Freiraumgestaltung Berliner Schloss/Humboldt-Forum

  • Ich sehe darin kein Problem und bitte kommt nicht wieder mit sozialer Kälte. Parkbänke sind zum sitzen und Verweilen installiert und nicht zum schlafen oder Alkoholkonsum. Wenn's mal eine Bank wäre, keen Ding, aber gerade in Berlin ist es massenhaft und diese Übertoleranz nervt Irgendwann. Gleiches Recht für Alle.

  • Monasterium Halte ich für einen reinen urbanen Mythos, dass Armlehnen diesen Primärzweck erfüllen. Bei Google habe ich jetzt mal versuchsweise "Sitzbank + seniorengerecht" eingegeben (die demografischen Trends sollten ja eigentlich bekannt sein). Das sind Ergebnis 1 und Ergebnis 2 (durch die Bilder scrollen). Sollen diese Varianten für alte, korpulente oder sonstwie eingeschränkte Menschen das Setzen und Aufstehen erleichtern oder ebenfalls wirklich nur das (bequeme) Liegen verhindern? Falls letzteres: Wieso findet man solche Sitzmöbel dann auch in zugangsbeschränkten/bezahlpflichtigen Parkanlagen, die Obdachlose überhaupt nicht betreten? Diese "gerechte Empörung" findet echt keine Grenzen. Zumal wir hier ja sogar direkt am teuer errichteten Humboldtforum plus Außenanlagen explizit eine Variante ohne Armlehnen vorfinden - und trotzdem findet die Empörkultur noch einen Anstoß.


    Nebenbei: Schon durch meine bisherigen Wohn- und Arbeitsorte (Neukölln, Wedding, Kreuzberg) - übrigens praktisch durchweg in sozialen Berufen - und ständige Nutzung des ÖPNV bin ich diesen ganzen gesellschaftlichen Thematiken eigentlich permanent ausgesetzt. Leider habe ich zunehmend den Eindruck, dass sehr viel gejammert und gefordert wird, das dann aber meist eher wenig mit der gelebten Realität zu tun hat und natürlich bitte auch von Anderen umgesetzt und bezahlt werden soll. Dass diese Umsetzer irgendwann kaum noch die ganzen unnötigen und vor allem parallel auch noch die tatsächlich sinnvollen/ dringend notwendigen Lasten stemmen können, interessiert in diesen Blasen aus politischem Aktivismus sowie allgemeiner Öffentlichkeits- und Medienarbeit kaum oder es ist einfach nicht bewusst, da auch kaum mal vernünftig reflektiert wird. Jedenfalls kenne ich jede Menge Lehrer, Erzieher, Ärzte, Pflegekräfte, Polizisten und auch einen Stadtreiniger. Die erleben die Welt komischerweise deutlich(!) anders als die ganzen selbsterklärten Weltverbesserer an Bildschirm und Tastatur. Inzwischen soll jede Parkbank, jeder Lehrer, jede Polizistin tausend Funktionen erfüllen oder sich tausend Vorwürfe gefallen lassen. Das Leben ist echt extrem anstrengend geworden. Wird mE hoch spannend, wer das alles langfristig überhaupt noch machen will. Ist aber vermutlich eher ein Thema für die Lounge - wobei die Sache mit den tausend Forderungen und den tausend Vorwürfen sowie den anstrengenden Diskussionen ja auch voll auf das Humboldtforum zutrifft.

  • Frohes Neues 2023 für Alle!


    Hier das Sanchi-Tor von Gestern. Ein sehr beliebtes Motiv. Mir gefällt es gut, insbesondere weil es so hochwertig hergestellt wurde. Einige solche Skulpturen, die bildhauerisch aus Sandstein gearbeitet sind, kann ich mit ganz gut im Umfeld des Schlosses vorstellen. Die Größe ist zudem ideal. 👍👍👍


  • ^ Ja, gefällt mir auch.

    Bevor wir uns aber weitere "solche Skulpturen im Umfeld des Schlosses vorstellen" und von irgendwoher herbeiwünschen, ob aus Sandstein oder Bronze, halte ich es für ganz selbstverständlich, dass weiterhin mit Beharrlichkeit die Rückkehr der Rossebändiger und des Neptunbrunnens an ihre angestammten Originalplätze gefordert wird. Denn für den ideal passenden Standort vor Portal IV wurden die von Cloth von Jürgensburg geschaffenen Rossebändiger mit Bedacht ausgewählt und 1844 aufgestellt. Dieser Standort wurde von Alexander von Humbold begeistert bewundert.

