Die künftige Last der/s modernen Architektur/Städtebaus?

  • Es gibt manche, die schon in den Wunsch ein "harmonisches Stadtbild" herstellen zu wollen eine konservative Vorstellung am Werke sehen... Hier im Forum weniger, aber in Architekturfachdiskursen oder auch im Image jüngerer Touristen in Berlin spielen vielmehr diese als spannend empfundene Widersprüchlichkeit und Heterogenität als Charakteristika Berlins eine Rolle, die Stadträume eben nicht durch "Schönheit" besetzt, sondern Freiräume zur Aneignung bietet. Unde dieser Ort des Humboldt-Forums und wie in den letzten 100 Jahren mit ihm umgegangen wurde, kann meiner Meinung nach ein Baustein dafür sein - wenn er nicht künstlich harmonisiert wird, sondern in seinen krassen Widersprüchen Thema bleibt - was er ja auch tut -

    noch einmal - das ist ein künstliche Und politische Sicht die selbstverständlich ok ist, ich aber nicht nachvollziehen kann.


    In dieser Stadt gibt es mehr künstliche Widersprüche und Architektur Konstellationen auf einen Haufen wie in keiner anderen Stadt.


    Beispiel Alexanderplatz ! Viel Platz - viel Hässlichkeit und wenig Aufenthaltsqualität!


    Wer würde das anders sehen ? Niemand - ich kann das politisch für total wichtig erachten den Alexanderplatz zu konservieren - das wurde ja auch gemacht - trotzdem der hässlichste Platz in Europa - funktional, kalt, runtergekommen und = NULL Urban !


    Als ob die Museumsinsel einen Widerspruch benötigt - und das war ja deine Argumentation - weil es so spannend widersprüchlich ist - das hast Du in Berlin an jeder zweiten Ecke!


    Ich finde beim Schloss hat man ziemlich viel Richtig gemacht was den Ort und das Zusammenspiel mit der vorhandenen Architektur angeht…


    Ich finde es bemüht so zu tun als ob niemanden etwas besseres eingefallen ist, als ob eines wieder etwas Altes hinzustellen…


    Keine andere Stadt hat was Architektur anbelangt si geblutet wie Berlin in der Breite - viele Architekturstile sind einfach verschwunden - einmal durch den Krieg und einmal durch die DDR - das Schloss trägt zur Diversität der Architekturstile in Berlin bei - nicht das Gegenteil !

  • .....
    Ich finde es bemüht so zu tun als ob niemanden etwas besseres eingefallen ist, als ob eines wieder etwas Altes hinzustellen ...

    Vorsicht, da tust Du Forumsmitglied Stadtstruktur aber Unrrecht. Das genau war das Argument Der Rekonstruktionsbefürworter, die grundweg jedwede neue Architektur an diesem Platz abgelehnt haben.

  • ^ Was sich letztendlich als Goldrichtig herausgestellt hat. Wie sämtliche Rekonstruktionen & Co in Deutschland. Es gibt kein einziges Gebäude was im nachhinein kritisiert oder gar abgerissen wurde.

    => Bei Neubauten sieht das ganz anders aus. Sogar der PDR wurde dem Erdboden gleich gemacht und niemals wird dieses Gebäude wieder aufgebaut werden.

  • Beispiel Alexanderplatz ! Viel Platz - viel Hässlichkeit und wenig Aufenthaltsqualität!


    Wer würde das anders sehen ? Niemand - ich kann das politisch für total wichtig erachten den Alexanderplatz zu konservieren - das wurde ja auch gemacht - trotzdem der hässlichste Platz in Europa - funktional, kalt, runtergekommen und = NULL Urban !

    Und vor allem auch Kriminalitätshotspot. So wie sämtliche Kriminalitätshotspots in ganz Deutschland sich in Stadträumen angesiedelt haben, die nach 1945 (neu) entstanden sind.

  • Und vor allem auch Kriminalitätshotspot. So wie sämtliche Kriminalitätshotspots in ganz Deutschland sich in Stadträumen angesiedelt haben, die nach 1945 (neu) entstanden sind.

