Potsdam: Garnisonkirche - Der Diskussionsthread

  • Am Beispiel des Pisa-Durchfall Syndroms von Bau-Lcfr zeigt sich auch, dass es eine Menge Unverständnis, Ignoranz und Polemik gibt, die diese Diskussion am Laufen halten.


    Es ist keine "Polemik", sondern eine Veranschaulichung, dass Ereignisse entweder eine ursachliche Kausalität haben oder völlig zufällig am gleichen Ort auftreten. Man kann X Seiten über NS usw. schreiben, doch nichts davon beweist, dass die Existenz der Kirche irgend etwas davon begünstigte.


    Ich kann gerne eine andere Veranschaulichung nehmen, ohne Durchfall. Als ich zuletzt Bergamo besucht habe, ist nach wenigen Schnappschüssen einer meiner Kameras der Saft ausgegangen. War das irgendwie mit dieser Stadt "verknüpft", verkettet oder verknottet? Natürlich nicht - es lag einzig daran, dass ich am Vortag das ohnehin bereits schwächelnde Akku nicht aufgeladen habe. Wären wir an diesem Tag nach Pavia oder Como gefahren, wäre es ganz genauso aufgetreten. Unter dem Link darüber findet man viele Wikipedia-Links, doch absolut nichts davon beweist, dass die Stadt oder irgend ein Bauwerk in dieser irgend etwas mit dem Entladen meiner Kamera zu tun hatte. Es war bloß purer Zufall wie der Ort des gewissen Ereignisses, welches in die seriöse Geschichtsschreibung (anders als eine Anekdote) nicht schafft.


    Interessant übrigens:


    Die Garnisionkirche muss, wenn sie erfolgreich seien will, stets ein Ort für Diskussion, Toleranz und Pluralismus werden.


    Dafür muss sie erst einmal wiederaufgebaut werden.

  • Am Beispiel des Pisa-Durchfall Syndroms von Bau-Lcfr zeigt sich auch, dass es eine Menge Unverständnis, Ignoranz und Polemik gibt, die diese Diskussion am Laufen halten.


    Nach Deinem polternden, von Vorwürfen und Vorverurteilungen geprägten, Einstieg in das Thema solltest Du mE mit der "Gegenseite" nicht zu kleinlich sein. Der Durchfall war ja keine persönliche Beleidigung, sondern eher eine lockere Anekdote. Und brauner Dünsch... passt doch hervorragend zum Tag von Potsdam und der von Dir selbst angesprochenen braunen Strömung. Kein schönes aber ein stimmiges Bild.


    Es ist keine Verschwörungstheorie, wenn ich die unbestreitbare Verknüpfung zwischen der Garnisionkirche und dem „Tag von Potsdam“ ziehe.


    Nein. Dass es eine Verknüpfung gibt, bestreitet ja nicht einmal Bau-Lcfr. Wobei ich seine Analogien wiederum zu sehr zufällig finde. Die Kirche wurde sicherlich nicht völlig willkürlich gewählt. Umgekehrt sehe ich es als nachhaltigen Sieg von damaliger rechter und späterer/ heutiger linker Propaganda, wenn man den Tag von Potsdam eine geradezu vorherbestimmte, schicksalhafte Bedeutung zumisst, als habe hier etwas seine ewige Erfüllung gefunden. Wie gesagt ist die Garnisonkirche ebenso ohne Tag von Potsdam denkbar wie der Nationalsozialismus. Dass sich hier die Wege kreuzten, kann man mE nicht primär der Kirche anlasten. Stein ist geduldig.


    Es ist keine Verschwörungstheorie, wenn ich vor dem vorstellbaren Missbrauch der Garnisionkirche durch Rechtsextreme warne, z.B. wenn dort rechte „Gedenkveranstaltungen“ zum Tag von Potsdam stattfinden würden


    Danke für das konkrete Beispiel. Die Möglichkeit besteht natürlich aber ich sehe das weit weniger dramatisch als Du, weil ich finde, dass man diese Deutungskämpfe aushalten muss und kann. Da sich der Bau ja als Versöhnungszentrum versteht, wird es im Fall der Fälle sicherlich angemessene Gegenmaßnahmen geben. Im rot-rot regierten Brandenburg gibt es bekanntlich auch Braune aber sie genießen gerade auch in Potsdam keine Deutungshoheit und würden sich mE nur selbst lächerlich machen. Ob der Tag von Potsdam überhaupt so hoch bei denen hängt, kann ich nicht einmal sagen.


    3. ergibt sich nicht, da Du 2. nie näher ausgeführt hattest. Daran habe ich mich ja u.a. gestoßen, dass es wie ein diffuses Albtraumszenario rüber kam.


    Also wenn Du in Zukunft etwas konkreter wirst und umgekehrt etwas weniger polterst und unbekannten Gesprächspartnern ad hoc irgendwelche fragwürdigen Motive unterstellst, ist mE auch genug Raum für Deine Skepsis. Zumindest sehe ich so von meiner Seite aus kein Problem, da ich ja nicht für Dich sprechen möchte.

  • ... Dass es eine Verknüpfung gibt, bestreitet ja nicht einmal Bau-Lcfr. ... Die Kirche wurde sicherlich nicht völlig willkürlich gewählt. ...


