Potsdam: Wiederherstellung historische Mitte - Diskussionsthread

  • Die Tatsachen sind:
    Straftatbestand einer Hausbesetzung,
    Straftatbestand einer Sachbeschädigung durch Anstrich der Hauswand,
    Straftatbestand Widerstand gegen die Staatsgewalt, da einige sich weigerten, dem Aufruf der Polizei auf sofortiges Verlassen des Hauses Folge zu leisten,
    Unangemeldete Demonstration auf dem alten Markt,
    Ungenehmigtes Einrichten eines Sperrmüllhaufens durch Herbeikarren von Hausgegenständen, wie Sofa,Teppich u,s.w., somit Tatbestand des Einrichtens einer wilden Müllkippeauf dem alten Markt,
    Tatbestand der wiederholten und systematischen Verbreitung von Falschnachrichten über den Ablauf der Entscheidung zum Abriss der FH.

  • Ich komme ja nicht in den Verdacht, die 30 Knallköpfe, die die FH besetzt hatten, zu verteidigen, aber man muss schon bei den Tatsachen bleiben:


    1) Die Demo und das Protestcamp waren ordentlich angemeldet und genehmigt.
    2) Die Besetzung ist Hausfriedensbruch nach § 123 StGB, wird also auf Antrag des Eigentümers (der FH, liegt vor) strafrechtlich verfolgt. Das Strafmaß beträgt bis zu 1 Jahr Gefängnis oder Geldstrafe. Da nichts kaputt gegangen ist wird es auf Letzteres hinauslaufen.
    3) Die Widerstand gegen die Staatsgewalt (wohl nur in zwei, drei Fällen) wird auch im sande verlaufen. Es ist zwar theoretisch nach § 113 StGB 3 Jahre Haft oder Geldstrafe verhängbar, die Gerichte nehmen aber gern § 113 (4) "Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen."


    Bleibt nur den Herrschaften die Rechnung für den Polizeieinsatz inkl. Hubschrauber zu präsentieren, da die Besetzung mit Vorsatz geschah. Das traut sich aber sicher keiner.


    Beruhigen kannst Du dich, Ruhrgebietskind, nur damit, dass die Aktion das Lebensende des Baus nochmal deutlich beschleunigt.. Die Lehrtätigkeit ist beendet, selbst die Depots sind geräumt. Mein Tipp: bei Rückkehr aus Mallorca gibt es eine Veränderung.

  • ^^ Ja ja, das alles macht also Linksfaschismus aus. Alles Terroristen. Selten so ein Schwachsinn gelesen.

  • Die Diskussion hier zeigt, es scheint alles blockiert und man verschanzt sich in den Gräben der eigenen Meinung. Es scheint schon lange nicht mehr darum zu gehen, eine lebenswerte Stadt zu gestalten, was ja eine sensationelle Möglichkeit wäre. Stattdessen verbeisst man sich in die Erhaltung von Gebäuden, die weder sinnvoll nutzbar sind (für den Ort) noch einen lebenswerten Raum zu schaffen vermögen.
    Ich finde, dass Frankfurt am Main da den besseren Weg eingeschlagen hat als Potsdam, so wie es mir scheint. Da wird ein echtes Ensemble geschaffen mit kreativen Neubauten, die eine Ortsbezug schaffen und einen lebenswerten Stadtraum gestalten,der sich vom Neubaueinerlei der letzen Jahre deutlich abhebt. Ich bin überzeugt, dass die Frankfurter ihre neue Altstadt annehmen und lieben werden. In Potsdam denke ich, dass die 4 Rekonstrukionen deutlich zu wenige sind, um ein Ensemble zu schaffen, das dem Genius Loci gerecht wird. Ich befürchte sehr, dass es aussehen wird, wie irgend ein neuer Stadtteil in Wanne Eickel oder Saarbrücken auch. Die Rekonstruktionen sehe ich mittlerweile bloss noch als Feigenblätter. Schade. Zusehends wird die tolle Möglichkeit der Stadtgestaltung für einen lebenwerten Stadtraum vergeigt.

  • Luzerner: wunderbar treffend auf den Punkt gebracht !