    Was natürlich nicht stimmt. In Leipzig z.B. gilt das komplette Stadtzentrum als Kriminalitäts-Hotspot Nummer eins. In Frankfurt das Bahnhofsviertel. In Hannover auch das Bahnhofsviertel. Generell kann man sagen, dass überall

    wo es überdurchschnittlich viele Geschäfte und Lokale, Passanten, Diskogänger und sonstige Nachtschwärmer gibt, Straftaten wie Diebstahl, Zechprellerei, Betrug an der Tagesordnung sind.

  • Was sind das für Initiativen? Gibt es da konkrete Beispiele mit wem man da diskutieren muss?

    Die Initiativen gibt es. Muss man aber nicht Ernst nehmen. Ich glaube auch nicht, dass die mit einem ausgewiesenen Reko-Willi diskutieren würden wollen.

  • ^naja, ich denke wir verstehen uns...Was jack000 meint ist eine Tendenz zu Kriminalitätshotspots in den tristen Nachkriegsvierteln. Das es zu jeder Regel auch Ausnahmen gibt (Berlin: Kreuzbeg & Neukölln) ist klar, man muss dann aber auch die speziellen Gegebenheiten berücksichtigen. Grundsätzlich verhindern Altbauten keine Kriminalität, trotzdem gilt: Umso trister und abgekoppelter umso schneller entsteht eine "Ghettoisierung".


    Wenn man natürlich über Nacht eine Mauer vor der Haustür hat, hilft auch kein Altbauviertel. Trotzdem hatte das Konzept eines gemischten Viertels mit Vorderhaus / Hinterhaus / Gewerbe im EG eine vielfältige Sozialstruktur zu Folge und dies war mit Sicherheit förderlich bei der Verhinderung von Ghettobildung.

  • Was natürlich nicht stimmt. In Leipzig z.B. gilt das komplette Stadtzentrum als Kriminalitäts-Hotspot Nummer eins. In Frankfurt das Bahnhofsviertel. In Hannover auch das Bahnhofsviertel. Generell kann man sagen, dass überall

    wo es überdurchschnittlich viele Geschäfte und Lokale, Passanten, Diskogänger und sonstige Nachtschwärmer gibt, Straftaten wie Diebstahl, Zechprellerei, Betrug an der Tagesordnung sind.

    Geht so. In FFM ist das z.B. die falsche Toleranz gegenüber Kriminalität und asozialem Verhalten. Man könnte mit einem Kärcher und einer groß angelegten Gentrifizierung aus dem Loch ein Schmuckstück machen.

    Häufig aber ist die Nachkriegsgestaltung bis in die 70er dafür verantwortlich das "Angsträume" entstanden sind in denen sich gerne Personen aufhalten denen man als unbescholtener Bürger nicht begegnen möchte:

    (127) Wenn Orte Angst machen | WDR Doku - YouTube

  • < ... eines davon war mal die Berliner AIDS-Hilfe wenn ich mich recht erinnere.

    Gestaltungswille ... kann man so sagen. Aber letztendlich sieht dann auch wieder alles gleich aus.

  • Ich würde es nicht Gestaltungswille nennen. Es ist mehr die Umsetzung des machbaren zu dieser Zeit und ist doch eher ein Zeichen für die damaligen technischen und finanziellen Möglichkeiten des Bürgertums, es unterlag aber auch der Mode und diente der Repräsentation.


    Heute repräsentiert der Ferrari, die Yacht oder die zig Luxuswohnungen. Marmorsäulen sind da nur noch ein Puzzleteil im Portfolio.

  • ^Das ist ein Trugschluß - bis vor 100 Jahren war das der vorherrschende Geschmack hinsichtlich ästhetischer Gestaltung. Politisch und ideologisch motivierte Architekten hatten dann radikal damit Schluß gemacht - mit damals durchaus verständlichen Argumenten. Leider ist nun ein sehr verkorkster ästhetischer Anspruch in einer Mischung aus wanna-be-Avantgarde und Rationalismus geblieben bei der man sich (scheinbar) auf Rasterfassaden und Glastüren geeinigt hat...

  • bis vor 100 Jahren war das der vorherrschende Geschmack hinsichtlich ästhetischer Gestaltung.

