Neuruppin - quadratisch, praktisch, neu

  • Neuruppin - quadratisch, praktisch, neu

    Ein kurzer Halt in der Fontanestadt Neuruppin, ca. 1 h nördlich von Berlin gelegen. Die Stadt mit ihren 30.000 Einwohnern ist Teil der „Städte mit historischen Stadtkernen“ des Landes Brandenburg.





    Wer den heutigen Aufbau der Stadt verstehen will, muss in das Jahr 1787 zurückblicken als ein Flächenbrand die Stadt zerstörte. Der Wiederaufbau erfolgte planstädtisch als barocke bzw. klassizistische Anlage mit preußischer Genauigkeit.



    "Ein wichtiger Einschnitt in die Entwicklung der Stadt war der Flächenbrand vom Sonntag, dem 26. August 1787. Das Feuer brach in einer mit Getreide gefüllten Scheune am Bechliner Tor am Nachmittag aus und breitete sich rasch aus. Nur zwei schmale Bereiche am Ost- und Westrand der Stadt blieben erhalten. Insgesamt 401 bürgerliche Häuser, 159 Neben- und Hintergebäude, 228 Ställe und 38 Scheunen, die Pfarrkirche St. Marien, das Rathaus, die reformierte Kirche und das Prinzliche Palais wurden zerstört. Menschenleben waren nicht zu beklagen. Der Sachschaden wurde mit fast 600.000 Talern beziffert. Von der Feuerkasse wurden ca. 220.000 Taler ersetzt, eine spezielle Kirchenkollekte erbrachte 60.000 Taler, die preußische Regierung stellte 130.000 Taler Retablissementsgelder für den Wiederaufbau der Stadt bereit. Insgesamt wandte der Staat in den folgenden Jahren über eine Million Taler auf."
    wiki



    Plan der Stadt von 1789, im Wesentlichen unverändert


  • Interessante Bilder. Danke!:)


    Beim Anblick der Bilder frage ich mich, ob denn Brandenburg bzw. Preußen früher wirklich überall so dermaßen arm war (liegt das wirklich am kargen Sandboden?), dass sich nirgends im Lande eine stolze und wohlhabende Bürgerschaft entwickeln konnte, die ihren Reichtum auch äußerlich in prachtvollen und repräsentativen Bauten zur Schau stellte, oder gibt es andere oder weitere Gründe dafür, dass die Brandenburger Städte immer eher klein und provinziell waren und auch so provinziell, ja geradezu popelig aussehen, selbst wenn sie heute eine gewisse Größe erreicht haben (30.000 EW in Neuruppin ist ja nicht wenig, das Erscheinungsbild passt aber eher zu 5.000 EW).


    Die Oberlausitz südlich von Brandenburg hat etwas bessere Böden aber ansonsten auch nicht mehr Ressourcen als Brandenburg (keine Bodenschätze, eher Randlage) und trotzdem haben sich hier auf engstem Raum mächtige und reiche Städte mit einem entsprechenden Erscheinungsbild entwickeln können. Woran liegt das?

  • Also Ende des 18. Jahrhunderts würde ich Preußen nicht mehr als arm bezeichnen. Mit dem kargen Sandboden hat das direkt auch nicht unbedingt etwas zu tun. Das steht wohl eher symbolisch dafür, dass es in der Umgebung außer Wald sonst kaum nutzbarer Ressourcen und Bodenschätze gibt.
    Ansonsten ist der heutige Nordosten Deutschlands auch eher ein Spätzünder. Der Slawenaufstand 983 stoppte die Christianisierung und engere Bindung an das Reich für gut 200 Jahre. Derartiges blieben der Mark Meissen und der Obelausitz erspart.
    Abseits lag die Oberlausitz auch nicht. Die Via Regia, zusammen mit der Via Imperii die wichtigste Handelstraße im Reich, verläuft bspw. durch Görlitz und der überaus ergiebige Bergbau im nahen Erzgebirge trug wohl auch wesentlich zum Reichtum bei.

  • Die Oberlausitz südlich von Brandenburg hat etwas bessere Böden aber ansonsten auch nicht mehr Ressourcen als Brandenburg (keine Bodenschätze, eher Randlage) und trotzdem haben sich hier auf engstem Raum mächtige und reiche Städte mit einem entsprechenden Erscheinungsbild entwickeln können. Woran liegt das?


    Ich weiß jetzt nicht ganz genau worauf Du Dich beziehst, aber das hat vermutlich verschiedene Gründe. Erstens ist Brandenburg natürlich von Preußen geprägt, die eher nüchterne Architektur bevorzugten. Selbst die Schlösser in Brandenburg, von denen es ja viele gibt, sind eher zurückhaltend, bis auf ein paar Beispiele aus dem Barock. Neuruppin war im 19. Jahrhundert durchaus eine bedeutende Stadt, aber ist von der Industrialisierung (anders als viele Städte in der Oberlausitz) weitgehend verschont geblieben und seit 1860 nicht mehr gewachsen: Dadurch ist der zurückhaltende Klassizismus erhalten geblieben und glücklicherweise größtenteils nicht durch die eklektizistische, historisierende Bauweise der Jahrhundertwende verbaut worden. Und natürlich war der Stadtbrand verheerend und danach wurde halbwegs nüchtern neu wiederaufgebaut.
    Und auf den breiten Straßen und großen Plätzen denkt man eher an eine kleine Metropole, als an eine preußische Kleinstadt. Nur ist die Bebauung eben zwei-dreistöckig geblieben, wie es damals üblich war.

  • Bei Neuruppin kommt die lokale Besonderheit dazu, dass der Wiederaufbau direkt durch den König geleitet wurde und man anscheinend aus Ehrfurcht kaum bauliche Veränderungen vornahm - die Stadt ist weitgehend ein Freilichtmuseum des 18 Jh. Ähnliche Phänomene konnte/kann man auch in Potsdam sehen, als die Innenstadt weitgehend für Jahrhunderte eingefroren wurde (etwa Neuer Markt oder Charlottenstraße), trotz der aufstrebenden Wirtschaft.