Rathaussaal - Fortsetzung der Rekonstruktion

  • In der gestrigen Ausgabe der Nürnberger Nachrichten (Printausgabe) gibt es einen großen Artikel auf Seite 3 zum Rathaussaal. Überraschend neutral hält sich die Zeitung da, die ich sonst eher als SPD-nah erlebe. Nur der letzte Absatz verwundert mich doch ziemlich, in dem die Wiederaufbauleistung des Augsburger Goldenen Saals als Peinlichkeit bezeichnet wird, die man sich in Nürnberg besser erspare.


    Nanu? Woher kommt denn diese herablassende Art? Ich bin erstaunt wieso sich ausgerechnet Nürnberg so eine Arroganz zu leisten einbildet. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Verantwortlichen - allen voran unsere Kulturreferentin Frau Lehner - die sämtliche Rekonstruktionsleistungen verunglimpft, es sich aber nicht nehmen lässt vor all diesen privaten Projekten in der Altstadt (Pfeiffersgasse, Handwerkerhäuser) strahlend abfotografiert zu werden. Das finde ich wiederum peinlich.


    Außerdem frage ich mich, ob diese Betrachtungsweise hier die richtige ist, denn eine Rekonstruktion intendiert eigentlich niemals die perfekte Kopie des Originals, sondern eine möglichst nahe am Original liegende Neuschöpfung. Diese ist m.E. die würdigste Erinnerung an das was gewesen ist. Wer Rekonstruktionen peinlich nennt, dem ist ganz Nürnberg peinlich. Dem ist auch die Dresdner Frauenkirche peinlich, dem sind Denkmäler peinlich.


    Das Ergebnis dieser Diskussion ist aus meiner Sicht höchst unbefriedigend, da sie den Kern der Fragestellung nicht erreicht hat. Eine dauerhaftere Antwort wäre gewesen: "Ja, schön wäre es, leider ist die Datenlage aus diesen oder jenen Gründen nicht gut genug, weshalb ein unbefriedigendes Ergebnis zu befürchten ist". Mit "weg ist weg" jedoch kann man davon ausgehen, dass die Frage immer wieder kommen wird, denn das ist eine zu subjektive Sichtweise. Dass sie von mehreren Leuten aus dem gleichen Stall getragen wird, macht das Argument ja nicht besser.

  • Bei der Podiumsdiskussion wurden tatsächlich die Dresdner Frauenkirche und der Augsburger Rathaussaal als abschreckende Beispiele hingestellt.
    Jedenfalls von den anwesenden "Experten". Ich möchte mal wetten, dass es genug Fachleute gibt, die das ganz anders sehen. Nur, die waren eben nicht eingeladen, weil diese Meinung von der Stadt Nürnberg schlicht und einfach nicht gefragt ist.


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    Die vorhandenen Farbdias seien völlig unzureichend von Auflösung und Farbigkeit. Da frägt man sich, ob die tatsächlich mal mit moderner Technik analyisert wurden. Mit gutem Willen kann man heute da schon noch einiges herausholen.
    Die Aussage, die Daten hätten nur Bierdeckelformat klingt nicht besonders wissenschaftlich.

  • Diese Podiumsdiskussion wird hoffentlich schon aufgrund ihrer Einseitigkeit und Oberflächlichkeit kaum geeignet sein, die Diskussion zu beenden. Schließlich haben 17.000 Leute gesehen, was allein durch ein paar Projektionen möglich ist, ohne irgend eine tiefgreifendere Auswertung der Daten.
    Witzigerweise ist das Argument der "Peinlichkeit" eigentlich auch auf den Tagungsort, den Wolffschen Bau zu beziehen, der konsequent weitergedacht eigentlich abgerissen werden müsste aufgrund seiner Kunsthistorischen Peinlichkeit. Ich müsste daher ab sofort eigentlich jeden Nürnberg-Besucher drum herum führen damit er diese Groteske nicht sehen muss.

  • Altstadtfreunde: Paukenschlag!