    Doch, ich bestreite die vermeintliche Verknüpfung. Es hätte vielleicht nicht absolut jeder Ort in Deutschland sein können, aber jeder, der für einen Staatsakt taugt - der Reichstag etwa oder das Brandenburger Tor. Davon gibt es Hunderte, den man nicht allen die Existenzberechtigung absprechen kann. Würde man alte Fotos durchschauen, fände man unzählige Bauwerke, vor den Adolf H. sich irgendwelche Gesten leistete.


    Und ja, die Verbildlichungen sind völlig zufällig (wie der Ort des gewissen Ereignisses eben) - kürzlich habe ich Fotos aus Pisa und Bergamo betrachtet, was an zwei Ereignisse erinnerte. Dennoch sucht manch einer schon irgend eine Symbolik darin, die es gar nicht gibt.


    Eine krude Logik, vor einem Missbrauch von irgendwem zu warnen - und deswegen dürfte kein Bauwerk existieren, welches genauso missbraucht werden könnte? Und selbst wenn, was würde schon groß mit dem einen oder anderen Bau passieren - was soll einen Normalmenschen kümmern, welche Adresse für irgendwelche paar Leute in hermetischen Kreisen irgend eine mystische Bedeutung hat? Davon kriegt man doch kaum was mit, im normalen Leben.
    Und das in einem Posting mit einem großen H am Anfang, welcher Buchstabe von gewissen Herrschaften erst recht missbraucht wird? Wenn es schon lächerlich sein muss - ein Warnrufer von Welt müsste doch ohne des rechtsextrem kontaminierten Buchstaben (und ohne die ebenso kontaminierte Ziffer 8) schreiben.

    3 Mal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Es hätte vielleicht nicht absolut jeder Ort in Deutschland sein können, aber jeder, der für einen Staatsakt taugt - der Reichstag etwa oder das Brandenburger Tor.


    Ich verstehe diese Verleugnung beim besten Willen nicht. Der Ort wurde gewählt, weil hier Friedrich der Große, sowie der Soldatenkönig beerdigt waren und ihnen während des Staatsakts gehuldigt wurde. Das war der Moment der vermeintlichen Verschmelzung Preußens mit dem "Dritten Reich".

  • Doch, ich bestreite die vermeintliche Verknüpfung.


    Und ja, die Verbildlichungen sind völlig zufällig


    Eine krude Logik, vor einem Missbrauch von irgendwem zu warnen - und deswegen dürfte kein Bauwerk existieren, welches genauso missbraucht werden könnte?


    Wo bitte schön habe ich das gesagt? Ich habe mal meine Beiträge durchgesehen und habe deratiges nicht gefunden. Wenn Du meinst, weil ich sage "ich könnte gerne auf den Wiederaufbau des Turms verzichten" würde ich damit sagen wollen, das "Gebäude darf nicht existieren" irrst du gewaltig!


    Eine Differenzierung, das es zwischen "100% dafür" und "100% dagegen" noch andere Meinungen gibt, ist Dir (und aneren Foristen) leider offenbar nicht möglich


    Ich habe ja eine Weile gebraucht um Deine anekdotischen Erklärversuche zu durchsschauen, aber wenn ich das jetzt richtig verstehe meinst Du wirklich, die Garnisionkirche wäre aus purem Zufall als Veranstaltungsort von den Nazis ausgewählt worden.
    Etwa so?
    "Da ist doch dieser blöde Bus mit den irren Nazis ausgerechnet vor der schönen Garnisionskirche liegen geblieben und nur deswegen ist deren Veranstaltung leider dort abgehalten worden"
    Oder?
    Das ist eben komplett falsch.
    Zufall war nur die Verkettung, dass erst der ursprüngliche Veranstaltungsort (Reichstag) ausgefallen ist und dann andere passende Gebäude auch nicht zur Verfügung standen. Aber, und das ist entscheidend, die Garnisionkirche war als preußische Militärkirche und Begräbnisstätte preußischer Könige, leider ein passendes und geeignetes und auch bewusst ausgewähltes Gebäude. So passend, dass es anschließend propagandistisch ausgeschlachtet werden konnte.



    So, jetzt will ich mal versuchen wieder etwas zur eigentlichen Sache beizusteuern. Vielleicht gelingt es uns ja mit diesem Thread irgendwann wieder aus der Lounge rauszukommen :D .


    Camondos verlinkter Bericht über die Gedächtniskirche hat mir sehr gut gefallen.
    Ich finde zwar dass die Gedächtniskirche als erhalten gebliebene Kriegsruine nicht direkt mit der komplett abgetragenen Garnisionkirche vergleichbar ist, aber durch ähnlichen Ursprung und Verwendung lassen sich Vergleiche ziehen.
    Eine Komplettrekonstruktion war wohl allein aufgrund des Zeitgeistes in den 50er/60er Jahren ausgeschlossen und die komplette Beseitigung der Ruine durchaus möglich.
    Das Ergebnis der damaligen Diskussion ist aber doch beeindruckend und prägend für West-Berlin gewesen und tut dies selbstverständlich bis heute.
    Übertragen auf die Garnisionkirche kann ich daraus nur ableiten, dass eine Teilrekonstruktion empfehlenswert ist. Dem beschlossenen Wiederaufbau des Turms, sollte ein modern gestaltetes Kirchenschiff angeschlossen werden!

    3 Mal editiert, zuletzt von Baukörper ()

  • Camondos verlinkter Bericht über die Gedächtniskirche hat mir sehr gut gefallen.


    Übertragen auf die Garnisionkirche kann ich daraus nur ableiten, dass eine Teilrekonstruktion empfehlenswert ist. Dem beschlossenen Wiederaufbau des Turm sollte ein modern gestaltetes Kirchenschiff angeschlossen werden!


    Der Bericht ist beeindruckend und nicht nur in Bezug auf die Garnisonkirche inspirierend. Und auch den unteren Absatz sehe ich ähnlich. So viel ich weiß wird neben einem modernen Innenleben auch tatsächlich entweder ein modernes Kirchenschiff kommen oder gar keins. Auch wenn man den Turm also nicht nachträglich auf Ruine trimmen kann, wird so der fragmentarische Charakter deutlich bleiben. Das sehe ich auch als guten Kompromiss an. Das architektonisch und städtebaulich Herausragende war ohnehin der Turm und wenn der in voller Pracht rekonstruiert wird, darf man drum herum gerne zeigen, dass hier durchaus die Geschichte gewütet hat. Auch wenn die eigentliche Zerstörung (auch) hier erst von der DDR herbeigeführt wurde.


    P.S.: Und so schnell wird man sich dann doch noch einig. Wer hätte das gedacht.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Eine Differenzierung, das es zwischen "100% dafür" und "100% dagegen" noch andere Meinungen gibt, ist Dir (und aneren Foristen) leider offenbar nicht möglich


    Das wird mir langsam zu blöde. Was sollte denn ein 90%-Wiederaufbau bedeuten - die Wände wiederaufbauen, aber das Dach auslassen? Oder wenn nur der Turm originalgetreu wiederaufgebaut werden sollte, erfüllt es bereits den Wunsch nach unter 100%?


    Übertragen auf die Garnisionkirche kann ich daraus nur ableiten, dass eine Teilrekonstruktion empfehlenswert ist. Dem beschlossenen Wiederaufbau des Turms, sollte ein modern gestaltetes Kirchenschiff angeschlossen werden!


    Scheint so. Und originalgetreu wirkende Fassade des Kirchenschiffs mit abgeänderter Innengestaltung wären schon zu viele Prozente?


    Wie bereits geschrieben - man hätte vielleicht nicht absolut jede Ecke gewählt, aber unter den für eiben Staatsakt geeigneten hätte es Hunderte geben können, die man sich ausgesucht haben könnte.

  • So viel ich weiß wird neben einem modernen Innenleben auch tatsächlich entweder ein modernes Kirchenschiff kommen oder gar keins. Auch wenn man den Turm also nicht nachträglich auf Ruine trimmen kann, wird so der fragmentarische Charakter deutlich bleiben. Das sehe ich auch als guten Kompromiss an. Das architektonisch und städtebaulich Herausragende war ohnehin der Turm...


    Ich stmime Dir soweit zu!
    Aber natürlich wird die Frage der Gestaltung noch einige Kontroversen mit sich bringen. Ich plädiere für ein modernes Kirchenschiff, das auch den anderen angedachten Nutzungen genüge tut. Ich hätte auch kein Problem damit wenn es eine Replik des Kirchensaals der Gedächtniskirche würde, allerdings mit freundlicherem Äußeren.
    Auf keinen Fall sollte ein Freiraum anstelle des Kirchenschiffs bleiben, da dann die Diskussion um eine Rekonstruktion nur konserviert wird.

  • ^ Und immer noch ist dies kein Argument, warum die äußere Gestaltung des Kirchenschiffs nicht zumindest in vereinfachter Form an das barocke Original angelehnt werden sollte. Kirchen spiegeln wie kaum andere Bauwerke die bauliche Tradition der Orte wieder. Nehmen wir die hellen Fassaden der Bauten in Pisa - wie unterschiedlich sind die in gleicher Zeit entstandenen Kirchen in Palermo, die noch von arabischen Baumeistern errichtet wurden (San Cataldo nahm ich beim ersten Besuch für eine umgebaute Moschee). Von den 9 arabisch-normannischen Bauwerken der Region auf der Welterbe-Liste sind die meisten Kirchen. In Nordosteuropa wiederum sieht man auf Kirchen aus dieser Zeit viel Backstein, mit Steinen und Putz gemischt - wie auf der St. Marienkirche auf dem Berliner ME-Forum oder auf der Nikolaikirche.


    Wenn es (trotz einiger Unterstellungen) darum geht, das charakteristische Stadtbild Potsdams wiederherzustellen, ist klar - die Altstadt wurde vorwiegend im Barock geprägt. Die Kirche gehört dazu und sollte so viel Barock (zumindest äußerlich, für die Erscheinung im Stadtbild relevant) wie möglich zeigen. Ich wüsste nicht, was jemand davon haben sollte, dass dies durch einen wie ein Schrei wirkenden Bau gestört wird - aus irgendwelchen Vorwänden, die als politisch opportun verkauft werden.