    Wenn man nichts fordert, so wie Mitteschön, die Gegner dagegen Maximalforderungen aufstellen und nach Kompromissen mit den nächsten Maximalforderungen kommen und immer noch nichts von den Befürwortern kommt, braucht man sich über dieses Ergebnis nicht wundern.


    Grüße Luftpost

  • Das ist leider wahr. Es ist ja schon so, dass das sog. Leitbautenkonzept von seinem Ursprung her mehrfach verwässert wurde.


    Es beginnt ja damit, dass es "Leitbauten" im Bereich der 32 Neubauparzellen anstelle der FH nicht mehr gibt. "Leitbau" war nur das Barberini und nach dem Fortfall der Rekonstruktion der beiden Innensäle kann man auch hier nurmehr von einer "Leitfassade" sprechen. Im Bereich der FH gibt es 3 Leitfassaden (von 32 Parzellen). Die ursprünglich geplanten Wiederherstellungen der beiden 8-Eckenhäuser, des Trippenhauses und des Hauses Alter Markt 13 sind entfallen. Das Trippenhaus entfiel vollständig, die drei andere Bauten sollten "zeitgenössisch interpretiert" werden. Wie das aussieht kann man vielfältif besichtigen - mit den historischen Bauten hat das in der Regel nichts mehr zu tun, sondern bestenfalls mit einer Karikatur (wie man bei der Volksbank sehen kann). Was die "Leitfassaden" betrifft ist auch die Frage, was oder wen diese Fassaden "leiten" sollen. Es wird ja für die Neubauten ausdrücklich gewünscht, dass diese "in zeitgenössicher Architektur" erreichtet werden - von einer Vorbildwirkung der Leitfassaden kann also keine Rede sein.


    Es steht zu zu vermuten, dass es bei den drei Leitfassaden nicht bleibt. Der Palazzo Barberan da Porto an der Schwerfegerstraße ist auf einer Parzelle vorgesehen, auf der sozialer Wohnungbau realisiert wird. Die Gefahr, dass hier entweder die kommunale Immobilienholding oder eine Genossenschaft mit Verweis auf die schmalen Mieteinnahmen nochmal nachverhandelt und die Fassade vereinfacht ausführt, ist groß. Zusätzlich ist in der Ausschreibung davon die Rede, dass bei den sog. Fugen, also den durch die Ostverschiebung der Friedrich-Ebert-Straße und damit verbunden der 8-Eckenhäuser und des Plögerschen Gasthofes, plötzlich doch glänzende, auffällige Fassadenmaterialen wie Metall zulässig sind.


    So bleibt es in der öffentlichen Debatte stets unwidersprochen, dass hier ein "preußische Disneyland" entstehen soll, was bei einer Rekoquote von unter 10 % der Neubauten natürlich totaler Unsinn ist. Wenn ich mir die "interpretierenden" Neubauten der Alten Post oder des Einsiedlers ansehe ist die Gefahr groß, dass diese Bauten zum Schluß niemandem gefallen. In Potsdam wird nur über das Ja oder Nein zur FH diskutiert und das Erscheinungsbild der Neubauten wird gar nicht thematisiert. Die bisher realsierten Neubauten an der Alten Fahrt lassen auf eine schwache Qualität schliessen.


  • In dieser Woche soll der Abriss der Potsdamer Fachhochschule mit der Demontage der Wabenfassade beginnen. Die demontierten Fassadenteile sollen Studenten als Lehrmaterial zur Verfügung gestellt werden. Der restliche Bau soll im Herbst abgerissen werden. Das berichtet BILD-Berlin.


    Vielleicht enden ja damit die nutzlosen Diskussionen um dieses Bauwerk.

  • Gut, dass es endlich soweit ist. Ein völlig zusammenhanglos rumstehendes Gebäude.
    Liegt nicht mal richtig an der Straße und hat keinen Bezug zu den anderen historischen Häusern. Dass es nicht zum Schloss und den anderen Rekonstruktionen passt, ist verständlich, die kamen ja erst später. Das machts aber auch nciht besser.
    Potsdam kommt ein Stück weiter.

