Eine kleine Zugreise in die Slowakei und die Ukraine

  • Eine kleine Zugreise in die Slowakei und die Ukraine

    Vergangenen Monat habe ich eine einwöchige Zugreise von Wien ins westukrainische Lviv über die beiden größten slowakischen Städte Bratislava und Kosice unternommen und dabei einige Bilderserien aufgenommen, die ich nach und nach online stellen werde. Eigentlich hatte ich vorgehabt, von Lviv aus noch tiefer in die Ukraine zu fahren, allerdings hatte ich die wenige Tage später beginnende EM völlig vergessen und entschloss mich, vor deren Start umzukehren, da ich davon ausging, dass es erstens recht schwer werden dürfte, während der EM in den großen Städten bezahlbare Hotelzimmer zu finden und ich zweitens keine besondere Lust auf die dabei zu erwartende Atmosphäre hatte. Also verschiebe ich die weitere Erkundung der Ukraine auf später und präsentiere erst einmal meine bisherige Fotoausbeute.


    Erste Station war die slowakische Hauptstadt:


    Bratislava, Slowakei (Teil I)


    Bratislava, nur rund eine Zugstunde mit dem Regionalexpress von Wien entfernt, ist mit 433 000 Einwohnern die mit Abstand größte Stadt der Slowakei. Hauptstadt ist es allerdings erst seit der Teilung der Tschechoslowakei 1993, bis 1918 war es jahrhundertelang eine kleine Provinzstadt der Habsburgermonarchie mit gemischter slowakischer, ungarischer und deutscher Bevölkerung, dementsprechend stark ist die relativ kleine Altstadt von barockem k.u.k-Prunk geprägt und lässt oft an ein Miniatur-Wien denken. Wenn man schon einmal in der Region Wien ist, ist Bratislava sicher einen Tagesausflug wert, aber es ist keine besonders spektakuläre Stadt, wenn es auch in den letzten Jahren mit einigen für eine so kleine Stadt beachtlichen modernen Neubauprojekten aufwarten kann. Hier der erste Teil meiner Bratislava-Bilder:




    Blick auf die moderne Donaubrücke hinüber zu einem der neuen Hochhäuser des Neubauviertels Petrzalka:



    Blick hinauf zur Burg, die im 10. Jahrhundert gegründet wurde, im 17. ihre heutige barocke Gestaltung erhielt und im 18. zeitweise als ungarische Residenz der österreichischen Kaiser diente:




    Obwohl der Großteil der Altstadt erfreulicherweise erhalten blieb, war man in realsozialistischer Zeit nicht gerade übermäßig sensibel, was den Bau neuer Schnellstraßen anging - diese hier verläuft direkt neben der gotischen Kathedrale:



    Der gotische Martinsdom, 13. bis 16. Jahrhundert:










  • Neugotische Glasmalereien des späten 19. Jahrhunderts:








    Bildnis des letzten österreichisch-ungarischen Kaisers Karl I. in der Kathedrale:




    Eine schöne spätgotische Kanzel, um 1500:


  • In der Gruft unter der Kathedrale, in der sich hauptsächlich Gräber des 18. und 19. Jahrhunderts finden:













  • Bratislava, Slowakei (Teil II)



    Ein interessanter Bau der 20er oder 30er Jahre, würde ich schätzen - in fast allen größeren osteuropäischen Städten findet man solche wuchtigen Bauten dieser Zeit, die 20 bis 30 Jahre vorher in Westeuropa populäre Motive aufnehmen, sie aber in eine strengere und monumentalere Form bringen und damit ein wenig an spätere stalinistische Architektur erinnern:












  • Eingang zum zentralen historischen Friedhof Bratislavas mit Gräbern überwiegend des späten 18. bis frühen 20. Jahrhunderts - anhand der Namen und Sprachen auf den Grabsteinen lässt sich leicht erahnen, dass Bratislava bis zum 2. Weltkrieg eine multiethnische Stadt war. Mir gefällt an osteuropäischen Friedhöfen sehr, dass sie viel mehr von der Individualität der Toten preisgeben als die öden, nichtssagenden Friedhöfe Westeuropas - neben Name und Lebensdaten findet sich hier fast immer auch ein Foto des Verstorbenen, meistens noch die Berufsangabe und oft auch ein individuelles, über die Standardtrauerphrasen hinausgehendes Gedicht:













