Potsdam: Garnisonkirche - Der Diskussionsthread

  • Wie gesagt, das einen Kompromiss zu nennen ist ein Hohn. Wenn eine Seite alles bekommt und die andere nichts, ist das kein Kompromiss.

    Der Kompromiss ist: Turm kommt, Schiff nicht. Auch und gerade der Turm war schwer umstritten. Es kann gar keine Rede davon sein, dass eine Seite alles bekommen hätte. Aber rhetorisch ist es natürlich elegant, wenn man das, was man schon bekommen hat, unter den Tisch fallen lässt, und sich als Opfer eines übermächtigen Gegners inszeniert.

    Sie werden diese identitäts- inspirations- und heimat-raubenden städtebaulichen hinterlassenschaften von ideologisiert-verborten pseudointellektuellen und Moralisten nämlich ausbaden müssen.

    Meine Güte, da lassen sie ja wirklich gar kein Klischee aus.

  • ^ Was sie da schreiben, hat nichts mit der Potsdamer Bautätigkeit der letzten zwei Jahrzehnte zu tun. Wenn Sie das nicht sehen, sind sie blind. Und ihre Beleidigungskette ist eine schlichte Unverschämtheit. Wie wäre es, wenn Sie es mal mit etwas sachlicher Kritik im Tonfall bürgerlicher Höflichlichkeit versuchen?

  • Ich schreibe nicht über die "Potsdamer Bautätigkeit der letzten zwei Jahrzehnte".

    a) "identitäts- inspirations- und heimat-raubenden städtebaulichen hinterlassenschaften". Trifft irgendetwas hiervon auf das Gebäude des Rechenzentrums nicht zu? Mir erschließt sich hier ein rein optisch völlig austauschbarer viereckiger simpler Bau ohne jegliche spezielle Form oder Gestaltung die einen Nennenswerten erinnerungs- inspirations- oder heimatstiftenden (ganz zu schweigen von handwerklichem oder künstlerischem) Wert begründen würde. Weder Form, Fassade, Ausführung, Farbgebung, noch sonstiges gestalterisches Detail ist auf irgendeine art und weise positiv nennenswert.

    b) Der zweite Teil der Beleidiungskette lautet "...städtebaulichen hinerlassenschaften von ideologisiert-verborten pseudointellektuellen und Moralisten nämlich ausbaden müssen". Hier wird von einem signifikanten Teil der Diskussionsteilnehmer mit zeter und mordio eine ideologisch/moralisch/intellektuelle diskussion vom Zaun gebrochen und aufgebauscht. Mit Kindesaugen gesehen kann man jedoch schlicht und einfach von einem belanglosen austauschbaren Gebäude gegenüber einem möglichen verspielten, künstlerisch anspruchsvollen, zier- und abwechslungsreichen Gebäude sprechen. Dieses ganze aufgebauschte Gelärme wird im Gegensatz zum Gebauten weder überdauern noch irgendjemanden heute unbeteiligten nachhaltig prägen. In zehn fünfzehn Jahren werden (immer noch) unbeteiligte Anwohner und Touristen an Rechenzentrum und Turm vorbeilaufen und nur eines der beiden Gebäude auch nur annähernd Fotografierenswert finden. Und es wird auch in fünfzehn Jahren jugendliche geben die sich nach dem Italienurlaub oder der Reise nach Prag (oder auch Dubai) wundern was wir als Gesellschaft an Ausdruckskraft und gestalterischem Anspruch verloren haben.

    (Ich biete in diesem Rahmen übrigens auch gerne das Du an - Internet und so. Bin 36, unter Umständen also jünger. In diesem Falle identifiziere ich mich als jemand der im Internet mit Ikea Level Förmlichkeit klarkommt.)

  • Der Kompromiss ist: Turm kommt, Schiff nicht. Auch und gerade der Turm war schwer umstritten. Es kann gar keine Rede davon sein, dass eine Seite alles bekommen hätte.

