Freiraumgestaltung Berliner Schloss/Humboldt-Forum

  • Das neue, steinerne, schmucklose Umfeld des neuen Berliner Schlossbaus haben wir bekanntlich der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zu verdanken. Frau Lüscher (Studium an der ETH Zürich) steht für Stadtgestaltung, orientiert am Bauhaus und dem Neuen Bauen in der Mitte des 20. Jhds. Sie lehnt historische Bezüge zu Bautraditionen und Kontextualisierung zum Stadtbild vor dem 2. WK sowie Rekonstruktionen grundsätzlich ab. Sie setzte für das Humboldt Forum eine minimalistisch reduzierte Gestaltung des Umfeldes durch, die auf historische Elemente (Neptunbrunnen, Skulpturen, Terrassen, Rossebändiger) völlig verzichtet. Das Schloss solle als „Projekt des 21. Jhds erkennbar gemacht werden und ausreichend Parkflächen für Reisebusse aufweisen“ (Quelle Wikepedia).


    Meine Erklärung dazu: In der Schweiz gibt es keine traumatisierten und bis zum Identitätsverlust zerstörten Städte wie in Deutschland (wo nach dem Krieg zudem alte, zerstörte und beschädigte Leitbauten der Vorkriegszeit auch noch nach „Vorbildern“ der US-Autostadt bzw. der neuen sozialistischen Stadt gnadenlos entsorgt oder "zeitgemäß" optisch modernisiert, d.h. vereinfacht, „entschmückt“ und begradigt wurden). Jetzt wo versucht wird, verlorene und geschädigte Stadtbilder, Ensembles und bedeutsame Plätze wenigstens durch Rekonstruktionen bedeutungsvoller Leitbauten wieder zu gewinnen, lehnt sie das kategorisch ab. Sogar die mögliche Rückführung erhaltener, hochwertiger Kunstwerke an ihre ursprünglichen, wesentlich ausdrucksstärkeren Standorte innerhalb stimmiger Ensembles verhindert sie ausdrücklich, so als wären das alles kitschige Elemente von „Freilichtmuseen“. Indem sie „an prominenten Orten" neue, „zeitgemäße Zeitschichten“ hinzufügen und sichtbar machen will, zerstört sie bewusst tiefer liegende, ältere Zeitschichten aus dem historischen und kunstgeschichtlichen Gedächtnis der Stadt. Dabei wird sie unterstützt durch Kultursenator Klaus Lederer und die Berliner Linke. Auch das Landesdenkmalamt zeigt sich blind gegenüber der Entstehungs- und Bedeutungsgeschichte der Kunstwerke, die ihre volle Wirkung nur am Kulminationspunkt im Zentrum der Stadt wieder voll erreichen könnten. In diesen Haltungen sehe ich einen großen Verlust an wertvollen, zeitlos-ästhetischen Eindrücken im Stadtraum. Deutlich wird eine betrübliche Geschichtsvergessenheit und Arroganz verantwortlicher Amtsträger gegenüber der Kunst- und Kulturgeschichte sowie der Städtebau- und Architekturgeschichte Berlins.

  • ... wie hier schon mehrfach durch andere Forumsmitglieder geäußert, ich finde diese reduzierte Gestaltung auch garnicht schlecht. Warten wir erstmal ab, bis das Marx-Engels-Forum von Baucontainern befreit wieder parkähnlich gestaltet ist, das Einheitsdenkmal vor dem Humboldt Forum steht, hoffentlich eines Tages die Bauakademie gegenüber wiedererrichtet ist, und beim Flußbad bzw. der schönen Treppenanlage zum Kanal hinab ist ja auch noch nicht das Kind mit dem Bade verschüttet. Dann kann man immer noch über Dekoration entscheiden, falls gewollt.

    Alles kein Grund hier wieder in ein SenatsbaudirektorInen-Bashing zu verfallen. Baut ihr erstmal nen schönen Bahnof in Stuttgart ... wir haben unser Soll hier erstmal erfüllt.8)

  • Die Freiraumgestaltung ist eine Katastrophe. Ein öder Steinplatz ohne Gestaltungsanspruch. Wenigstens die Grünen sollten sich angesichts dieser Steinwüste aufregen.


    Das Beste war aber die Begründung dieser steinernen Fläche laut Team Lüscher: „Busse bräuchten genug Fläche um Touristen vor dem Schloss aussteigen zu lassen“....Was will man dazu noch sagen?

  • Das neue, steinerne, schmucklose Umfeld des neuen Berliner Schlossbaus haben wir bekanntlich der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zu verdanken.

    Zitat gekürzt.

    Jeder strickt sich sein Weltbild so zusammen wie er es will.


    Eine Regina Lüscher allein ist sicherlich nicht verantwortlich für die Gestaltung des Umfeldes. Auch wenn Du es nicht hören willst, das Umfeld ist Teil des gesamten Projekts Humboldtforums und kann nicht getrennt von ihm gesehen werden. Darin wurden in einem langwierigen Prozess grundsätzliche Eckpunkte vereinbart. Entsprechend wurde ein Wettbewerb für das Umfeld ausgelotet mit dem bekannten Ergebnissen. Dass Dir diese nicht gefallen, ist absolut legitim, allerdings das jetzt als Verschwörung der Linken und einer schweizer ohne Trauma geschädigten Senatsbaudirektorin anzuhängen, ist schon etwas weit hergeholt.

    Ebenso wenig lehnt sie Bezüge zum Stadtbild vor dem 2. Weltkrieg kategorisch ab. Es sollte auch Dir bekannt sein, dass gerade in Berlin aktiv daran gearbeitet wurde, soweit wie möglich frühere Stadtgrundrisse und Bebauung als Grundlagen für die heutige Bebauung wiederherzustellen. Ob am Schinkelplatz oder woanders wurde und wird dies umgesetzt. Dass in Berlin prinzipiell keine Rekonstruktionen - mit wenigen Ausnahmen - entstehen, findet eine breite Unterstützung jenseits der Linken und ist nicht allein dem konspirativen Agieren von Frau Lüscher mit Herrn Lederer geschuldet.


    Deine kruden Theorien über ihre Motive und den Bezug zu nicht zerstörten Städten in der Schweiz ist übelste Küchenpsychologie, die Du Dir da zusammenschusterst. Dann könnte ich genauso behaupten, du bestehst auf Rekonstruktionen, weil Du nicht mit der Gegenwart zurechtkommst und in die Vergangenheit fliehst. Das fiele in die gleiche Kategorie.


    Was nun Deine - völlig aus der Luft gegriffene - Behauptung man verlorene und geschädigte Stadtbilder...wenigstens durch Rekonstruktionen bedeutungsvoller Leitbilder wieder zu gewinnen sucht, hat auf Berlin noch nie zugetroffen, ist von daher nicht zutreffend.


    Was nun den ganzen Firlefanz betrifft, der in Berlin noch so rumsteht und zum Umfeld des Schlosses gehört, wurde keine endgültige Entscheidung getroffen, man wollte sich das offen halten, so habe ich den Eindruck. Dass nun jede Seite versucht, ihre Sichtweise durchzusetzen, ist nun das Ergebnis und ich befürchte, diese Obsession von einigen - anders kann ich es nicht mehr bezeichnen - wird nicht mehr aufhören, man sieht das ja hier im Forum. Und es ist doch klar, je heftiger die einen was fordern, desto heftiger werden die anderen es ablehnen.

    Das Ergebnis wird - wie meistens im Leben - mit einem Kompromiss enden. Vielleicht kommt der Brunnen, oder die Rossebändiger oder man weist auf die historischen Orte hin, keine Ahnung.

  • Theseus532

    Mag sein, dass du besser informiert bist als ich. Gerne nehme ich Kritik und bessere Informationen an.