    In Berlin ist die Situation um die Gedächtniskirche eine andere, dort wird eine Wiederherstellung des Stadtbilds aus dem 19. Jahrhundert nicht angestrebt - mit den zwei neuen Hochhäusern im Blickfeld auch gar nicht möglich. In Potsdam wird jedoch ein passendes Stadtbild der Altstadt angestrebt.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Ich empfinde gerade den Innenraum des Kirchenschiffs der Garnisonkirche als so außergewöhnlich schön und geradlinig, dass ich eher noch einer reduzierten oder veränderten äußern Form zustimmen würde, wenn dafür der Innenraum originalgetreu wieder entsteht. Zum selbst Beurteilen diesem Link folgen.


    Im Übrigen empfinde ich es als äußerst befremdlich, mit welcher Arroganz wir uns in unserer heutigen Zeit über die künstlerische Schaffenskraft vergangener Architekturleistungen hinwegsetzen. Da werden Gesamtkunstwerke verändert, reduziert, in eine imaginäre Moderne nicht nur adaptiert sondern bis zur Unkenntlichkeit verändert, überformt... Würde man das bei einer Mona Lisa oder einer Bach-Partition machen? Hälfte aller Noten streichen oder die Kopie der Mona Lisa kubistisch übeformt oder als halbe Kopie verkaufen?


    Luftpost

    Einmal editiert, zuletzt von Luftpost ()

  • Ich kann jetzt schon prognostizieren, dass die 12 mio. niemals an Spenden eingenommen werden, denn seien wir ehrlich, das Vertrauen in dieses ganze Projekt ist hin. Ein Spender will wissen, wofür er spendet und dass er in 5 Jahren auch das bekommt, was heute vereinbart wurde. Doch davon kann bei diesem Bau keine Rede sein. Jede Woche wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben, mal ist es die Nutzung, mal der Bauschmuck, jetzt sogar die Frage, ob der Turm am Ende überhaupt Garnisonkirche heißen darf. Kein Spender wird das mehr mitmachen, weil man heute nicht weiß, ob nicht doch noch jemand auf die Idee kommt, statt der Wetterfahne eine Edelstahlspitze als Kontrast auf den Turm zu setzen.


    Wie man es anders macht, zeigen die Beispiele der Frauenkirche in Dresden und die extrem seriöse Arbeit eines Wilhelm von Boddien für das Berliner Schloss. Hier hatte man Symbolfiguren, die persönlich für den Bau einstanden und wo man wusste, dass die Frauenkirche am Ende wirklich die steinerne Glocke bekommt oder das Berliner Schloss die vereinbarten Fassaden. All das fehlt hier bei dem Garnisonkirchenprojekt völlig. Man hat erstens keine zentrale Figur, die seriös und durch jeden medialen Sturm ruhig das Steuer hält und sich nicht unterkriegen lässt. Man hat zweitens bis heute keine klare Struktur in dem ganzen Projekt. Drittens hat man die Kirche im Boot, die seltsamerweise alles will nur keine Kirche, was sinnbildlich für den Zustand dieser Organisation steht. Man hat viertens eine extrem aufgeheizte Stimmung und eine Medienlandschaft, der es sehr recht ist, diesen Konflikt auch immer weiter am kochen zu halten. Und man hat fünftens einen neuen Bürgermeister, der fast schon bemitleidenswert versucht , sich überall anzubiedern und am Ende damit nur noch mehr Chaos stiftet.


    Betrachtet man also diese Gemengelage (die man in den Problemursachen noch weiter differenzieren könnte, dass es hier locker fünf Seiten füllen kann) kommt überhaupt keine Begeisterung für das Projekt auf. Man hat durch den öffentlichen Diskurs und die "Arbeit" der Stiftung jedes Vertrauen in dieses Gesamtgebilde verloren. Getoppt wird das Ganze noch durch die beständige Wiederholung, dass man entweder einen modernen Anbau an den Turm setzt oder das Rechenzentrum am Ende doch stehen bleibt. Wer bitte soll dann noch für solch eine ästhetische Katastrophe 12 mio. Euro spenden?


    Dass die Menschen bereit sind, für besondere Bauwerke auch viel Geld beizusteuern, zeigen die Frauenkirche oder das Berliner Schloss. Letztlich wird der Turm am Ende vermutlich mit Steuermitteln zu Ende gebaut. Dass es überhaupt noch ein Kirchenschiff geben wird, in welcher Form auch immer, ich bezweifel es mittlerweile. Es gibt, wenn es keine Reko werden soll, überhaupt keine sinnvolle und logische Nutzung. Ob die Stadt sich für viel Geld ein weiteres Museum oder Bildungszentrum ans Bein bindet, was letztlich niemand braucht, auch das bezweifel ich, denn ein paar Meter weiter entsteht ja schon ein riesiger Kreativkomplex, der vermutlich auch satt gefördert wird.


    Das ganze Projekt ist ein Paradebeispiel, wie man es nicht machen sollte!

  • Ob die Stadt sich für viel Geld ein weiteres Museum oder Bildungszentrum ans Bein bindet, was letztlich niemand braucht, ...

    Das ist meiner Ansicht nach der Kern des Problems, welcher, klingt hart für die Befürworter, m.E. auch von Anfang an klar war.