    Nö, das war nur eine relativ kurze Periode, in der das Bürgertum derart eklektizistisch und prunkheischend gebaut hat – im Historismus, also ca. von 1850 bis 1910. Ab 1900 hat schon der Jugendstil neue Akzente gesetzt, und davor ging es im Klassizismus bzw. im Biedermeier sehr viel schlichter und leichter zu. Merke: Nicht alles, was Ornamente hat, entspringt demselben "vorherrschenden Geschmack". Das scheint nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung so.


    Und der Historismus war auch zu seiner Zeit umstritten; galt oft eher als protzig denn als geschmackvoll. Nehmen wir Bild 2: Eine Mischung von Barockgeländern, Renaissance-Decke, pseudo-mittelalterlicher Ritter-Malerei (aber mit Perspektive!) und Rokkoko-Stuck im hinteren Bereich. Kunstkennern dürfte es damals schon dabei gegruselt haben; es ging halt vor allem um Repräsentation (insofern ist der Vergleich mit dem Ferrari nicht falsch).


    Am besten gefällt mir das Treppenhaus im letzten Bild – wobei es sich größtenteils nicht um Marmor, sondern um Stuccolustro handeln dürfte. Und der zwischen Neogotik und Jugendstil schillernde Fahrstuhlschacht passt zum Rest wie Faust aufs Auge.


    Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich finde das durchaus beeindruckend und hätte nichts dagegen, in so einem Haus zu wohnen. Man sollte bloß nicht so tun, als handele es sich um eine jahrhundertelang gültige, quasi natürlich-menschliche Ästhetik, die dann aus dem Nichts von sinistren Ideologen kaputtgequatscht wurde. Diese Bauweise stand schon vorher aus gutem Grund in der Kritik – nicht zuletzt, weil sie ästhetisch beliebig war und die Formensprache mit ihrem kunstgeschichtlichen Kontext nichts mehr zu hatte.

  • Ich gebe Architektenkind in allem recht, würde als Gedanken vielleicht noch hinzufügen, dass manche Räume dieser Art zwar ehrfurchtseinflößend wirken sollten, doch als Mensch der Moderne beneide ich die Leute von damals ein wenig darum, wie viel spielerischer man mit Formen und Farbe umging. Es war letzlich auch eine Zeit, in der doch vieles erlaubt war - mit allen Schattenseiten neureicher Prachtmonster, aber auch mit einer kreativen Dynamik, sich am vollen Vokabular möglicher und damals bekannter Formen auszuleben. Dabei zahlen die oben genannten Exemplare zwar meist in den handelsüblichen Formenkatalog ein, aber auf vielen Bildern von untergegangenen Bauten in der Stadt staune ich manchmal, was sich die Architekten alles für crazy shit ausgedacht haben. Vieles ist haarsträubend aber doch irgendwie mutiger und kreativer als was man heute in der Regel gebaut bekommt. Gleichwohl stehen mir bei zahlreichen Bauten, die in anderen Foren als wunderbare Kostbarkeiten gefeiert werden, die Haare zu Berge.

  • Man sollte bloß nicht so tun, als handele es sich um eine jahrhundertelang gültige, quasi natürlich-menschliche Ästhetik, die dann aus dem Nichts von sinistren Ideologen kaputtgequatscht wurde.

    Oberflächlich - oder pragmatisch betrachtet, ist es aber doch so.


    Schon die alten Römer haben mit unzähligen Ornamenten, Verzierungen, Wandmalereien etc. pp. gearbeitet - bei den Griechen war es nicht anders und es geht noch weiter zurück. Natürlich lassen sich diese Fotos einem ganz bestimmten Zeitabschnitt zuordnen - das ist für Kunsthistoriker sicherlich auch interessant. Aber tatsache ist doch, dass der Lebensraum Stadt komplett rationalisiert wurde und dies vor 100 Jahren und den tausenden Jahren davor eben nicht so war. Ja, natürlich waren das privilegierte Schichten, aber wenn man sich den Stadtraum des 19. Jahrhunderst mit seinen tausenden Bürgerhäusern ansieht, dann hatte man sich - egal in welchem Zeitraum - immer um Gestaltung bei einem Großteil der zum Straßenraum hin gebauten Gebäuden bemüht.


