Goethehöfe und Deutsches Romantik-Museum (realisiert)

  • Wenn das nicht ausschließt, dass auf frühere Epochen zurückgegriffen wird, dann könnte man doch auch gleich auf das Zeitalter der Romantik zurückgreifen. Was ist der Grund dafür, nicht im romantischen Stil zu bauen?

    Sorry Architektur-Fan, ich will wirklich nicht klugscheißerisch sein. Einen Architekturstil der "Romantik" hat es nie gegeben. Die Romantik war eine Kunstrichtung im 19. Jahrhundert vor allem in der Malerei (z.B. Caspar David Friedrich), der Literatur (z.B. Novalis, E.T.A. Hoffmann) und Musik (z.B. Schumann, Schubert). Während der Zeit der Romantik herrschte im wesentlichen in der Architektur der Baustil des Klassizismus vor und es gab daneben auch Strömungen, die an ältere Epochen anknüpften (Neo-Barock, Neo-Renaissance u.s.w.). Daher wäre es hier sehr schwierig gewesen, einen "klassischen" Bau der Romantik zu bauen, geschweige denn sich auf einen zu einigen, der dann sozusagen eine Art Neo-Neo-Barock gewesen wäre. ;)


    Nicht allein aus diesem Grund ist es in diesem Fall auch vollkommen akzeptabel, dass man sich für einen "modernen" Bau als Museum entschieden hat. Nach meiner - rein persönlichen Ansicht - kommen "romantische" Exponate in modernen Räumlichkeiten wegen der Kontrastwirkung auch viel besser zur Geltung. Wie gesagt - ob einem das Ergebnis gefällt oder nicht, ist natürlich eine andere Frage.

  • Danke, marty-ffm. Ergänzen möchte ich, dass es in Anwendung der Leitlinien der Neuen Altstadt eben nicht möglich gewesen wäre, eine Ausstellungsfläche in gewünschter und bestimmt auch notwendiger Größe zu schaffen. Denn dort sollte bewusst (auch mit Blick auf Dresden) vermieden werden, nur scheinbar eigenständige Gebäude hinter unterschiedlichen Fassaden über mehrere Parzellen hinweg zu schaffen. Wie man heute sehen kann: eine gute Entscheidung.


    Was Architektur-Fan in #230 darüber hinaus zu einem Museum hinter drei Fachwerk-Fassaden schreibt, das ist, so ist zu hoffen, nicht zu Ende gedacht. Ein zeitgenössischer Bau mit ahistorischem Parzellenzuschnitt mit ahistorischen Fakewerk-Fassaden? Also bitte ...


    In südlicher Nachbarschaft des Goethehauses standen seit Ende der 1860er-Jahre keine Fachwerkhäuser mehr. Prägend war ein in dieser Zeit errichtetes Gebäude der Feuerversicherungsgesellschaft Providentia, später das Farbenhaus Jenisch, mit einer Fassade aus rotem Sandstein (links außen auf diesem Foto von etwa 1930). Die Westseite des Hirschgrabens zählte übrigens schon zur Neustadt.

  • Ein zeitgenössischer Bau mit ahistorischem Parzellenzuschnitt mit ahistorischen Fakewerk-Fassaden? Also bitte ...

    Schmittchen, ich verstehe dein Argument nicht. Was jetzt in moderner Architektur realisiert wurde, hat doch ebenfalls einen ahistorischen Parzellenzuschnitt. Was soll die jetzige Einteilung in drei Fassadenabschnitte denn darstellen? Soll das historisch sein? Oder soll das ahistorisch sein? In dieser architektonsichen Fachdiskussion beginnt bei mir, der Kopf zu rauchen.

    Wenn ich hier sehe, wie viele Likes an marty-ffm oder Schmittchen verteilt werden, dann muss ich einfach akzeptieren, dass eine Forums-Mehrheit das realisierte, moderne Ergebnis gut findet. Gegen eure geballte Übermacht habe ich ohnehin keine Chance. :) Auch wenn ich nicht verstehen kann, wie man ein solch enttäuschendes Ergebnis verteidigen kann.

