Potsdam: Wiederherstellung historische Mitte - Diskussionsthread

  • ^ inhaltlich teile ich den Lobgesang auf die Fachochschule, den Staudenhof und das Hotel nicht und sehe im Text enorme argumentative Mängel, die hier natürlich schon diskutiert wurden. Dennoch kann ich die Positionen zumindest nachvollziehen und als Meinung respektieren.


    Die Beschimpfungsorgien gegen Besserwessis und Kleinbürger ohne Geschmack finde ich jedoch ziemlich daneben. Sehr viel Schaum vor dem Mund bei den Herren. Da ist die Auseinandersetzung hier auch nicht gröber als bei den feingeistigen linken Journalisten.


    Meinungen kann man immer haben. Wenn man sie allerdings in Form dieses, man muss es so sagen, Pamphletes äußert, dass der FAZ eigentlich unwürdig ist, dann muss man sich nicht wundern, weitgehend ignoriert zu werden.
    Da stimmt ja überhaupt nichts. "Die komplette Auslöschung der DDR" - so einen Stuss von angeblich angesehenen Feuilletonisten einer liberalkonservativen Zeitung zu lesen, lässt einen schon arg am Zustand des deutschen Feuilletons insgesamt zweifeln. Noch bekloppter wird es nur dadurch, dass hier zwei westdeutsche Autoren den "Ossis" erklären, wie toll diese DDR-Architektur doch sei und die Fläche zwischen Staudenhof und FH allenernstes mit italienischen Piazze vergleichen, im Gegenzug aber gegen "innerdeutschen Nekolonialismus" und "dekoselige Wessis" wettern. Beinahe hat man den Eindruck, dass sich hier zwei "Experten" einfach eine Art postsozialistischen Freiluftzoo konservieren wollen, um dann über den homo sovieticus wie ein seltenes Tier in Deutsch-Nahost schreiben zu können.

    2 Mal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Es ist ja schön, dass wir uns wenigsten bei der Reduktion des Themas auf das Besserwessi-Motiv einig sind. Man sollte immer daran denken, dass die meisten "Urpotsdamer" in den Platten selbst in den 1950er-Jahren Zuzügler waren.


    Die Behauptung, dass die Entwicklung in Potsdam "die komplette Auslöschung all dessen, was zu Zeiten der DDR gebaut wurde" sei ist natürlich eine glatte Lüge. Selbst wenn man rund um den Alten Markt alle zu 100 Prozent rekonstruierte wird man dieser Stadt die Bezirkshauptstadt der DDR immer ansehen. Hier eine Ansicht vom Flatowturm aus (leider nur Handyfoto, aber eindrücklich).


  • Natürlich kann man jetzt Verschwörungstheorien entwickeln, nach denen sich eine große Verschwörung von der FAZ bis zu den Linken gegen die Potsdamer Stadtentwicklungspolitik verschworen hätte. Sehr überzeugend ist das allerdings nicht, denn wer sollte hier die Fäden ziehen?
    Viel wahrscheinlicher ist etwas anderes: In keiner anderen deutschen Innenstadt wird eine so brutale Stadtentwicklungspolitik betrieben wie in Potsdam. In keiner anderen deutschen Stadt wird der moderne Städtebau in so umfassender Weise zerstört wie in Potsdam.


    Selbst in Dresden hat man nur im Bereich des Neumarktes rekonstruiert, abgerissen wurde nur der Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums. Der Kulturpalast, der auch quer zum alten Stadtgrundriss steht, wurde dagegen aufwendig saniert.


    In Frankfurt/Main hat man nur den Bereich des Technischen Rathauses umgebaut und damit nur einen kleinen Teil der Altstadt.


    In Berlin würde man nicht im Traum daran denken, die Komplexe an der Rathausstraße und der Karl-Liebknecht-Straße abzureißen, nur um die alten Straßen wieder herzustellen.


    In Potsdam dagegen schreckt man selbst vor dem Abriss bezahlbarer Wohnungen, wie am Staudenhof, nicht zurück, nur um die reine Lehre des richtigen Stadtgrundrisses durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund muss man sich nicht wundern, wenn Potsdam immer wieder in die Negativschlagzeilen gerät. Der Potsdamer Kahlschlag steht einfach im krassen Gegensatz zu den Grundsätzen der Behutsamen Stadterneuerung, wie sie einst von Hardt-Walter Hämer entwickelt wurden. Da muss man sich nicht wundern, wenn es ständig kracht.