    Der (neo-)barocke Neptunbrunnen wurde von dem Künstler Begas speziell für Portal II der barocken Südfassade einfühlam geschaffen und im Jahr 1891 hier auf den Omphalus (Berlins ehemaliger Zentraler Messpunkt 0) aufgestellt.

    Bevor wir also Appetit für weitere zusammengewürfelte neue oder nachgemachte Artefakte zur Belebung des derzeit steinern-kahlen Schlossplatzes entwickeln, sollten wir für das Selbstverständliche, nämlich für die wertvollste, für die historisch und ästhetisch am besten legitimierte Lösung eintreten.


    Unnötiges Zitat des Vorposts gelöscht.

  • Sicherlich ist es für jeden statdthistorisch Bewanderten klar, dass die von Cloth von Jürgensburg geschaffenen Rossebändiger mit Bedacht ausgewählt und 1844 vor dem Portal IV aufgestellt wurden. Sie wirkten als Verbindung von der Schloss-Fassade zum Vorplatz und zum Lustgarten.
    Heute findet der Blick beim Betrachten der Schlossfassade keinen Halt, wenn er weiter ins Umfeld schweift.
    Das Sanchi-Tor ist ein Fremdkörper, der eher vor die Stella-Fassade gepaßt hätte.

    Der vom Künstler Begas speziell für Portal II der barocken Südfassade einfühlam geschaffene Neptunbrunnen stand dort auch am idealen Punkt.

    Es ist also keine Stilfrage sondern eine rein politische Entscheidung, dies nicht zu berücksichtigen.
    Diese Öde ist gewollt. ?(


  • Es ist also keine Stilfrage sondern eine rein politische Entscheidung, dies nicht zu berücksichtigen.
    Diese Öde ist gewollt. ?(

    Es ist leider richtig und wird offen von den Entscheidern vertreten, dass sie eine Rückführung der Artefakte von Anfang an bei der Gestaltung der Außenanlagen absichtsvoll aus ideologischen Gründen verhindert haben. Ich meine, das muss nicht hingenommen werden. Die Zeiten können sich ändern, wenn die Befürworter der Rückführung diese Korrektur bzw. Nachbesserung mit den besseren Argumenten und gehöriger - manchmal auch penetrant erscheinender - Beharrlichkeit weiter fordern.

  • jan85 : Oha, da wurde aber jetzt Einiges in meinen Post reininterpretiert ohne Grundlage. Ich habe nirgendwo geschrieben, ob ich das nun gut oder schlecht finde. Von daher kannst du einen Gang zurückfahren. Das war eine reine Feststellung. Du wirst sicherlich nicht bestreiten können, dass es sogenannte defensive Architektur in jeglicher Ausprägung gibt. Ansonsten hilft Wikipedia. Dass natürlich nicht überall alles verlottern sollte, das sehe ich auch. Nur kann man auch zur Kenntnis nehmen, dass man eben auch zu solchen Mitteln greift, um dies zu verhindern. Auch hier: wertfrei.

  • Es ist also keine Stilfrage sondern eine rein politische Entscheidung, dies nicht zu berücksichtigen.

    Diese Öde ist gewollt. ?(

    Selbstverständlich ist das auch eine Stilfrage, denn das Schlossvorfeld ist ein neues und nicht jeder ist Fan von barockem Schnörkel. Außerdem profitiert die Fassade mMn sehr von der freien, modernen Gestaltung des Vorfeldes.

