Gentrifizierung in Berlin

  • Die Taliesin Property Fund Ltd. kaufte seit 2006 viele Häuser in Berlin auf. Inzwischen wurde dieses Firmenkonstrukt von zwei Tochtergesellschaften der Blackstone Group aufgekauft.
    http://www.taliesinberlin.com/…nded-cash-acquisition.php


    Welche Veränderungen für die Mieter in den betroffenen Häusern bevorstehen lässt sich noch nicht absehen.


    ^Nicht voraussehen, aber erahnen. Ich tippe auf eine Reduzierung der Monatsmiete.:keineahn:

  • Wohnungsnot und Preisdruck als Auslöser

    Nun, ich kläre an der Stelle gerne auf, da ich mit einem Anwohner sprechen konnte. Der Farbanschlag war selbstverständlich politisch motiviert. Welcher Seite ist mir eigtl. egal, aber man muss sich einfach nur mal mit diversen Liebig–Befürwortern unterhalten und es wird sehr schnell klar, aus welcher Ecke solche „antifaschistischen Aktionen“ kommen.

    Man sprüht ja mittlerweile auch gerne großflächig an Häuserwände „Liebig 34 verteidigen!“ und ist sich gar nicht bewusst, dass man sich längst von der Lebensrealität in Friedrichshain (Familienkiez + abgeschlossene Gentrifizierung = hohe Preise) entkoppelt hat.


    Also ich finde es schon einigermaßen befremdlich wie man gar nicht merkt wenn man Teil des Problems ist. Linksradikal oder Rechtsradikal sind in Ihren Zielen sehr wohl zu unterscheiden, Radikalität habe ich kein Verständnis für, und Gewalt ist immer falsch.


    Dennoch die undifferenzierte Hoppla-Hoppla Meinungsbildung heute ist schon problematisch.


    Da steigen die Mieten ins unermessliche was insbesondere Familien betrifft und ganz besonders steigt der Druck auf Familien mit "normalen" und "geringen" Einkommen.


    Das Alleine ist ein Problem auf das "Menschen" - hier im Forum würde man sicher gerne sofort "Linke" einsetzen - seit Jahren aufmersam machen. Und das zu Recht.


    Bodenspekulation die NUR und ausschließlich dem Profit der Shareholder dienen und die Gesellschaft spalten ist eine Herausforderung und eine Auswuchs des Kapitalismus dem die Volkswirtschaft etwas entgegen setzen muss.


    Ob Wohnen ein Menschenrecht ist - das soll an dieser Stelle jeder selbst beurteilen - ich glaube "Ja"!


    Darüber hinaus gibt es Menschen die in Berlin mal Leben konnten auch wenn Sie sich dem "Mainstream" nicht anschließen wollten, die schicken und teuren Wohnungen und auch der Druck der dadurch entsteht macht es alternativen Lebenskonzepten oder sagen wir es einfach so - Menschen mit geringem Einkommen sehr schwer in Ihrem Kiez wohnen zu bleiben.


    So das mal zum Rahmen in Bezug auf das Thema.


    Jetzt können wir diskutieren was die Gesellschaft anbietet das Menschen aller Coloeur, größe des Geldbeutels etc. zusammenleben können! Hier sollte man ansetzen - hier hat die Gesellschaft versagt und die Baubranche und Real-Estate Branche sind leider zum Problem geworden - wer anderes behauptet möchte mir bitte dalegen was die Bodenspekulationen, die Renditeversprechungen anders sind als ein Problem für die Allgemeinheit.


    Defakto wird deutlich das wir zunehmend auf eine Zweiklassen-Gesellschaft hinauslaufen bei der insbesondere die verloren gegangen Solidarität gegenüber Menschen in anderen Lebensverhältnissen uns noch lange beschäftigen werde.


    Siehe Sachbeschädigung, Brandstiftung, etc. etc. Hier sind nicht "NUR" und "ausschließlich" dumme Jungs unterwegs die einfach zerstören wollen - hier sind auch politische motivierte Taten dabei deren Ursache weder Links noch Rechts zu suchen sind, sondern bei den zunehmend entzweiten Gesellschaft.


    Viel Spaß beim nachdenken.