  • Schade, dass es in der historischen Mitte nicht weiter geht. Es wäre mehr als ein Gewinn für die Stadt, wenn hier endlich mit der Wiederherstellung der Stadtmitte weitergefahren würde. Die Ausgangslage war ja nicht schlecht und der Beginn mit Schloss, Barberini und Co. war ja fulminant und vielversprechend.. Jetzt sind schon lange Festungsgräben ausgehoben und Gegner und Befürworter beschiessen sich mit üblen Nachreden. Konstruktiv ist schon länger nichts gelaufen. Nicht nur im übertragenen Sinne !

  • Woher nehmen Sie denn Ihre Informationen? Links des Barberini entsteht gerade eine ganze Häuserzeile, der Abriss der FH hat begonnen, der Garten des Staudenhofs ist abgeräumt und mit dem Block auf der anderen Seite der Friedrich-Ebert-Straße dürfte es auch bald losgehen. Was muss man denn tun, um Sie zufrieden zu stellen? Alles abreißen, was zwischen 1945 und 1990 gebaut wurde?

  • Im Grunde bin ich ja ein Rekonstruktionsbefürworter aber bei Potsam habe ich ein seltsames Gefühl.
    Einerseits hat die Stadt jetzt schon eine schier unüberschaubare Anzahl wunderschöner historischer Gebäude, sodass ich davon ausgehen muss, dass einzelnen kleinere Reko-Projekte dort kaum noch zur Geltung kommen werden.


    [Achtung: Provokation!] Was bringt in dieser Lage noch z.B. die Garnisionskirche, die sich als soundsovieltes (rekonstruiertes) Baudenkmal in die lange Reihe der schon bestehenden Schlösser, Schlösschen, Kirchen, Villen, Plätze, Parks, Tore, Denkmale und ehemalige Kasernen einreihen muß. Zumal sie bis auf weiters nicht im Ensemble stehen wird, sondern nur als Turm zwischen modernen Gebäuden.


    Andererseits fehlt mir bei sehr vielen Gebäuden der Bezug. Was sollen die vielen Schlösser, Schlösschen, Kirchen, Villen, Parks,..., wenn drumherum und drinnen außer Touristen nicht viel los ist.
    Als Beispiel ist mir die Friedenkirche in trauriger Erinnerung, dieses außergewöhnliche Gebäude, für das man anscheined nicht die Kapazitäten hat um es ordentlich zu renovieren und die Nutzung scheint auch nicht so groß zu sein.


    Ich befürchte, dass sich Potsdam "zu Tode rekonstruiert" und schließlich als "Preussen-Mekka" endet (das ist in Zeiten aufkeimenden Nationalismuses nichts positives!).
    Vielleicht ist ein Problem Potsdams geringe Größe, besonders da es im Schatten von Berlin steht.


    In Vergleich dazu wurde hier im Forum auch schon Münster genannt, dort gibt es auch sehr viele historische, teilweise rekonstruierte Gebäude, die aber alle mit Leben gefüllt sind. Außerdem gibt es dort einige moderne und schöne Neubauten an zentraler Stelle.

  • Grotesk!

    Widerum wird das Rekonstruieren historischer Bauten mit "aufkeimendem Nationalismus" verquickt.
    Das ist grotesk.
    Münster, das einen sehr großen Prozentsatz rekonstruierter bzw nachempfundener Bauten aufweist, hatte als einziger Bundestags-Wahlkreis weniger als 5 % AfD-Wähler.
    Wobei ich auch den Zusammenhang zwischen AfD und "aufkeimendem Nationalismus" bestreite. ;)

  • Mich verwundert gerade die Aussage "zu Tode rekonstruiert" ! Selbst am Alten Markt sind aktuell ja nur sehr wenige Gebäude rekonstruiert worden ! Das Barberini und die beiden Nachbargebäude und das Stadtschloss offen sichtbar nur als Außenreko, an der Alten Fahrt sind nur historisierende Gebäude und auch auf dem Gelände der FH werden nur drei Rekos geplant - und das ebenso nur als Außenreko.


    Im weiteren Stadtgebiet sind mir keine großartigen Rekos bekannt - von der Mühle an Schloss Sanssouciund der Kellertorwache mal abgesehen. In weit überwiegendem Maße wird nur der Stadtgrundriss wiederhergestellt oder nur angelehnt an das historische Vorbild gebaut.