    Folgende Sätze sind allerdings nicht meine böswillige Erfindung. Ich habe sie aus Wikepedia entnommen: Zitat: „Regula Lüscher setzte für das Humboldt Forum eine minimalistisch reduzierte Gestaltung des Umfeldes durch, die auf historische Elemente völlig verzichtet. Das Schloss solle als Projekt des 21. Jhds. erkennbar gemacht werden und ausreichend Parkflächen für Reisebusse aufweisen“ (Quelle Wikepedia). Das klingt nicht nach einer mit dem Schloss harmonisierenden Freiraumgestaltung und den Busparkplätzen dabei eine so hohe Priorität einzuräumen, halte ich für …

    Die in der Beurteilung mangelnde Abstimmung und fehlende Einigkeit, ja Gegnerschaft zwischen Bund (Bauherr HF) und Senat (Bauherr Freiraumgestaltung) ist ebenfalls nicht meine Erfindung, sondern wurde von vielen Seiten und in Kommentaren schon oft kritisiert und bedauert.

    In Verbindung mit der Rückführung von hochkarätigen Kunstwerken im Umfeld nur abwertende Begriffe wie „Freiluftmuseum“ zu verwenden, sind disqualifizierende Originalzitate von Frau Lüscher (Berliner Extrablatt Nr. 94). Diese Kunstwerke „Firlefanz“ zu nennen, ist deine persönliche Wortwahl, die viel über dein eigenes Kunstverständnis aussagt.

    Ich respektiere Frau Lüscher als Person durchaus, soweit sie ihre Privatmeinung hat und vertritt. Ich selbst bewundere die Bauhaus-Kunstauffassung sehr und habe mit Bauhaus einige auch ganz persönliche Verbindungen. Aber diesen Schlossplatz-Freiraum in dem minimalistischem Stil „durchzusetzen“ halte ich für eine absichtsvolle Polarisierung und einen großen Fehler.


    Mag auch sein, dass ich ihr aufgrund ihrer Schweizer Herkunft zu Unrecht einen Mangel an Toleranz gegenüber Rekonstruktionen unterstellt habe. Excusez!

  • ... aber auch Wikipedia ist nicht frei von Meinungsmache und ideologischer Manipulation. Schliesslich kann ein Jeder daran Mitwirken und darauf Einfluß nehmen, sogar Du.

  • ^ Wir hatten das ohnehin schon einmal geklärt. Warum dieser Schwachsinn z.B. mit der Betonung der Bussparkplätze hier immer wieder auftaucht, ist mir ein Rätsel. (Oder auch nicht). In der Wettberwerbsaufgabe steht dergleichen nicht.


    Aus der offiziellen Wettbewerbsaufgabe:

    "Aufgabe des freiraumplanerischen Wettbewerbes ist es, einen den Dimensionen und der Bedeutung dieses Projektes entsprechenden Freiraum zu gestalten. Die in dem Wettbewerb zu bestimmende Gestaltung soll eine auf die Historie begründete und zukunftsfähige Formensprache aufweisen. Das Wettbewerbsgebiet umfasst das Umfeld des Humboldt-Forums vom Ufer der Spree im Osten bis zum Spreekanal im Westen. Im Norden sind die Randflächen des Lustgartens und des Berliner Doms als Ideenteil und im Süden die Vorzonen des Marstalls und des ehemaligen Staatsratsgebäudes eingebunden. Das Wettbewerbsgebiet hat einen Realisierungsteil mit einer Fläche von 38.000 m². In der Fläche sind die Fahrstreifen Schloßplatz (Süd) nicht berücksichtigt. Die Fahrbahn Schloßplatz (Nord) zwischen den Lichtsignalanlagen und die Übergangsbereiche zum Lustgarten bzw. Dom sind mit einer Fläche von ca. 7.650 m² als Ideenteil zu verstehen."