  • In Frankfurt/Main hat man nur den Bereich des Technischen Rathauses umgebaut und damit nur einen kleinen Teil der Altstadt.


    Das ist nur eines der sehr vielen Projekte. Selbst wenn man von früheren absieht wie die Ostseite des Römers - in den letzten Jahren wurde u.a. ein Hotel neben der Alten Oper im Retro-Stil errichtet. Die Vorgängerbauten des MainTor, aus der Nachkriegszeit, wurden abgerissen. Kornmarkt-Arkaden statt Bundesrechnungshof - was ist wohl mit der meisten Bausubstanz des Bundesrechnungshofs passiert? UpperZeil anstelle Zeilgalerie - selbst wenige Jahrzehnte alte Bauwerke sind nicht sicher. Es ist völlig normal, dass veraltete und heruntergekommene Bausubstanz ausgetauscht wird - und schier grotesk, wieviel Theater rundherum gemacht wird, wenn eine Fast-Ruine (so wirken die Fotos neben dem FAZ-Text) zufällig in der DDR gebaut wurde.


    BTW: Die letzte Gestaltung der Zeilgalerie vermisse ich sogar, sie gefiel mir - na und? Einmal habe ich was dazu im passenden DAF-Thread geschrieben, sonst lebe ich einfach weiter - was manche in Berlin oder Potsdam wegen nicht so schönen Bauten vor Ort anscheinend nicht können.

  • Dichtung und Wahrheit

    Natürlich kann man jetzt Verschwörungstheorien entwickeln, nach denen sich eine große Verschwörung von der FAZ bis zu den Linken gegen die Potsdamer Stadtentwicklungspolitik verschworen hätte.


    Wer dreimal "Verschwörung" in einem Satz schreibt, scheint selbst nicht ganz dran zu glauben ... . For the record: Heinrich Wefing und Claudius Seidl sind nicht "die FAZ", und ihr Meinungsbeitrag erschien im Schwesterblatt "FAS".


    In keiner anderen deutschen Innenstadt wird eine so brutale Stadtentwicklungspolitik betrieben wie in Potsdam.


    "Brutale Stadtentwicklungspolitik" wurde in Potsdam genau ein einziges Mal in der Geschichte der Stadt betrieben: Zu DDR-Zeiten, insb. in den 1960er und 1970er Jahren - ein Blick auf das Panoramafoto in Konstantins Beitrag oben genügt.


    Was jetzt geschieht, ist eine behutsame und im größtmöglichen Konsens betriebene Reparatur der gewaltsamsten Beschädigungen des gewachsenen Stadtbildes im zentralen Bereich. Diese Politik unterstützen konstant 2/3 der Potsdamer und ihrer politischen Repräsentanten. Viel mehr Unterstützung geht in nicht-gelenkten Demokratien nicht.


    In keiner anderen deutschen Stadt wird der moderne Städtebau in so umfassender Weise zerstört wie in Potsdam.


    Die DDR-Bauten, mit denen Potsdam zugepflastert wurde, sind unter wirklich gar keinen Umständen synonym mit "der moderne Städtebau", sondern bestenfalls eine - recht armselige - bestimmte Varietät davon, die mittlerweile aber selbst wieder Geschichte ist.

  • Bei dem Gejaule sollte man doch auch daran erinnern, dass hier nicht mal eine handvoll Gebäude zur Disposition stehen. Davon lediglich ein Wohngebäude. Deshalb von "umfassender Zerstörung" modernen Städtebaus zu reden, ist völlig absurd. Es sei denn, man trauert immer noch der Stadtautobahn nach, auf deren Fläche der Landtag heute seine subersiven Kräfte entfaltet.... Potsdam ist und bleibt vom DDR-Wohnungsbau geprägt. Wer das nicht sieht, ist blind.

  • Na klasse! Da sind jetzt Niklas Maak und Claudius Seidl auch alte SED-Kader. Ich wusste ja garnicht, dass die SED auch in Bayern aktiv war. (Daher stammt nämlich Claudius Seidl.) Und Niklas Maak, Jahrgang 1972, aufgewachsen in Hamburg, dürfte es wohl auch nicht zum SED-Kader gebracht haben. Aber wenn die Argumente ausgehen, dann müssen eben an allen kritischen Beiträgen zur Potsdamer Baupolitik SED-Verschwörungen schuld sein.