    Mit einem "Paukenschlag" gehen die Nürnberger Altstadtfreunde wieder an die Öffentlichkeit. Die Art, wie das Thema im letzten Jahr von den verantwortlichen Akteuren sozusagen einfach unter den Teppich gekehrt worden ist, kann nicht befriedigen und musste logischerweise wieder an die Oberfläche geraten. Diesen Schuh ziehen sich die Altstadtfreunde an, und wollen nun die Bürger mittels Bürgerbegehren entscheiden lassen. Nachdem die Entscheidungsplattform zunächst für Experten am 7. Mai letzten Jahres bereit gestellt wurde, diese aber nicht im Stande waren, eine Lösung anzubieten, war auch klar, dass das Thema noch nicht durch sein kann. Nun also die Bürger.


    Link Bayerischer Rundfunk: http://www.br.de/nachrichten/m…rbegehren-duerer-100.html


    NN: http://www.nordbayern.de/regio…-rathaus-zuruck-1.3401396


    Auch der Focus berichtet: http://www.focus.de/regional/n…ch-duerer_id_3550526.html


    Link zu den Altstadtfreunde mit dem komplett Plan zur Vorgehensweise: http://altstadtfreunde-nuernbe…7%20PM%20Paukenschlag.pdf


    Die Unterschriftensammlung, die bei 19.000 Unterschriften von Nürnberginnen und Nürnbergern der Stadt ein Volksbegehren, also eine plebiszitäre Entscheidung abverlangt, wird sich vor allem auf den Wahltag für die Kommunalwahlen in Nürnberg am 16. März konzentrieren. Dort werden sich die Altstadtfreunde mit ganzer Men- und Womenpower in unmittelbarer Nähe auf Stimmenfang machen.


    Ich freue mich sehr, dass die Alstadtfreunde hier ihr gesamtes Gewicht in die Waagschale werfen, und Verantwortung übernehmen für die kulturelle und geschichtliche Weiterentwicklung der Stadt. Denn wenn allerorts weisse Wände entstehen, sollte man doch das Rathaus mal endlich fertig rekonstruieren.

  • Die Printausgabe der heutigen Nürnberger Nachrichten widmen dem Rathaussaal eine ganze Seite 9. Darin macht die Stadt Stimmung dafür den Saal so zu belassen wie er ist, da er äußerst beliebt sei, sich gut vermiete und die weissen Wände hervorragend geeignet seien um sie als neutrale und unaufgeregte-ruhige Kulisse für Veranstaltungen aller Art zu benutzen.


    Dem gegenüber fragte die Zeitung Passanten nach ihrer Meinung zum Thema Ausmalung, und darin überwiegen die Meinungen für eine Ausmalung. Interessant.


    Ich denke Konsens ist aber, dass der Vorstoß der Altstadtfreunde, die Bevölkerung mittels Entscheid abstimmen zu lassen, ein probates demokratisches Mittel ist, um eine langfristig wirksame Entscheidung zu treffen, denn an sonsten kommt das Thema immer wieder.


    Ich selbst kann mit der oben dargestellten Meinung der Stadt nicht mitgehen, denn wie dort beschrieben lässt sich jeder halbwegs repräsentative Saal, sei es der Fabersaal im ehem. Gewerbemueum, der Konferenzsaal in der ehem. Südkaserne oder vermutlich weitere unzählige Säle in Hotels und Museen beschreiben. Der Rathaussaal als die Nummer 1 in der Stadt mit 500 Jahre Geschichte sollte sich schon deutlich nach oben abheben im Reigen der anmietbaren Veranstaltungsräume in Nürnberg. Hier allein praktisch zu denken ist m.E. zu kurz gegriffen und auch unwürdig. Mal sehen was die Bürger meinen...Ich denke ja dass die Bürger eher als Besucher den Saal sehen, und weniger als pragmatisch denkende Veranstalter, die irgendwas feiern wollen...

  • Die Printausgabe der heutigen Nürnberger Nachrichten widmen dem Rathaussaal eine ganze Seite 9. Darin macht die Stadt Stimmung dafür den Saal so zu belassen wie er ist...


