Gentrifizierung in Berlin

  • Sozialismus 2.0?

    Die MoPo berichtete über die Gedankenspiele, den privaten Wohnungsmarkt in Berlin möglichst abzuschaffen - wenn man durch Mietendeckel, Zwangs-Mietsenkungen usw. die Wirtschaftlichkeit kaputtmachen würde, könnte man etliche nicht selbst genutzte Wohnungen billig aufkaufen, notfalls enteignen. Ein SPD-Experte meint, Lompscher habe nie beabsichtigt, den Wohnungsmangel zu bekämpfen, sondern würde für ideologische Einfälle gar die verschärfte Wohnungsnot in Kauf nehmen. Es wird angeregt, die Senatorin zu entlassen.


    So zum Vergleich - gerade sah ich einige TV-Reportagen über Nordkorea, wo die Bauern inzwischen einen Teil der Ernten selber verkaufen dürfen. Laut Vertrauten denke der Große Anführer über marktwirtschaftliche Reformen im Stil Chinas nach (solange seine Macht absolut bleibt). Damit kehrt selbst das allerletzte sozialistische Land des Planeten vom Sozialismus ab - umso bitterer die Ironie, wenn gerade in der Berliner Wohnungswirtschaft der Sozialismus eingeführt werden sollte.

  • ^Bislang halte ich wenig bis nichts von der (Anti-)Baustrategie der Regierung. Es müsste längst in ganz anderen Größenordnungen gebaut werden.


    Allerdings muss ich ehrlich zugeben, dass ich den aktuellen Mut durchaus bewundere. Lompscher und Co legen sich nicht nur alibimäßig mit dem Markt an, sondern wollen ihn scheinbar massiv zähmen. Das muss absolut nicht gut gehen aber immerhin tut/ (bzw. zunächst) versucht man, wofür man gewählt wurde. Ähnlich wie auch in der Verkehrspolitik will man aktiv gestalten. Dass so etwas nie allen passt, ist klar. Spannend und entscheidend wird natürlich, was da am Ende wirklich raus kommt. Ich beobachte das sehr genau.


    OT: Extrem positiv und lange überfällig finde ich auch, dass unser Parlament künftig deutlich mehr arbeitet. Wenn man endlich mal auch die ganzen Behörden in Schuss bekommt, kann Berlin insgesamt deutlich voran kommen, egal wer dann gerade regiert.

  • ^ Auch wenn es manchen nicht gefällt, Marktmechanismen gibt es so naturgemäss wie die Schwerkraft - wie kann man die Schwerkraft "zähmen" wollen? Versuche des Mogelns führen zu Situation wie etwa in Wien, wo man zwar als Bestandsmieter billig wohnen kann, aber nicht neu einziehen - in einer 2-Millionen-Stadt gibt es nicht mal 2000 neue Einzüge im Jahr.


    Der verlinkte SPON-Artikel berichtet von einer Obergrenze von 9,80 EUR/Qm für Neuvermietungen (Lompscher wollte zuerst nur 8). Bereits vor Jahren wurde nachgerechnet, dass Neubau-Kosten einer Kaltmiete von 10-12 EUR/Qm entsprechen, seitdem wurde alles teurer. Damit müsste man behämmert sein, in Berlin noch Wohnungen mit Verlust zu bauen (was der Artikel auch erwähnt). Nicht nur als Privatvermieter, auch Wohnungsbaugenossenschaften - woher sollten sie Geld zum Quersponsern nehmen?


    Dazu noch dieser Welt-Artikel zum Thema, dass ähnliche Konzepte bereits mehrmals gescheitert sind. Ehrlich gesagt: Ich habe keinen Mitleid, wenn man freiwillig eine Verschärfung der Wohnungslage wählt, wird hoffentlich das Berliner Desaster für die anderen Länder frische Mahnung sein.


    BTW: Ich wohne selber bei einer Wohnungsbaugenossenschaft - meine Wohnung im 70 Jahre altem Haus ist billig, aber welche in Neubauten kosten um 12 EUR/Qm, weil dies die Neubau-Kosten eben ergeben - das kann man nicht "zähmen" oder wegmogeln.

  • ^ Auch wenn es manchen nicht gefällt, Marktmechanismen gibt es so naturgemäss wie die Schwerkraft - wie kann man die Schwerkraft "zähmen" wollen?