    Was soll diese Stadt mit so vielen besonderen Gebäuden noch mit einem mehr, das dazu noch, aufgrund seiner Geschichte, so umstritten ist. Wäre es der einzige fehlende Teil eines Ensmbles, oder, verglichen mit der Frauenkirche, der (optische) Mittelpunkt der Stadt, hätte es noch Sinn ergeben, aber wenn der Turm fertig ist, hat man an der Stelle doch kaum was erreicht. Gut, dann hat die Stadt einen Punkt ihrer Siluette zurück, aber haben den wirklich noch viele Menschen vermisst? Hätte nicht eine moderne Variante des Turms, an der Stelle schon längst stehen und den gleichen, wenn nicht einen besseren Zweck erfüllen können?


    Möglicherweise wird das auch der Wendepunkt der Rekonstruktionsbemühungen und ich erwarte eher, dass das Projekt mit einer modernen Turmspitze und einem besonderen modernen, multifunktionalen Kirchenschiff der größere Gewinn für die Stadt wäre.

  • Sorry Baukörper, aber ich kann deine Schlussfolderungen mal wieder null teilen.


    Was soll diese Stadt mit so vielen besonderen Gebäuden noch mit einem mehr, das dazu noch, aufgrund seiner Geschichte, so umstritten ist

    Diesen Zusammenhang kann ich überhaupt nicht verstehen. Was ist denn die Definition von genug? Wir reden hier von einem der kunstgeschichtlich bedeutendsten Kirchenbauten Deutschlands. Das kann niemand bestreiten. Dieser Bau ist, egal wie viele Denkmäler erster oder zweiter Klasse eine Stadt sonst so zu bieten hat, allein aufgrund seiner ästhetischen Ausstrahlung und seiner Bedeutung für die Kunst- und Kulturgeschichte ein Gewinn für die Stadt und das kulturelle Gedächtnis. Über die Geschichte des Baus kann man jetzt streiten, dazu wurde hier alles gesagt. Mir ist ehrlich gesagt ein Bau lieber, der eine Geschichte zu erzählen hat als ein Bau, der in Langeweile erstarrt. Es ist nur aus der Mode gekommen, sich mit komplexen Sachverhalten auch mal zu beschäftigen, denn dann wird man auch die Vielfalt und die Grautöne sehen, die dieser Bau erzählen kann. Aber in einer gesellschaftlichen Stimmung, die nur noch Schwarz oder Weiß kennt und wo sich Erklärungen auf Twitter-Meldungen und Bild-Schlagzeilen reduzieren, dringt man eben mit solchen Botschaften nicht mehr durch.

    Wenn der Turm fertig ist, hat man an der Stelle doch kaum was erreicht.

    Wieso hat man kaum etwas erreicht? Man hat einen der tollsten Kirchtürme des europäischen Barock zurück in der Stadtsilhouette. Man hat einen westlichen Ankerpunkt und Abschluss der Altstadt. Man hat einen neuen Aussichtspunkt, um die Stadt zu erleben. Ist das nichts?

    Hätte nicht eine moderne Variante des Turms, an der Stelle schon längst stehen und den gleichen, wenn nicht einen besseren Zweck erfüllen können

    Welchen Zweck denn? Was kann ein moderner Turm denn besser leisten als die Rekonstruktion? Außer dass der dann zu 100 Prozent vom Staat bezahlt werden darf, weil dafür garantiert niemand spendet. Und wir haben doch diese Variante schon. Die ehemalige Heilig-Geist-Kirche wurde als Seniorenresidenz doch nur ein paar 100 Meter weiter in der Innenstadt östlich so aufgebaut. Also will man das gleiche nochmal bauen? Und hat diese Karikatur eines Turms je einen vom Hocker gerissen? Daher meine Frage, warum man das dann nochmal bauen soll?

    Möglicherweise wird das auch der Wendepunkt der Rekonstruktionsbemühungen und ich erwarte eher, dass das Projekt mit einer modernen Turmspitze und einem besonderen modernen, multifunktionalen Kirchenschiff der größere Gewinn für die Stadt wäre.

    Ich sehe nicht, warum eine rekonstruierter Turm kein Zugewinn für Potsdam sein soll, ein moderner aber schon. Was wäre daran so bedeutend anders? Außer dass man zum hundersten mal die Brüche dokumentiert, die man eh überall in den deutschen Städten sieht. Das ist doch der Witz. Fast jede deutsche Großstadt ist doch ein Bruch in sich. Wenn man das mit den Brüchen ehrlich meint, müsste man ob des Kontrastes doch erst recht rekonstruieren, weil die meisten deutschen Innenstädte so hässlich sind, dass die Reko eigentlich der Bruch wäre.


    Fakt ist doch, dass die Frauenkirche als Kirche tadellos funktioniert, weil sie einfach Kirche sein darf. Warum lässt man die Garnisonkirche nicht Kirche sein? Hätte man das anfangs kommuniziert, ich wette, der Turm wäre heute fertig und man wäre das Schiff am planen. Aber durch das Agieren aller Beteiligter hat man doch alle Spender mittlerweile verschreckt, weil doch niemand mehr weiß, was gebaut wird und was da am Ende überhaupt stattfinden soll. Man hat alles zerredet und wundert sich jetzt, dass sich niemand mit dem Projekt identifiziert.


