Suhrkamp-Verlagssitz (Rosa-Luxemburg-Platz)

  • Obwohl der Suhrkamp-Bau bereits seit ca. drei Monaten eröffet ist, ziehen sich keinere Arbeiten am Bau selbst, vor allem aber an der Freifläche davor, noch hin. Inzwischen sind aber wenigstens die Baucontainer weitgehend abgebaut, der Durchgang zwischen Torstraße und Rosa-Luxemburg-Straße dürfte bald geöffnet sein und die Arbeit an der Pflasterung bald beginnen. Hier einige aktuelle Eindrücke von gestern und heute:


    Gesamteindruck (von gestern) vom Süden, fast ohne störende Baucontainer:


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    Hier kann man den zukünftigen Durchgang zur Torstaße erkennen:


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    Die oben erwähnten Pflastersteine:


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    Und abschließend ein Foto der Nordseite von heute:


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    Alle Fotos von mir.

  • ^ Auf der To-Do-Liste für mich: Bilder des Hauses in der blauen Stunde machen. Sieht toll aus, wenn man die kühle Fassade im Kontrast zu den warm beleuchteten Büros mit den bunten Bücherwänden sieht.

  • Ich bleibe dabei, ich finde an diesem Projekt fast alles misslungen. Diese Unsitte, solche angedeuteten Scheibenhäuser (mir fällt kein besserer Ausdruck ein) an Kreuzungsecken zu setzen, ist eine der größten Fehleistungen des 70-er Jahre Städtebaus gewesen und man macht den Fehler hier wieder. Durch die Struktur der Kubatur gibt es keinen geschlossenen Block, zur Seitenstraße bleibt die gesamte Situation völlig verfranst und völlig strukturlos. Ich bin ehrlich, ich hasse es, wenn man Stadtraum so gewollt kaputt macht, nur um sein Gebäude noch mehr zu inszenieren.


    Jetzt kann man wieder sagen, der odysseus mit seiner Präferenz für den historischen Kram. Aber ich für mich muss sagen, dass z.B. die Gründerzeit gezeigt hat, wie man Ecksituationen betonen kann und trotzdem Rücksicht auf die Struktur der Stadt nimmt.


    Fern ab von der städtebaulichen Situation finde ich den Bau aber auch architektonsich völlig fade. Waschbeton und große Glasflächen. Wow. Lage nicht gesehen. Wie das altern wird, weiß man heute auch schon. Für mich hat der Bau nichts Innovatives, nichts wirklich Modernes, es könnte auch die Rückfront eines Anbaus am Kanzleramt sein. Ich weiß, wir sind hier in der architektonsichen Bewertung nicht immer einer Meinung, aber für mich vereint dieser Bau fast alles, was ich in den letzten 40 Jahren an dem, was oft als moderne Architektur verkauft wird, nicht mag.

  • Ich finde ja den Suhrkamp-Bau äusserst gelungen. Es ist ein Freude auf der gegenüberliegende Seite einen wirklich hervorragenden Falafel zu essen und dem Treiben vor dem Verlagsgebäude zuzuschauen. Das wird sich im den wärmeren Monaten und nach Fertigstellung des Platzes und der Gastronomie noch verstärken. Zusammen mit dem L40 ergibt sich ein hervorragende städtbauliche Situation, die zum Verweilen einlädt. Das passiert im Übrigen schon längst.

    Hier an dieser Stelle ist ein Schließen des Blockrandes weder erwünscht, noch notwendig.


    Nach Einbruch der Dunkelheit beginnt das neue Suhrkamp-Gebäude am Rosa Luxemburg Platz zu leuchten und kehrt sein Inneres nach Aussen. Man kann dann von der Strasse aus in den Verlag hineinschauen. Wunderbar

  • Wichtig ist, dass die Brandwände abgedeckt werden und kein Abstandsgrün entsteht. Der Bau wirkt nicht destruktiv auf die Umgebung, im Gegenteil.


    Wenn man den Vergleich zum Schönhauser Tor gegenüber und der Ecke schräg gegenüber zieht, dann sieht man, dass Blockrand nicht alles ist, wenn die Details schwach sind. Zum Glück hat man sich bei diesen Bauten im unteren Mittelmaß an den Blockrand gehalten.

    Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass man den Blockrand öffnen kann, wenn man über den Standard hinaus geht und sich etwas Mühe gibt. Es sollte die Ausnahme bleiben.

  • Ich finde die Nordseite wirklich nicht gelungen und bin enttäuscht, weil mir das brutalistische Pendant gegenüber wirklich gefällt und ich mir mehr erwartet hätte (wenn es dieselben Architekten sind?). Ich versuche mir auch zu erschließen, wie das mit der funktionalen Nutzung alles zusammen passt: der Flügel an der Linienstraße - sind das Wohnungen? Die zwei Balkons zur Hofseite - an den Chefbüros? Lektorat zur (ruhigeren) Hofseite? Andere Funktionen zur (lauteren?) Torstraße? Sind die riesigen Fenster getönt oder werden die Jalousien zumindest an der Südseite tagsüber immer geschlossen sein?

  • ^Ja, es sind die selben Architekten. Ja, an der Linienstrasse werden es Wohnungen, bzw Appartements sein. Nein, das Glas ist nicht getönt.

    Ich konnte bisher keine vollständige Verschattung der West-Seite beobachten und was die innere Struktur betrifft, kann ich leider keine Aussage machen.


    Mir gefällt insgesamt die Schaffung eines kleinen Platzse auf beiden Seiten der Linienstrasse, was wiederum dazu führt, dass die beiden Bundschuh-Gebäude als Torgebäude wahrgenommen werden könnten.

  • Ich finde die Nordseite wirklich nicht gelungen und bin enttäuscht, weil mir das brutalistische Pendant gegenüber wirklich gefällt und ich mir mehr erwartet hätte (wenn es dieselben Architekten sind?)

    Ich habe mir mal die "Rezeptionsgeschichte" des L40 hier im Forum angeschaut und fand den Verlauf der Debatte interessant. Sie begann mit einhelligen Verurteilungen.


    ("Absurd häßlicher Naubau Linienstraße 40" #17, "ein völliger Fremdkörper" #23, "städtebaulich eine ziemliche Katastrophe" #51, "ein wahrhaft groteskes Zeugnis modernistischer Architektur. Ein städtebaulicher Super-Gau." #54) Erst relativ spät tauchten einige positive Stimmen auf. ("Dieses Objekt ist eine Bereicherung, ganz klar" #53; "Was man bisher sieht, wirkt städtebaulich recht verträglich" #55)


    Im Zuge der Fertigstellung wich die vorwiegende Verurteilung zunehmend einer Polarisierung.

    ("Das Haus am Rosa Luxemburg Platz wird entrüstet... der sichtbare Teil wirkt schon sehr spannend und inspirierend." #75; "Stimmt. Ich bin heute auch dran vorbeigefahren. Sah' aus wie ein Atlantikwall-Bunker. Wann werden denn die Geschütze montiert?" #76; "Atlantikwall-Bunker meets Le Corbusier, trifft es eher, finde ich. "Schön" in einem gefälligen Sinne ist das sicher nicht, ich finde es aber trotzdem ziemlich spannend." #92)

    Nach Fertigstellung wurde die Tatsache, dass der Bau polarisiert, positiv bewertet (#90) und überhaupt überwogen mehr und mehr die positiven Stimmen:


    ("Neo-Brutalismus. Dennoch ragt [der Bau] künstlerisch weit über z.B.die 90-Jahre-Bauten auf der gegenüberliegenden Straßenseite hinaus" #94; "Von hinten kann ich mit dem Gebäude eigentlich auch gut leben." #101; "Nach der vollständigen Enthüllung des Klotzes gefällt er mir auf einmal ganz gut. #103; "Man muss sich den Bau mal von Nahem ansehen, der Beton ist besonders an den Kanten sehr gut verarbeitet." #105; "Ich bin vor ein paar Tagen schon dort vorbeigekommen und war positiv überrascht" #106)


    Ich selbst schrieb dazu: "Genau aufgrund dieser Verbindung aus Kontrast und Anpassung ist es leicht vorauszusehen, dass das L40 schon sehr bald familiarisiert und selbst für konservative Geister als perfekt passendes und zur Vielfalt beitragendes Gebäude wahrgenommen wird" #129 , und etwas Ähnliches wage ich auch für den Suhrkamp-Bau vorauszusagen.