    Eine direkt hinter der Friedhofsmauer aufragende Gruppe mehrerer moderner Hochhäuser ergibt einen interessanten Kontrast zur kontemplativen Atmosphäre des alten Friedhofs:





  • Die 1907-1908 in den Formen des ungarischen Jugendstils erbaute blaue Kirche (Eigentlich St.Elisabeth), einer der originellsten Sakralbauten des Jugendstils, die ich kenne:





    Direkt gegenüber der Kirche verfallender Realsozialismus als Kontrast:











  • Man mag ja über die nachstalinistische Architektur des Realsozialismus sagen, was man will, aber an Willen zu origineller Formenschöpfung hat es ihr sicher nicht gefehlt:







    Das ab 1760 in heiteren Rokokoformen erbaute Palais Grassalkovich, heute Sitz des slowakischen Präsidenten:



    Zwischen Palais Grassalkovich und Hauptbahnhof finden sich einige im 19. Jahrhundert angelegte Straßenzüge mit imposanten wienerischen Gründerzeithäuserzeilen:



  • Diese Mischung, die du auf deinen Bildern zeigst, ist genau dass, wass ich an diesem Teil Osteuropas mag (also das ehemalige Habsburgerreich). Viele der Städte dort haben so eine Menge an Altbausubstanz, dass auch die Zerstörungen durch Krieg und sozialistische Diktatur immer noch genügend übriggelassen haben.

  • die Zerstörungen durch Krieg und sozialistische Diktatur


    Wobei mir scheint, dass die systematische Zerstörung von Altbausubstanz eine Spezialität der DDR war, die es in dieser Form in keinem anderen realsozialistischen Land gegeben hat. Zumindet sind mir außer in Ostdeutschland noch nirgends im Bereich der ehemaligen sowjetischen Machtsphäre nach 1945 entstandene großflächige Schäden in Altstädten aufgefallen.

  • Und weiter geht´s:


    Kosice, Slowakei (Teil I)


    Von Bratislava ging es mit dem Zug weiter nach Kosice, übrigens - wie praktisch überall in Ost- und Südosteuropa - zu unglaublich billigem Fahrpreis, wenn man westeuropäische Bahnpreise gewöhnt ist: Für die 450km-Strecke von Bratislava nach Kosice in einem recht schnellen und bequemen Zug zahlte ich 18€.


    Das unweit der ukrainischen Grenze gelegene Kosice ist mit 241 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt der Slowakei und das dominierende Zentrum der strukturschwachen, agrarisch geprägten Ostslowakei. Trotz der im Vergleich zur prosperierenden Region Bratislava schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und besonders der prekären sozio-ökonomischen Situation der Kosice prägenden Roma-Bevölkerung hat die Stadt sich in den letzten Jahren sehr gemacht und präsentiert ihre schöne spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Altstadt in ordentlichem, saniertem Gewand mit recht guter touristischer Infrastruktur. Obwohl ich noch kaum ausländische Gäste sah, dürften die schöne landschaftliche Umgebung und die zauberhafte Altstadt mit dem spätgotischen Elisabethdom, dem größten gotischen Bauwerk des Landes, ein beträchtliches Potential bieten.




    Die schön sanierte Haupteinkaufsstraße in der Altstadt mit schmucken Gründerzeitfassaden:








    Neogotisches Phantasieschlösschen des späten 19. Jahrhunderts




    Die ab 1816 erbaute evangelische Kirche in schönem klassizistischem Stil:







  • Kosices Hauptsehenswürdigkeit - die überwiegend aus dem 15. Jahrhundert stammende spätgotische Kathedrale St.Elisabeth, größte Kirche der Slowakei und eine der östlichsten Großkirchen der Gotik:













  • Die direkt neben der Kathedrale befindliche Michaelskapelle aus dem 14. Jahrhundert, ein Kleinod der Gotik, das mit seiner schönen Farbgestaltung an westdeutsche und ostfranzösische Spätgotik erinnert (Bspw. an die Wormser Liebfrauenkirche):




    Epitaphen des 16. Jahrhunderts an der Außenmauer der an diesem Tag leider geschlossenen Michaelskapelle:





    Ein paar Innenaufnahmen der Kathedrale:













  • Die ostslowakische Kunstgalerie, untergebracht in einem spätbarocken, ab 1779 erbauten Palais:




  • Noch ein Blick auf die Kathedrale:




    Der im 14. Jahrhundert erbaute Urbansturm auf dem Vorplatz der Kathedrale:





    Blick zur historistischen Oper aus dem späten 19. Jahrhundert: