Rekonstruktion Karstadt am Hermannplatz (in Planung)

  • Ich bin der Meinung, dass man die Differenzen nicht dramatisieren sollte. Der neue Senat ist erst wenige Tage im Amt, da versuchen noch alle Seiten ihre Spielräume auszutesten. Allerdings sind die Koalitionspartner aufeinander angewiesen. Wenn Herr Schulze mehr Mieterschutz durchsetzen will, dann braucht er Herrn Geisel, und wenn Herrn Geisel Beschlüsse durch das Abgeordnetenhaus bringen will, dann braucht er Herrn Schulze. Ich gehe also davon aus, dass sich alle Beteiligten, einschließlich Herrn Geisel und Herrn Schulze, an einen Tisch setzen werden und verhandeln werden. Und am Ende gibt es eine Lösung, mit der alle Seiten leben können. Da bin ich ganz optimistisch. So funktioniert Demokratie.

  • Mit Verlaub, diesen Optimismus teile ich nicht. Bezirksbürgermeisterin Herrmann (die neue, Clara, also) hat ihre ablehnende Haltung schon über Twitter Kund getan.

    Und Berlin war in der Stadtplanung oft exzellent darin, gerade durch allerlei diverse Kuhhandel, eine noch schlechtere Lösung unter den schon schlechten Lösungen zu schaffen. Die verkorkste Planung und Ausführung weiterer prominenter Plätze, wie am 'Alex', Hardenberg, oder dem 'Leipziger' sprechen Bände.

  • Es wird so dargestellt, als wäre da ein Investor aufgetaucht, der den armen, gebeutelten Kreuzbergern wie aus dem nichts ein riesiges "Gentrifizierungs-Ufo" vor die Füße setzten will. So als würde hier eine friedliche, beschauliche Kleinstadt mit einem riesigen Einkaufszentrum "erschlagen". Ich muss da immer an die Anfangsszene aus "Otto - der Außerfriesische" denken, als ein Investorenkonsortium auftaucht, um ihn aus seinem Leuchtturm zu vertreiben, damit sie auf seiner einsamen Düne in Ostfrießland eine riesige Neubausiedlung, -wenn ich mich richtig erinnere sogar mit Hochhäusern hochziehen können. ^.^


    Der Hermannplatz ist aber keine Düne mit Leuchtturm und keine friedliche, beschauliche Kleinstadt und das "Kommerz-Ufo" ist ein historisch gewachsener Teil des Hermannplatzes, der verloren ging und als klaffende Wunde notdürftig mit einem städtebaulich disfunktionalen Interimsbau "versiegelt" (Geisels neues Lieblingswort) wurde. Und die Nutzung, bzw. der Hauptmieter ist freaking Karstadt und nicht der Ceasars Palace in Las Vegas. Wer in den letzten Jahren mal eines betreten hat, kann doch eigtl. nur Mitleid mit den Mitarbeitern empfunden haben. Genauso, wie mit den Menschen, die die Tristesse am Hermannplatz tagtäglich ertragen. Hat der RBB eigtl. mal eine Straßenumfrage dort gemacht? Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele dort das Projekt goutieren, insbesondere unter den zugewanderten Berlinern aus dem muslimischen Raum, die mondäner bis opulenter Architektur meiner Erfahrung nach grundsätzlich weniger "bedenkelnd" entgegentreten. Das neu-alte Karstadt ist aber weder "Dubai" noch "Heidegger". Es ist opulent genug, um entzücken zu können und nahbar&nachhaltig genug, um diese Opulenz nicht auf Kosten anderer tragen zu müssen. Kein einziger Kaufhaus- oder "Mall-Bau" in den letzten Jahrzehnten kann unter diesen Gesichtspunkten mithalten. Ich kann mich nicht erinnern, dass um die Schloss-Mall in Steglitz so ein Wind gemacht wurde oder um das vergleichsweise furchtbare Boulevard Berlin oder den städtebaulich gar noch deutlich großformatigeren und überaus bemüht wirkenden Konsumtempel der Durchschnittlichkeit namens "Mall of Berlin". An diesen Orten wäre Kritik angebracht gewesen. Da wäre ich sogar teils (Boulevard Berlin) mit auf Seiten der Kritiker gewesen. Hier gehts einigen darum das politisch richtige Fähnchen in den Wind gehalten zu haben und zwar so, dass es auch alle Parteigenossen mitbekommen. Es geht nicht wirklich um den Hermannplatz.