    Zwar polarisierte das L40 mehr durch seine Architektursprache, während beim Suhrkamp-Bau mehr die Durchbrechung des Blockrands für anhaltende Kontroversen sorgt. Anders als im modernen Zeilenbau, der tatsächlich stadtraumzerstöreisch war und gerade deswegen die Sehnsucht nach Blockrandbebauung erzeugte, schafft die partielle Durchbrechung des Blockrands hier einen attrativen Stadtraum. Wenn dieser Raum erst einmal fertigestellt ist, man unter Bäumen wird sitzen können, abgeschirmt von der Torstraße und mit direkter Sonne im Erdgeschoss selbst an den kürzesten Tagen des Jahres, wenn man das Treiben an dieser sehr urbanen Ecke beobachten kann, werden auch manche der jetzigen Gegner das erleben und dem Bau positiver gegenüber stehen können. Und vielleicht werden sie sogar auf den Gedanken kommen, dass Blockrandbebauung in der Regel zu befürworten ist, aber es auch hier die Ausnahme ist, die diese Regel bestätigt, weil ohne Ausnahmen die Regel zum abstrakten Dogma erstarrt, das dem Städtebau ebenso wenig gut tut wie ständige Regelverletzungen.

    Einmal editiert, zuletzt von ElleDeBE ()

  • Ich bleibe dabei, ich finde an diesem Projekt fast alles misslungen.

    Für mich ist der Suhrkamp-Bau sogar eines der schockierendsten Neubauten in Berlin überhaupt der letzten vielleicht 10 Jahre. Das liegt allerdings auch daran, dass ich von einem Suhrkamp-Hauptsitz mehr erwartet habe und ich die Straßenkreuzung ganz generell als sehr unwirtlich empfinde, ich mir daher gerade an dieser Stelle eine Verbesserung der Gesamtsituation gewünscht hätte. Der Schock liegt also zum Teil auch an den höheren Erwartungen, die ich hier gehabt habe.


    Die Seite zur Tostraße hin sieht für mich aus wie der Sitz einer Ingenieursgesellschaft oder die Niederlassung einer Betriebkrankenkasse in einer mittleren Stadt (passend dazu die Bimmelbahn davor mit ihrem Oberleitungswirrwar). Hier hat man eine primitive Gestaltung mit brutaler Dominanz gepaart. Die schmale Seite zur Rosa-Luxemburg-Straße wird an ihrem Sichtbeton-Abschnitt bald von oben mit Schmutzfahnen und von unten mit Graffiti verunstaltet werden. Wenn man das letzte Foto in Beitrag #282 sieht, könnte man meinen, das Haus wäre um einen alten Hochbunker aus dem zweiten Weltkrieg gebaut worden, den man aus Kostegründen (oder warum auch immer) nicht abreißen wollte. Zu diesem Eindruck trägt wohl bei, dass die Kanten (die horizontalen Enden) der Betonplatten nicht mit den Etagen übereinstimmen (was ganz allgemein nicht schlecht sein muss).


    Die südliche Seite hat eine Gestaltung, die ich zumindest als "ganz interessant" bezeichnen würde. Wenn nur die Sichtbeton-Abschnitte in dem kleinen Flügel nicht wären, der nach Süden führt.


    Bei dem zweiten Foto von #281 habe ich das Gebäude nicht gefunden und dachte zunächst, der Gebäudeteil links neben dem Altbau ist ein Plattenbau, bei dem die Balkonbrüstungen wegen Baufälligkeit abgeschlagen und durch Behelfskonstruktionen ersetzt wurden. Erst das erste Foto von #282 zeigt, dass es sich hier tatsählich um den Neubau handelt. Wohl auch, weil man von der Seite die Gitterstäbe nicht als solche erkennt (zumindest nicht auf dem Foto), erinnert mich dieser Gebäudeteil aus dieser Ansicht einfach nur an Plattenbauten, wie sie mir bei meinen Radtouren in Frankfurt / Oder, Fürstenberg oder Brück-Ausbau begegnen.