  • ^ Verschwörungstheorien sind eher im diskutierten FAZ-Text zu finden, wie "komplette Auslöschung der DDR". Dass auch in Frankfurt mächtig abgerissen wird, siehe #867. Selbstverständlich nicht nur in Frankfurt, in Düsseldorf werden ebenfalls viele Nachkriegsbauten abgerissen, die Areale neu bebaut (passender zur benachbarten Altstadt - der auf den Visualisierungen noch geisternde benachbarte Nachkriegsbau ist seit Anfang 2017 ebenso wech). Da sind vielleicht S.I.E. am Werk?


    Ich habe nicht mitgekriegt, um einen dieser Abrisse gäbe es ähnlich viel Gejaule wie hier in Potsdam, wo übrigens selbst der FAZ-Text behauptet, es wurde ein Bau in Des Moines in Iowa nachgeahmt.

  • Verschwörungstheorien? Das ist doch Unsinn. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, das in Potsdam die Bauepoche der Nachkriegsmoderne unübersehbar ist und unübersehbar bleiben wird - auch wenn man statt der FH eine hundertprozentige Rekonstruktion der Vorkriegsbebauung errichten würde (was in Potsdam ja keiner will). Beim Abbruch des Institutes für Lehrerbildung eine "komplette Auslöschung der DDR" zu diagnostizieren ist genauso offenkundiger Quatsch wie z. B. wegen des Baus des Humboldtforums in Berlin zu behaupten die Monarchie werde wieder eingeführt (was ja auch Einige meinen und nach Fertigstellung vermutlich bitter enttäuscht werden).


    Ärgerlich finde allerdings zudem, dass sich selbst Foristen, die es besser wissen, an einer Kampagne zu einem angeblich möglichen Erhalt des Baus der FH am Alten Markt zeigen. Selbst die Initiatoren der "Neudenker" geben zu, dass nach ihren Studien maximal der Stützenraster erhaltbar wäre. Selbst, wenn man die FH erhalten wollte würde der Bau auf den Rohbauzustand zurückgeführt und mit einer neuen Fassade versehen, da die aktuellen Baustandards sonst nicht eingehalten werden können. Wollte man - einerlei ob aus nostalgischer oder aus dem Wunsch heraus ein geschlossenes Bild des Alten Marktes zu stören - die FH-Fassade aus den 70ern zurück müsste man diese rekonstruieren. Das kann doch ernstlich Klarenbach & Co. nicht gefallen. Man schaue sich bitte die rekonstruierte Taut-Fassade am Jagdschloß Glienicke in Styropor und mit armdicken Fensterprofilen an. Das ist doch wirklich eine Geschichtslüge pur, da nicht profil- und maßstabsgetreu, von Materialtreue mal ganz zu schweigen.


    Beispielhaft kann man das am Umbau der Bibliothek sehen: die Sozialisten haben jahrelang für den Erhalt gekämpft (eher aus nostalgischen Gründen) und einen modernistischen Bau bekommen. Das ist der Grund, warum die Neudenker heute mit ihren Forderungen relativ allein stehen und selbst die Linken nicht mehr für die FH kämpfen - sie wissen - was sonst käme.




    (C) Wiki/selbst

  • Beim Abbruch des Institutes für Lehrerbildung eine "komplette Auslöschung der DDR" zu diagnostizieren ist genauso offenkundiger Quatsch