    Das kennen wir doch nun schon seit 12 Jahren - die Stadt vermeidet es sich Mühe zu machen, da das Leben für die Verantwortlichen dann ja viel einfacher ist :nono:


    Könnte mir aber vorstellen, dass sich Herr Maly zu einer Denkpause von ca. 6Jahren umstimmen lässt :keineahn:

  • Ich kenne mich mit der Situation in Nürnberg nicht wirklich aus. Wir hatten aber im APH vor einiger Zeit auch mal darüber diskutiert. Die Stelle finde ich auf die schnelle nicht wieder aber mich dünkt, irgend so eine "Kunsthistorikerin" hatte auf so einer Podiumsdiskussion geäußert, sie würde die 1943/45 von den Nazis angefertigten Farbfotografien für eine mögliche Rekonstruktion schon aus Prinzip nicht nutzen.Wie soll man gegen so etwas logisch oder gar nur mit Herzblut für seine Heimatstadt argumentieren?


    Wurden die Aufnahmen hier schon mal verlinkt? Wenn ja dann einfach überlesen


    http://www.zi.fotothek.org/Bauwerke?ort=N%C3%BCrnberg
    Stichpunkt "Altes Rathaus" wählen.

  • @ MB NUE: Tja, was mich dabei halt besonders irritiert, ist die Haltung der stadt aus dem Artikel herauslesen zu können. Und das finde ich sehr bedauerlich.


    @ Saxonia: Ja eben, mit Sachlichkeit hat die Diskussion oftmals wenig zu tun. Die Autobahnen, Gleisanlagen und Flugplätze, ja sogar die Verwaltungsgebäude aus dieser Zeit werden ja auch benutzt, also wieso nicht die Dias. Dieses Argument war damals besonders ulkig.

  • Das Argument, Dias aus der Nazizeit könne man grundsätzlich nicht verwenden, zeugt ja von geradezu unglaublicher Borniertheit.
    Übrigens, war Hitler nicht Vegetarier? Sind dann alle Vegetarier Nazis?


    Nochmals zu der Qualität der Dias. Mag ja sein, dass die nicht perfekt ist. Immerhin war die Qualität aber ausreichend für die Projektion vor zwei Jahren, wie sich viele Besucher damals überzeugen konnten.


    Wenn man sich vor Augen führt, wie man z.B. Den Rathaussaal in Augsburg oder das Spiegelkabinett in Würzburg rekonstruiert hat, dann sollte das in Nürnberg auch machbar sein


    Bin immer mehr der Meinung, dass die Stadt Nürnberg nichts , aber auch gar nichts die Reihe bringt, ob es sich nun um Schneeräumen, um den Frankenschleichweg, um das Volksbad, oder eben um den Rathaussaal handelt.

  • Ich finde es gut, dass die Altstadtfreunde das Thema nochmal ins Gespräch bringen. So wie er jetzt ist, halte ich den Rathaussaal auch für einen Torso. Eine Rekonstruktion der Dürerschen Malereien kann ich zwar selbst nicht befürworten – ich fände eine moderne Interpretation des alten Bestandes am besten –, aber das möge das Wahlvolk entscheiden. Bin schon gespannt, wie sich die Sache weiterentwickelt!

  • Ich muß sagen, daß ich auf jeden Fall für die Vorkriegsbemalung bin, auch wenn sie nicht hunterprozentig dem Dürer entspricht. Eine moderne Bemalung wird dieses Kunstwerk meines Erachtens nie in den Schatten stellen können und selbst jede schlechte moderne Kopie dieser wunderbaren Ausmalung wird immer noch besser wirken als alles andere. Ich konnte auch die Euphorie mancher für die Bemalung Prechtls gar nicht teilen. Für mich wirkte diese Bemalung wie aus einem Kinderbuch und äußerst kitschig. :nono:

  • Da stimme ich voll zu!


    Nochmal zu den Dias, bzw. zu deren Qualität.
    OK, mag ja sein, dass die damalige Technik ihre Grenzen hatte, aber es waren doch ganz sicher professionelle Aufnahmen, die doch zumindest einiger maßen scharf waren. Es kursieren da ja Scans mit einer Auflösung von (glaube ich) 2000 dpi. Da könnte man sicherlich noch mehr rausholen, vor allem wenn dann die Daten z.B. mit kriminaltechnischen Methoden bearbeitet werden. Ferner könnte man ja die eingelagerten Original-Fragmente als Referenz verwenden.