  • Monasterium Es war auch nicht alles nur direkt auf Dich bezogen. Ich dachte eigentlich, dass das aus dem Kontext klar wird. Allerdings folgt Deine "Feststellung" mE nun einmal entsprechend einseitigen Deutungsansätzen. Du bezweifelst nämlich sehr wohl, dass diese Art Bank auch einfach etwas mit Barrierefreiheit zu tun haben könnte und mutmaßt, dass sie in Wahrheit ein ganz klares anderes Ziel verfolgt. Nur weil es das Gedankenkonzept "defensiver Gestaltung" gibt, muss man noch längst nicht alles exklusiv unter diesem Konzept lesen. Anders ausgedrückt: Dass man eine (Sitz-!)Bank als bequeme Sitzmöglichkeit und nicht als potentiellen Schlafplatz optimiert, heißt längst nicht automatisch, dass man gezielt gegen Obdachlose arbeitet. Das sind genau die beschriebenen Deutungskriege, womit alles mögliche schön sauber etikettiert/geframed und so letztlich oft genug gecancelt wird. Nochmal: Bänke für mobilitätsbeschränkte Menschen sehen nun einmal exakt so aus wie die von mir verlinkten und ihre Gestaltung erfüllt somit ganz klar einen sinnvollen Zweck. Das könnte man auch einfach mal zur Kenntnis nehmen. Wenn man dagegen gezielt Aufenthaltsorte/Unterkünfte/Schlafplätze für Obdachlose einrichten möchte (und da habe ich sicher nichts dagegen), dann sollte man das mE gleich vernünftig machen. Das wäre jedenfalls weit besser (i.e. bequemer und sicherer) als die Zweckentfremdung von Sitzbänken als ultimative Lösung anzusehen und bei deren Gestaltung so zu Kompromissen gezwungen zu sein. Aber wie gesagt: Für das Humboldtforum haben wir diese Thematik im Grunde nicht einmal. Sie wird vielmehr unnötig herbei geredet und auch bei plausiblen Gegenargumenten vehement vertreten. Genau das ist mE der anstrengende Zeitgeist.


    @all: Ich hätte ehrlich gesagt gar nichts dagegen, wenn es statt der Rückkehr klassischer Elemente weitere Standbilder im Stile des Sanchi-Tores gäbe. Wenn das gut gemacht wird, könnte das richtig was hermachen. Es sollte mE nur darauf geachtet werden, dass kein allzu wildes Sammelsurium entsteht und dass man möglichst sanfte/harmonische Übergänge schafft. Man könnte etwa die Flächen zwischen solchen Außenexponaten als abgrenzende Grüninseln gestalten (ggf. sogar ebenfalls in einem jeweils entsprechenden Stil).

  • Selbstverständlich ist das auch eine Stilfrage, denn das Schlossvorfeld ist ein neues und nicht jeder ist Fan von barockem Schnörkel. Außerdem profitiert die Fassade mMn sehr von der freien, modernen Gestaltung des Vorfeldes.

    Betrachten wir den Meinungsstreit über „Stil“ contra „Ideologie“ genauer:

    „Das Berliner Schloss galt als ein Hauptwerk des norddeutschen Barocks. Das Schloss war ein zentrales und eines der größten Bauwerke Berlins. Als Fluchtpunkt … prägte es mit seinen Fassaden, seinen Ausmaßen und seiner … hohen Kuppel … das Stadtbild“. Karl F. Schinkel sagt: „Von eigentlich classischen Gebäuden, die in ihrer ganzen Idee etwas wirklich Eigenthümliches und vorzüglich Großartiges haben, besitzt Berlin nur zwei: das Königliche Schloß und das Zeughaus. … Sie stehen zugleich als Monumente der Kunst da und werden immer wichtiger, je weniger die Zeit im Stande sein wird, sich auf so große und vollkommene neue Werke einzulassen, …." Ihre abfällige Wertung „barocker Schnörkel“ kann sich nicht ernsthaft auf den Bau (und hochwertige Rekonstruktionen) beziehen und die Anerkennung als Kunstwerk nicht auf „Fans“ reduzieren.


    Alexander von Humboldt schrieb über die Rossebändiger: „ ... dass wir aus Petersburg zwei Kolossalstatuen erhalten haben, die Pferde(-Bändiger) von Cloth von Jürgensburg, der … durch seine anatomischen Studien der schönsten Pferderassen unserer Zeit wie auch durch die lebendige Bewegtheit, die er in seinen Werken zu verleihen versteht, berühmt wurde.“ Rechtfertigt diese Beschreibung der Kolossalstatuen eine Bewertung, „nicht jeder sei Fan von barockem Schnörkel“?


    Würden Sie das wohl bedeutendste Werk von Reinhold Begas, den für Portal II entworfenen Schlossbrunnen, als barocken Schnörkel bezeichnen? Würde die Rückführung dieser Kunstwerke die „freie, moderne Gestaltung des Vorfeldes“ wirklich in ein übermöbliertes „Freilandmuseum“ (Lüscher) verwandeln? Ich bleibe dabei:
    die "freie Gestaltung" ist lediglich die Fernhaltung dieser wertvollen Artefakte von ihren Originalplätzen und damit politische Ideologie!