    Dieses Argument wurde doch schon oft gebracht, weil nunmal die wenigen Individuellen Bauten abgerissen werden sollten und nur die übliche Standardarchitektur die man überall findet stehen bleibt, da sie außerhalb der Stadt verbleibt. Sicherlich wollen das einige nicht akzeptieren da sie diese Bauhistorische Individuelle Planung nicht anerkennen wollen. Aber dem ist halt so, sicherlich kann man den FAZ-Leuten, welche wohl genau das meinen, eine offensichtliche Übertreibung attestieren. Auch mögen sich einige darüber streiten ob ein aus Standard-Fertigteilen an eine spezielle Bauaufgabe angepasstes Gebäude allzu Individuell sein kann. Aber tatsächlich war es innerhalb der DDR-Bautätigkeit (und dem funktionalistischen Sovjetischen Urbanismus-Modell) entsprechend genau das.
    Bauhistorisch ist richtig, die FH und Staudenhof sind individuelle Sonderbauten. Allerdings gibt es tatsächlich noch mehr DDR-Bauten in der Innenstadt z.b. aus dem neohistorischen Stil welche nicht abgerissen wurden. Minsk, die Schwimmhalle und Seerose wiederum sind Typenbauten, also innerhalb ihrer Typologie häufiger in der DDR anzutreffen. Das einzige bisher Individuell errichtete DDR-Gebäude in der Innenstadt welches abgerissen wurde, ist das Haus des Reisens. Rechenzentrum, Staudenhof, FH und Interhotel sind ja noch da, stehen aber auf der Abschussliste. Wenn diese verschwinden könnte man wohl erst von einem (relativ gesehen) "massiven" Abriss von Repräsentativer DDR-Architektur reden.

  • Das Problem ist, dass Rechenzentrum, Staudenhof, FH, Interhotel intrinsische Schwächen haben, die ihr Weiterleben nicht wirklich rechtfertigen können. Sie sind städtebauliche Fremdkörper, das hat mit der Ablehnung der DDR-Architektur überhaupt nichts zu tun.
    Das Rechenzentrum (abgesehen von einer vielleicht besonders dürftigen Architektursprache) ist ein Störfaktor bei dem geplanten Aufbau der Garnisonkirche, nicht erst des Kirchenschiffs, sondern auch schon des Turms, es beeinträchtigt auch die geplante Wiedererrichtung der Plantage, auch wenn sie nicht in der alten Form wiederkommen soll.
    Der Staudenhof, dem man vielleicht ja noch Originalität zusprechen könnte, stört die Wiedergewinnung des alten Marktes ungemein. So wird es zwischen den neuen Karrees und dem Staudenhof in Zukunft einen beträchtlichen Höhenunterschied geben, ein Markt mit Treppen, mit quer verlaufenden Einfahrten, mit einer Stellung des Bauköroers, die keinen Bezug zu dem Markt aufnehmen wird, auch nicht zur Nikolaikirche, sondern nur der Straße zugewandt ist.
    Für die FH gilt das Gleiche, keine vernünftige Anbindung an die F.E. Straße, Treppen als Zugang zum Eingangsbereich in Höhe des Stadtschlosses (extra zu DDR Zeiten so angelegt, um auf Augenhöhe mit der Nikolaikirche zu liegen, die ja auch angehoben ist?), Tiefgarageneinfahrt nicht von außen sondern quer zum alten Markt, fehlende Unterbrechung, um eine Verbindung zum neuen Markt zu gewährleisten. Und zu guter Letzt das Interhotel: zu kleine Zimmer, keine Tiefgarage, kein Wellnessbereich, da nutzt auch der schöne Blick aus der 17. Etage nichts, den ich mal geniessen durfte. Schöner wäre noch ein großzügiger Blick über die Havelbucht.
    Es sind einzig städtebauliche Gründe, die für den Abriss sprechen, nichts anderes. Keine Ideologie damit verbunden, auch im Westen würde man für Abriss plädieren, wenn man diese städtebaulichen Ziele hätte, die ja wirklich vernünftig sind.

  • Das Problem ist, dass Rechenzentrum, Staudenhof, FH, Interhotel intrinsische Schwächen haben, die ihr Weiterleben nicht wirklich rechtfertigen können. Sie sind städtebauliche Fremdkörper, das hat mit der Ablehnung der DDR-Architektur überhaupt nichts zu tun.


    Die DDR ist überhaupt nur deswegen ein Thema, weil sie nicht mehr existiert. Kein Westberliner wurde nostalgisch, weil das Aschinger abgerißen wurde und nicht einmal dem unter Denkmalschutz stehenden Schimmelpfeng wurden groß Tränen nachgeweint, das ICC als Meisterwerk der Moderne des 20. Jh. ist vakant, hier und da ärgert man sich darüber, aber es ist kein Politikum. Die BRD existiert ja schließlich noch. Analog in westdeutschen Provinzstädten der Größe Potsdams. Da gibt es keine BI's gegen den Abriß eines klobigen Nachkriegs-Warenhauskomplexes oder alter Bibliotheken oder Schulbauten oder Hotels. Weil die BRD ja noch existiert.


    Es ist, ob man das zugeben will, sich überhaupt bewusst ist, nun einmal so, dass die "Wende" ein bleibendes Trauma für die Wendengeration ist, das auch deren Kindern mehr oder minder eingeimpft wurde. Also klammert man sich umso mehr an das, was augenscheinlich noch geblieben ist. Wir kennen solche Nostalgie aus früheren Zeiten auch aus dem Architekturbereich, man denke nur an den Boom der sog. "Heimatmuseen", die beim Übergang von der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft in jedem Dorf und jeder Kleinstadt entstanden sind und selbst Alltagsgegenstände wie Webstühle wie Reliquien ausstellen. Menschen, die einen starken Wandel erlebt haben, klammern sich - ganz apolitisch und unideologisch - nun einmal umso mehr an Überbleibsel der "alten Zeit".


    Das muss man auch nicht pathologisieren und nicht einmal ablehnen, es ist menschlich nachvollziehbar. Und was das angeht hat man IMHO in Potsdam auch einen schlechten Job gemacht, "die Menschen mitzunehmen", wie man heutzutage sagt. Das ganze wurde immer sehr auf Konfrontation aufgebaut. Wie man ja auch am Diskussionsverlauf hier ablesen kann. Das heißt nicht, dass ich den Gegnern inhaltlich recht gebe, aber ich kann ihre Haltung nachvollziehen. Und darum kann es hier nur einen Kompromiss geben. Wie eben zB der Erhalt des sehr prominenten ehem. Interhotels, das im Gegensatz zum maroden Staudenhof und der maroden Ex-FH in gutem Zustand ist, umgekehrt eine Abrundung des historischen Mitte Konzepts, indem Staudenhof und Ex-FH entfernt werden, um zu einem kleinteiligeren Stadtgrundriß zurück zu kehren, der mit den Baudenkmälern bzw. Rekonstruktionen in der Mitte besser harmoniert. Meinetwegen kann man an anderer Stelle gerne auch noch weitere erhaltene Architektur aus der Vorwendezeit sanieren und erhalten, wie zB das "Minsk" (vollkommen irrelevant, wie Architekturkritiker das einordnen mögen in der überregionalen Bedeutung, für die Potsdamer und die Baugeschichte Potsdams hat es definitiv eine Bedeutung).


    Dann ist man in einem Dialog und es ist ein "Geben und Nehmen" und keine Seite versucht mehr besserwisserisch der anderen Seite die eigene Weltsicht aufzuzwingen. Und wie heißt es so schön, "der Klügere gibt nach", die Gegner sind derzeit ohnehin in der schwächeren Position und können von einer ausgestreckten Hand somit mehr profitieren, als von "Totalopposition". Also kann man den Gegnern nur empfehlen, Kompromisse anzubieten. Dann sehen umgekehrt die Befürworter der Rekos und Abriße umso blasser aus, wenn diese selbst die Kompromissvorschläge und Gesprächsangebote der Gegner ausschlagen. So funktioniert Demokratie.


    Nicht "Diktatur der Mehrheit" und "jede Seite versucht, die Mehrheit auf ihre Seite zu bringen und anderen Seite ihren Willen zu 100 % aufzudiktieren". Ich will ja nicht als Besserwessi erscheinen, aber diese Art der politischen Konsenskultur entwickelt sich nicht über Nacht, auch in den Alten Ländern brauchte es dazu Jahrzehnte und man ist immer noch am Lernen (vgl. Stuttgart 21) und da ist vielleicht in Potsdam auch etwas mehr Selbstkritik (ALLER SEITEN!) angesagt. Wenn ich dann noch an Schmierereien z. B. der Gegner der Garnisonkirchen-Reko denke, dann erinnert mich das mehr an die unreife Demokratie der Weimarer Republik, mit wechselseitigem Hass der Lager, der auch mal gerne mit den Fäusten auf der Straße ausgetragen wurde, als an eine zivile Demokratie. Daher sagte ich, bei ALLEN SEITEN wäre hier persönliche Selbstkritik angesagt. Ich bin auch davon überzeugt, dass ich alles besser weiss als Klarenbach und eigentlich jeder andere Mensch auf dem Planeten - wer ist das nicht? Aber so funktioniert Demokratie nicht.