    Nö, die Schwerkraft gibt es seit dem Urknall, sie ist eine Naturkonstante – der Markt erscheint nur so. Es gibt ihn, wie wir ihn heute kennen, vielleicht seit 200 oder 250 Jahren. Und er hat sich nicht von allein so entwickelt, sondern ist das Produkt politischer Weichenstellungen im 18. Jahrhundert (vgl. z.B. K. Polanyi, The Great Transformation). Ihn als eine Art gesellschaftliche Naturkonstante zu betrachten (wie die neoklassische Theorie es tut), ist ahistorischer Unfug.


    Aber Sie haben natürlich recht, dass Marktmechanismen heute sehr wirkmächtig sind. Deshalb halte ich zwar einen – moderaten – Mietendeckel im Bestand für sinnvoll, nicht aber für Neubau-Wohnungen. Gemeinnützige Anbieter wie Genossenschaften, denen es ohnehin nicht um den Gewinn geht, sollten ausgenommen sein. Mal abwarten, wie das Gesetz am Ende aussieht. Ich glaube, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

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  • So wie ich das verstanden habe, sind Neubauten die seit 1. Januar 2014 bezugsfertig sind, vom Mietdeckel ausgenommen...


    Wie u.a. hier nachzulesen:


    https://stadtentwicklung.berli…/mietendeckel/index.shtml


    Wenn wir Konsumenten Marktmechanismen als naturgemäß betrachten, könnten wir die kleine Schummelei bei Dieselfahrzeugen in der Autoindustrie vermutlich als naturgemäßen Kollateralschaden in der Autoevolution sehen.

    3 Mal editiert, zuletzt von TwistedRoad ()

  • Bedrohter Standort Uferhallen

    Geehrte Mitforisten,


    wir sind ein Verein von ca 100 Künstler und im künstleren Umfeld angesiedelten Gewerbe, deren Atelierstandort von der Augustus Kaptitallgesellschaft, aka Alexander Samwer, aufgekauft wurde. Die Stadt hat sich inzwischen eingeschaltet, und ist bemüht, Wege zu finden, um den Atelierstandort zu erhalten. Die Investoren haben schon verstanden, das sie ein Feigenblatt an kultureller Nutzung stehen lassen müssen, da das ganze Areal unter Denkmalschutz steht, und kein Bebauungsplan vorhanden ist. Die Investoren streben aber eine massive Verdichtung des Areals an. Sogar Bauten in mit knapp 2 stelliger Geschosszahl sind angedacht. Allerdings eher nichts Elegantes, sondern eher 45m Rendite-Stümpfe. Das zeichnende Baubüro ist Ortner und Ortner, die uns schon eine Einführung in das anstehende Bauprojekt gegeben haben.
    Uns Betroffene ist aber klar, die Samwers, oder Alexander Samwer eher zur harten Sorte von Investoren gehören.


    Noch einmal zum googeln: Das Gelände heisst Uferhallen, wir hatten gerade eine grosse Ausstellung mit den Ttel "Eigenbedarf" dort organisiert.


    Ich wende mich an dieses Forum, weil uns jede Expertise über die Investoren, das Baubüro, Bau und Sanierung, Tipps, eigentlich alle Art von Infos willkommen sind. Ich halte bewusst diese Anfrage allgemein, weil ich erst einmal sondieren möchte, ob Überhaupt ein Interesse an dieser Thematik besteht.
    Diesen Beitrag erstelle ich als Privatperson.

  • Meine Erfahrung mit solchen Situationen:


    - Die eine Seite fühlt sich bedroht und reagiert mit absoluter Ablehnung, Protest, Demonstration.


    - Die andere Seite reagiert rational und relativ kalt, zahlenfokussiert und erhöht den Druck bzw pocht auf geltendes Recht.


    Die einzige Möglichkeit wie man mit Investoren reden kann, ist wenn man sich auch für deren Interessen offen zeigt. Sprich: Versucht herauszufinden wie ihr den Investoren helfen könnt und sie werden euch helfen. Keiner will 70 Künstler gegen sich haben, 70 Künstler als Fürsprecher für ein Projekt dagegen sicher.


    Daher sind aus meiner Sicht in eurem Interesse folgende Fragen zu klären:
    - Wäre es möglich für den Investor deutlich höher zu bauen und dafür das bestehende Bebauungsrecht anzupassen?
    - Im Gegenzug dafür würden (in Abstimmung mit der Stadt), geförderter Raum für Künstler geschaffen werden um die Ateliers erhalten zu können und vielleicht sogar eine Partizipation zu schaffen, im Sinne von: Künstler präsentieren ihre Werke in den Büroräumlichkeiten der Start-Ups.
    - Inwiefern lassen sich weitere Synergien zwischen Start-Ups und Künstler schaffen?

  • Vielen Dank erst einmal für den Beitrag.


    Eine Anregung seitens der Moderation: Richtlinien vor dem Schreiben des 1. Beitrags lesen. In diesem Fall ist insbesondere Punkt 7 relevant.
    Bato

    Einmal editiert, zuletzt von Rayon ()

  • Das mit den "bezahlbaren Mieten in guter Lage" ist wohl ein "typisch deutsches" Problem.
    Man schaue sich mal die Mieten in London, Paris oder New York an. Die sind um ein vielfaches höher - sogar im eher armen Dublin.
    Man muß eben gut verdienen, d.h. selbständig zu sein oder bei einer prosperierenden Firma zu arbeiten und die muß von der Politik auch angelockt werden.
    Strukturpolitik fängt dort an, wo man die Investoren positiv begleitet und nicht vergrault... :P

    p.s.: ich wünsche mir auch ein bezahlbares Cabriolet.
    Am besten einen Porsche.
    Wahrscheinlich aber wird es ein neun Jahre alter Mazda MX-5. Wo ist das Probelm?


    Anmerkung Moderation: Antwort bezieht sich auf diesen Post.

  • Ahh ja. Und was sind die Resultate in London, Paris oder New York? Alles Paradebeispiele für Soziale Segregation, Ghettorisierung und Stadtzentren in denen nur Touristen und keine Stadtbewohner verkehren, weil kein Normalsterblicher dort wohnen kann.


    Eine vitale Stadt lebt von der Vielfalt seiner Einwohner in einer Nachbarschaft, unabhängig welcher sozialen Schicht diese angehören.

  • Und warum sollte man sich an diesen Beispielen orientieren? Die Miete ist ja flächendeckend extrem angespannt.

    Dieses Problem, und es ist ein Problem für viele, wird nur von radikalen Marktlemmingen als solches nicht wahr genommen.

    Es ist eben typisches Politikergeschwafel, die ihre Diäten in trockenen Tüchern haben und dafür bescheiden wenig leisten.

  • Nun, ich gehöre zu den durchschnittlich bis gut Verdienenden bzw. Bekommenden.
    Einen Wohnberechtigungsschein werde ich nicht einmal als Rentner erhalten.
    Für eine Wohnung in Mitte müßte ich einen Marktpreis zahlen, also irgendetwas zwischen € 15,-- und € 21,-- /qm kalt.
    Das ist auch in Ordnung.
    Aber es ist nicht einzusehen, warum jamand in der Nachbarschaft mit Wohnberechtigungsschein und dem Wohlwollen der öffentlich-rechtlichen Wohnungsgesellschaft eine vergleichbare Wohnung für die Hälfte bekommen soll.
    Das ist Sozialismus und hat mit "Leistung soll sich lohnen" nichts zu tun.

  • ^ Aber 2 Mio. Euro erben und sich davon eine Wohnung kaufen, die sich im Wert in den kommenden zehn Jahren verdoppeln wird – das ist Leistung, die sich lohnt, wa?


    Es ist wirklich faszinierend: KrauseGlucke hat die Probleme angerissen, die Städte wie London, Paris oder New York von Orten zum Leben zunehmend in Touristen-Ghettos nebst Anlageobjekten verwandeln. In Berlin haben wir aus historischen Gründen das Glück, dass es soweit noch nicht ist (ein Glück als Folge von Unglück, freilich). Doch statt sich darüber zu freuen und sich für den Erhalt einer sozial durchmischten Stadt einzusetzen, reagiert der wirtschaftsliberale Teil der hiesigen Mittelschicht mit Neid – aber Neid nicht auf die Reichen, die sich ein Millionen-Penthouse leisten können, das sie kaum benutzen, sondern Neid auf die Armen, denen man noch eine 50-Quadratmeter-Wohnung missgönnt, solange sie halbwegs zentral gelegen ist.