    Das macht für eine Stadt von der Größe Potsdams etwa 10 Rekonstruktionen im Verlauf von etwa 20 Jahren aus - da kann man wohl kaum von "zu Tode rekonstruieren" sprechen. Alles weitere sind meines Wissens nach überkommene Bauten die wiederhergestellt und in ihrer Grundsubstanz aber noch vorhanden waren.


    Bei der Menge an verlorenen Baudenkmälern und Kulturgütern sind das meiner Meinung nach nur Akzente die gesetzt werden, um an die Stadtgeschichte zu erinnern und einer brachial überformten Innenstadt wieder ein menschliches Antlitz zu verleihen.


    Ich glaube kaum, dass jemand der Verkehrsschneise, die einst das Areal des Stadtschlosses querte und dem Alten Markt in seiner Form von 1990 eine Träne nachweint.


    Aspekte wie der dort öffentliche Nutzung zu erhalten etc sind hier bewusst einmal außen vor gelassen. Es ging mir hier rein um die stadtgestalterische Wahrnehmung und einen Vergleich der bloßen Anzahl an Rekos im Verhältnis zur seit der Wende enstandenen Baumasse.

  • Warum sollte Potsdam eigentlich ausgerechnet mit der Rekonstruktion der Garnisonkirche ein "Preußenmekka" (was ein Wort...) werden? Wenn der Drang dazu bestünde, könnte es das jetzt bereits sein. Das sind konstruierte Hirngespinste, die ich bei aller Liebe nicht ernst nehmen kann.


    In Vergleich dazu wurde hier im Forum auch schon Münster genannt, dort gibt es auch sehr viele historische, teilweise rekonstruierte Gebäude, die aber alle mit Leben gefüllt sind. Außerdem gibt es dort einige moderne und schöne Neubauten an zentraler Stelle.


    Ist denn das Barberini nicht belebt? Oder die Neubauten am Otto-Braun-Platz?

  • Na, Tarsis, ein paar mehr Rekonstruktionen und "Erinnerungsbauten" gibt es schon:
    - Das Casino Gardes du Corps Am Kanal
    - die Villa Persius
    - die Villa Jakobs
    - die kaiserliche Matrosenstation
    - das südwestliche 8-Eckenhaus
    - die Holländerhäuser am Klinikum (Seidenweberviertel, gleich 5 Stück)
    - 3 Rekonstruktionen im Holländerviertel aus DDR-Tagen, 2 aus der Nachwendezeit
    - ca. 5 Holzhäuser aus der Zeit des Soldatenkönigs
    - das Gastmahl des Meeres (DDR-Rekonstruktion)
    - die gesamte Ostseite der Hoditzstraße
    - heute Wilhelm-Staab-Straße (11 Barockhäuser)
    - das Stadtschloß
    - das Schweizerhaus in Kleinglienicke
    - etwa 20 Weberhäuser in Babelsberg
    - das Griebnitztor
    - das Borkenhäuschen
    - die Einsiedelei
    - der Pomonatempel (erstes Werk Schinkels)
    - die gotische Bibliothek am Heiligensee
    - und das sind nur die 100-Prozent-Wiederaufbauten, bei denen ich noch einige vergessen habe. Hinzu kommen die zahllosen Quasi-Neubauten, die baurechtlich als "Sanierung" durchgehen.


    Abr was ist dagegen einzuwenden? Potsdam ist einzigartig, alles bezieht sich im Städtebau auf alles und die Architektur ist über die Zeit verschieden aber nicht gegensätzlich. Die Substanzdiskussion der Denkmalpflege ist lange überwunden - der Mensch tauscht auch alle seine Körperzellen in wenigen Wochen aus und ist danach dennoch - der gleiche.


    Städtebaulich funktioniert die Stadt. Die Bevölkerung steigt rasant und in diesem Sommer hat der zu einem Viertel fertige Neue Markt schon gezeigt, dass er ein großer Magnet wird. Man darf sich von den Bedenkenträgern von Ausserhalb nicht irritieren lassen. Die werden immer was zu meckern haben. Einen guten modernen Bau für Potsdam hat es allerdings noch nicht gegeben...