    Insgesamt finde ich das alles sehr niederschmetternd.

  • Genau so sieht es aus.


    Das Grundstück ist ein Nachbar der Berliner Volksbühne. Es liegt mitten im kreativen Berlin. Der Baugrund dürfte zu den teuersten der Republik gehören.


    Die Erwartungen an Suhrkamp sind gerechtfertigt, denn der Verlag zählt zu den wesentlichen im deutschsprachigen Raum. Als Kulturproduzent ersten Ranges müsste der Verlagssitz baukulturell einen Ruf verteidigen. Das hat man verpasst.


    Suhrkamp im neuen Sitz ist so als würde Julia Roberts bei Lidl kaufen oder Harald Schmidt plötzlich "Mario Barth"-Witze reißen. Was mich am meisten erschüttert ist, dass es keine vernichtende Architektur- Kritik über diesen verkorksten Neubau zu geben scheint.


    (Ich bin übrigens durchaus ein Freund des L40 Baus gegenüber, der in sich schlüssig brutalistisch daherkommt )

    2 Mal editiert, zuletzt von Arty Deco ()

  • Ich denke, was beim Suhrkamp-Bau wieder mal auffällt, ist die Unfähigkeit ein schlüssiges Ensemble zu schaffen. Was der Architektur der letzten Jahrzehnte zumeist völlig abgeht, ist die Fähigkeit, ein harmonsiches Miteinander zu schaffen und dabei trotzdem eine eigene Individualität zu entwickeln. Auf dem letzten Bild von ElleDeBE sieht man doch schon wieder, wie zusammengewürfelt und diffus das Gesamtbild aussieht. So einen fehlenden Raumeindruck gibt es in Gründerzeitvierteln oder in Fachwerkstädten einfach nicht.


    Und auch wenn ich ElleDeBE dankbar für die Fotos bin, muss man doch schon fragen, warum man schon jetzt eingestellte Fotos mit Filtern und Schwarz-Weiß-Effekten aufhübschen muss. Ein guter Bau sollte aus sich heraus einen Stadtraum tragen. Egal ob das Wetter gut oder schlecht ist, egal ob es hell oder dunkel ist, egal ob ein Bau ein Tag oder 10 Jahre alt ist. Auch das gehört zu den Kriterien für gute Architektur. Und Bauten, die diese Kriterien guter Architektur erfüllen, haben Filter und Fotobearbeitung gar nicht nötig.

    3 Mal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • ^ Ach Odysseus, es ist müssig Dir gefällt der Bau nicht. OK.

    Aber ganz ehrlich, du liegst mit deinen Einschätzungen genau so weit daneben wie auch beim romantischen Museum in Frankfurt. Und zwar meilenweit. Da willst Du den Leuten auch in epischer Breite erklären, warum der Bau ganz gewiss miserabel ist. Und je mehr der Bau entblättert wird, desto mehr zeigt sich seine Schönheit, seine feinen Details. Diese zu erkennen gelingt halt nicht jedem. Macht ja nichts. Die Zustimmung steigt mit jedem Schritt der Fertigstellung. Dein Abgesang, wie auch hier, läuft ins Leere.

    Das Ensemble des neuen Suhrkampgebäudes jedenfalls ist harmonisch. Ist mir schleierhaft, wie man das nicht erkennen kann. Aber mach mal, die Zufriedenheit der Verlagsleute stößt sich nicht an deinen Tiraden. Und die der da Wohnenden auch nicht. Gott sei Dank.

    Einmal editiert, zuletzt von DerBe ()

  • Dein Abgesang, wie auch hier, läuft ins Leere.

    ^Nur in so fern, als der Bau ja eine gebaute Tatsache ist. Aber eine andere Meinung zu haben, ist doch noch ok?
    Ich kann mich an den Vorzustand erinnern, den Kiosk und die versiffte Brache - das war nicht schön, und der Zustand jetzt ist besser.

    Ist es das beste aller möglichen Resultate? Finde ich schwierig, mich dem anzuschließen. Die Torstraße scheint als Hinterhofseite gedacht worden zu sein. Vielleicht hat sie ja noch feine Details in petto, die dem Entblättern harren, da lass ich mich überraschen. Ich kann weder mit Kubatur noch der Blechfassade etwas anfangen. Das bezieht sich auf den Eindruck von außen und auf die Nordseite; wie das ganze von innen wirkt und funktioniert, interessiert mich, und wenn meine Frau das nächste mal hin muss, geh ich mit.

    Mit der Hofseite versuche ich mich anzufreunden, Harmonie sehe ich nicht, auch nicht in der Ensemblewirkung. Ich finde den Verbindungsbau zu niedrig, aber das mag der sonst eingetretenen Verschattung des Nachbarhofes geschuldet sein. Ich kann Odysseus da durchaus verstehen, bin aber auch mangels 'dort Wohnens' oder beim Verlag Arbeitens, unzureichend qualifiziert.

    Einmal editiert, zuletzt von Cavendish ()

  • Und auch wenn ich ElleDeBE dankbar für die Fotos bin, muss man doch schon fragen, warum man schon jetzt eingestellte Fotos mit Filtern und Schwarz-Weiß-Effekten aufhübschen muss.

    Ich habe die Bilder mit einer Smartphone-Kamera ohne Filter geschossen, etwas nachbearbeitet und dabei schwarz/weiß gewählt, weil die Struktur besser sichtbar wird (und das etwas Abwechslung schafft). Ich denke nicht, dass schwarz/weiß ein unerlaubtes Beautydoping darstellt. Hier eines der von mir geposteten Bilder in Farbe zum Vergleich:


  • Durch die Struktur der Kubatur gibt es keinen geschlossenen Block, zur Seitenstraße bleibt die gesamte Situation völlig verfranst und völlig strukturlos. Ich bin ehrlich, ich hasse es, wenn man Stadtraum so gewollt kaputt macht, nur um sein Gebäude noch mehr zu inszenieren.

    Ein ungerechter Vorwurf, finde ich. Wenn Du Dir mal einen Schwarzplan oder ein Luftbild der Gegend anschaust, siehst Du, dass der Suhrkampbau genau die städtebauliche Struktur des Luxemburg-Platzes aufnimmt. Der hat an seinen Außenseiten Blockrand-Bebauung und nach innen Gebäude, die im 90-Grad-Winkel zueinander und im 45-Grad-Winkel zur Straße stehen, wodurch sich der große Platz mit der Volksbühne im Zentrum in eine Abfolge kleinerer Plätze auflöst. Exakt dieses Muster setzt der Suhrkampbau mit seinem begrünten Vorplatz fort – und greift damit gleichzeitig sein Pendant auf der anderen Seite des Dreiecks, Torstraße/Ecke Weydingerstraße, auf (der ist nur leider nicht schön gestaltet).


    Obwohl ich eigentlich Blockrandfreund bin, gefällt mir das Ergebnis an dieser Stelle sehr gut. Es ist ein würdiger Abschluss des gesamten Ensembles. Dir muss es natürlich nicht gefallen, die Geschmäcker sind verschieden. Dein apodiktische Urteil von der gewollten (!) Zerstörung des Stadtraums schießt aber übers Ziel hinaus.* Misslungen finde ich nur den – tatsächlich bunkerartigen – Übergang zwischen Suhrkamp- und Bestandsgebäude in der Torstraße. Aber sonst? Wenn auch noch das leere Grundstück in der Zolastraße bebaut wird, ist die Torstraße an diesem Ende fertig.


    * Stadtzerstörung im Wortsinne fand hier statt, als der Magistrat das alte Scheunenviertel niederreißen ließ, wodurch zunächst ein riesiges Loch entstand, aus dem binnen Jahrzehnten erst ein Platz wurde. Aber das war 1907, und damals war ja noch alles gut... :/

  • Suhrkamp im neuen Sitz ist so als würde Julia Roberts bei Lidl kaufen oder Harald Schmidt plötzlich "Mario Barth"-Witze reißen. Was mich am meisten erschüttert ist, dass es keine vernichtende Architektur- Kritik über diesen verkorksten Neubau zu geben scheint.


    Der grosse Erfolg von Aldi und Lidl liegt auch darin begründet, dass sie es geschafft haben, nicht als 'billige' Prollläden wahrgenommen zu werden, und man sich schämen muss, ertappt zu werden dort einzukaufen. Milliionäre ums mal platt auszudrücken kaufen dort auch ein ohne sich um ihr Image zu sorgen, ebenso waren die ganzen Polenwitze von Harald Schmidt inhaltlich bestimmt ziemlich nah dran an Mario Barth und intellektuel eher weniger anspruchsvoll.

    Also gehen diese Vergleiche ziemlich ins Leere.

    Ich denke, es gibt keine vernichtende Architektur Kritik am Suhrkampbau, nun ja, weil es halt nichts Vernichtendes daran zu kritisieren gibt. Ganz einfach.

  • Es gibt deswegen keine aktuelle Kritik, weil die Kritiker sich in den letzten 15 Seiten bereits zur Genüge ausgelassen haben. Da waren durchaus auch richtig beißende Leckerbissen dabei. Frei zitiert fallen mir diverse Bösheiten ein wie: "Gebäude zeigt gesellschaftliche Entfremdung" :D oder "Hat mehr von Karosserie als von Architektur." :D


    Der Suhrkamp Neubau ist nicht das Problem. Viel mehr Sorge bereitet mir die Tatsache, daß nach so langer Zeit dieser Thread immer noch ganz oben ist im Forum? Gibt es in Berlin keine anderen Projekte, über die man reden kann?

  • Aber ganz ehrlich, du liegst mit deinen Einschätzungen genau so weit daneben wie auch beim romantischen Museum in Frankfurt. Und zwar meilenweit. Da willst Du den Leuten auch in epischer Breite erklären, warum der Bau ganz gewiss miserabel ist. Und je mehr der Bau entblättert wird, desto mehr zeigt sich seine Schönheit, seine feinen Details. Diese zu erkennen gelingt halt nicht jedem. Macht ja nichts. Die Zustimmung steigt mit jedem Schritt der Fertigstellung. Dein Abgesang, wie auch hier, läuft ins Leere.Ich denke, man sollte hier in der Bewertung dieses Baus mal etwas abrüsten.

    Wenn man hier die Kommentare so liest, könnte man meinen, hier wäre eine zweite Elbphilharmonie entstanden. Und in einem Forum gehört es auch dazu, dass man unterschiedliche Meinungen darlegen kann und diese auch differenziert begründet. Das versuche ich bei allen Projekten zu denen ich Stellung nehmen, nämlich im Detail zu erklären, warum ich etwas für gelungen halte oder warum nicht.


    Ich war letztes Jahr in Leipzig und wenn man sich da die noch stehenden Verlagshäuser wie das Reclamhaus anschaut, dann spielt das zumindest für mich in einer anderen Liga. Und ich wehre mich auch dagegen, dass von einigen hier suggeriert wird, dass der Bau jetzt, wo er entblättert ist, als kritiklos hinzunehmen ist und dass er auf einer Welle der Euphorie reitet. Wenn ich mir die Likezahlen anschaue, dann ist die Beurteilung selbst hier im Forum 50:50. Eine ungeteilte Zustimmung zu diesem Bau kann ich darauf nicht ableiten.


    In diesem Kontext sei vielleicht nochmal dene Baukulturbericht 2019 hingewiesen, den ich hier bereits dargelegt hatte:

    Baukulturbericht 2019 - Rekonstruktionen und ihre öffentliche Wahrnehmung - 80 % der Bevölkerung sind dafür


    Was hier im DAF oder in der Fachpresse diskutiert wird und was von DerBE als Mehrheitsmeiung verkauft wird, gibt es in Wahrheit doch gar nicht. Die Präferenz für Bauten wie es das Suhrkampverlagshaus ist, ist eine rein fachgeleitete, die sich aus dem Feuilleton, dem universitären Bereich der Architektur, der Architektenschaft und in Teilen aus dem politischen Sektor herleitet, der von diesen Gruppen beraten wird. 80% der normalen Menschen sprechen sich für Rekos aus, auch wenn darin eine völlig andere Nutzung stattfindet. 80%! Diese Ansichten kommen doch nur zustande, weil man mit der aktuellen Ausrichtung und Gestaltung unserer Städte völlig unzufrieden ist.