    Und das alles auf Basis einer "Leistungs"-Ideologie, die in sich zusammenfällt, sobald man über den Leistungsbegriff nur mal zehn Minuten lang ernsthaft nachdenkt. Kapitalismus ist keine Meritokratie. Die "oberen" acht Millionen der deutschen Bevölkerung besitzen 56 Prozent des Vermögens, die "unteren" 40 Millionen gerade mal 1,3 Prozent. Und das soll das Ergebnis von "Leistung" sein?

  • Aha - es geht also doch um Sozialismus und Neid plus Klassenkampf und nicht um Leistung, die angemessen bezahlt wird und in ensprechend höhere Lebensqualität umgemünzt werden kann.
    Andererseits bekommt jemand ohne Leistung die Wohnung in der Wilhelmstraße, während der genau so berechtigte bzw. unberechtige in Marzahn in der Platte leben muß.
    Wo ist denn da die Gerechtigkeit?
    Das mit der sozialen Durchmischung ist genau so untauglich, wie es das Argument eines "bezahlbaren Cabrios" wäre, wo der sozial Schwächere seinen Porsche per Fahrberechtigungsschein zugeteilt bekäme.

  • Ich habe mal gelesen, dass Menschen aus ärmeren Verhältnissen von einer sozialen Durchmischung gar nicht zwangsläufig profitieren würden, bzw. dass sich dadurch deren Teilhabemöglichkeiten positiv verändern würden. Entscheidend sind wohl der Zugang zu Arbeit, Bildung und Mobilität sowie die Qualität der Kitas und Schulen. Räumliche Faktoren hätten dementsprechend keinen Einfluss. Das war für mich erstaunlich, da ich eine soziale Durchmischung nicht nur aus meinem Gerechtigkeitsgefühl heraus, sondern auch bezogen auf die Vitalität einer Stadt befürwortet habe.

    Aber unabhängig davon zieht doch auf jeden Fall die Argumentation mit Paris, NY oder London. Die soziale Durchmischung Berlins - soweit sie noch vorhanden ist - macht doch auch den Reiz der Stadt aus. Mich persönlich hat es in den o.g. Metropolen immer in die Bezirke und Viertel gezogen, in denen auch noch gelebt wurde und nicht in die „toten“ Innenstadtbezirke.

  • ^Also die Behauptung das Innenstadtviertel in den genannten Städten "tot" sind halte ich für ein übertriebenes Gerücht. Ich selbst habe gute Freunde die direkt am Eiffelturm in Paris leben und ich würde sagen, der Innenbereich von Paris ist voller Leben. Teuer: ja / Schön: ja / ohne Leben?: Nein.


    Ich wüsste auch nicht was an irgendwelchen Hartz4 Blöcken in der Innenstadt Berlins erhaltenswert wäre. Außerdem: Was heißt eigentlich "normale" Bevölkerung? Wer bestimmt denn was "normal" ist? Wenn man die Mittelschicht in den Innnestädten wirklich erhalten will, dann sollte man das über Kredite der Stadt machen, anstelle von "Enteigungsphantasien". Mieter müssen Eigentümer werden, dann freuen sich die Berliner mit der Entwicklung ihrer Stadt und versuchen nicht, diese zu verhindern.

    Einmal editiert, zuletzt von UrbanFreak ()

  • Auch Leute aus ärmeren Vierteln gehen gerne gezielt in die "High-Life-Hotspots" der jeweiligen Städte, wenn sie ausgehen/daten/shoppen/Eis essen ect. wollen, sie tun es nur weniger frequentiert, weil sie sich natürlich weniger leisten können, aber das sorgt auch mit für die Belebung dieser Orte. Als später Jugendlicher/junger Erwachsener hatte ich quasi überhaupt kein Geld und wenn ich mich mit einem Mädchen traf, dann war das trotzdem nicht vorm Billig-Italiener in meinem Kiez, sondern dafür bin ich dann an den Potsdamer Platz gefahren. Auch wenn ich dort keine Bleibe hätte finden können, so war ich doch dankbar, dass ich diesen Stadtraum erleben, genießen und sogar für mein Leben sinnvoll als Ausgeh-Ort nutzen konnte. In diesem Sinne habe ich nichts verloren als Bürger, nur weil die Mieten am P.P. für mich zu teuer sind. Die wohlhabenden Mieter dort schotten das Viertel nicht ab, schließen mich nicht aus. Ich kann den Stadtraum genauso erleben, nur eben nicht jeden Tag und nicht direkt vor der Haustür. <- Dieser Kompromiss funktioniert, solange die Durchmischung auch dem ärmeren Teil zumindest eine temporäre Teilhabe gewährt.


