Okay, einen Monat habe ich die Klappe gehalten, das hilft aber auch nicht. Ich halte dieses wohlfeile "böse, linke Politik"-Gebashe hier einfach nicht aus. Da kauft ein Finanzinvestor ein leerstehendes Gebäude und will es abreißen lassen, weil er sich von einem Neubau eine höhere Rendite verspricht. Das ist weltweit Usus in einer Epoche der Investoren-Architektur, deren einzig wirklich relevanter Faktor nun einmal die Verwertbarkeit ist (was mit der Logik des Systems zu tun hat, nicht mit individueller "Gier"). Man schaue nach New York, London, Hongkong oder auch Frankfurt: Überall verschwinden Gebäude, die erst ein paar Jahrzehnte alt sind, zugunsten von Neubauten, deren Halbwertzeit eher noch kürzer sein wird. Nennen wir es "Produktzyklen".
Davon liest man hier aber kein Wort. Wer ist Schuld? Wahlweise eine angeblich besonders heruntergekommene Berliner Baukultur, der Senat im Allgemeinen, Frau Lüscher im Besonderen oder (neuerdings) auch Frau Lompscher von der "SED-Riege" (Konstantin). Dass sie mit diesem Projekt nicht das Geringste zu tun hat - so what? In einem Zeitungsartikel mit Lompscher-Zitaten wird das Gebäude nicht erwähnt (vermutlich, weil der Autor nicht danach gefragt hat) - und das reicht dem werten Pumpernickel schon, um in der vermeintlichen Ignoranz der vermeintlichen Freunde von "VEB irgendwas" das Problem dingfest zu machen.
Die famose Wirtschaft kann dagegen schon deshalb nicht das Problem sein, weil sie immer die Lösung ist. Wenn sie überhaupt erwähnt wird, dann in Sätzen wie "Der Senat hat keine Ahnung von Wirtschaft" oder "Der Senat hat nicht einmal die Grundregeln von Angebot und Nachfrage verstanden." Dabei müsste doch jedem, der diese Regeln selbst verstanden hat, klar sein, warum dieses Gebäude abgerissen wird: Die Büros darin sind 30 Jahre alt, und neugebaute Büros auf dem Stand von Technik, Raumaufteilung, Innenausstattung etc. lassen sich besser vermieten oder verkaufen. Es besteht keine Nachfrage nach holzgetäfelten Eingangshallen mit Deckengemälde, also verschwindet das entsprechende Angebot. Außerdem lässt sich auf mehr Etagen mehr verwertbare Fläche unterbringen. That's it.
P.S.: Es tut mir sehr leid um das Gebäude. Ich mag es, und es ist ein Jammer, dass es verschwinden soll. Der Entwurf von Grüntuch-Ernst hat nur einen Vorteil: Wenn er in 30 Jahren selbst zum Abriss freigegeben wird, ist das nichts, worum man trauern müsste.
P.P.S.:
Zitat von PumpernickelStattdessen will sie ausgerechnet das Hochhausprojekt hinterm "Haus des Lehrers" stoppen, damit das städtebauliche Niemandsland rund um den Alex auch weiterhin "Kraut und Rüben" bleibt?!
1. Hinter dem Haus des Lehrers ist kein Hochhaus geplant, es geht um das Haus des Reisens.
2. Auch hinter dem Haus des Reisens kann Lompscher kein "Projekt stoppen", weil es keines gibt. Es gibt lediglich den überarbeiteten Kollhoffplan, der dort ein Hochhaus "in zweiter Reihe" vorsieht - also nicht an der Alexander- sondern an der Otto-Braun-Straße.
3. Lompscher kritisiert diesen Teil des Kollhoffplans, weil er seine eigene städtebauliche Logik durchbreche - sie will also eigenen Angaben zufolge "Kraut und Rüben" nicht erhalten, sondern deren Übertragung in die nächste Generation verhindern.
Man hätte nun zwei Möglichkeiten:
1. Den Leuten vertrauen, die Lompscher für eine kompetente Frau halten, und sich ihre Argumente wenigstens mal unvoreingenommen anschauen. Man könnte dann feststellen, dass sie gar nicht so unrecht hat - oder auch, dass sie sehr wohl unrecht hat. Zustimmung und Ablehnung könnte man dann jeweils inhaltlich begründen.
2. Sich Konstantin anschließen, wonach hier eine "SED-Riege" am Werke sei, der es einzig um den Erhalt von DDR-Kram geht, Lompschers städtebauliche Argumente ohne den Ansatz einer Betrachtung als vorgeschoben abtun und einfach fröhlich draufloshauen.
Das Bittere an diesem Forum ist: Selbst wenn man, wie Pumpernickel in diesem Fall, nicht einmal weiß, um welches Grundstück es eigentlich geht, ist einem breite Zustimmung sicher, wenn man sich für die zweite Möglichkeit entscheidet.