  • Ich sehe im neuen Karstadt auch eine große Chance für das Konzept Kaufhaus / Mall allgemein. Über Jahrzehnte hinweg wurden Konsumhäuser rein funktionalistisch, mit maximierter Verkaufsfläche entworfen. Daraus entstanden demenstprechend die gähnend öden, lichtlosen und aufgrund niedriger Decken erdrückenden Verkaufsräume, die insbesondere im Hinblick auf die heutigen digitalen Alternativen ganz sicher niemanden mehr in den stationären Handel locken können.


    Der Karstadt könnte jedoch allein durch die beeindruckende Architektur Menschen anziehen und das Einkaufen zum Erlebnis machen, so wie es die frühen Kaufhäuser der Vorkriegszeit bereits getan haben. Die Ästhetik, bzw. Architektur eines Gebäudes könnte also wieder zum Erfolgskonzept für Investoren werden, was natürlich auf hochwertigere Architektur von zukünftigen Projekten hoffen lässt. Das gilt nicht nur für Kaufhäuser, sondern auch für jegliche andere Typologien wie Büros und Wohnungen, bei denen es Flächen zu vermarkten gibt.

  • Berlinier : sehr sehr schön formuliert! - ich selbst ärgere mich jedesmal über die Mall of Berlin weil sie sich zwar zum schönen Bundesrat öffnet aber nur mit einer toten unpassenden Fläche … hier am Hermannplatz wird nun schon seit Jahren hochsensibel auf die Befindlichkeiten eingegangen…. Ich bin dafür das jetzt endlich mal gebaut wird! Und ich schwöre das dieses Ding ein absoluter Hit wird… ab dem Tag der Eröffnung voll… die Dachterasse voller Menschen die Kultur und Sonne gratis genießen… und Inspiration und Anlaufpunkt für die Junge Generation - etwas worauf man stolz sein kann in seiner Nachbarschaft ✨Zusammen mit dem Kalle meine beiden liebsten Projekte in Neukölln!

  • in münchen, frankfurt am main und hamburg hätte man sich bestimmt sehr über eine rekonstruktion dieses traditionellen kaufhauses gefreut.


    in berlin gibt es on top bis zu 5000qm bezahlbaren wohnraum dazu!!! das wird in den ganzen diskussionen und tweets gerne vergessen. ausserdem noch 3600qm zur gemeinwohlorientierten nutzung!!! also all das, was immer und immer wieder (zurecht) gefordert wird!!! ebenfalls wird der trostlose hermannplatz neu gestaltet. und nebenbei bemerkt, für all das muss keine einzige wohnung weichen und kein baum gefällt werden! also eine win-win-situation für alle beteiligten!

    aber was passiert hier in berlin?? neben grosser zustimmung gibt es auch lautstarke kritik. überraschenderweise schreien die politiker_innen der beiden parteien, die sich eigentlich immer für günstigen wohnraum einsetzen, am lautesten.


    wer soll das verstehen ... ‽

  • Petra Kahlfeldt gibt in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage Auskunft über den Stand des Signa-Projektes:

    -Juni 2021: Signa stellt beim Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg einen Antrag auf einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan

    -der Senator für Stadtentwicklung und Wohnen (Sebastian Scheel) weist den Bezirk an, den Bebauungsplan zur "Wahrung dringender Gesamtinteressen Berlins" aufzustellen, der Bezirk verweigert die Aufstellung

    -Herbst 2021: der Senator für Stadtentwicklung und Wohnen (Sebastian Scheel) zieht das Bebauungsplanverfahren an sich

    -Januar 2022: der Senat beschließt sein "100-Tage-Programm", darin wird ein Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan innerhalb von 100 Tagen angekündigt

    -der weitere Fortgang des Bebauungsplanverfahrens erfolgt dann nach den im Baugesetzbuch festgelegten Verfahrensschritten

    -am Ende muss der Bebauungsplan vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden

    -gleichzeitig wird ein Masterplanverfahren zum Hermannplatz durchgeführt, die Grundlagenermittlung zu diesem Verfahren soll im Februar 2022 abgeschlossen werden

    -im März soll ein entsprechendes Dokument veröffentlicht werden

    Schließlich wird in der Antwort betont, dass mit dem Letter of Intend keinerlei rechtliche Verpflichtungen verbunden sind.

    https://pardok.parlament-berli…19/SchrAnfr/S19-10633.pdf

  • Heute ist ein Artikel im Tagesspiegel mit dem etwas kryptischen Titel: "Dänischer Architekt darf Karstadt-Parkhaus am Berliner Hermannplatz retten". Da der Artikel hinter der Bezahlschranke ist, kann man so nur eine Visualisierung und ein paar Zeilen Text lesen. Wer der dänische Architekt ist, der Signa von dieser Maßnahme "überzeugt" hat, konnte ich nicht herausfinden.


    Es soll demnach keinen Abriss des Parkhauses an der Urbanstraße mehr geben. Außerdem sollen Simulationen zeigen, dass auch Rolltreppenstufen als Fassadenelemente eingesetzt werden. Auf dem Bild im Tagesspiegel konnte ich das aber nicht erkennen.


    Vielleicht hat ja jemand das Plus-Abo und kann noch ein paar Angaben ergänzen.

  • Ich denke das Bild im Tagesspiegel ist der alte Entwurf der jetzt nicht gebaut wird … sondern das alte restauriert und mit modernen Elementen verknüpft?

  • Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg hat auf ihrer Kreisdelegiertenkonferenz am 24.3. einen Beschluss gefasst, in dem die Einstellung des Bebauungsplanverfahrens für das Signa-Projekt am Hermannplatz gefordert wird. Der Letter of Intent von 2020 wäre nach den jüngsten Kaufhausschließungen von Signa gebrochen worden und hätte deshalb keine Gültigkeit mehr.

    https://www.berliner-zeitung.d…kurfuerstendamm-li.332594

  • Als würde man damit Signa bestrafen. Damit bestraft sich Berlín nur selbst...

  • Ich denke nach den jüngsten Entwicklungen ist das Projekt eh gestorben. Signa wird die Immobilie verkaufen und irgendein Projektentwickler da nen Büroklotz hinstellen.

  • Verträge und Letter of intent sollten für alle Beteiligten gelten. Auch für SIGNA. Warum das bei denen nicht gelten soll, ist mir ein Rätsel.

  • ^es ist doch völlig utopisch für ein Geschäftsmodell das seit 20 Jahren schon veraltet ist zu erwarten, das die guten alten Zeiten schon wiederkommen.


    Vor dem Hintergrund von zwei heftigen Jahren mit COVID-19 war doch klar, das dies so nicht weitergehen kann.

  • Dann hätte Signa eben den lot auch nicht unterschreiben dürfen, wenn das alles schon seit 20 Jahren bekannt ist. Dann ist das bewusste Irreführung

  • Oh Mann was für eine Katastrophe. Der Karstadt am Hermannplatz wäre die einmalige Chance, eine Architekturikone im Art Deco Stil und somit eine neue Landmarke für Berlin wiederherzustellen. Es ist einfach ein Trauerspiel, wie die Politik ständig mit Händen und Füßen darum kämpft, jegliche Visionen auf internationalem Niveau aus der Stadt zu verjagen. Berlin hat so viel Potenzial aber wenn die Verantwortlichen immer wieder ambitionierte Architektur als böse Kapitalmonster abqualifizieren und historisch bedeutende Innenstadtflächen mit Sozialwohnungen a la DDR zupflastern, um ein Zeichen zu setzen (denn wirklich entlastend für den Markt wirken die eh nicht), möchte man einfach verzweifeln.