    Wenn ganz Berlin wie der P.P. gentrifiziert ist, aber natürlich nicht mehr. Deshalb sollte man die Gentrifizierung auch konzentrieren, so ähnlich wie ein guter Gärtner das Früchtewachsum konzentrieren kann, in dem er an den richtigen Stellen die richtigen Nährstoffe setzt. Wenn man die Wohlhabenden und Eliten aus den Arbeitervierteln heraus haben will, ohne sie aus der Stadt vertreiben zu wollen, dann muss man ihr Wachstum aus den Arbeitervierteln heraus auf Kernbereiche konzentrieren.

    Ich habe lieber ein kleines Viertel mit fünfzehn extravaganten Hochhäusern, in denen gepuderte Sonnenfürsten aus gebeizten Edelholzrahmen durch Porscheglasfenster auf Bauernvolkpöbel herabblicken (und ich neidisch hinauf), als das sich diese Leute auf die gesamte Stadt verteilen und langsam stück für stück das Gesamtmietpreisniveau anheben!

  • Angenommen, ich werde durch einen unglücklichen Zufall ausgerechnet in Berlin Mitte geboren und wachse dort auf. Strebe möglicherweise eine Ausbildung zum Krankenpfleger oder Polizisten oder Friseur an... müsste ich dann nach Reinhards Logik mit erreichen des 18. Lebensjahres meinen Heimatbezirk verlassen und nach Spandau ziehen? Weil, gibt ja schließlich kein Recht auf Heimat sofern die Heimat blöderweise ausgerechnet ein teurer Szenebezirk ist den sich numal nur besserverdiener leisten können.

  • ^ Aber 2 Mio. Euro erben und sich davon eine Wohnung kaufen, die sich im Wert in den kommenden zehn Jahren verdoppeln wird – das ist Leistung, die sich lohnt, wa?


    Es ist wirklich faszinierend: KrauseGlucke hat die Probleme angerissen, die Städte wie London, Paris oder New York von Orten zum Leben zunehmend in Touristen-Ghettos nebst Anlageobjekten verwandeln. In Berlin haben wir aus historischen Gründen das Glück, dass es soweit noch nicht ist (ein Glück als Folge von Unglück, freilich). Doch statt sich darüber zu freuen und sich für den Erhalt einer sozial durchmischten Stadt einzusetzen, reagiert der wirtschaftsliberale Teil der hiesigen Mittelschicht mit Neid – aber Neid nicht auf die Reichen, die sich ein Millionen-Penthouse leisten können, das sie kaum benutzen, sondern Neid auf die Armen, denen man noch eine 50-Quadratmeter-Wohnung missgönnt, solange sie halbwegs zentral gelegen ist.


    Und das alles auf Basis einer "Leistungs"-Ideologie, die in sich zusammenfällt, sobald man über den Leistungsbegriff nur mal zehn Minuten lang ernsthaft nachdenkt. Kapitalismus ist keine Meritokratie. Die "oberen" acht Millionen der deutschen Bevölkerung besitzen 56 Prozent des Vermögens, die "unteren" 40 Millionen gerade mal 1,3 Prozent. Und das soll das Ergebnis von "Leistung" sein?


    Es ist schon wieder sehr plakativ um nicht zu sagen billig, wie hier argumentiert wird, mit der Empörungskeule gegen die Ungerechtigkeit der Welt und unseres gesellschaftlichen Systems. Da wird Eigentum diffamiert, das Prinzip der Vererbung abgelehnt ebenso wie die gegenwärtigen gesellschaftlichen Leistungskriterien auf die unser Entgeltsystem basieren und dann vorsorglich jedem Neid unterstellt, der die Dinge anders sieht.

    Kann man so machen, bringt aber nicht sehr viel und ist zudem sehr einseitig.

    Ich kenne kein Wirtschaftssystem das für die Gesamtheit der Bevölkerung gesehen, mehr Positives erreicht hat, als das was wir seit 1949 praktizieren, die sogenannte soziale Marktwirtschaft. Allein die Tatsache unser System einfach als Kapitalismus zu bezeichnen, zielt auf Diskreditierung ab.
    Mit Kapitalismus wird eine Wirtschaftsform suggeriert, die dem Markt und den Akteuren keinen Rahmen oder Begrenzungen setzt, das ist in Deutschland (Europa) einfach nicht der Fall.

    Der allgemeine Wohlstand ist so stark gewachsen wie nie, die Möglichkeit der individuellen Entfaltung ist gegeben und ich kann auch nicht sehen das die überwiegende Mehrheit, Eigentum, Leistungskriterien und sonstige fundamentalen Prinzipien ablehnt. Ebenso herrscht eine prinzipielle Akzeptanz dieser Mechanismen - unter anderem dass es eben Menschen gibt, die mehr und andere die weniger oder vielleicht gar nichts haben. Das heißt im Umkehrschluss allerdings nicht, dass alles rosig ist.

    Es ist so leicht alles anzuprangern und abzulehnen ohne eine gültige und funktionierende Alternative. Dazu noch ausblenden, dass wir einer globalisierten Welt ausgesetzt sind und deren Mechanismen nicht ignorieren können - ob wir wollen oder nicht .
    Der Sozialismus, der ja die Gerechtigkeit propagiert hat, ist krachend gescheitert, immer und immer wieder, aber die Linke ist felsenfest nach wie vor davon überzeugt. Sie wollen einfach nicht wahrhaben, dass der Mensch so ist , wie er ist.


    Soll man nichts erben dürfen? Selbst wenn die Erbschaftssteuer - was durchaus diskutierbar ist - höher wäre, könnte sich jemand der 2 Millionen erbt, trotzdem eine Wohnung kaufen.

    Soll man also Eigentum abschaffen, bzw. so verteilen, dass jeder das gleiche hat? Die Erfahrung zeigt, dass das nicht funktioniert hat,


    Materielle Anreizsysteme , dazu gehören Eigentum und Geld - wirken unbestreitbar motivationsfördernd für die Mehrheit der Menschen.
    Wenn man Enteignungen durchführt, Löhne staatlich festsetzt oder begrenzt, und es unterbindet. bzw stark einschränkt, dass man an seine Kinder etwas vererben kann usw , dann erreicht man das Gegenteil, von dem was man beabsichtigt, es ist kontraproduktiv. Die Menschen werden weniger hart arbeiten, also weniger verdienen. Weniger Steuern der 'sogenannten' Reichen führen auch zu weniger Verteilung für Bedürftigen, damit ist niemand geholfen. Einen Reichen arm zu machen hat noch niemals einen Armen reich gemacht. Das ist der falsche Ansatz. Das mag gut ankommen, hilfreicher wäre es aber Grundlagen zu schaffen, den Bedürftigen bessere Rahmenbedingungen zu bieten und Möglichkeiten ihre Lage zu ändern. Und damit wären wir in Berlin.


    Es ist unbestreitbar, dass Bedürftigen geholfen werden muss, keiner stellt ernsthaft die soziale Mischung in Frage. Es als Neid zu bezeichnen, weil man anderen die günstige Wohnung in der Innenstadt nicht gönnt, ist einfach eine falsche Diagnose und zielt nur darauf ab, diese moralisch zu verurteilen.
    Es verletzt einfach - ob du das wahrhaben willst oder nicht - das individuelle Gerechtigkeitsgefühl von Vielen
    Übertrieben ausgedrückt, warum soll ich arbeiten, ohne den ganzen Stress würde ich fast das gleiche bekommen. Und je mehr Menschen, dieses Gefühl haben - ob gerechtfertigt oder nicht - hat Auswirkungen auf den allgemeinen Wohlstand und Akzeptanz unseres Gesellschaftssystems. Das als Neid abzutun, wird der Sachlage nicht gerecht.
    Es gibt keine Mehrheit, die für ein Grundrecht auf Wohnen in der Innenstadt für jeden für Euro 6,50 qm für die nächsten 20 Jahre eintritt und man kann diese Forderung ablehnen ohne ein Arschloch zu sein.

    London, Paris und New York sind sicherlich keine Vorbilder, das bestreitet doch keiner, aber jeder, der so tut, als ob Berlin sich wie London entwickelt, der redet Unsinn.
    Es wird immer Diskussionen geben, wie viel Solidarität es in einer Gesellschaft geben muss, wie viel Ungleichheit erträglich ist. Das ist richtig, ich wehre mich dagegen, arm gegen reich aufzuhetzen und Grundprinzipien die sich bewährt haben, abschaffen zu wollen.