  • Ich behaupte mal, dass der OB Jakobs in jeder Hinsicht den Weg des Kompromisses gesucht hat. Er hat den Erhalt des alten seligen Interhotels angeboten, trotzdem wollte ein Teil der Linken die Entscheidung den Gerichten übertragen, allerdings muss man ehrlicherweise sagen, nur ein TEil, nämlich die Fraktion "Die Anderen", während Scharfenberg von der Linken mit dem Kompromiss durchaus zufrieden war.
    Ein großes Entgegenkommen war es, der Kulturszene das Rechenzentrum zu überlassen. Da ist noch gar nicht klar, welche Folgen das dauerhaft habe wird. Die statischen Probleme bei einem Abstand zum Garnisonkirchenturm von knapp 2 Metern müssen erst noch geprüft werden. Inwieweit es überhaupt noch in den nächsten Jahren zum Abriss des Rechenzentrums kommt, steht in den Sternen. Auch bei dem Staudenhof ist eine verlängerte Zeitschiene vereinbart worden und vor allem eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Ist der Erhalt wirtschaftlicher als der Abriss, wird nicht abgerissen. Ich glaube zwar, dass dieser Vorbehalt nicht viel wert ist, aber er wird sicherlich neue Diskussionen auslösen, ja vielleicht neue juristische Auseinandersetzungen.
    Die Bebauung der Karrees auf dem Gelände der alten FH ist mit Vorbehalten versehen worden bezüglich des Baus von Sozialwohnungen, die jetzt zu einem Teil zwingend vorgeschrieben sind. Es darf und soll in großem Maße modern gebaut werden, nur maximal 4 Häuser müssen eine Anlehnung an die historischen Bauten erhalten. Auch bei den Bauten in der Brauerstr. hat man eine moderne Gestaltung zugelassen und das letzte Haus Brauerstr. 5-7 auch mit Flachdach genehmigt.
    Es ist also wirklich nicht so, als hätte sich nichts bewegt, allerdings nicht bei den Anderen. Die haben diese Kompromisse zur Kenntnis genommen und weiter gemacht, man könnte auch sagen, weiter gehetzt.
    Was soll denn jetzt noch von Seiten der Stadt angeboten werden?

  • Bitte bei den Fakten bleiben:
    1) Die Stadt hat keneswegs den "Erhalt des Intehotels" beschlossen, betreibt nur dessen Abriss nicht aktiv. Ein städtebaulicher Mißstand mit Modernisierungsverbot bleibt das Mercure.
    2) Es müssen auch nicht "maximal 4 Häuser in Anlehnung an die historischen Bauten" errichtet werden sondern 4 exakte, material-, form-, profil- und maßgetreue- Fassadenkopien der Originalbauten inkl. der Integration und Sanierung von erhaltenen Spolien (z.B. der Attikafiguren des Plögerschen Gasthofes).
    3) Darüber hinaus sollen 4 weitere Gebäude Architekturdetails der historischen Bauten zitieren, interpretieren, integrieren.
    4) Für Sozialwohnungen gibt es keinerlei Verpflichtungen. Es gibt gleichberechtigte Gummipunkte bei der Vergabe, wenn der Bieter Sozialwohnungen, preisreduzierte Wohnungen, Selbstnutzer, Baugruppen oder Kultureinrichtungen aufbieten kann.
    5) Beim Staudenhof wurde nichts verlängert - die Mietverträge sind bis 2020 befristet.

  • Die DDR ist überhaupt nur deswegen ein Thema, weil sie nicht mehr existiert. Kein Westberliner wurde nostalgisch, weil das Aschinger abgerißen wurde und nicht einmal dem unter Denkmalschutz stehenden Schimmelpfeng wurden groß Tränen nachgeweint


    Was für eine haarsträubend dumme Aussage. Unzählige alte Westberliner jammern über den Verlust ihres Kalter-Krieg-Soziotopes, wieweil sie nicht annährend die Brüche und gesellschaftlichen Zerstörungen durchmachen mussten, wie ein gemeiner Ossi. 5 Minuten Recherche dürften dir auch Klarheit bringen bringen über die Menge an westberliner Verlustliteratur. Mir hängt das Gesülze mittlerweile dermaßen zum Hals raus, daß ich dafür keine forumsgerechten Worte finde. Wenn du kein blasierter Besserwessi sein willst, solltest du aufhören, dich wie einer zu benehmen.