  • Bauaesthet Es wurde aber nunmal kein Stadtschloss (wieder-)errichtet, sondern das Humboldtforum. Das darf man trotz Reko der Schlossfassaden mE auch ruhig von außen erkennen bzw zumlndest erahnen. Es würde ästhetisch sicher funktionieren, die Kunstwerke zurück zu holen. Wirklich notwendig finde ich es allerdings nicht, zumal es eine aufwändige Rochade bedeuten würde.

  • Es wurde aber nunmal kein Stadtschloss (wieder-)errichtet, sondern das Humboldtforum.

    Auch auf die Gefahr hin, dass dies hier schon mehrfach korrigiert wurde: Wiedererrichtet worden ist das Stadtschloss, in das dann unter anderem das Humboldt-Forum gezogen ist. Erst, wenn man diese Differenzierung vornimmt, kann es gelingen, den Baukörper und seine Funktion nicht als unverrückbare Einheit zu betrachten. Sollte man eines Tages zu der Überzeugung gelangen, dass das Humboldt-Forum im teilrekonstruierten Schloss nicht gut aufgehoben ist, sind neue Nutzungskonzepte ohne Denkverbote möglich. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie dynamisch man die Nutzung des Baukörpers in Zukunft interpretiert und wie sehr davon das Außengelände in seiner Gestaltung beeinflusst wird.

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  • jan85

    Entschieden wurde aus städtebaulichen Gründen die Errichtung eines Gebäudes, teilzurekonstruieren im Erscheinungsbild des Berliner Schlosses. Die Nutzung wurde abgestimmt auf die Museumsinsel als Museumskomplex / Humboldt-Forum. also stimmt beides. Natürlich sollte das als Hybrid erkennbar sein. Das ist Stella auch gut gelungen. Die Rückführung der bedeutenden Artefakte würde nicht nur "ästhetisch funktionieren", sondern wäre viel mehr: eine ganz entscheidende Bereicherung zur Einbindung des Bauwerks als Leitbau in die Umgebung. Der Schlossplatz ist ja insgesamt gut gelungen, aber dringend ergänzungsbedürftig durch diese hochkarätigen Kunstwerke gegen ideologische Vorbehalte und Tabus!

    Was ist schon "notwendig", wenn es um Ästhetik und um die bessere Einbindung des Bauwerks in das Stadtbild geht?

  • Warum ist denn der Schlossplatz dringend ergänzungsbedürftig? Ich glaube, hier liegt viel mehr die "Ideologie" indem der eine oder andere Schlossfan nun meint, dass jetzt möglichst viel drum herum auch noch so aussieht wie vor 100 Jahren.


    Grundsätzlich spricht beim Brunnen immerhin dagegen, dass er nunmehr seit Jahrzehnten das Stadtbild an anderer Stelle prägt und selbst eine Kopie am Originalstandort nicht mehr die Wirkung hätte wie damals. Wir finden dort heute einen zweigeteilten Raum, südlich die Straße mit der Einmündung der Breiten Straße sowie der Vorplatz zum ehemaligen Staatsrat, nördlich der verkehrsberuhigte Vorplatz zum Humboldtforum. Der Brunnen wäre heute nicht mehr zentrale Verkehrsinsel (mit dem Verkehrsaufkommen der Vorkriegsjahre), sondern stände nahe der Straße, quasi nur als Dekoration. Ich denke daher, es gäbe dort bessere Optionen, z.B. ein moderner Brunnen näher am HF, bzw weiter von der Straße entfernt und somit besser erlebbar und gleichzeitig steht der Brunnen von Begas besser dort, wo er heute ist.


    Und die Rossebändiger wird, da verwette ich meinen Hut, wird kein Politiker, Stiftungsrat oder Verein in den nächsten Jahr(zehnt)en zurückführen. Die waren das Geschenk eines Zaren und da ist die Reputation und der Zeitpunkt gerade mal ... ähm... schlecht!

  • tegula Sorry, aber das ist völlig falsch und es wird auch durch Wiederholung nicht richtiger. Es wurde eben KEIN Schloss wiedererrichtet! Es handelt sich um einen völlig modernen Bau mit einigen historisierenden sowie einzelnen modernen Innen- und Außenfassaden und einem komplett modernen Kern. Es ist sicher eine weit aufwändigerer und konsequenterer Ansatz als die "aufgebahrten" Esplanade-Fragmente, die man am spacigen Sony-Center hinter Glas bestaunen kann - oder als die immerhin kleinteilig und realistisch erscheinenden(!) Außenfassaden der Mall of Berlin. Aber anders als vielleicht noch beim Adlon oder auch potentiell bei der Bauakademie kann man hier trotz größerer Detailtreue mE nicht einmal ernsthaft über eine Wiedererrichtung der eigentlichen Sache diskutieren. Aber vielleicht hätte es doch wie in Potsdam einen ironischen Schriftzug gebraucht, um das auch dem Letzten klar zu machen? Form ist eben nicht automatisch gleich Inhalt. Noch ist Inhalt (Funktion bzw. Institution) völlig trivial und austauschbar (auch wenn Du diese Möglichkeit fast schon hoffnungsvoll anklingen lässt). Gerade wo Außen und Innen überhaupt nicht übereinstimmen, sollte man allzu oberflächliche Blicke, Deutungen und Zuschreibungen mE dringend vermeiden. Sonst lebt man schnell in einer absurden Scheinwelt und verpasst das Wesentliche (das Wesen im eigentlichen Wortsinne). Gerade diese mE absurde Denkweise macht es mE nur umso gruseliger, wenn man wirklich mal das gesamte Schlossumfeld, die letzten Fassaden und das komplette Innere des Schlosses so weit wie möglich rekonstruieren sollte: Willkommen im 19. Jahrhundert. Willkommen bei Disney. Zeit, Raum, Realität vs. Fiktion - alles trivial.


    Nein, die geniale Idee des Humboldtforums ist mE gerade, sich ausgerechnet hinter diesen vermeintlich alten Preußenfassaden weiten inneren und äußeren Horizonten (der Welt und der eigenen kritischen Reflektion) zu öffnen. Eine Schlossreko hätte mE nie authentisch oder zeitgemäß sein können. Das weltoffene und aufgeklärte Denken Humboldts wird dagegen stets zeitgemäß bleiben. Um das zu betonen, darf das Umfeld (= Außen) auch gerne stärker auf den eigentlichen Inhalt verweisen, statt in Kombination aus rekonstruierten Fassaden und rekonstruierten Außenelementen tatsächlich wie häufig - aber mE zumindest bisher zu Unrecht - vorgeworfen (Puppenkiste, Disney) ein historisch falsches Gesamtbild zu erzeugen und die eigentliche Idee/Funktion des Bauwerks zu trivialisieren.


    Bauaesthet Im Grunde habe ich Dir damit auch bereits geantwortet und Baukörper hat es ebenfalls sehr überzeugend getan. Dein bevorzugtes Szenario ist nicht meins. Geschmäcker sind aber verschieden und das ist ok.

  • Das eine Schlossrekonstruktion nicht authentisch und zeitgemäß sein kann wiederlegt das Beispiel Dresdner Schloß. Aus den gerade mal fünf Prozent historischer Substanz ist eine Kombination aus historisch rekonstruierten Räumen und praktischen Museumsflächen entstanden. Fast jeder Tourist und Einheimische ist damit zufrieden. Es geht doch! In Preußen (darf man das noch so nennen :/ ) ist das aber wohl nicht mehr machbar.

  • Sorry, aber das ist völlig falsch und es wird auch durch Wiederholung nicht richtiger. Es wurde eben KEIN Schloss wiedererrichtet!

    Der offizielle Sprachgebrauch sieht aber anders aus. Der Bauherr ist nun einmal ganz offiziell und juristisch abgesegnet die "Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss". Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/…Forum_im_Berliner_Schloss


    Und es gibt einen langen Wikipediaartikel zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses: https://de.wikipedia.org/wiki/…au_des_Berliner_Schlosses


    Natürlich ist das alles eine Frage der Definitionen. Diese sind aber von den Verantwortlichen genau so getätigt worden, dass man das Berliner Schloss wiedererrichtet hat, ohne dabei eine 1zu1-Kopie anzustreben.


    Noch weiter ging man dabei übrigens in Kiel. Das dortige Schloss ist ein Totalverlust des Zweiten Weltkriegs gewesen. Der Neubau hat lediglich den Standort mit dem Vorgängerbau gemein. Ansonsten ist es ein typischer Baukörper der 60er Jahre. Es ist aber das offizielle Kieler Schloss, ohne Einschränkungen. Du siehst also, es ist keine Frage dessen, wie sehr der Neubau dem Altbau gleicht. Eine 1zu1-Kopie ist schon gar nicht notwendig, um die Tradition der einstigen Bezeichnung fortzuführen.