    Das ist grober Unfug. Der Turm kommt schon lange, wie man unschwer sehen kann. Der ist überhaupt nicht Gegenstand dieses sogenannten "Kompromisses". Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist durch alle demokratischen Instanzen hindurch beschlossen worden. Was wir jetzt erleben, ist nichts anderes als ein Roll Back. Angefeuert durch eine jahrelange Schmutzkampagne. Ich gehe mit der Stiftung überhaupt nicht d'accord, was die Zustimmung zu diesem "Kompromiss" angeht. Aber ich verstehe, dass viele Protagonisten, die sich jahrelang engagiert haben, irgendwann mürbe werden, wenn ihnen permanent brauner Dreck hinterhergeworfen wird.

  • Wie wäre es, wenn Sie es mal mit etwas sachlicher Kritik im Tonfall bürgerlicher Höflichlichkeit versuchen?

    Hier liegt ja eines der Probleme. Die sogenannten Rekonstruktions-Gegner operieren mit Schmutzkampagnen, die Rekonstruktions-Befürworter bleiben aus meiner Sicht leider meistens viel zu bürgerlich brav.

    Ob Stadtschloss Berlin oder Potsdam, ob Frankfurter (Teil-)Altstadt, ob insbesondere Dresden - immer wird der braune Kübel ausgegossen, wenn man nicht gleich weiter kommt. Und wie wir wissen Dreck frisst sich durch und irgendwas bleibt schon kleben. Bei Rekonstruktionsversuchen in Nürnberg werden gleich die Reichsparteitage bedient. Kollhoff erschafft "rechte Räume" (warum sagt man nicht gleich "Nazi-Räume") und mal schauen wie viele Salven noch auf Frau Kahlfeldt abgeschossen werden. Von Beleidigung, Diffamierung bis zum Auftritt der staatsfinanzierten Antifa ohne Fa, die dann im Schreichor in guter brauner Tradition andere Mundtot machen sollen und zu oft auch Mundtot machen können.


    Aber ganz unabhängig dessen fragt man sich warum die Rekonstruktions-Gegner und der überwiegende Teil der so sendungsbewussten Architekten so ein Mimimi-Konzert bei jeder möglichen Rekonstruktion aufführen (zuletzt Karstadt Hermannplatz)?

    In Potsdam ist man doch erschlagen von moderner Architektur? Ich steige am tristen Bahnhofs-Neubau aus und schaue im Norden auf den Neubau der Investitionsbank (irgendwie schon 1000mal irgendwo gesehen), gehe zum Südausgang und kann den völlig verhunzten Neubau des "Blu" "bewundern", fahre die Friedrich-Engels-Straße entlang und schaue mir da die "modernen Highlights" an, bis ich irgendwann am Ziel müde durchs "moderne" Sterncenter laufe. Nur Altbauten habe ich auf meiner Strecke kaum gesehen!

    Ich selber bin sehr interessiert an moderner Architektur, nur habe ich auf dieser Strecke nichts gesehen was mit der Genialität der Potsdamer Innenstadt mithalten könnte, nein die Neubauten sind einfach zu minderwertig dafür.


    Also man will einen Kompromiss? "Rechenzentrum" gegen Kirchenschiff. Findet die deutsche Architektenschaft das nicht peinlich? Erklärt mir doch mal die große architektonische Besonderheit dieses "Rechenzentrums", oder muss erst wieder ein Libeskind ankommen und ein bischen ZickZack draufkleben? Fühlt man sich dann moralisch herausgehoben?


    Seit 1945 haben moderne Architekten Deutschland ein neues Gesicht gegeben und wie ist das Ergebnis? Und da haben die Rekonstruktions-Befürworter alle Asse in der Hand. Sobald ein Rekonstruktionswunsch unterlegt mit einer Grafik/Bild einmal in die Welt getragen wurde, ist er kaum mehr aufzuhalten (siehe Hermannplatz), das Bild überzeugt uns mehr als das was heute dort steht. Ja warum, wenn die Architekten die letzten 70 Jahre so erfolgreich waren? Ist das Geheule der Sauerbruchs und Co. nicht doch nur ein Mimimi, weil man weiß man könne nicht mithalten?