    Aber letztlich ist diese gesamte Diskussion um diesen Bau eine Replik auf den Seelenzustand dieses Landes. Man hat seit dem Zweiten Weltkrieg keine Beziehung zu sich, der eigenen Identität und der Geschichte gefunden. Übrig bleibt ein in weiten Teilen destruktive und negative deutsche Identitätszuschreibung, die sich in Wunden, Kontrasten und Brüchen an sich selbst weidet. Das Endresultat ist das, was wir heute sehen. Wer es nicht lernt, bei allen unbestreitbaren Untaten und Schrecken der Terrorherrschaft der Nazis, irgendwann wieder in einen zwar immer erinnernden, aber irgendwann wieder positiven und zukunftsweisenden Modus zu finden, der riskiert die langfristge Erosion des eigenen Selbst und der Gesellschaft insgesamt.


    Denn niemand will auf Dauer und beständig mit sich immer selbst wieder aufreißenden Wunden leben. Die Weigerung, auch Heilung zuzulassen, ist mittlerweile zu einer Obsession geworden. Und diese drückt sich in der Architektur besonders aus. Ich habe diese Argumentation nie verstanden und werde es auch nicht tun, weil sie letztlich zu nichts Positivem führt. Das Gesündeste wäre es, wenn man einen ganz normalen Umgang zu diesem Gebäude finden würde, dass zwar immer wieder Mahnung ist, aber auch Ausdruck der Zukunftswillen, auch für sich selbst und die eigene Identität. Das wäre meiner Meinung nach die größte Stärke und eine Idee für diesen Bau. Aber wie man sieht, ist man in Teilen der Gesellschaft dafür noch nicht bereit.

    Einmal editiert, zuletzt von Odysseus ()

  • Odysseus: Wir haben einfach völlig unterschiedliche Ansätze.


    Ich denke, dass die Garnisionkirche, egal wie kunstgeschichtlich bedeutend sie mal war, einfach durch die geschichtlichen Ereignisse "verbrannt" ist. Der Spendenstand und die von dir richtig analysierte mangelnde personelle Unterstützung spricht da Bände. Auch im kollektiven Bewusstsein spielt die Garnisionkirche nicht ansatzweise die Rolle, wie z.B. die Frauenkirche. Das ist höchstens regional der Fall, aber dann müsste doch die Untersützung größer sein.


    Wer will sich denn, gerade in der heutigen Zeit bei erstarkendem Rechtsradikalismus, mit so einem Gebäude in Verbindung bringen?


    Natürlich kann man da alles unter dem Aspekt eines der "kunstgeschichtlich bedeutendsten Kirchengebäude" ignorieren, das schützt den rekonstruierten Turm aber nicht davor, wieder als Nazi-Symbol missbraucht zu werden. Ich bin mir sicher, dass man diese Gefahr auch in Potsdam mittlerweile ahnt. Wenn man so ein Projekt vor diesem Missbrauch bewahren will, braucht man einen gesellschaftlichen Konsens und ein enormes Engagement, was man offensichtlich nicht hat.


    Das ist m.E. auch der Grund, warum die Garnisionkirche nicht als einfache Kirche funktionieren kann. Welche gewachsene oder neu zu enstehendene Gemeinde hätte sie? Auch da ist die Gefahr einer Fehlentwicklung groß. Was nicht gebraucht wird, verkommt.


    Selbstverstämdlich könnte ein rekonstruierter Turm ein Zugewinn für die Stadt sein, wenn man ihn den bräuchte. Das ist nicht Fall, also hätte hier ein modernes Gebäude eine bessere Chance geboten.


    Deine Ausführungen zur deutschen Seelenlage halte ich für falsch.

    Es ist eben nicht die Konsequenz, dass die Gesellschaft "irgendwann wieder in einen zwar immer erinnernden, aber irgendwann wieder positiven und zukunftsweisenden Modus ... finden" kann, wenn sie am liebsten, und das tun momentan verstärkt viele Teile der Gesellschaft, Altes, Gebäude aber auch Gedankengut und Verhaltensweisen, rekonstruiert.


    Das ist kein Zukunftswillen, sondern man wendet man sich eher von der Zukunft ab und das ist für uns Alle gefährlich. Nicht nur wegen rechtem Gedankengut, sondern besonders auch, weil dann wichtige und dringene Entwicklungen verpasst werden.


    Gerade Potsdam hätte sich nach der Wende, architektonisch schon längst ein moderneres Antlitz für das 21. Jh. geben sollen, anstatt als Preußen-Metropole im 19. Jh. zu verharren. Das hätte man auch tun können, ohne ein einziges der erhaltenen Gebäude dafür aufzugeben. Auch das wäre Heilung gewesen!


    Die Garnisionkirche kann immer noch dazu beitragen, die stockende Rekonstruktion macht vielleicht noch ein Umdenken möglich.

  • Hallo ElleDeBE, nicht falsch verstehen. Ich bin kein Traditionalist, noch bin ich Modernist. Ich mag Kollhoff genauso wie Chipperfield, sogar Brandlhuber kann mich mit seinem San Gimignano in Lichtenberg faszinieren. Mir geht es rein um die Qualität von Bauten.


    Ja ich habe große Skepsis gegenüber der heutigen Politik, den Medien insgesamt. Das habe ich schon oft zum Ausdruck gebracht. Und der Kern ist die heute um sich greifenden Moralisierung von allem und jedem. Man wird automatisch einem Kollektiv zugeordnet, "man müsse doch", "wie kann man nur". Westerwelle zitierte mal sehr ausdrucksstark Flach "die Freiheit stirbt zentimeterweise". Das war vor 10 Jahren, mittlerweile vermute ich, dass die meisten Menschen "Freiheit" an sich gar nicht mehr verstehen. So drücke ich als Grundfreiheitsbedürfnis aus was ich empfinde und lehne es ab in irgendetwas eingespannt zu werden.

    Ich bin nun mal ein Mensch den man überzeugen muss, nehme ich nur mal die sogenannte Klimapolitik, dann muss ich sagen: tut mir leid, mich überzeugt das nicht.

    Nehmen wir das Beispiel Holzhybridbauweise, ist dies wirklich sinnvoll? Ist das nicht nur wieder eine Momentaufnahme wie das Passivhaus oder das Feuchtbiotop? Heute wird mir immer erklärt, wie die Zukunft aussehen wird. Aber die Zukunft sah früher auch immer anders aus würde Karl Valentin sagen. Wo ist die Eiszeit geblieben, die bis vor der Premiere von Al Gores Werbefilm "vermutet" wurde?

    Sicher verhindert meine Skepsis die großen Erkenntnisse unserer Zeit zu verstehen. Nur da ist ein tiefes Gefühl in mir, das Unbehagen vor dem heute herrschenden Kollektivgeist hat. Das ist keine Bewertung anderer, sondern eine reine Selbstdiagnose.

    Will man aber die Graue-Energie-Klima-Sache ernst nehmen, so müsste man entweder das Bauen ganz verbieten, oder der Klimabegeisterte darf nicht über Amazon (Lieferweg, es fällt ja nicht vom Himmel) bestellten oder kein Smartphone besitzen.


    Und da werde ich hier im Architekturforum wütend, weil es auf Kosten der Qualität der Bauten geht. Früher baute man mit dem Anspruch für die Ewigkeit, heute um eine Leed-Zertifizierung zu erhalten. Lesen sie doch mal einen Artikel in den Medien über einen Neubau. Es wird dort viel über den Investor berichtet, vielleicht steht der Name des Architekten noch drinnen. Ob wir etwas über das Erscheinungsbild bzw. die Architektur erfahren darf angezweifelt werden. Aber mindestens ein Drittel des Artikel befasst sich mit der moralisch vorgetragenen Stellungnahme des Vorhabensträgers eine Leed-Zertifizierung anzustreben und irgendwas mit Nachhaltigkeit zu machen. Und, ist die Architektur seit dem "Klima-Voodoo" wirklich besser geworden, werden Häuser wieder für die nächsten 100 Jahre und aufwärts erreichtet, hält die so klimatolle Gebäudetechnik die Zeit auch aus oder muss sie nach 20 Jahre entsorgt werden oder ist die Fassade so geplant dass sie mit überlegt? Oder hat man zumindest die Energie daran gesetzt eine Fassade zu entwerfen, die so nachhaltig ist, dass diese maximal gereinigt werden muss und auch in 50 oder 100 Jahren noch zeitlos erscheint?

    Und hier lieber Mitforist schließt sich der Kreis, dies wären nämlich wahre Nachhaltigkeits-Themen und wie sieht die Wirklichkeit aus?


    Bezieht sich hierauf.

  • Mhm - vielleicht ist doch das Problem die Annahme, dass es so etwas wie überzeitliche Prinzipien in der Architektur gäbe bzw. dass es "schöne" Architektur gäbe - unabhängig von der Perspektive des Betrachters. Ich bedauere es auch, dass die "Architektur"-Produktion heute völlig anderen Gesetzmäßigkeiten und Prozessen unterworfen ist, als viele annehmen. Ein Stichwwort dafür ist "Investorenarchitektur": Heute wird der Lebenszyklus eines Gebäudes im Zuge des sog. Facility Management durchgängig geplant - von der Erstellung bis zum Abriss nach einer durchschnittlichen Stanszeit nach ca. 60 - 80 Jahren. In diesem Zyklus muss sich ein Investment armortisieren - das Thema Nachhaltigkeit in diesem Zyklus kommt jetzt erst on top. - Nur zum Thema "Anspruch für die Ewigkeit"... - Hier bei dem Garnisionkirchenprojekt zeigt sich auch, wie unterschiedliche Akteure mit verschiedenen Gesellschafts-, Architektur- und Schönheitsvorstelungen um einen Ort ringen - wer hat die Macht zu sagen, was da steht und den Ort definiert. Das ist jetzt ein Prozess der letzten 30 Jahre. - An anderen Orten (auch in Potsdam) ging es "pro" "Mitteschön" aus mit der Re-Konstruktion eines früheren Zustands. Hier am Garnisonkirchenprojekt sind die inneren Widersprüche wohl so groß, dass das nicht so geschmeidig umsetzbar war, wie an anderen Stellen in Potsdam. Dieser Diskurs hat in den letzten 30 Jahren (seit der Wiedervereinigung) die Debatten um Innenstädte in Deutschland bestimmt - Dresden, Potsdam, Berlin, Braunschweig, Frankfurt, Leipzig... Überall gab es ähnliche Vorgänge - fast wie nach einem Handlungsschema. - Hier ist nun mal ein Projekt - was vielleicht an dem Thema Garnisonkirche und damit verbundene Akteure selbst, aber vielleicht auch mit sich verändernden Perspektiven liegt - das nicht durchläuft. Der Turm - ein Konzept der 00er und 10er Jahre - wird ja realisiert. Aber die "Bereinigung" der Umgebung und "Vollendung" der Restauration des früheren Zustands bleibt auf halber Strecke stecken. Daher kann man auch nicht sagen "dass die Garnisonkirche nichts" bekäme - der stadtbildprägende Turm wird - trotz großer Finanzierungsprobleme - ja realisiert. Nur der Rest nicht. - Natürlich ist der entstehende Zustand nicht "schön" im Sinne einer starren Perspektive auf Architektur und Gesellschaft (s.o.) - aber ich finde das ehrlich. So ist es nun mal derzeit.

  • Lieber Mitforist Stadtstruktur, ihrem sehr intelligenten Beitrag muss ich zustimmen, er beschreibt die derzeitigen Verhältnisse sehr gut. Doch möchte ich ein paar Einwürfe hinzufügen.


    1. Vielleicht gibt es doch so etwas wie eine "schöne" oder zumindest nicht "hässliche" Architektur. Der eine mag Vanille der andere Schokolade, da werden wir uns nie ganz einig, zudem unterliegt das Schönheitsbild Moden und der Zeit an sich. Mit der Zeit erkennt man auch Schönheit in Dingen in denen man dies zuvor nicht erkannt hat. Die heutige Innenstadt Dresdens erfreut sich größter Beliebtheit, Frankfurt an der Oder (leider) nicht, obwohl landschaftlich auch sehr schön gelegen. Am Gendarmenmarkt tummeln sich die Touristen, zum Mehringplatz verirren sich nur Insider. Ich bin mir sicher es gibt ein gewisses Schönheitsempfinden das man nicht ganz absprechen kann und ich bin mir auch sicher, dass es hierzu eine klassische Formsprache benötigt. Ich gehe mal in die Richtung von Josef Paul Kleihues Torhäuser am Pariser Platz. Irgendwie wie die Vorgängerhäuser, die Formensprache fast subtil, vertraut als müsse man gar nicht mehr öfters hinschauen. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese beiden Häuser in der jetzigen Form auch noch in 50 Jahren dort stehen. Wird man die vielen Glashochhäuser in London als überholt empfinden, sobald sich in paar Jahrzehnten die Patina versucht einzunisten und doch kein "altern" sondern nur "Verschleiß" offenbart? Vielleicht kommen wir dem Thema nahe, wenn wir das Thema "würdiges Altern" begreifen würden, dort könnte der Schlüssel zu einer relativ allgemeingültigen Schönheit liegen.


    2. Man darf nicht vergessen, dass nach dem zweiten Weltkrieg fast sämtliche (verbliebenen) deutschen Großstädte neu geplant und bebaut werden konnten/mussten. Es gab viele Architekten die den Städten Würdiges hinzufügten. Hier nenne ich als Beispiel die Brienner Straße in München. Eine Rekonstruktion des Wittelsbacher Palais würde ich dort ablehnen, da die Straße aus meiner Sicht heute ein geschlossenes Gesamtbild zeigt, nicht aufdringlich aber fein gegliedert mit einem Gespür für das Ensemble. Aber sind das nicht eher die Ausnahmen?

    Müssten wir denn über Rekonstruktionen sprechen wenn der Nachkriegsstädtebau/die Nachkriegsarchitektur auch die Herzen erreicht hätte? Gerhard Schröder sagte mal zum Stadtschlosswiederaufbau, "einfach weil es schön ist". Vielleicht ist es nicht mehr (siehe Punkt 1)?!

    Warum diese Aggression vieler in der Architektur beheimateter wenn es um Rekonstruktionen geht? Wieviele Häuser werden denn dieses Jahr in Deutschland rekonstruiert und wie viele in "moderner" oder "zeitgenössischer" Formensprache errichtet? Ist da nicht eine merkwürdige Diskrepanz oder gar eine Angst nicht mithalten zu können?


    3. So könnte man versöhnlich ja auch vorschlagen, der "Theater-Discounter" bleibt bestehen, zudem werden wie in Potsdam auch mehrere Leitbauten im Klosterviertel / am Molkenmarkt original rekonstruiert?! Dies würde ihrer aus meiner Sicht stimmigen These von der Verhärtung der Gesellschaft optisch entsprechen. Potsdam oder Dresden stellen eine Sonderrolle bei den Rekonstruktionen dar, das ist mir natürlich klar.

  • Leider betreibst eben Du eine solche Ideologisierung

    Nicht nur er.


    Mit dem gemeinsam gefundenen Kompromiss haben die betroffenen Akteure doch eigentlich ein dickes Brett gebohrt. Und das alleine ist schon ein Erfolg im bis dahin festgefahrenen Prozess! Warum wird das nicht mal anerkannt? Stattdessen wird hier tw. so getan, als ob sich die Stiftung Garnisonkirche von den anderen Akteuren hat überwältigen lassen. Ein bisschen mehr Sachlichkeit würde der Debatte auch hier gut tun.

  • Man sollte Mal Kinder fragen welche Art Gebäude sie in Städten gerne sehen würden. Sie werden diese identitäts- inspirations- und heimat-raubenden städtebaulichen hinterlassenschaften von ideologisiert-verborten pseudointellektuellen und Moralisten nämlich ausbaden müssen.