    Eigentlich kann es mir auch egal sein, weil ich nicht in Frankfurt wohne. Diejenigen, die in Frankfurt leben, müssen mit diesem merkwürdigen Romantik-Museum klarkommen. Ich finde das Ergebnis jedenfalls enttäuschend.

  • ^ Da liegt ein Mißverständnis vor. Sieben Likes für Marty sind keine Forumsmehrheit. Ein Like sagt auch noch nicht was genau die Liker an Martys Beitrag gut finden. Sein letzter Beitrag enthält einen guten Gedanken zum Baustil der Romantik, dafür hat er sie bekommen, denke ich. In den frühen Beiträgen gab es immer wieder Stimmen, die gemahnt haben, abzuwarten bis alles fertig ist, innen und außen begehbar ist. Wir hatten in der Lokalpresse bereits die Möglichkeit einige Innenansichten zu genießen, die vielleicht nicht sehen konnte, wer die Lokalzeitungen nicht bezieht. Ich könnte mir vorstellen, dass der sich nach und nach abrundende Gesamteindruck und auch eine gewisse Gewöhnung die örtlichen Betrachter milder stimmt, Vielleicht findest du es ja doch nicht so enttäuschend, wenn du mal dort warst.

  • Während der Zeit der Romantik herrschte im wesentlichen in der Architektur der Baustil des Klassizismus vor und es gab daneben auch Strömungen, die an ältere Epochen anknüpften (Neo-Barock, Neo-Renaissance u.s.w.). Daher wäre es hier sehr schwierig gewesen, einen "klassischen" Bau der Romantik zu bauen, ...

    In diesem Punkt gebe ich dir recht.


    Aber auch du machst bei der Einordnung historischer Stilepochen einen Fehler. Im Beitrag zuvor spricht du von "modernem Wilhelminismus". Mir ist klar, was du damit sagen willst. Dennoch drückst du es falsch aus. Es wäre wohl besser, den "modernen Wilhelminismus" zu ersetzen durch "zeitgenössischen Wilhelminismus". Du sprichst von "modern" und meinst damit, dass eben ein bestimmter Stil zur Zeit des Wilhelminismus in Mode war. Du benützt den Begriff "modern" als Synonym für "hip", "in Mode", "trendy" oder "zeitgenössisch". Dabei bezeichnet die Moderne im engeren Sinne eigentlich nur das, was in den späten 1950er Jahren, in den 1960er und 1970er Jahren gebaut wurde. Wenn es um andere Epochen geht, sollte man den Begriff "modern" vermeiden. Stattdessen sollte man eher den Begriff "zeitgenössisch" verwenden.


    Übrigens: auch dieses Romantik-Museum ist nicht modern. Es ist zeitgenösisch. Von "Moderne " könnte man nur dann sprechen, wenn man dieses Romantik-Museum im Stile der 1960er Jahre errichtet hätte. Und das ist ganz offensichtlich nicht der Fall.

  • ^ Da verwechselst du jetzt aber Moderne mit Modernismus, Architektur-Fan! Moderne ist in der Architektur so ziemlich das meiste ab ca. 1910 bis, mMn, eigentlich heute, und umschließt den Modernismus (Bauhaus/internationalen Stil), aber auch den monumentalen Neo-Klassizismus der verschiedenen Diktaturen und die Postmoderne (das ist meine Meinung als Kunstgeschichtler). Typologisch sind da große Unterschiede (mit oder ohne Ornamente etc), aber als Epoche haben sie alle die Nutzung von Großformen, Masterplänen und Technologiefokus gemeinsam.

    Das Museum ist für mich ein zeitgenössischer postmoderner Bau, der nach außen hin Kleinteiligkeit und die Mittelalteranleihen der Romantik zitiert, aber deutlich ein Funktionsbau ist, dessen innere Logik sich in der äußeren Gestaltung spiegelt.

  • Aixois, da muss ich jetzt nachfragen.