  • In diesem Falle halte ich es mit dem oft strapazierten Crédo "Wo ein Wille, da ein Weg". Wenn man die Dürer'sche Ausmalung nicht will ist es wirklich nicht schwer, die Vorraussetzungen hierfür kaputt zu reden. Die Kunst in der Sache liegt auf der anderen seite der Skala, es eben umzusetzen. und ich kann mri irgendwie nicht vorstellen, dass das exorbitant teuer wäre. Ich sehe eigentlich nur eine echte Herausforderung: kann eine Ausmalung während der Nutzung des Saals umgesetzt werden? Ich meine die Ausmalung würde sicherlich rund 1 Jahr oder so dauern, muss der Saal dafür geräumt sein?
    An sonsten bin ich mir sicher dass mit dem richtigen Künstler, sauberer Recherche und geschickter künstlerischer Freiheit sich ein beeindruckendes Wandbild realisieren lässt. Die Prechtl-Interpretation fand ich handwerklich wirklich brilliant, aber an sonsten ging es mir da wie pagmamahal, ich fand sie auch etwas kitschig. Wobei ich das nur schwer näher beschreiben kann, und was heute kitschig ist ist in 50 Jahren womöglich unbezahlbar.

  • Dem stimme ich zu. Mein Urteil war vielleicht etwas polarisierend, aber was ich unter kitschig verstehe ist, daß Prechtl für mich ein talentierter Künstler, dessen Kunst meines Erachtens aber in der Karikatur bzw. der komischen Zeichnung bestand, und eben so etwas halte ich für eine Rathaussaal unpassend. Ein Rathaussaal sollte seriös wirken, da ein Rathaus stets alle Bewohner der Stadt vertreten sollte. Und es wäre doch wahrlich ein Hohn an die Geschichte und an ein bedeutendes Ereignis wie das Friedensmahl gewesen, hätte man später einen derartig bekannten Saal mit soetwas bemalt.


    Ebenso ist der Jetzt-Zustand auch kein Schmuck mit dem sich die Stadt und ihre Bürger behängen kann. Sicherlich ist er immer noch repräsentativer als manch andere Säle, aber ich frage mich was Dalai Lama und vor allem Silvia von Schweden dachte, als sie das prachtvolle Gebäude von außen sah und dann diesen leeren Saal erblickte. Die Dame hat sich zudem bestimmt zur 350-Jahr-Feier des Friedensmahls etwas informiert und war negativ überrascht als ihr der so bedeutende Saal mit weißem Putz präsentiert wurde. :D


    Aber ich möchte jetzt mit den Urteilen zu Prechtl abschließen, denn dieser ist zum Glück nicht gemalt worden. Ich hoffe nur, daß beim Ratsbegehren sich an den Vorkriegszustand gehalten wird und nicht wieder neue Vorschläge kommen. Vor allem hoffe ich, daß nicht wie beim Berliner Stadtschloß oder dem von Potsdam noch unbedingt eine moderne Kompenente hinzugefügt werden muß.

  • Die Altstadtfreunde vertreten ja die Ansicht, und ich geb sie hier so wieder wie ich sie verstanden habe, dass zumindest die sicher belegbaren Teile der Bemalung wieder hinzugefügt gehören. Da wären zuallererst die Nordwand, als wichtigste und best dokumentierte Komponente, als auch die Ostwand, die ja auch als einzige Wand den Krieg und die Zeit danach mit Bemalung überstanden hat, wobei aber die Belanung heute nur noch verkohlte, traurige Flecken ergeben.
    Tatsächlich ist entscheidend, wie das Ratsbegehren formuliert wird.

  • Ich kenne mich damit überhaupt nicht aus.Deswegen mal meine naive Frage.Gibt es überhaupt noch Künstler die so nah an Dürer rankommen um diesen auch gerecht zu werden?

  • Die soll es wohl geben. Das ist ja zum Teil Kunst, zum Teil Handwerk. Man legt ja nicht einfach mit Acryl- oder Ölfarben aus der Drogerie damit los, sondern solche Wandbilder werden ja meist - zumindest so weit ich das mitbekommen habe - auf noch feuchtem, frischem Putz mit Kalkfarben aufgemalt, die sich durch Carbonatisierung miteinander fest verbinden. Das muss man ja auch können.


    Man kann nur staunen was es so für Koryphäen gibt, wer sonst sollte Kopien von berühmten Gemälden für Museen und Ausstellungen bzw. Fälschungen für den Kunstmarkt herstellen? Die Altstadtfreunde haben da sicher schon ein paar Adressen in der Schublade.