  • Radlaus Ich schätze die Rekos in Dresden oder auch Potsdam durchaus und wo es stimmig ist, bin ich auch für Berlin kein grundsätzlicher Gegner von Rekonstruktionen oder historischen Anleihen in Bezug auf Städtebau, Grundrisse etc. Eine Vollreko des Stadtschlosses und seines Umfelds als "Stadtschlossmuseum"/ "Preußenmuseum" o.ä. hätte ich jedoch als in der Tat unzeitgemäß und reiz- bzw- wertarm abgelehnt. Noch finde ich eine immer weiter ausufernde Annäherung innen wie im Umfeld nachträglich wünschenswert. Berlin u.a. als preußisches und später reichs-deutsches, sozialistisches sowie gesamtdeutsches Machtzentrum hatte über die Jahrhunderte und speziell seit dem 20. Jahrhundert eine extrem prägnante und wechselhafte Geschichte. Dazu zählt eben auch, dass Teile des historischen Stadtschlosses, seiner Außenflächen und des Kaiser-Denkmals inzwischen an anderen Standorten in anderen Bezirken und selbst im Tierpark(!) zu finden sind, oder auch dass man die Siegessäule heute an einem anderen Standort vorfindet, oder dass der Reichstag inzwischen eine moderne Glaskuppel trägt. Manchmal hat man Hitler, Honecker und Co nachträglich "korrigiert" und die Uhren zurückgedreht, teilweise hat man es aber auch so belassen und auch selbst innovative Entscheidungen getroffen. Und um in Deinem Duktus zu sprechen: Damit sind viele Touristen und Einheimische auch zufrieden. Und übrigens: Auch das Humboldtforum sowie die Dachterrasse sind ein Erfolg.


    Am konkreten Standort hat man faktisch eine richtungsweisende (sowie teure) Entscheidung gegen eine Vollreko von Schloss und Außenflächen sowie für die Fassaden-Teilreko, für eine frische Außenflächengestaltung und vor allem für das Humboldtforum getroffen. Das kann man an den Fassadenhybriden aber auch am Freiheits- und Einheitsdenkmal oder dem Sanchi-Tor und erst Recht am Kern des Schlosses ablesen. Darauf sollte man jetzt mE innen wie außen weiter aufbauen.

  • Der offizielle Sprachgebrauch sieht aber anders aus.

    Offiziell steht "Humboldt Forum" drauf (Sprache/ Titel) und steckt auch Humboldtforum drin (Wesen). Das sind die gesicherten Fakten. Wie irgendwelche Stiftungen, Fördervereine oder sonstige Zeitgenossen das Ganze nennen, ist mir daher ehrlich gesagt völlig egal bzw. es stößt mich vielmehr als geschichtslose und rückwärtsgewandte sowie in konkreten Einzelfällen regelrecht unappetitliche Spinnerei ab. Und je penetranter darauf bestanden wird, dass hier mit den ausgewählten Fassaden tatsächlich auch das Schloss als solches wieder errichtet wurde, desto weniger Raum würde ich entsprechenden Forderungen nach weiteren Rekonstruktionen im Umfeld oder Inneren des Humboldtforums einräumen. Irgendwann ist es dann auch mal gut.


    P.S.: In der Umgangssprache darf man natürlich gerne salopp vom Schloss oder wiedererrichteten Schloss sprechen. Wenn man aber präzise spricht (und das sollten wir hier), kann davon mE keine Rede sein. Wir haben alle gesehen, wie das Humboldtforum vor dem Anbringen der Fassaden (rekonstruiert wie modern) aussah. Und wir sind alle keine 5 Jahre mehr alt und begreifen, was dort passiert ist und was nicht.


    Edit: In Berlin stehen faktisch Schlösser. Das Stadtschloss wurde aber abgerissen und auch das ist Fakt. Wenn Du das Humboldtforum als Schloss ansiehst, sind die Argumente also wirklich ausgetauscht. Dann haben wir auch wieder einen Kaiser und Kühe sind lila. Ob man das jetzt Spinnerei nennt, macht in der Sache (dem IST) keinen Unterschied. Im übrigen habe ich differenziert, dass die Spinnerei wahlweise harmlos oder regelrecht unappetitlich sein kann. Die Stiftung hat sich bestimmt auch der Öffentlichkeitsarbeit wegen so benannt. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass die Bundesregierung und die Verantwortungsträger wissen, was ein Schloss ist und was nicht.

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