    Wenn ich dich richtig verstehe, dann müsste man die Nachkriegsmoderne eigentlich als Modernismus bezeichnen. Der Beton-Brutalismus der 1960er Jahre wäre demnach nicht modern, sondern modernistisch?

  • Er ist beides, da er ja zur Moderne gehört, aber zur modernistischen Ausprägung. Die Karl-Marx-(früher Stalin-)Allee in Berlin gehört auch zur Nachkriegsmoderne, aber ist Teil einer Klassizismusströmung nach sowjetischem Vorbild. Große Klötze um verkehrsgerechte Autoschneisen sind beide, aber sie sind in ihrer Detailausprägung sehr unterschiedlich (und in ihrem Geschichtsbild: eine bezieht sich auf vergangene Traditionen, eine macht einen radikalen Schnitt mit der Vergangenheit).

    Im Englischen wird das klarer mit 'modern' und 'modernist' getrennt, im Deutschen wird oft beides nicht trennscharf verwendet. Aber eigentlich müsste es modernistisch sein, ja. Hoffe, das ist jetzt klarer :)

  • Ich bin ebenfalls der Meinung, dass das Museum auch postmoderne Anflüge besitzt. Und da wären wir bereits bei der nächsten Frage: Denn auch beim Postmodernismus gibt es Abgrenzungsprobleme.


    Aus meiner Sicht war die Postmoderne ein kurzer Zeitraum, der von etwa 1986 bis 1993 gedauert hat. Das war die Zeit, in der die IBA 1987 in Berlin stattgefunden hat. (Das wäre Definition Nr. 1)


    Allerdings muss ich feststellen, daß andere Menschen die Postmoderne anders interpretieren. So gibt es Leute, die alles als postmodern bezeichnen, was nach der Moderne gekommen ist. Hier im Forum haben Leute auch schon 08/15-Bürogebäude in Berlin-Mitte als postmodern bezeichnet, die Ende der 90er Jahre gebaut worden sind. Da wird dann alles als postmodern bezeichnet, was in den letzten 30 Jahren gebaut worden ist. (Das wäre Definition Nr. 2)


    08/15-Stangenware der 1990er Jahre ist aus meiner Sicht keine Postmoderne mehr. Es ist zeitgenössisch.

  • ^Die gibt es immer. Meine Faustregel wäre immer: gebaut ab ca 1975, es gibt Ornamente, es zitiert vergangene Stilepochen (oft auf humoristische Weise), es nimmt klassische Proportionen auf und fügt sich in den Blockrand ein. Aber es nutzt moderne Bautechniken und Technologien.


    -------------------

    Mod: Bitte den Bogen zurück zum hiesigen Thema finden. Danke.

  • Das was du sagst, wäre dann Definition Nr. 1. Es ist nicht deswegen postmodern, weil es Stangenware der 1990er Jahre ist. Es ist postmodern, weil

    sich Zitate an vergangene Stilepochen finden lassen. Ähnlich wie auch bei den IBA-Gebäuden aus dem Jahr 1987.


    Und jetzt der Bogen zurück zum Thema:


    Gute IBA-Architektur der Postmoderne wirkt pfiffig. Aixois sagt selbst, daß Architekten in der Postmoderne die vergangenen Stilepochen oft auf humoristische Weise zitiert haben. Indem Architekten Stilepochen aufs Korn genommen haben, wußten sie genau, was sie taten.


    Demgegenüber wirkt die Architektur dieses Museums irgendwie unentschlossen. Der Architekt wußte wohl nicht genau, was er machen soll. Die Architektur wirkt, als ob es nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Wie ein Schluck Wasser in der Kurve!

  • Wir dürfen im diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es hier nicht nur einen Architekten, sondern auch einen (oder mehrere) Bauherren gab. Die entscheiden letztendlich welche Anforderungen Sie an den Architekten stellen. Das wurde etwas weiter oben schon mal beleuchtet deswegen gehe ich da auch nicht näher drauf ein.