    Und wie war es vor dem Krieg? Alleine die Zeichnungen für die Planungen in den 20er Jahre für Berlin sind atemraubend. Oder wer erbaut heute in Deutschland noch so etwas wie die Jahrhunderthalle in Breslau? Es liegt nicht an der Moderne an sich. Es liegt daran, dass die sich für modern haltenden Architekten IN DEUTSCHLAND (insbesondere für Deutschland) keine Ideen oder ein zu geringes Können haben.

    Sehe ich nach Asien, nach Dubai oder auch nach Amerika, so frage ich mich, warum findet dort Moderne statt aber bei uns wird mir die Europacity als letzter Atemzug deutscher Architektur und Städtebaus verkauft?


    Liebe Befürworter der Garnisonskirche, abwarten bis das Rechenzentrum dann umgebaut ist. Dann kommen die Fachzeitungen und geben ihre üblichen Huldigungen ab, vielleicht weinen sie auch dabei ein bischen. Es muss ja ein "Kult" um das "gerettete" Entlein erzeugt werden. Und dann stellt die Bilder vom Gesamtbild der Kirche wieder aus, die Komplettierung der Rekonstruktion wird kommen...

  • Der Turm kommt schon lange, wie man unschwer sehen kann. Der ist überhaupt nicht Gegenstand dieses sogenannten "Kompromisses".

    Was sie da machen, nennt man "Shifting Baselines" - man erringt einen Erfolg (Wiederaufbau des Turms) und behauptet im Nachhinein, das wäre gar kein Erfolg, sondern eine Selbstverständlichkeit. Für einen Kompromiss muss man also mehr bekommen als den Turm - z.B. den Abriss des Rechenzentrums mit späterer Debatte, was an dessen Stelle kommt.


    In dieser Debatte könnten Sie dann sagen: Was, der Abriss der Rechenzentrums war doch kein Kompromiss! Der ist doch lange beschlossen! Alles außer dem Wiederaufbau des Schiffs in wenigstens später vollrekonstruierbarer Form wäre ein Sieg für die Schmutzkampagne! Und so weiter - das Spiel kann man immer wieder spielen. Ernstnehmen kann ich es nicht. Zumal Sie die Schmutzschmeißerei eines Herrn Cordonnier hier ja nicht zu stören scheint.

  • Dieser Erfolg war doch schon längst errungen und gar nicht Teil dieser Debatte. Wie kann etwas, was schon im Bau ist Teil eines Kompromisses sein? Alles was noch irgendwie auf dem Tisch war (auch das ist zweifelhaft, da es zuvor schon beschlossene Sache war) wurde von den Rechenzentrumsbefürwortern abgeräumt.

  • Ich würde grundsätzlich zum Wohle der Diskussionskultur dafür plädieren, dass wir uns vom ewigen Wiederkäuen nichtssagender politischer Kampffloskeln verabschieden. Begriffe wie "ideologisiert", "pseudointellektuell" und "Moralist" sind nur versteckte Böswilligkeiten, auch hier wieder je nach Perspektive beliebig auf "die Gegenseite" anwendbar und bringen die Diskussion in keiner Weise weiter. Langsam macht nichtmal mehr das lesen Spaß und zur Beteiligung motiviert es erst recht nicht.


    Völlig richtig. Bitte sachlich bleiben und auf einen vernünftigen Diskussionsstil achten!

  • Langsam macht nichtmal mehr das lesen Spaß und zur Beteiligung motiviert es erst recht nicht.

    Es kann aber auch sein, dass nun gerade manchem das Lesen oder Beteiligen mehr Spaß macht, da die einseitigen Angriffe wie "Reko-Heini" oder "Reko-Willi" nicht mehr unwidersprochen bleiben.