  • ^ Wenn wir schon beim Thema des Zum-Hals-Raushängens sind - die ganze Ost-Kommunismus-Kiste ist zusammengebrochen und vergangen, weil der ganze Unfug den Leuten sowas von zum Hals raushing. Ich habe im System über zwei Jahrzehnte des Lebens verschwendet, während eines Praktikums habe ich sogar eigenhändig an manchen der öden grauen Kisten mitgebaut. Weder diesen noch irgendwelchen anderen würde ich nachweinen - genausowenig wie vergleichbaren Kisten im Westen. Falls es irgend eine Ostalgie geben sollte, wohl innerhalb einer kleinen Gruppe, die dafür besonders lautstark zu sein scheint.


    Auch im Westen gibt es Nimbytum und BIs gegen alle möglichen Projekte. Wenn man nicht vernünftig reden kann, sollte die parlamentarische Mehrheit die NoNoNoNoNoNo-Schreier einfach ignorieren.


    Vier Originalfassaden und vier mit Zitaten? Das ist wirklich sehr wenig. In Reiseführern lese ich über die eine oder andere Stadt was von 100ten historischen Häusern, mit 8 kann man kaum punkten. Noch ein paar mehr sollte es geben.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Na, zusätzlich sollen ja die 4 mit Zitaten ausdrücklich NICHT historisch sein, sondern "zeitgenössisch" - was auch immer das sein mag. Also werden wir uns im Block III, der gerade ausgeschrieben ist, wohl mit dem Plögerschen Gasthof (nach dem Palazzo Valmarana von Palladio) und dem Klingerschen Haus (Knobelsdorff, Alter Markt 17) zufriedem geben müssen.



    Und so sieht das dann aus, wenn man ein Achteckenhaus in "zeitgenössicher Architektursprache" entwerfen soll. Hier der für die Ausschreibung verbindliche "Grundstückspass":





    So sah das Haus vor seiner Zerstörung aus:



    (C) akg-images

  • ...
    Vier Originalfassaden und vier mit Zitaten? Das ist wirklich sehr wenig. In Reiseführern lese ich über die eine oder andere Stadt was von 100ten historischen Häusern, mit 8 kann man kaum punkten. Noch ein paar mehr sollte es geben.


    Richtig. Bei mehr als 30 Neubauten sind 4 Rekonstruktionen und 3 Neuinterpretationen historischer Bauten mehr als wenig. Dazu kommt noch das quasi Verbot, bei allen Bauten ausser diesen Vieren:
    - weitere historische Fassaden zu rekonstruieren,
    - Vorhangfassaden zu gestalten,
    statt dessen sind:
    - Fensteröffnungen von bis zu 50% der Fassade,
    - Dacheinschnitte von bis zu 33% der Fassadenbreite in der Schwertfeger- und Kaiserstraße
    zugelassen.


    Zitat aus dem Beschluss 16/SVV/0269 zum Leitbautenkonzept: "Für alle weiteren Gebäude gelten die Vorgaben aus den allgemeinen Leitlinien, wobei für die Fugen der Gestaltungsrahmen am weitesten gefasst ist."


    Und aus den Zielen und Leitlinien geht hervor, Zitat: "Innerhalb des gegebenen städtebaulichen Rahmens ist vorgesehen, dass die Gebäude ohne Leitfunktion an der Friedrich-Ebert-Straße, der Schwertfegerstraße und der Kaiserstraße in zeitgenössischer Architektursprache entstehen sollen."


    Dieses "sollen" ist einem „müssen" gleichzusetzen, wenn man als Teilnehmer am Verfahren nicht Geld, Zeit und Motivation verschwenden mochte...


    Grüße
    Luftpost

    2 Mal editiert, zuletzt von Luftpost ()

  • Neben dem Sparkassenschloss nun also ein Sparkassenstadtteil. Da hat sich ja der ganze Propertz hier richtig gelohnt. Aber wahrscheinlich wollen das trotzdem wieder viele als vermeintlichen Gewinn hochjazzen. Es war ja mal wieder klar woher der Wind weht. Sinnloseste Geldvernichtung in alle Richtungen, für so ein bescheidenes Ergebniss. :mad: