Mediaspree: Quartier am Postbahnhof

  • ^ Das Problem ist für mich weniger die Materialwahl und die Farbe (immerhin nicht das übliche grau/beige/weiß) der Fassade, sondern die schlichte Struktur bei der Gestaltung. Ein simpler Quader mit durchgehende horizontaler Fensterbändern. Man kann es "puristisch" nennen, aber es erinnert doch stark an typische Büroplattenbauten wie z. B. diese alte Platte am Schulze-Delitzsch-Platz:


    platte_schulze_delitzsch.jpg

  • Der Backstein kann das Gebäude nicht retten. Das einzige was ich gut finde, ist die etwas schrille rote Farbe im Kontrast zur Umgebung. Kritiker könnten allerdings auch behaupten, dass dieses rot sich mit dem alten Postbahnhof beißt, der gleich daneben steht. Alles in allem, kein gutes Ergebnis.

  • Hätte man schlichte weiße Fenster genommen, könnte man noch halbwegs damit leben. Dieses Fenster-Rot ist wirklich ein Verbrechen. Ich kann mir vorstellen, dass das keine Entscheidung der Architekten ist, sondern dass man hier die "corporate ID" auf Teufel komm raus integrieren wollte. Es sieht aber nicht nach links aus, sondern als würde hier die Feuerwehr einziehen!

  • ^^ Ich finde, gerade die Fensterbänder sind das Problem. Sie lassen den Backstein orange erscheinen, obwohl er eigentlich den gleichen Farbton hat wie der Postbahnhof. Mit einem dezenten Anthrazit wäre das nicht passiert. Weitere Probleme: Der Backstein scheint schlecht vermauert zu sein, weshalb die Fassade fleckig aussieht. Und, wie erwartet, stimmen die Proportionen nicht. Bekanntlich wurde während des Planungsprozesses das zweite Sockelgeschoss eingespart, weshalb das Türmchen nun aussieht, als hätte man es auf einen Supermakt gestellt.

  • Uff, da bin ich ich dann doch ziemlich enttäuscht.

    Mit dem Entwurf konnte ich eigentlich ganz gut leben. Backstein war für den Ort ein super Wahl und in Kombination mit den dunklen Fensterrahmen auch farblich gut abgestimmt. Die Kubatur ist zwar einfach aber je nach Perspektive nicht klotzig.

    Die Farbe der jetzt verwendeten Fensterrahmen beisst sich leider total mit dem roten Backstein. Schade.

  • ^ War auch mein erster Gedanke, man bleibt sich ideologisch treu und zeigt es auch. Warum nicht. Anderseits passt die Fassade doch zum Postbahnhof in dieser Ecke wenn der mal nachzieht und aufgehübscht wird. Die roten durchgehenden Fensterbänder sind auch nicht meins aber mal was anderes als der Einheitsbrei und Schießschartenfenster. Die Farbe der Stützen hätte den Fenterlaibern bestimmt gutgetan. Vielleicht retten die X-Stützen schlussendlich das Gesamtbild.

  • Nur um die Assoziations-Sprünge etwas zu bremsen: Das Gebäude ist kein Plattenbau, es orientiert sich eher am International Style, der ursprünglich aus den USA kommt und in West-Berlin verbreiteter war als im Osten (siehe Europa-Center). Das Dunkelrot der Fensterbänder ist kein "Sozialistenrot". Und das Corporate Design der Luxemburg-Stiftung ist überhaupt nicht in Rot gehalten, sondern in Orange und Weiß.

  • ^ Natürlich ist es kein Plattenbau (hat auch niemand gesagt), da sieht man ja auch an der Baudokumentation hier im Thread. Aufgrund der Kubatur erinnert es mich dennoch eher an solche Plattenbauten wie den weiter oben gezeigt als an das SAS Hochhaus oder das Europacenter. Ansonsten hast du natürlich recht. :)

  • Die Kunst am Bau wird da gar nichts mehr retten, weil man sie von Außen nicht sehen wird.


    Gewonnen haben ja die Türklinken von Prof. Willem-Jan Beeren und Prof. Paul Jonas Petry.

  • Die Proportionen im Verhältnis zum Postbahnhof wirken auch sehr ungünstig. Dieser Klotz fügt sich in keiner Weise in das Ensemble ein, verdeckt dafür aber vom Ostbahnhof aus komplett die linke, eigentlich schöne Halle

  • Nur um die Assoziations-Sprünge etwas zu bremsen: Das Gebäude ist kein Plattenbau, es orientiert sich eher am International Style, der ursprünglich aus den USA kommt und in West-Berlin verbreiteter war als im Osten (siehe Europa-Center). Das Dunkelrot der Fensterbänder ist kein "Sozialistenrot". Und das Corporate Design der Luxemburg-Stiftung ist überhaupt nicht in Rot gehalten, sondern in Orange und Weiß.

    Nur mal zum Kontext: der International Style wurde in der Tat in den USA populär, wurde aber von deutschen Exilanten mitgebracht (v.a. Mies und Gropius, auf letzteren geht der Name zurück; Philip Johnson hat den Namen populär gemacht). So ziemlich alles um den Alexanderplatz ist an den International Style angelehnt, angefangen bei Henselmann's Haus des Lehrers, und die Plattenbautechnik, die in Frankreich entwickelt wurde, ist eine Spielart davon. Also ganz so scharf kannst du es nicht trennen.


    Ansonsten stimme ich dem allgemeinen Urteil zu, der Bau ist eher banal. Die Stelzen gefallen mir, aber die Klinkerfassade ist mir zu unplastisch und monoton und die Farbkombination zu grell in ihrem Kontrast.

  • Es hat ja auch etwas beruhigendes, wenn man den Geist einer Institution an deren Architektur ablesen kann. Ich finde nicht nur bemerkenswert, wie die rote Kiste das Haus des LEHRERS zitiert, sondern auch, wie die Baumasse ungekonnt neben die Altbauten positioniert wurde. Dies empfinde ich als ein ganz signifikantes Merkmal der DDR-Architektur, wo sehr oft keine Anschlüsse gemacht wurden und die Anordnung von Baukörpern beliebig und chaotisch wirkt. Warum eigentlich?


    Ich nahm immer an, dass einerseits die Typenbauten die Anpassung an eine individuelle Umgebung nicht ermöglichten, bzw. das Geld fehlte und auf der "grünen Wiese" wollte man andererseits womöglich das ganze durch Asymmetrie und vieleckige Freiräume auflockern.


    Ansonsten finde ich den Bau an dieser Stelle allerdings in Ordnung; hat auch was.



    dsc_06451xkta.jpg


    dsc_06466pjva.jpg

  • Zitat:" Dies empfinde ich als ein ganz signifikantes Merkmal der DDR-Architektur, wo sehr oft keine Anschlüsse gemacht wurden und die Anordnung von Baukörpern beliebig und chaotisch wirkt. Warum eigentlich?"


    Also das ist kein Markenzeichen von DDR-Architektur - aber bitte schauen wir uns mal moderne Architektur an - da wird in 85% der Fälle kein Anschluss an die bestehende Bausubstanz gesucht, geschweigedenn ein Baustil versucht zu definieren der einen regionalen Bezug hat.

    Also das hat leider leider große Tradition in den letzen 60 Jahren in West wie Ost. Da erkenne ich NULL Unterschied, wenngleich die Qualtiät der Architektur im Osten natürlich maximal "einfallslos" gewesen ist.

  • Für mich sieht der Bau danach aus, als hätte er da schon Jahrzehnte lang gestanden und zwar lange vor jedem modernen Turm am Standort. Und es wirkt in der Tat als habe man sich 'damals' zeittypisch nicht zu sehr um die Anbindung ans Umfeld, i.e. den Bahnhof, gekümmert (wobei es da weit, weit schlimmere Vertreter gibt als diesen eher schlichten Baukörper, der immerhin das Hauptmaterial aufgreift). Ansonsten kann man mir bitte nicht ernsthaft erzählen, dass die Farbgebung keinerlei Zusammenhang zum politischen Rot besitzen soll. Offiziell mag es ja andere Gründe geben(?) aber die Wirkung ist mE ziemlich eindeutig und so was ist dann sicher nicht unbeabsichtigt bzw. ganz aus Versehen entstanden. Das meine ich aber nicht mal kritisch, sondern nur nüchtern betrachtend.


    Denn in der Summe finde ich den Bau in seiner scheinbar kaum übertrefflichen Banalität sogar ein wenig interessant. Er wirkt auf mich gerade gegenüber einigen Nachbarn wie trotzig aus der Zeit gefallen und allein sich selbst verpflichtet. Aber anders als beispielweise die (mE) pseudo-intellektuellen Spielereien bei Suhrkamp empfinde ich diese betonte Eigensinnigkeit hier zwar weniger ambitioniert (bzw. bemüht/ gewollt) aber dafür auch stimmiger und in seiner spezifischen Art harmonisch und überzeugend. Wenn ich einen bewussten Kontrapunkt bzw. Reizkörper in die Stadt hätte setzen wollen, hätte ich es nicht besser machen können: Manch einer wird den Kasten wahrscheinlich direkt als Abrisskandidaten empfinden oder am liebsten aus eigenen Mitteln einige Eimer Lack für die Fensterrahmen spendieren wollen. Aber ich finde es nicht mal übertrieben schrill oder aufdringlich. Es ist ein vergleichsweise unaufgeregtes Statement, das sich dennoch einprägt: "Wir sind die Roten. Wir und unser Denken mögen aus anderen Zeiten stammen und heute kantig und unbequem wirken aber wir sind immer noch da!" Und gerade in Zeiten, in denen der Fortschrittsglauben bei allen Entdeckungen, Entwicklungen und Durchbrüchen bei vielen Zeitgenossen empfindlich wankt, finde ich das im 'Schlagschatten' von Amazon und Co irgendwo berechtigt und beruhigend (in der DDR hätte ich es aber wohl deutlich anders empfunden und auch heute macht mich diese Anerkennung längst nicht zum Linken). Witzigerweise wurde der Bau mE sogar im Thread zum Humboldtforum angesprochen, mE sinngemäß: "Wenn ich den Roten Hochbunker aushalten muss, können die auch mit der Laterne und dem Kreuz leben." Tja und tatsächlich beides 2020 fertiggestellt, ob man es glaubt oder nicht. Dit is' Berlin.

  • Gefällt mir. Ok, in den Renderings sahen die Fensterrahmen deutlich schmaler aus. Aber insgesamt bis auf Abstriche (ein Sockelgeschoß fehlt) ist der Neubau gut gelungen.

  • Möglicherweise liegt's ja an der Ähnlichkeit zur Wohnungsbauserie 70 (WBS70) der DDR ;)


    Für mich sieht's aufgrund der Farbe des verwendeten (variationslosen) Klinkers oder der hässlich roten Fenster zu sehr nach einem beliebigen billigen Bürokasten der 70iger Jahre aus, der irgendwo in der Peripherie Berlins steht.