    Wie soll es sonst am Hermannplatz weitergehen? Ich kann mir vorstellen, dass Benko den Laden einfach dicht machen wird, wenn er seine Pläne nicht verwirklichen kann. Denn eine geringfügige Sanierung, bei der grob gesehen alles beim Alten bleibt, wird wohl kaum zukunftsträchtig sein. Damit würden am Ende nur noch mehr Kaufhäuser und Arbeitsplätze aus Berlin verschwinden. Außerdem ist das soziale Klima am Hermannplatz entgegen der romantisierenden Erzählungen der Linken nicht nur durchmischt und lebendig; die Gegend hat insbesondere ein Kriminialitäts-, Verwahrlosungs- und Drogenproblem. Eine vernünftige Aufwertung durch einen neuen Anziehungspunkt ist dringend nötig und auch gängige Praxis in anderen Städten, um das soziale Miteinander zu stabilisieren. Wenn dort stattdessen irgendein Büroklotz eines anderen Investors hingesetzt wird, ist dem Kiezleben jedenfalls auch nicht geholfen.


    Aber erstmal ist abwarten angesagt. Die Planungshoheit sollte weiterhin der Senat haben und daher wird der Beschluss auf Bezirksebene erstmal nur eine Forderung bleiben. Das letzte Wort hat immer noch das Bauressort unter Giffey und es ist ja nichts Neues, dass der Bezirk Stimmung gegen das Projekt macht.

  • Es gibt noch einen anderen Faktor, der die Zukunft der Neubebauung beeinflussen wird: Benko/Signa hat durch die Insolvenz der Galeria-Kette eine wichtige Einnahmequelle verloren. Gleichzeitig sind die Zinsen massiv gestiegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das nicht zu einer Streichung oder zeitlichen Streckung von Bauvorhaben führt. Weniger Einnahmen - höhere Ausgaben - in diesem Umfang - das geht auch an Signa nicht spurlos vorbei. Welches Projekt darunter leiden wird, wird sich zeigen: Ellington? Hermannplatz? Areal Karstadt am Kudamm?

  • Ich denke, dass Sigma niemals ein wirkliches Interesse an Galeria Kaufhof hatte. Es ging und geht ihnen immer um Immobilien, das ist ihr Kerngeschäft.

    Das KdW haben sie übrigens zur Hälfte verkauft. Ein paar Luxuskaufhäuser sind rentabel, für den Rest müsste man ein innovatives oder zumindest etwas Neues entwickeln, das wäre bestimmt machbar. Kaufhäuser sind nicht tot, da kann mir einer erzählen, was er will.

    Und als Anker sind sie nach wie vor extrem wichtig. Leopold platz ohne Karstadt, oder Friedrichstrasse ohne Galerie Lafayette funktionieren bestimmt dann kaum noch.


    Galeria war das Vehikel oder der Leverage mit dem Sigma Konzessionen bei Hochhausbauten wollte, wie hier in Berlin am Kudamm. Diesen Kuhhandel mit dem Senat habe ich schon damals recht kritisch gesehen.

    Sie benutzen Galeria immer um Staatshilfen zu bekommen, oder Genehmigungen für neue Immobilien, das geht dann zwei, drei Jahre gut und die Drohungen gehen wieder von Neuem los. Schliessungen, Entlassungen usw.

    Es wurde auch nie ein wirklicher Neustart für Galeria gemacht, von Investitionen ganz zu schweigen. Wenn man sich die Filiale am Leopoldplatz ansieht, da ist die Zeit seit den Achtzigern stehengeblieben.


    Über den Wiederaufbau für den Hermannplatz würde ich mich auch sehr freuen, ich glaube auch dass das Mischkonzept, mit kleinerem- bestimmt exklusiveren Galeria, sozialen Einrichtungen (Feigenblatt), Wohnungen, Bars und Büros gut klappen würde. Es würde auch für einen Gentrifizierungsschub für die Ecke sorgen, was ich jetzt weniger kritisch sehe, sondern eher begrüßen würde, aber viele ablehnen.

    Ob es noch dazu kommt, wird man sehen.