    Das ist heute mit dem Verweis/Entschuldigung auf Bauhaus / Moderne doch letztendlich komplett abgeschafft worden. Hauptsache eckig, würfelig und praktisch - alles andere wäre ja Kitsch.

  • ... Das ist heute mit dem Verweis/Entschuldigung auf Bauhaus / Moderne doch letztendlich komplett abgeschafft worden. Hauptsache eckig, würfelig und praktisch - alles andere wäre ja Kitsch.

    ... Moment, wir sprechen hier über die gestaltetetn Entrées die auf den Fotos zu sehen sind. Kein Grund hier gleich wieder alles in einen Topf zu werfen und zur Generalschelte moderner Architektur auszuholen.

    Und,... ich finde es durchaus nachvollziehbar, dass nach sagen wir mal grob nach 30 Jahren Stilmischmasch und willkürlichem Kombinieren unterschiedlichster Stile ohne Berücksichtigung der Gegenbenheiten, der Reformstil und daraus entstehend der moderne Stil des Bauhauses als wohltuende Reaktion und Antwort auf dieses nur schwer erträgliche Mischmasch auch aus Materialien, sich durchgesetzt hat.

    Ich sage hier bewusst nichts gegen eigenständige Stilformen wie Jugendstil und Art Déco, die mit dem Stilmischmasch des Historismus und der Gründerzeit ebensowenig zu tun haben und von daher als eigene Ausprägung und Stil anzusehen sind.

  • ^^ Also, diese Ritter-Idylle auf dem 2. Bild ist ohne Frage Kitsch. Und auch der Treppenaufgang im 3. Bild (der mir, wie gesagt, an sich gefällt) ist insofern fragwürdig, als dass sich hier Bürger im Industriezeitalter einen Treppenaufgang in ihr Mehrfamilienhaus (!) bauen ließen, dessen Formenansprache der Herrschaftsarchitektur Ludwigs XIV. ff. entlehnt ist. Passend zu den Treppenhäusern: Auch die Interieurs und die Möbel der Gründerzeit waren ungeheuer überladen mit ihrer Mischung aus überbordendem Stuck, Brokatvorhängen, dunklen Wandpaneelen wie aus einem gotischen Chorgestühl, schwersten Sofas, Tischen, Stühlen, etc.


    Dies vor Augen, kann man die modernen Villen der 20er- und 30er-Jahre wie die Villa Savoye, die Villa Tugendhat oder das Haus Schminke auch als Umschlag des protzigen Gründerzeitstils in sein Gegenteil betrachten – die Architekten (hier: Le Corbusier, Mies van der Rohe und Scharoun) mögen eine Mission gehabt haben; die Bauherren waren reiche Leute, die vermutlich einfach den düsteren Pomp der Gründerzeitwohnungen ihrer Kindheit satt hatten.


    Die Bürgerhäuser des 18. und frühen 19. Jahrhunderts waren in Architektur und Einrichtung ganz anders als die der Gründerzeit. Ich empfehle einen Besuch in Goethes Weimarer Haus am Frauenplan: Draußen ganz schlicht; drinnen viele Farben, (höchstens) dezenter Stuck, leichte Möbel und – in ausgewählten Räumen – Tapeten, die an römische Wandmalereien erinnern. Oder im biedermeierlich eingerichteten Knoblauchhaus im Nikolaiviertel. Alles sehr edel und durchaus mit Ornamenten, aber hell und leicht und offen.


    Dass gerade ein Fan historischer Architektur wie @UrbanFreak findet, Ästhetik sei von der römischen Antike bis zur Gründerzeit "pragmatisch betrachtet" alles eins, und die Unterschiede nur für Kunsthistoriker interessant – das will mir nicht in den Kopf.

  • ^Pragmatisch betrachtet: ja. Nur Bauhaus sticht durch seine Ablehnung jeglicher Gestaltung heraus. Dadurch ja auch sicherlich eine Zeit lang im Rampenlicht. Nur wäre es jetzt eben mal am der Zeit zu klassischen Formen zurückzukommen.