    Aber sicher haben wir uns bei der Diskussion alle nichts geschenkt und vielleicht auch ein bisschen verhakt. Wobei ich diese ewige Verschieberei bei der kleinsten Auseinandersetzung durch die Moderatoren Diskussionsbegrenzend finde, es spiegelt sich doch auch hier wunderbar ein Querschnitt der Gesellschaft wieder.

    Ich bleibe bei meiner These, dass Rekonstruktions-Wünsche dort auftreten, wo die Nachkriegsbebauung keine überzeugenden Lösungen anbot und das Bild des Verlorenen eine starke Dominanz bzw. Präsenz entfacht. So habe ich zum Beispiel Jahrzehntelang vieles gehört was gegen das Stadtschloss in Berlin und auch in Potsdam spricht. Die Alternativentwürfe waren jedoch sehr rar an der Zahl und nicht überzeugend. Es müsste sich auch die Seite der Moderne fragen, warum man nicht überzeugt. Ich persönlich rechne mich keiner Seite zu, mich verstört aber die Hysterie bei Rekonstruktionen und da frage ich mich, warum arbeitet man nicht daran besser zu sein als die Beschworene Vergangenheit.

    Auf meine Frage, was an diesem "Rechenzentrum" in Potsdam nun so überzeugend oder architektonisch erhaltenswert sein soll bekomme ich leider keine Antwort. Da hätte ich ja für den FH-Bau noch Verständnis aufbringen können. Also muss das Gebäude als Blockade für das Kirchenschiff herhalten - ist das nicht Kitsch? Und nochmal: Das Schicksal der Landesbibliothek wiederholt sich, aber für was? Wo ist denn die architektonische Gegenposition zum Kirchenschiff?


    Wären Volksentscheide ein Weg um diese verhärtete Diskussion um Für-und-Wider von Rekonstruktionen zu lösen? Warum eigentlich nicht, so könnte man sehen, ob die eine Seite wirklich die Mehrheit hinter sich weiß oder ob die andere moralisch wirklich immer so erhaben ist. Zudem ist es ja das Volk, das mit den baulichen Tatsachen jahrzehntelang leben muss.

    Aber die Denke Rekonstruktion automatisch konservativ/rechts/böse und die anderen automatisch aufgeklärt/irgendwas mit links/gut führt zu nichts und auch zu keinen guten Ergebnissen.

    Rekonstruktionen wird es noch viele geben, die Qualität wird den Ausschlag für das Gelingen geben. Vor ein paar Jahren hätte ich mir noch nicht vorstellen können, dass Karstadt am Hermannplatz rekonstruiert wird, das Bild aus der Vergangenheit war stärker!


    Für Potsdam würde ich mir die Garnisonskirche als Ganzes, die weitgehende Rekonstruktion der Breiten Straße, einen Rückbau der Autobahn an der Langen Brücke und eine Herstellung des Lustgartens ohne dieses aus meiner Sich architektonisch zweifelhafte Mercure-Hotel "Potsdam City" wünschen.


    Für Berlin möge vergönnt sein:

    - Bauakademie

    - Karstadt Hermannplatz

    - Anhalter Bahnhof (als Kunsthalle bzw. Exilmuseum, das fehlen der Hauptfassade zum Askanischen Platz schmerzt)

    - Die TU-Fassade an der Straße des 17. Juni wiederherstellen und diese Scheibe aus der Nachkriegszeit entfernen.

    - Die Erweiterung der alten Reichskanzlei an der Wilhelmstraße von 1930 von Siedler/Kisch (nicht gleich "böse" schreien, sich mit diesem Bau mal beschäftigen)

    - Börse an der Burgstraße (ich weiß ist unwiederbringlich verbaut)

    - Belle-Alliance-Platz vielleicht modern im Stile des Leipziger Platzes mit Wiederherstellung der Straßenführungen (ich weiß ist unwiederbringlich verbaut), aber vielleicht bekommt man die Torhäuschen zurück?!


    Oder die Moderne unterbreit für diese Orte Vorschläge, die das alte Bild durch Überlegenheit abschwächt bzw. neutralisiert.

  • die einseitigen Angriffe wie "Reko-Heini" oder "Reko-Willi"

    Wo denn eigentlich? Ich habe spaßeshalber mal die letzten 10 Seiten diese Themas nach "Reko" durchsucht und nichts gefunden. Das höchste der Gefühle war ein einziges mal "Rekohobbyist"... naja...


    Ich sage nicht, dass es Anfeindungen gegen Reko-Befürworter nicht geben würde, verstehen Sie mich da nicht falsch, ich kenne selber Beispiele, aber es ist meines Eindruckes nach bei weitem nicht so verbreitet wie Sie und andere immer wieder behaupten. Und was es offensichtlich nicht ist, ist "einseitig" gegen Reko-Befürworter. Ich finde dieses Opfer-Narrativ schwer nachzuvollziehen.


    wo die Nachkriegsbebauung keine überzeugenden Lösungen anbot und das Bild des Verlorenen eine starke Dominanz bzw. Präsenz entfacht.

    [...]

    Es müsste sich auch die Seite der Moderne fragen, warum man nicht überzeugt.

    Das ist Ihre Meinung und das ist gut so. Noch besser wäre es, wenn Sie sie als solche Kennzeichnen und nicht so darstellen würden, als wäre es Naturgesetz, dass die Moderne nicht überzeugt. Viele Menschen sehen das so, viele aber auch nicht.


    Ich persönlich rechne mich keiner Seite zu

    Ich bitte Sie...

    Auf meine Frage, was an diesem "Rechenzentrum" in Potsdam nun so überzeugend oder architektonisch erhaltenswert sein soll bekomme ich leider keine Antwort.

    Sie könnten hier anfangen: https://de.wikipedia.org/wiki/Rechenzentrum_Potsdam


    Geschichte, Bedeutung, Innenraumgestaltung, Nutzung, zukünftiges Nutzungspotential, etc.. Es gibt neben Kubatur und Fassadengestaltung etliche weitere Variablen, die bei solchen Überlegungen eine Role spielen sollten, und das hier glücklicherweise auch tun.


    und da frage ich mich, warum arbeitet man nicht daran besser zu sein als die Beschworene Vergangenheit.

    Meiner Meinung nach tut man mit dem Kompromiss genau das. Er erkennt unserer wechselhafte Geschichte an, räumt unterschiedlichen Epochen nebeneinander Platz ein. Es sind starke Kontraste aber eben auch schrittweise gewachsener Stadtraum und Ausdruck einer pluralistischen Gesellschaft. Man darf gespannt sein, ob und wie es ein kommendes "Haus der Demokratie" schafft, zwischen Turm und Rechenzentrum zu vermitteln und das Ensemble zu vervollständigen.

  • Man darf gespannt sein, ob und wie es ein kommendes "Haus der Demokratie" schafft, zwischen Turm und Rechenzentrum zu vermitteln und das Ensemble zu vervollständigen.

    Danke für deine Antwort. Sie wirft bei mir jedoch noch mehr Fragen auf als diese zu beantworten.


    Die Garnisonskirche war ja auch vor dem "Tag von Potsdam" eines der Wahrzeichen und Berühmtheiten der Stadt. Sogar Napoleon war schon da. Diese wiederaufzubauen um wahrscheinlich auch Geschichte wieder zumindest haptisch erfahrbar zu machen liegt sehr auf der Hand. Aber was ist jetzt das "Rechenzentrum" im Vergleich dazu?

    Ich kenne den Wikipedia-Artikel zu diesen "Rechenzentrum" und ja der "Mosaikzyklus" ist zumindest interessant. Was aber das Besondere an diesem Hause sein soll bleibt mir nach wie vor rätselhaft. Das Haus in eine Stufe mit Gebäuden der Karl-Marx-Allee oder des Alexanderplatz aus DDR-Zeit zu stellen ist völlig abwegig, da fehlt jede Qualität bzw. Besonderheit. Es kann keine Antwort auf die Garnisonskirche liefern, da es zu schwach ist. Ein gern inszenierter Kampf David gegen Goliath findet nicht statt.


    Und metaphorisch vom "Haus der Demokratie" zu schwärmen überzeugt mich einfach nicht. Ein solches "Haus der Demokratie" könnte genauso gut im rekonstruierten Kirchenschiff der Garnisonskirche entstehen und dort würde es noch einen erlebbaren historischen Bezug darstellen.

    Wobei wenn man sich schon so an der Garnisonskirche reibt, man auch die Gegenfrage stellen kann und muss, wie verträgt sich ein "Haus der Demokratie" in einem von der DDR-Regierung verordnetem Gebäude "zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach sowjetischem Vorbild..." (Wikipedia-Artikel) ??

  • Man kann das immer weiter spinnen, richtiger wird es m.M.n. dadurch nicht.


    Die Garnisonkirche ist im kollektiven Bewusstsein von heute, vor allem mit dem Tag von Potsdam verknüpft, ob vorher schon Napoleon da war, spielt ja wohl keine Rolle :confused:. Auch als Barockkirche alleine hätte sie kaum eine Chance auf Rekonstruktion, da wäre sie längst weitgehend vergessen und die Gemeinde hätte eh kein Geld dafür.


    Es ist also die Kombination verschiedener Faktoren und die Bemühungen der Stadtgesellschaft mit dem historischen Erbe angemessen umzugehen und dazu gehört halt nunmal auch das Rechenzentrum.


    Ich habe die Hoffnung, dass hier nun was wertvolles entstehen kann.

    Der Turm, als Symbol für Die Zeit bis 1945, das Rechenzentrum, renoviert und modernisiert, als Vetreter der Nachkriegszeit und schließlich ein, hoffentlich außergewöhnlich guter Neubau anstelle des Kirchenschiffs, der für das moderne Deutschland steht.

    Alle drei Zeitschichten hatten und haben Höhen und Tiefen, die sich in diesem vielseitigen Projekt spiegeln, sozusagen auch "haptisch erfahrbar" werden.


    Mir gefällt auf jeden Fall die Verknüpfung von Turm und Rechenzentrum mittel modernem Kirchenschiff viel besser, als das ermüdende gegeneinander ausspielen.

  • ^ Theoretisch mag das alles sehr spannend werden und als Symbiose dreier Zeitschichten daherkommen.

    Räumlich und städtebaulich betrachtet, wird es ein verbautes und zusammengequetschtes Sammelsurium werden, was andere städtebauliche Zielsetzungen negiert.


    - Die Plantage wird als Grünfläche von der Breiten Straße her mit der enormen Baumasse abgeriegelt - gerade, wenn der Lange Stall als Bauvolumen neu errichtet wird.


    - Ein Haus der Demokratie wird in einem Hinterhof gesetzt - auch wenn man bedenkt, dass die östliche Fassade des Rechenzentrums weiterhin belichtet werden muss und hierzu Abstandsflächen eingehalten werden müssen.


    - Mir ist nicht ganz klar, wie in ferner Zukunft der Stadtkanal (inkl. beidseitiger Straßen, breiter Gehwege mit Bäumen) am Rechenzentrum vorbeigeführt werden soll. Es wäre zumindest die engste Stelle des gesamten Kanalverlaufs.


    - Was geschieht mit den merkwürden Restflächen und Freiräumen, welche die Gebäude miteinander generieren und wird das Erdgeschoss des Rechenzentrums mit einer Nutzung geöffnet (Mosaike)?