  • Das Erscheiungsbild des Geburtshauses von Goethe (* 1749) hat sich im Laufe der Zeit - abgesehen von der Zerstörung und dem Wiederaufbau während und nach dem zweiten Weltkrieg - nicht verändert. Der Straßenzug selbst war einem ständigen Wandel unterzogen.


    Im folgenden sind vier Fotos markanter Abschnitte des Straßenzugs Großer Hirschgraben zu sehen. Kleine Reise durch die Zeit:


    Straßenabschnitt ca. 1930, wie aus einem Guss (Quelle: alte Ansichtskarte, urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen)


    _goethehaus1930y0kqs.jpg


    Straßenabschnitt 1957, das wiederaufgebaute Goethehaus ohne Nachbarhäuser

    (Quelle: alte Ansichtskarte, urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen)


    _goethehaus1957bzjbg.jpg


    Straßenabschnitt 2016 mit Bestandsgebäuden Grundstück Romantik-Museum (eigenes Foto)


    _goethehaus20165jkz2.jpg


    Straßenabschnitt April 2020 (eigenes Foto)


    _goethehaus2020yqkwa.jpg


    Zu welcher Zeit der Straßenzug am stimmigsten aussah, mag jeder Betrachter selbst beurteilen.

  • ^

    Am Goethehaus wurde sogar etwas weniger verändert, als es die obige Zusammenstellung vorgaukelt.

    Mich hat das Fenster in der Giebelwand im ersten Bild gewundert (1930). Erst ab dem zweiten Bild sieht man das, was man kennt.

    Da aber auch noch ältere Abbildungen (GoethezeitPortal, div. Postkarten hier oder da) die bekannte Fenstereinfassung zeigen, ist das erste Foto in diesem Detail offenbar retuschiert worden (was dann auch die seltsame "Schiefe" dieses Fensters erklärt).

  • Den fertiggestellten Eingangsbereich zum Hof hatten wir noch nicht in voller Schönheit. Sehr gelungen, finde ich:


    EPI_85C1556.jpg


    Das Tor wurde floral gelasert: (Noch näher herangezoomt in #223)


    EPI_85C1559.jpg

    Bilder: epizentrum

  • Danke. Dargestellt sind Goethes Lieblingspflanzen. Gefertigt wurde das Tor von einem Metallbauunternehmen im Rhein-Lahn-Kreis. Nach einem Entwurf von Zlatka Damjanova-Landes, ehemalige Städelschülerin und mit dem hier tätigen Architekten wohl nicht nur namentlich verbunden. Einzelheiten:


    Bild: https://www.deutsches-architektur-forum.de/pics/schmittchen/landes_tor_goethehoefe.jpg

    Grafik: Michael A. Landes Architekt BDA

  • Regenwetterfotos, menschenleer, trotzdem schön. Gute Arbeit von Büro Schneider + Schumacher (so eine süße Tageskasse!), die die Bauleitung in so einer extrem schwierigen Situation, neben Goethes Geburtshaus und allen möglichen Nachbarn, mittendrin und nebenan, geleistet haben. Respekt!

    P.S. Die XXL-Sonnenschirme finde ich auch wunderbar, endlich kommt Leben (mit oder ohne Corona-Krise) in dem "Hortus (non) conclusus".


    ">">">


    Fotos: Faust

  • Danke für die Fotos, Faust. Was mir sofort ins Auge fällt, sind die grobmaschigen Gitter des Bodenablaufs, die direkt bis vor die Kasse reichen. Hier werden einige Frauen mit schmalen Absetzen stecken bleiben. Und unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet, geht so etwas gar nicht.


    Aber die Riesen-Sonnenschirme werden bestimmt etwas hermachen.

  • Das ist ja eine Volksbühne, da kommen kaum Frauen auf Schuhen mit Pfennigabsätzen, lieber Beggi, sie stehen auch niemals an der Kasse (mit Humor). Wenn ja, dann wird auf dem Gitter ein roter Teppich ausgerollt.