    Einmal editiert, zuletzt von DerBe ()

  • Die Neue Nationalgalerie Mies van der Rohes ist saniert. Die Stuttgarter Zeitung schreibt aner­kennend, dass 2011 eine denkmalgerechte Sanierung beschlossen wurde, die vom Wettbewerbs­sieger David Chipperfield Architects ausgeführt wurde. Gelobt wurde, dass die Architekten dabei „das Paradoxon vollbracht haben, ihre Meisterschaft zu beweisen, indem sie unsichtbar bleiben – (fast) alles wie vorher! Den Urzustand wieder herstellen, nichts neu interpretieren oder auffrischen, und wenn korrigieren, dann im Geiste des Originals – diesen Anspruch haben die Architekten beeindruckend akribisch umgesetzt.“


    Welch ein schönes Lob für ein Projekt, das den Respekt vor dem großen Architekten Mies van der Rohe und „dem Schluss- und Höhepunkt seines Lebenswerkes“ zum Ausdruck bringt. Davon können Befürworter der Rekonstruktion des Schlosses und umgebenden Schlossplatzes nur träumen. In Berlin, das über viele dutzende großer Plätze und Quartiere verfügt, in denen sich moderne Architektur an Gebäuden, Raum- und Platzgestaltung beispielhaft austoben kann, bringt man es nicht fertig, die überschaubare Museumsinsel Spreeathen, ein Filetstück aus der Zeit des Barocks und des Klassizismus mit Park- und Platzanlagen aus der Zeit vor der großen Kriegszerstörung wieder entstehen zu lassen. Wo bleiben Respekt und künstlerische Würdigung von Andreas Schlüter, Karl Friedrich Schinkel, Eosander von Göthe, Peter Joseph Lenné, Clodt von Jürgensburg, Reinhold Begas, Gustav Halmhuber? Alle hatten einander ergänzend und einfühlsam zu dem Gesamt-Ensemble beigetragen. Stattdessen wird eine neue, ausdruckslose „zeitgemäß“ minimalisierte Moderne mit fast zerstörerischer Absicht diesem Herzstück Berlins aufgedrückt, ausdrücklich, um eine neue Zeitschicht erkennbar zu machen und „Platz für Busparkplätze“ zu schaffen. Das kann nicht das letzte Wort gewesen sein.

  • < Der große und entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden 'Projekten', die man für mein Empfinden nicht vergleichen kann, ist, dass die Neue Nationalgalerie und ihr Umfeld nie verschwunden gewesen sind, es musste nur ein wenig Rost hier und ein Paar blinde Scheiben dort entfernt und ersetzt werden.

    Beim Humboldt Forum musste erst der Vorgängerbau abgerissen werden und sowas wie ein 'Schlossumfeld' existiert seit 80 Jahren nicht mehr.

    Auch ist die Neue Nationalgalerie immer präsent gewesen, im Bewusstsein der Berliner. Durch viele einmalige Ausstellungen und Events tief im Gedächtnis der jetzt lebenden Generationen hier und international, verankert. Besonders auch bei der jüngeren Generation.

    Die Frage der Busparkplätze und überhaupt die verkehrliche Situation habe ich hier schon vor Jahren angesprochen und ich hatte das Gefühl, dass auch die Rekonstruktions-Fans nicht sonderlich geneigt waren sich dem Thema zu stellen oder auch nur zu diskutieren. Jetzt hat man eben den Salat. Aber Schuld ist gewiss nicht wieder Frau Lüscher.

  • Camondo:

    "es musste nur ein wenig Rost hier und ein Paar blinde Scheiben dort entfernt und ersetzt werden.

    Beim Humboldt Forum musste erst der Vorgängerbau abgerissen werden und sowas wie ein 'Schlossumfeld' existiert seit 80 Jahren nicht mehr.

    Auch ist die Neue Nationalgalerie immer präsent gewesen, im Bewusstsein der Berliner."