    Eigentlich finde ich es ganz spannend, dass das Rechenzentrum und Garnisonkirche eine annähernd gleiche Traufhöhe haben und sich im Bereich des Kirchenschiffs ein relativ urbaner Hof ergibt. Eine gut gestaltete Freifläche (Hof), oder ein Platanenhain anstelle des Schiffs wäre für mich angemessener - dann hätte auch die zweite barocke Showfassade vom Langen Stall etwas mehr Freiraum.

  • Vielleicht sollten sich beide Seiten mit Stadtraumplanern zusammensetzen und mit einem Kompromiss aus Rechenzentrumteilen (die derzeitige Baumasse ist in ihrer Gänze zu wuchtig) und modernen Kirchenschiffanbauten etwas wirklich gemeinsam Neues schaffen.

    Das ganze öffnend hin zu einem hoffentlich wieder errichteten Stadtkanal (steht beim Bürgermeister von Potsdam ganz oben auf der Agenda;)).

    Könnte ich mir gut vorstellen.

    Viele Grüße aus Dresden :)

  • Vielleicht sollten sich beide Seiten mit Stadtraumplanern zusammensetzen und mit einem Kompromiss aus Rechenzentrumteilen (die derzeitige Baumasse ist in ihrer Gänze zu wuchtig) und modernen Kirchenschiffanbauten etwas wirklich gemeinsam Neues schaffen.

    Auch Gruß zurück nach Dresden :)

    Das Problem in Potsdam ist halt, dass wir bei diesem "Rechenzentrum" genannten Kasten maximal von der architektonischen Qualität eines profanen Zweckgebäudes marke Stangenware sprechen können. Hätten wir hier ein Gebäude wie euren Kulturpalast oder den doch vorhanden gewesenen Qualitäten der ehemaligen FH am Alten Markt, dann wäre das Anliegen glaubhaft. Und ich bin kein Feind der DDR-Architektur, mich stört nur die Verlogenheit mit der man das Kirchenschiff verhindern will und dafür dieses Rechenzentrum missbraucht.

    Wenn Unter den Linden in Berlin zum Beispiel ein DDR-Gebäude wie das Wiratex-Haus, das einen ganz anderen architektonischen Anrpsruch vorweisen konnte als dieses Rechenzentrum für eine neue profane (diesmal BRD)-Bürokiste abgerissen wird, hört man von den so befindlichen Personen auch nichts.

  • Warum musste man eigentlich zu DDR-Zeiten dieses unsägliche Rechenzentrum unbedingt an einer solch zentralen Stelle errichten? Lag es daran, dass das Rechenzentrum in der Nähe anderer Institutionen (wie der FH) liegen sollte? Gab es denn niemanden in der DDR, der auf die Idee gekommen ist, dass man Rechenzentren auch am Stadtrand errichten kann?

  • ^ Weil ein Rechenzentrum mit Großrechnern um 1970 etwas anderes war als 2020: Kein Standardbau, den man in jeder Stadt hat und braucht, sondern ein Ausweis von Fortschritt und Hightech, mit dem man sich schmücken wollte.


    Diese Sorte Haus war damals übrigens nicht nur im Osten gängige Bauweise für Wissenschafts-Architektur. Mein altes Seminargebäude, das Socio-Oeconomicum der Uni Göttingen (hier in peinlichem Kontext) sieht genauso aus – mit Marmor, aber ohne Mosaik. Das steht auch in der Innenstadt; und niemand findet, es sei ein Schandfleck, den man dringend abreißen müsse (es wurde sogar 2006 nach einem Großbrand generalsaniert).

  • Danke für diesen Kontext, Architektenkind!

    Im Grunde zeigt sich daran, dass das Rechenzentrum in seiner Zeit und für seinen Zweck möglicherweise genauso bedeutend war, wie die Garnisionkirche Jahrzehnte zuvor und es somit auch eine Grund zur Erhaltung gibt, auch wenn es oberflächlich betrachtet weniger schön ist.