Gott, Architektenkind! Hier werden Menschen sterben. Und du redest von Einnahmeausfällen? Oder sind die gemeldeten Todesfälle nur Fake News? Es geht darum, Menschenleben zu schützen. Die von dir genannte Rezession geht mir gelinde gesagt am Ar... vorbei!

  • ^ Das ist keine Frage der Moral, es geht schlicht nicht, nicht einmal im Krieg. Genauso könntest Du fordern, das Geld als Zahlungsmittel abzuschaffen. Allenfalls wäre es möglich, Preise und Löhne gesetzlich festzulegen. Wem damit in der aktuellen Situation geholfen wäre, weiß ich nicht.


    Und bleib' bitte mal fair in der Argumentation: Weder habe ich die "Menschen in Wuhan" als "dumm" bezeichnet, noch ist es mir egal, dass Leute sterben, noch habe ich irgendeinen Einfluss auf die Komplexität der Gesellschaft. Ich habe oben nur versucht zu beschreiben, wie die jetzige Situation entstanden ist. Und jetzt versuche ich zu erklären, dass die Kanzlerin nicht verfügen kann, die Bilanzen der Unternehmen einzufrieren – selbst wenn sie es wollte.

  • ^ Das ist keine Frage der Moral, es geht schlicht nicht, ....

    Glaube mir! Es wird genau so kommen ... auch dieses Mal bin ich wieder zwei Monate schneller als alle Anderen.


    Warte mal zwei Monate ab! Und dann wird das Essen verteilt werden, indem ein Militärlaster von Haus zu Haus fährt.


    Und dann werden wieder alle behaupten, dass das nicht absehbar war.



    ^ ... nicht einmal im Krieg.

    Eine Seuche ist wie Krieg. Das haben nur einige noch nicht ganz begriffen. Wenn wir diese Seuche überleben, was ich für uns alle hoffe, wird das Leben nicht mehr das Gleiche sein wie zuvor.