    Die Schädigungen der Neuen Nationalgalerie waren ganz massiv, wie ich gelesen habe und die materialgerechte Restaurierung war hoch kompliziert (Beton, Glas, Isolierung, Steinböden, Dach, Sicherheit, Statik), alles musste angepackt werden.

    Das Erscheinungsbild des Vorgängerbaus PdR (auch des Innenministeriums) habe ich immer als einen Fremdkörper empfunden, der unvermeidlich diesen überdimensionierten Trabbi-Parkplatz als Beipack-Lösung bei sich hatte und der in Ausrichtung und Stil überhaupt nicht passte. Zugegeben - an einen Abbruch hatte ich in der Vorwendezeit nie zu hoffen gewagt. 80 Jahre sind keine lange Zeit, um im Städtebau gravierende Mängel wieder zu beheben, wenn man den Mut zur Reparatur hat, es wichtig findet und das auch will.

    Dass die Nationalgalerie immer präsent gewesen ist, stimmt natürlich und ist gut so. Dass aber der Schlossbau und die Vorkriegssituation des Ortes völlig aus dem Gedächtnis der Bevölkerung getilgt wurde, ist ja gerade das ideologisch begründete Verbrechen der Geschichtsvernichtung.


    Wie sagte Otto Grotewohl, SED, Ministerpräsident der DDR,1950: So ist mein Gewissen beruhigt. Jetzt schreien alle, und wenn das Schloss weg ist, kräht kein Hahn mehr danach.” Fast hätte er Recht behalten.

  • < Ich habe versucht, Dir gänzlich ohne Ideologie oder sowas zu antworten.

    Was Dir anscheinend nicht im gleichen Maß möglich ist. Schade.

    Das ist genau das was mich und andere immer wieder abschreckt doch noch einen annehmbaren Zugang zu der gesamten Thematik zu finden. Es wird einem leider immer zutiefst vergellt und Du erweist dem Anliegen schliessendlich einen Bärendienst.

  • Ich fand deinen Beitrag #1.109 sachlich und überlegenswert, sonst hätte ich gar nicht geantwortet. Auch Frau Lüscher hatte ich gar nicht erwähnt.

    Die völlig undemokratische und durch Ideologie bestimmte Einstellung Grotewohls ist wohl mehr als deutlich.

    Meine eigene Meinung entspricht lediglich meinem ästhetischen Empfinden, also ist rein subjektiv geschmacklich begründet. Ich zwinge sie niemandem auf! Dabei ist es mir egal, ob ich den einen oder anderen dabei vergälle. Da ich auch oft in anderen Zusammenhängen ganz auf Seiten der Moderne stehe, sehe ich auch keine ideologisch rückwärts gewandte Einseitigkeit, sondern nur in diesem Falle die Ganzheitlichkeit des Ensembles, wobei es nicht bis auf Messers Schneide um die Rekonstruktion jedes Buchsbaums geht. Jedenfalls ist es doch nicht schlimm, wenn wir engagiert und ohne Ärger Meinungsunterschiede erkennen.

  • Die Welt besteht aber nunmal nicht nur aus ästhetischen Hochgenüssen. Auch wenn Du sie Dir immer so zurechtbiegen willst wie Du sie als ästhetisch empfindest, Darfst Du dabei jedoch nicht immer auf ungeteilten Applaus hoffen.

    Da Du das Thema ja aufgebracht hast, wie sieht denn Dein ästhetisch und vor allem verkehrspolitisch überzeugender Vorschlag für die Reisebussfrage und überhaupt den gesamten Touristenverkehr aus? Oder beschäftigst Du dich auch lieber nur mit dem schönen Schein und um die wirklich dringenden realen Aufgaben sollen sich doch andere kümmern. Und wenn Sie das dann tun, müssen sie sich auch noch von Dir kritisieren lassen? Sorry, aber das ist mir echt zu snobistisch.

  • Jeder, der sich näher mit der Senatspolitik zur Mitte befaßt, wird durch das Agieren des Senats seit 2007 mehrfach an das berühmte Bonmot Walter Ulbrichts "Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen die Zügel in der Hand halten" erinnert. Pars pro toto seien hier einige Beispiele aufgelistet. Besonders auffällig ist diese Art und Weise Politik zu machen vor allem, weil die Senate, unter denen die Entscheidungen fielen, sich ganz besonders der Transparenz und Bürgerfreundlichekeit rühmten.

    1. Das sog. "Rathausforum", also der Bereich des "großen Freiraums" zwischen Fernsehturm und Spandauer Straße, ist ohne Wettbewerb umgestaltet worden, indem der Senat das Gebiet in einzelne, unter der Ausschreibungsgrenze liegende Bereiche getrennt hat. So konnte der Senat den relativ großen Bereich im Effekt durch Direktvergabe mit dem Büro Monsigny-Levin umgestalten.


    2. Bei den Diskussionen, die in die "Bürgerleitlinien" mündeten, waren in der Regel um 50 Personen anwesend. Das deren Ansichten die "Leitlinie" für die Umgestaltung eines der zentralen Plätze der Stadt darstellen sollen ist bizarr. Allerdings ist den vom Senat bezahlten Moderatoren dieses "Prozesses" einmal die Kontrolle entglitten und die "Bürger" sprachen sich mit fast 90 prozentiger Mehrheit für weitere Rekonstruktionen in der Mitte aus. Das Protokoll der Sitzung stand 3 Tage online, dann wurde dieses durch eine gekürzte Fassung ausgetauscht, die die Aussage zu den Rekonstruktionen nicht mehr enthielt.


    3. Bei den Debatten um die Bürgerleitlinien wollte der Berliner Stadthistoriker Dr. Benedikt Goebel in seinem stadthistorischen Vortrag Bilder der zerstörten Bebauung rund um die Bischofstraße zeigen. Daraufhin sprach der Senat ein "Bilderverbot" bei der Debatte aus, weil historische Bilder die Debatte "verzerren" würden.


    4. Bei einer Plenarsitzung der Debatte um die Mitte hatte die Historikergruppe um Dr. Goebel statt historischer Bilder den Boden des Veranstaltungssaals mit einer Überlagerung des Stadtplanes von heute und 1910 belegt. Die Veranstaltung geriet zum Eklat und Senatsvertreter weigerten sich unter diesem Eindruck zu disktutieren.


    5. Bei der Debatte um den Freiflächenwettbewerb hat der Senat erneut ein Bilderverbot ausgesprochen und den Berliner Medien untersagt Entwürfe für das MEF in den Medien zu zeigen. Auf der Website waren die Entwürfe nur nur eine Woche online und man mußte sich registrieren, um innerhalb dieser Woche einen Blick auf die Entwürfe zu werden.


    Diese Liste liesse sich ohne viel Aufwand weiterführen. Mit einer "ergebnisoffenen" debatte oder "Transparenz" hat das alles wenig bis gar nichts zu tun. Bei der Debatte um die Mühlendammbrücke erleben wir das Gleiche.


    Ich hätte mir, bei allen Meinungsverschiedenheiten, ewünscht, daß die verschiedenen Entwürfe zum MEF VOR Entscheidung der Senatskommission zur Auswahl eine breite Öffentlichkeit und Debatte finden. Genau das ist aber ganz offenkundig nicht gewünscht.

  • ^ Wow! Danke für die Aufklärung.


    Wenn das so stimmt, wie Du schreibst -- woran zu zweifeln ich keinen Anlass habe --, dann verstärkt das leider wieder einmal meinen Ekel vor Politik (der gegenüber aufrichtigen Politikern und Verwaltungsvertretern dann natürlich ungerecht ist).


    Es scheint so, als wenn hier Volksvertreter bzw. die von Volksvertretern beaufsichtigten Exekutivorgane panische Angst vor der Bevölkerung und ihren Vorstellungen haben. Das erinnert mich an meine Schule, eine weltanschaulich ausgerichtete Privateinrichtung, deren Lehrer immer in gesalbten Worten von der freien Entfaltung der Schüler gesprochen haben. Dabei hat nichts mehr Unruhe und Widerstand in der Lehrerschaft ausgelöst, als Versuche von Schülern, sich frei zu entfalten. Daher bin ich gegenüber solch ideologisch motivierten Blockaden auch immer so empfindlich.

  • wie sieht denn Dein ästhetisch und vor allem verkehrspolitisch überzeugender Vorschlag für die Reisebussfrage und überhaupt den gesamten Touristenverkehr aus? Oder beschäftigst Du dich auch lieber nur mit dem schönen Schein und um die wirklich dringenden realen Aufgaben sollen sich doch andere kümmern. Und wenn Sie das dann tun, müssen sie sich auch noch von Dir kritisieren lassen? Sorry, aber das ist mir echt zu snobistisch.

    Die Frage ging zwar an Bauaesthet, ich habe aber eine Meinung dazu. Ich würde es ähnlich wie in Florenz (und vielen anderen Städten) machen: Die Einfahrt von Bussen in die Innenstadt (also in einen definierten Bereich) kostet dort je nach Schadstoffklasse zwischen 225 und 360 EUR. Die Folge: Es gibt kaum noch Reisebusse in der Stadt, die geführten Touristengruppen kommen vielmehr von den häufig in angrenzenden Städten liegenden Hotels per Zug in die Stadt. In Berlin könnte man Bus-Parkplätze entlang der U5 und der Stadtbahn anlegen / vergrößern, so dass man schnell und bequem zu den Highlights in Mitte kommt.

  • Täglich Massen an Touristen aus dem Umland und von fern mit vielen Bussen direkt vor dem Humboldt-Forum vorfahren und die Busse für die Zeit der Kurzbesuche warten zu lassen kommt mir vor wie American Express Tours vor Urzeiten: à la „See Europe in 10 days!“ So etwas wäre doch nicht eine adäquate Tourismus-Werbung für das Humboldt-Forum? Natürlich soll das keine Unterstellung sein. Ich bin jedenfalls als unbedarfter Laie gespannt auf die Verkehrsplanung der Omnibus-Parkplatz-Kapazitätsberechnungsexperten.



  • Zitat von Bauaesthet

    ... Ich bin jedenfalls als unbedarfter Laie gespannt auf die Verkehrsplanung der Omnibus-Parkplatz-Kapazitätsberechnungsexperten.



    < Na toll, mehr hab' ich auch nicht erwartet von einem 'unbedarften Laien' ...



    ich sehe das größte Potential für Busparkplätze in der Breiten Strasse.

    oder in Tiefgaragen in den noch unbebauten Bereichen. Dann müsste man sich auch sehr beeilen. Es geht ja nicht nur um Touristenbusse für das HF. Nach Fertigstellung der Museumsinsel wird das DER kulturelle Hotspot in Berlin werden. Da muss man schon ein gutes Konzept haben um die Ströme zu leiten.

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • ... Es gibt kaum noch Reisebusse in der Stadt, die geführten Touristengruppen kommen vielmehr von den häufig in angrenzenden Städten liegenden Hotels per Zug in die Stadt. ...

    ... ich weiss nicht wo Du die Zeit vor Corona verbracht hast.... aber wenn ich mit meinem Rad am Wochenende auf der Museumsinsel unterwegs war, war diese vor dem Dom, vor dem Alten Museum und vor der Alten Nationalgalerie mit Bussen von überall her, total zugeparkt. Das war nun wirklich kein preiswürdiger Anblick und etwas worauf ich zukünftig sehr gerne verzichten würde.

  • ... ich weiss nicht wo Du die Zeit vor Corona verbracht hast.... aber wenn ich mit meinem Rad am Wochenende auf der Museumsinsel unterwegs war(...)

    Kleiner Klugschiss: Llewelyn meinte damit Florenz, nicht Berlin. :)