    Ich wette 100 Euro, dass bei einer repräsentativen Bürgerbefragung bei der Auswahl zwischen dem Suhrkampgebäude und einem durchschnittlichen Gründerzeitbau der Gründerzeiteckbau mit 70 bis 80% in der Präferenz vorne liegen wird. Und dies liegt nicht mal darin, dass die Gründerzeit so mega gut war, sondern darin, dass der moderne Städtebau keine hinreichend zufriedenstellende Antwort auf die Weiterentwicklung unserer Städte gefunden hat, die von einer breiten gesellschaftlichen Basis getragen wird.


    Der einzige Grund, warum man immer noch so baut, ist doch die Tatsache, dass Architektur ein sogenanntes weiches Thema ist. Ein Gebäude mag einem nicht gefallen, aber man geht dafür in der Regel nicht auf die Straße. Wäre es kein weiches Thema, sondern würde es die Relevanz haben wie heute das Klima, Arbeitslosigkeit, Renten oder Atomkraft, für die Moderne in der heutigen Form wäre schon in den 70-ern Schluss gewesen. Zu meinem Bedauern haben viele Menschen leider noch nicht erkannt, wie bedeutsam eine "schöne Stadt" auch für das eigene Wohlbefinden sein kann und wie verfehlte Stadtbaupolitik auch langfristig harte Faktoren wie Arbeitslosigkeit und Zukunfsfähigkeit einer Stadt beeinflussen können.


    Somit bleibe ich dabei. Dieser Bau vereint in der Summe alle größeren und kleinern Fehler, die die moderne Städtebau- und Architekturentwicklung in den letzte 40 Jahren durchgemacht hat. Dankenswerterweise hat ElleDeBe noch ein weniger bearbeitetes Foto eingestellt. Man schaue sich nach nur ein paar Wochen an, wie durch Witterungseinfluss bereits jetzt Stockflecken an den Betonflächen entstehen. Von dieser Problematik weiß jeder, seit es den Werkstoff gibt. Jeder weiß, wie das in 10 Jahren aussieht. Dass man es trotzdem immer wieder versucht, gegen alle Naturgesetze, zeugt eher von Überheblichkeit als vor Respekt gegenüber Werkstoffen. In einer Zeit, wo alle das Thema Nachhaltigkeit wie ein Mantra vor sich hertragen, sollte man auch hier mal überlegen, ob Waschbeton, riesige Glasflächen und dergleichen wirklich die richtigen Werkstoffe sind, ober ob natürliche und beständigere Werkstoffe nicht die bessere Idee wären.

    2 Mal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • Odysseus: Ich persönlich bezweifele immer noch, dass sich überhaupt 80% der Bevölkerung für dieses Thema interessiert, es folglich mehr um die Fragestellung geht und man möglicherweise auf ganz andere Ergebnisse käme, wenn man dies wollte. Ich gehe sogar soweit, dass keine 50% der Bevölkerung Gründerzeit von Bauhaus unterscheiden können, ohne dass ihnen die Antwort in den Mund gelegt wird! Woher kommen also so hohe Zustimmungswerte bei Fachthemen? Das liegt wahrscheinlich daren, dass man den Befragten zwei Fotos vorlegt und fragt: Was finden sie schöner? Da kann sich jeder die Antwort denken und man kann sich Umfrage auch sparen!


    In der von dir genannten Quelle geht es m.E. auch nicht um die Rekonstruktion von Wohngebäuden, sondern um die Highlights wie die Frauenkirche oder das Berliner Schloss. Es geht also nicht darum, ab man besser anstatt des Suhrkamp Baus ein Gründerzeithaus aufgebaut hätte und schon gar nicht um eine Zustimmung, wieder alte Stilepochen zu bauen.


    Grundsätzlich sind wir aber, glaube ich, alle einig und das wäre dann auch hier im DAF eine gemeinsame Basis, dass gut erhaltene Altbauten erhaltenswert und schön sind! Darüber besteht wohl kein Zweifel.


    In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!