  • Farbbeutelattacken und Graffities haben m.E. nichts mit Gentrifizierung zu tun. Die gab es schon vor 30 bis 40 Jahren, als Berlin noch weit von dem jetzigen Boom entfernt war. Ich sehe darin eher eine Mischung aus Langeweile und Frustration.


    Die Mietenproblematik ist bestimmt sehr komplex und nicht mit einfachen Antworten zu beheben. In Berlin fokusiert sich z.Zt. alles auf die Deutsche Wohnen, die aus rein unternehmerischer Sichtweise alles richtig macht, auch wenn es sozial unerträglich erscheint und deshalb eine Enteignung derselben erwogen wird.


    Problematisch ist, dass man bei so viel Immobilienbesitz den Mietspiegel nach oben drücken kann und die Politik darauf keine Antwort parat hat. Verstärkt wird das ganze noch dadurch, dass die DW per Urteil gar nicht mehr an den Mietspiegel gebunden ist. Dann kann bei Neuvermietungen die Miete noch höher angesetzt werden und wenn erst ein paar Wohnungen so teuer sind, sagt man den Altmietern, dass sie jetzt auch mehr bezahlen müssen (Vergleichsmiete). Im Grunde eine recht perfiede Angelegenheit, die den Zorn ggü. der DW und anderen Immobilienbesitzern teilweise erklärt.


    Dennoch muss man auch die Gegenseite sehen. Immobilienbesitz ist ein Geschäftsmodell, wie viele andere auch. Damit wird Geld verdient und Menschen leben davon. Dafür nimmt man auch ein Risiko in kauf, muss Geld investieren und sich fortlaufend damit auseinandersetzten.


    Problematisch wird es aber, wenn eine große Marktmacht und ein Mangel an Wohnraum zusammentreffen. Ich könnte mir vortsellen, dass ein stärkeres Genossenschaftsmodell (wie in Wien) dabei Abhilfe schaffen könnte.


    Aber wenn jeder nur noch maximal eine Wohnung besitzen dürfte, wie aktuell diskutiert wird, ist das auch Unfug und würde den privaten Wohnungsmarkt abwürgen. Warum sollten Einzelpersonen nicht 10, 50 oder auch 100 Wohnungen besitzen? Eine besondere Marktmacht hat man damit selbst in Kleinststädten noch nicht.

  • Ich stimme Baukörper in seinem Beitrag zu.
    Was mich an der ganzen Diskussion stoert, ist die voellige Abwesenheit von Fakten, es geht nur noch um Gefuehle. Dass die Betroffenen so reagieren ist ja nachvollziehbar, allerdings setzt eben die Berichterstattung in den Medien auch nur noch darauf ohne das Thema zu versachlichen, ebenso die Politik, die natuerlich kein Interesse hat, ihr eigenen Versagen zu erklaeren, sondern den schwarzen Peter den Privaten zuschiebt.
    Wie Baukoerper schon gesagt hat ist das Thema viel zu komplex um es auf ein paar Schlagwoerter zu reduzieren, was leider getan wird und es gibt nicht nur den einen Schuldigen, sondern alle - auch die Betroffenen - sind verantwortlich fuer die jetztige Situation.
    In Berlin kommen natuerlich noch einige Sonderfaktoren hinzu, die die ganze Sache eskalieren lassen.


    Berlin hatte bis 2008 extrem guenstige Mieten zum einen weil die Stadt wirtschaftlich gesehen unattraktiv war und deshalb viele abgewandert sind, es ein massives Ueberangebot an Wohnungen gab - der Leerstand bis zu 6% - und eben durch Ostberlin das Mietniveau in der früheren DDR politisch bedingt extrem niedrig war und nur langsam angehoben wurde. Dazu kam ein hoher Bestandteil an kommunalen Wohnungsbesitz, der natuerlich das Mietniveau niedrig hielt.
    Durch die massive Verschuldung der Landes Berlins, die wirklich jeden Handlungsspielraum de facto eliminiert hat, war angesichts dieser Situation die Entscheidung des Senats Wohnungen zu verkaufen doch sehr nachvollziehbar, wenn auch kurzsichtig wie man heute weiß. Die Mieteinnahmen waren nicht wirtschaftlich, Leistungen für Wartungen und Instandsetzung waren sowieso nicht mehr möglich. Ausserdem hatte sich das Land schon in den 90ger Jahren mit ihren landeseigenen Immobilienfirmen die Finger verbrannt.
    Was der Senat anfangs völlig unterschaetzt und danach lange ignoriert hatte, war der Aufwaertstrend ab 2008 etwa, als wirtschaftliche Erholung einsetzte und entsprechend Berlin für viele attraktiv wurde und der Zuzug anstieg.
    Ehrlichkeit und Aufklaerung waere schon mal eine Voraussetzung gewesen um zumindest einen Großteil jetzt Betroffenen die Situation anschaulich zu machen und die Wut die jetzt allenthalben herrscht von vornherein zu verhindern oder zumindest zu reduzieren.
    Das teilweise massiv steigende Mietniveau war unausweichlich. Mieten von 3-6 Euro pro qm sind einfach nicht realistisch. Und: wirtschaftlicher Aufschwung fuer eine Stadt wie Berlin war ueberlebenswichtig und das hat immer zwei Seiten.
    Es ist einfach so - dass eben die Miete nicht mehr 20% des Einkommens ausmacht sondern vielleicht 30% oder auch 40%. Ich empfinde es schon seltsam, nein eigentlich finde ich es unverschaemt und bevormundend, dass die Politik vorschreiben will wie viel ein Einzelner an Miete ausgeben soll und das zum Maßstab fuer alle macht. Das gleiche koennte man dann auch fuers Auto machen oder Urlaub. Manche empfinden es als keine Katastrophe, dass eben 35 oder 40 und mehr % ihres Einkommens fuer Miete aufgewendet werden, das haengt ja dann auch von den absoluten Zahlen ab. Es ist schon klar, dass bei kleinen Einkommen mehr wie 30% schwierig sind. Aber generalisieren laesst sich das eben nicht und ausserdem werden dabei Vermoegensverhaeltnisse voellig aussen vor gelassen.
    Ebenso sollten bei den - immer noch hohen Bestand - an ca 400 000 landeseigenen Wohnungen die Kriterien konsequenter angepasst werden was Berechtigung usw. betrifft. Es ist nicht hilfreich die halbe Stadt (wie es die Linke tut) als bedürftig erklaeren, das ist nicht zielgerichtet angesicht der Situation dass viele wirklich darauf angewiesen sind. Ebenso wenig halte ich es nicht fuer faschistoid, wenn man Mieter auf ihre Einkommen hin ueberprueft, wir sprechen hier von Wohnungen die letztendlich der Steuerzahler finanziert. Es gibt zahlreiche Faelle, die foerderungswuerdig eingezogen sind, deren wirtschaftliche Lebenssituation sich aber verbessert hat. Ich denke dann sollte man da auch konsequent sein und mit einem oder zwei Jahren Kündigungsfrist handeln koennen. Jemand, der Hartz 4 bezieht, kriegt eben - für mich selbstverständlich - auch nichts mehr wenn er entsprechend viel erbt oder im Lotto gewinnt.
    Ein weiteres Versaeumnis liegt darin, dass man viel zu wenig die Eigentumsquote, die ja in Berlin besonders niedrig ist, nämlich unter 20% -gefoerdert hat. Anstatt an Wohnungsbaugesellschaften zu verkaufen, waeren - aehnlich wie in anderen ehemaligen Ostblockstaaten - Verkauf von Wohnungen an Mieter in welcher Form auch immer, als Genossdenschaften oder direkt - ein Beitrag gewesen, diesen eine mietfreie Altersicherung zu ermoeglichen, genau denen die jetzt im Fokus stehen. Durch ein Kreditsystem über viele Jahre haette man auch das fehlende Kapital kompensieren koennen.
    Ebenso haben leider viel zu viele, die es sich haetten vor bis zu zehn Jahren locker leisten koennen, Eigentum zu erwerben, dies unterlassen weil es eben die Mieten sehr guenstig waren und das Geld lieber konsumiert wurde.
    Es faellt mir sehr schwer jetzt Verstaendnis fuer den Protest dieser Menschen aufzubringen. Ich spreche nicht von der beruehmten Putzfrau oder armen Rentnerin, sondern von vielen auch Akademikern mit entsprechenden Einkommen. Eine freiheitliche Gesellschaftsordnung - die ja jeder einfordert - beinhaltet eben auch Eigenverantwortung und die Akzeptanz der Folgen bei der Unterlassung von eben dieser oder von falschen Entscheidungen. Der Staat kann kein Totalversicherer sein. Damit gibt es fuer mich auch kein Wohnrecht fuer alle. Ein Wohnrecht fuer Beduerftige ja. Die Frage ist halt immer was heisst Beduerftigkeit. Bin ich beduerftig, wenn ich ein kleineres Auto umsteigen muss oder es ganz abschaffen muss oder auf weniger Urlaub, um mir meine Miete zu leisten, meine Lebensversicherung aufloesen muss usw. Oder bin ich erst beduerftig, wenn ich wirklich nichts mehr zu fressen habe?
    Das Bundesverfassungsgericht hat das ja ganz gut beschrieben, von daher sind viele wirklich nicht beduerftig wegen ansteigender Mieten, sondern es ist eher ein sicherlich schmerzhafter Eingriff in Lebensqualitaet und Konsumverhalten.
    Das groesste Manko bleibt allerdings der mangelnde Neubau.
    Man sollte sich nur kurz in Erinnerung rufen, dass über 80% Prozent von Neubau bei den privaten Bautraegern liegt, der Anteil an kommunalen Neubau seit Jahren abnimmt oder stagniert. Wenn man als Land selber wenig baut und den privaten das Leben schwer macht, dann verschaerft sich die Situation naturgemaeß.


    Die Politik kann das Baurecht gestalten, es ist einfach zu kompliziert und aufwendig geworden, also stark preistreibend. Das Land kann durch Modifizierung der Traufhoehe oder mehr Hochhausbau eine Verdichtung erreichen, die der Nachfrage angepasst wird ohne gleich aus Berlin Tokio zu machen. Berlin kann landeseigene Flächen mehr ausweisen und entsprechend bebauen. Berlin kann durch eine effizientere Verwaltung und Klärung der Kompetenzen (Bezirk und Senat) die teilweise irrwitzigen Planungszeiten verkuerzen. Berlin kann die meines Erachtens exzessive Buergerbeteiligung so gestalten, dass eben weniger verhindert und verzoegert werden kann (einen Tod muss man sterben)
    Berlin kann durch staerkere Fokussierung ihrer Wohnungsbaugesellschaften auf die wirklich Beduerftigen (wie oben dargelegt) wirklich Betroffene besser unterstuetzen. Das Giesskannensystem es allen recht zu machen funktioniert nicht.
    Und Berlin sollte endlich mal ehrlich sein und den Leuten die Wahrheit sagen.
    Mieten von unter 10 Euro werden in dieser Stadt auf dem freien Wohnungsmarkt nicht mehr moeglich sein und ebenso jeden der dazu in der Lage ist, ermutigen Wohnraum zu kaufen (auch wenn es jetzt schon etwas spät dafür ist).
    Dies alles wird nicht getan und ist politisch - vor allem von der Linken nicht gewollt und es ist einfach so: Ohne genuegend Angebot geht der Preis in die Hoehe, da kann man ansonsten rumdoktern was man will. Ebenso sollte der Senat aufhoeren mit seinem Feinddenken. Wie Baukoerper es beschrieben hat. Die Deutsche Wohnen spielt nach den geltenden Spielregeln und handelt so wie ein Unternehmen zu handeln hat.
    Was immer wieder vergessen wird. Die ueberwiegende Zahl der Mietwohnungen befindet sich im privaten Besitz von Leuten die eben ein oder zwei Wohnungen besitzen als Anlage für die Alterssicherung. Und diese erhoehen in der überwiegenden Zahl sehr selten die Miete. Diese werden niemals erwaehnt sondern alles wird auf ein oder zwei grosse Gesellschaften fokussiert und damit bewusst ein Zerrbild geschaffen. Ebenso ist es unangebracht von Enteignung zu reden, denn - das wird auch immer ignoriert - das deutsche Mietrecht ist wohl mit das mieterfreundlichste mit vergleichbaren Nationen -
    Die Gesellschaften machen nichts ungesetzliches. Sollten sie bei Wartung, Kündigung, Mieterhöhungen usw gegen geltende Regeln verstossen - was sie sicherlich auch bewusst manchmal tun - dann gibt es Anwälte und Klagen die entsprechendes Handeln einfordern koennen. Das sieht der Rechtsweg vor. Sollte die Politik und Gesellschaft noch staerker die Mieten einbinden, muss sie ueber Gesetze eingreifen (sofern diese nicht mit der Verfassung kollidieren, was manche Forderungen sicherlich tun)
    Der Mietspiegel wurde immer - auch wenn das negiert wird - als Kampfinstrument der Mieter eingesetzt. Es ist nicht moeglich Neubaumieten nach dem Mietspiegel auszurichten. Keine einzige Mietwohnung kann dann noch gebaut werden. Der Mietspiegel wird bewusst und verzerrend preismindernd eingesetzt. Wie kann dieser objektiv sein, wenn die Kriterien bewusst preismindernd festgelegt werden. Wie kann die Miethöhe realistisch sein, wenn bei der Mehrheit der Wohnungen jahrelang keine Mieterhoehung stattgefunden hat? Selbst als Ausrichtung fuer keine Neubaumieten ist es nur sehr schwer zu akzeptieren. Ich habe in der Veteranenstrasse am Weinbergspark gewohnt. Die dortige Wohnlage wurde im Mietspiegel als einfache Wohnlage klassifiziert, was die Miete nach unten drueckt. Für mich ein Witz. Ganz ehrlich, eine der angesagtesten Lagen in Berlin. Das ist einfach nicht die Abbildung der Realitaet. Dann braucht man sich auch nicht wundern, dass private Gesellschaften den Mietspiegel anzweifeln.
    Enteignungen nur weil man ein paar tausend Wohnungen hat (und das ironischerweise von den Kommunen, die diese verkauft haben, weil sie damit überfordert waren und nun von diesen Kommunen enteignet werden soll, finde ich schon witzig) ist kein gueltiges Argument und waere auch in dieser Groeßenordnung nicht finanzierbar ohne sofortige Insolvenz von Berlin und würde nicht eine einzige zusaetzliche Wohnung schaffen.


    Angesichts der Tatsache, dass es Berlin gerade mal schafft selber 25 000 Wohnungen in fuenf Jahren zu bauen ist es schon sehr verwegen von Herrn Kuehnert zu verlangen, den Wohnbesitz zu verstaatlichen, wir sprechen von mindestens zehn Millionen Wohnungen in Deutschland. Wie soll das funktionieren? Meines Erachtens ist das mit unserer Gesellschaftsordung nicht vereinbar und dort wo es bisher praktiziert wurde, hat es immer in ein komplettes Desaster geführt. Es ist auch so verlogen von der Linken, das Wohnungsmodell der DDR anzufuehren. Was waere denn ohne Wiedervereinigung passiert?. Die meisten Wohnungen waeren verrottet oder zusammengebrochen weil kein Geld fuer Renovierung da war. Davon spricht niemand.


    Wir haben ein grosses Problem in Berlin, aber es ist nicht so gross wie es dargestellt wird. Ehrlichkeit und Aufklärung waere extrem wichtig, beides wird bewusst unterlassen und geschieht nur widerstrebend - man will seine Klientel nichts zumuten und es ja so leicht andere als Suendenbock darzustellen. Es geht nicht nur ums Geld, es auch viel darum wie man Sachverhalte darstellt und ebenso wichtig ist die Sprache. Und ganz objektiv, vor allem Linke will bewusst eine schwierige Situation ausnutzen um ihr Gesellschaftsbild zu forcieren. Und das lehne ich entschieden ab. Vor allem wenn dies noch dadurch hintertrieben wird, indem man bewusst alle objektiven Instrumente, die zur Linderung der Situation beitragen koennten, siehe oben - bewusst unterlaesst und verschleppt, wie es Frau Lompscher eben tut, wobei sie natuerlich da nicht weniger verantwortlich ist wie viele in der SPD oder CDU auch, aber sie hat nun mal seit zwei Jahren diesen Posten.

  • Ich möchte an den ersten Satz des Vorbeitrags anknüpfen. Worum geht die Diskussion eigentlich?


    Weder in Berlin noch in München oder Frankfurt sind „die Mieten“ um 13% oder wieviel auch immer gestiegen. Es gibt nicht „die Mieten“. Was die Diskussion prägt, sind enorme Sprünge bei den Erst- und Wiedervermietungen, soweit sie bekannt werden. Die Herkunft und Datenbasis solcher Berechnungen ist äußerst undurchsichtig und mit Vorsicht zu genießen. Wieviele Vermietungsvorgänge fließen in solche Berechnungen überhaupt ein? Wie repräsentativ sind solche Aussagen? Welcher Anteil am Gesamtwohnungsbestand einer Stadt wird pro Jahr überhaupt neu oder wieder vermietet? Dazu gibt es praktisch keine gesicherten Daten.


    Viele Wohnungsmärkte funktionieren so, das wird in B nicht anders sein als in F oder M, dass ein Großteil frei werdender Wohnungen gar nicht erst das Licht einer Anzeige in ImmoScout oder ähnliches erblickt. Viele Wohnungen werden im Familien- oder Kollegenkreis, unter Nachbarn oder Freunden „weitergereicht“; bei Wohnungsbaugesellschaften auch über Wartelisten; wie groß dieses Marktsegment ist, lässt sich schwer schätzen, ich denke es ist groß, und auch größer als allgemein angenommen wird. Die Vermietungsbedingungen dieses Marktsegments liegen völlig im Dunkeln und fließen in keine Statistik ein. Es könnte sein, dass die Mieten in diesen Fällen von Wiedervermietung nicht so stark angehoben werden.


    Je länger ein Mietverhältnis dauert, desto mehr koppelt sich dessen Miethöhe vom Niveau der Erst- und Wiedervermietungen ab. Das hängt mit den spezifischen Eigenheiten der verschiedenen Mieterhöhungsverfahren ab. Das bewirkt, dass die Miete aller Mieterverhältnisse im Gesamtdurchschnitt deutlich unter den aktuellen Erst- und Wiedervermietungen liegt. Das Problem ist, dass man die Durchschnittsmiete nicht kennt, die letzten Zahlen stammen aus der Wohnungszählung 2011 (oder 2012?). Wüsste man dazu genaueres, würde das die Diskussion vermutlich etwas dämpfen, denn damals lag die Durchschnittmiete deutlich unter den damaligen Wiedervermietungsmieten.


    Ein weiteres Problem ist der Begriff der Miete. Der BGH definiert Miete als die Gesamtheit aller Leistungen, die der Mieter für den Gebrauch der Mietsache an den Vermieter zahlen muss; das ist der Begriff der Bruttomiete inklusive aller Betriebskosten. Zieht man die Betriebskosten ab, erhält man die Nettomiete. Worauf beziehen sich die beklagten Steigerungen? Auf die Nettomieten? Auf die Bruttomieten? Die Betriebskosten hängen stark vom Baualter und vom Ausstattungsstandard ab, also letztlich davon, welche Kosten aus dem Betriebskostenkatalog überhaupt tatsächlich anfallen und wie wirtschaftlich ein Gebäude mit Mietwohnungen betrieben wird.


    Die „ortsübliche Vergleichsmiete“ ist ein politisches Konstrukt. Sie wird ermittelt aus einer repräsentativen Anzahl von Mietverträgen, die im Zeitpunkt der Erhebung kraft Gesetzes nicht älter als vier Jahre sein dürfen (§ 558 Abs. 2 Satz 1 BGB); warum vier Jahre? Warum nicht zwei oder 10? Es spielt erst mal keine Rolle, außer zum Beleg dafür, dass dies ein (wohnungs-)politischer Begriff ist. Die ortsübliche Vergleichsmiete sagt also auch nichts über das allgemeine oder durchschnittliche Mietniveau.


    Berücksichtigen müsste man noch den geförderten Wohnraum ab, der hinsichtlich der Miethöhe und Mieterhöhung besonderen Regelungen unterliegt, sowie die selbstgenutzten Eigentumswohnungen und Eigenheime, bei denen die Wohnkosten auch besonderen Regeln unterliegen (Stichwort Zins und Tilgung).


    Kurzum: für eine sachliche Diskussion ist die Faktenbasis reichlich schmal, allgemein gültige Aussagen sind nur schwer möglich, die Wirkungen politischer Forderungen auf „den Wohnungsmarkt“ oder „die Mieten“ sind praktisch nicht abschätzbar.

  • Mietendeckel

    Ist das der richtige Thread? Wohl nah dran. Obwohl ich den TS bisher für linksfreundlich hielt, von dem verabschiedeten Mietendeckel ist die Zeitung nicht begeistert - es fallen Formulierungen wie panischer Aktionismus. Ein Deckel schafft ja keine einzige zusätzliche Wohnung. Gerade sah ich im Fernsehen Nachrichten, nach den in einigen Jahren die Mieten in Berlin von ca. 5,50 EUR im Schnitt auf ca. 9,50 EUR/Qm stiegen (gemeint sind wohl Neuvermietungen) - dieses Niveau gibt es in viel kleineren Städten im Westen und hier wohnen mehrere Millionen. Verglichen mit den anderen Multimillionen-Städten der EU sind 9,50 EUR/Qm noch günstig. Das Einkommen in Berlin kann auch nicht so schlecht sein, immerhin war es in Westberlin (2/3 der Stadt) wohl bereits vor der Wende mit dem Westen vergleichbar.


    Laut TV-Nachrichten wurden bereits Klagen gegen das Gesetz angekündigt.

  • Ich bin jetzt kein Freund von dem Mietendeckel, so wie er jetzt ausgestaltet ist, ganz sicher nicht, aber auch darüberhinaus.


    Und gleichzeitig sehe ich, dass es ein Problem gibt. In Berlin und anderswo. Da braucht man nur mal in Darmstadt, München, Stuttgart, Hamburg, Frankfurt am Main oder auch im Chiemgau oder Deidesheim oder Bad Dürckheim in der Pfalz, etc. pp sich die Situation ansehen. Deshalb würde ich mir von der Poltik umsichtigeres Handeln wünschen, differenzierter und abgewogener in Gestaltung, auf die Zukunft ausgerichtet, mit den privaten Bauherrn und Vermietern kooperierend.
    Die SZ hält den Mietendeckel in Berlin für einen Beweis der Überforderung u.a. des Senats. Link


    Doch lieber Bau-Lcfr, das was Du schreibst ist in meinen Augen auch eher mutmaßend als stichhaltig.


    Das verfügbare Einkommen pro Kopf ist in Berlin von 2000 bis 2016 um 1,3 Prozent gestiegen, hingegen die Mieten von 2007 bis heute um 83 %. Das ist recht einmalig in Deutschland und gesund ist es auch nicht, oder?
    Und Deine Qm Zahlen sind zu niedrig. Ein Blick in den Mietspiegel sagt anderes. Link


    So gibt es also auch positive Stimmen zum Mietendeckel aus Hamburg. Er könne ein Vorbild für andere Bundesländer sein. Link

  • Mietendeckel

    Man muss dabei zwei Aspekte gegeneinander abwägen.


    1. Ich sehe es so, dass es durchaus Aufgabe der Poltik ist, zu verhindern, dass aus Notlagen (in diesem Fall, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, und da kann mir auch keiner erzählen, dass "bauen, bauen, bauen" eine schnelle Lösung wäre, da Neubauwohnungen nicht günstig sind) Kapital geschlagen wird.


    2. Die Eigentümer, egal ob es Privatpersonen oder Aktiengesellschaften sind, haben ein Recht auf dieses Geschäftsmodell (also mit Immobilien Geld zu verdienen) und es muss allein schon für den Erhalt der Wohnungen ein Überschuss erwirtschaftet werden können.


    Folglich muss, wenn es einen erfolgreichen Mietendeckel geben soll, auch sicher gestellt werden, dass während der Laufzeit nicht irgendwelche zusätzlichen Kosten für die Eigentümer kreiert werden (wie z.B. die Nicht-Umlegbarkeit der Grundsteuer oder neue Vorschriften zur Energieeinsparung).
    Denn an dieser Stelle legt die Politik viele Dinge fest, die vielleicht sinnvoll sind, aber die Mieten steigern und gleichzeitig den Gewinn senken (z.B. beim Eichgesetz oder der Betriebs- und Heizkostenverordnung).
    Große Gesellschaften könnten dies womöglich kompensieren, aber kleinere Privateigentümer kommen da schnell an wirtschftliche Grenzen.

  • Das verfügbare Einkommen pro Kopf ist in Berlin von 2000 bis 2016 um 1,3 Prozent gestiegen, hingegen die Mieten von 2007 bis heute um 83 %. Das ist recht einmalig in Deutschland


    Einmalig nicht - ich erinnere mich vage an Debatten im Leipziger Unterforum vor 2-3 Jahren über prozentual ähnliche Steigerungen, die jedoch gleichzeitig ein Angleichen an die westlichen Verhältnisse bedeuteten. (Ein Focus-Vergleich der Wohnpreise in verschiedenen Städten - Berlin liegt ungefähr wie Nürnberg und Köln, Stuttgart ist teurer.) Vor der Wende gab es im Osten keinen Wohnungsmarkt und selbst in Westberlin waren die Wohnungspreise durch die Insellage wohl besonders günstig.


    Das überlappt sich mit starken Preissteigerungen überall in Europa u.a. durch die Urbanisierung. Die von mir gesehenen TV-Nachrichten zeigten übrigens eine Kurve, laut der sich die Berliner Mietpreise in den letzten Monaten gerade entspannten.


    Das Bauen ist sicher keine schnelle Lösung, doch die Urbanisierung der großen Metropolen ist bereits seit einigen Jahren bekannt, also Zeit gab es bereits. Hat die Berliner Politik die Möglichkeiten wirklich maximal ausgeschöpft? Was ist etwa mit Kleingärten, die in etlichen Großstädten immer wieder ein städtebauliches Thema werden? (Kürzlich schrieb ich hier über welche gleich neben einer U-Bahn-Haltestelle.) Den Verzicht auf eine Teilbebauung des Tempelhofer Felds zu revidieren wagte die Berliner Politik bisher nicht?

  • Das Einkommen in Berlin kann auch nicht so schlecht sein, immerhin war es in Westberlin (2/3 der Stadt) wohl bereits vor der Wende mit dem Westen vergleichbar.


    Genau mit dieser Einschätzung liegst Du leider daneben! Das durchschnittliche Einkommen der Berliner hat sich in den letzten Jahren eben nicht gesteigert und auch der große Zuzug der vornehmlich aus dem Ausland kommenden Neubewohner ( heisst: Es kommen eben KEINE gut verdienenden Bankmanager aus London oder auch aus Frankfurt...) hat dies nicht geändert!


    Ein großes "Standbein" ist hier z.B. "Start-up". Es ist allgemein bekannt dass gerade dort das Lohnniveau teilweise an Selbstausbeutung grenzt...


    Im Grunde müsste man die Wirtschaftskraft auch durch den Faktor "Feiertage" bereinigen, sprich: Die Berliner erarbeiten ihr Geld an mehr Tagen als z.B. Bayern ... aber man will ja nicht klagen :)

  • Folglich muss [...] auch sicher gestellt werden, dass während der Laufzeit nicht irgendwelche zusätzlichen Kosten für die Eigentümer kreiert werden (wie z.B. die Nicht-Umlegbarkeit der Grundsteuer oder neue Vorschriften zur Energieeinsparung).


    Die neue Grundsteuer wird zwar ein Heidenchaos verursachen, sie bleibt aber (leider) umlagefähig. Im Falle von Modernisierungen können Vermieter die Miete ohne Genehmigung um bis zu 50 Cent pro Quadratmeter erhöhen. Größere Steigerungen können sie sich genehmigen lassen - bei der Umsetzung neuer Bauvorschriften dürfte das kein Problem sein.


    Große Gesellschaften könnten dies womöglich kompensieren, aber kleinere Privateigentümer kommen da schnell an wirtschftliche Grenzen.


    Wenn ein Vermieter wegen zu geringer Mieteinnahmen ins Minus gerät, kann er eine Härtefallregelung in Anspruch nehmen und trotz des Deckels erhöhen.


    Im Grunde müsste man die Wirtschaftskraft auch durch den Faktor "Feiertage" bereinigen, sprich: Die Berliner erarbeiten ihr Geld an mehr Tagen als z.B. Bayern


    Das wäre ja noch schöner! Erstens hat Bayern schon drei gesetzliche Feiertage mehr als Berlin, zweitens entspricht dem Produktivitäts- auch ein Lohngefälle und drittens steckt in der Arbeitsproduktivität eine statistische Irreführung: Deren Höhe hat nämlich kaum etwas mit dem Fleiß der Mitarbeiter zu tun, sondern (betriebswirtschaftlich) mit dem Kapitaleinsatz und (volkswirtschaftlich) mit der Unternehmensstruktur eines Bundeslandes.


    Die Produktivität eines einzelnen Arbeiters oder Angestellten hängt vor allem von der Technik ab, an der er arbeitet: Wenn z.B. ein neuer Roboter den Arbeitskräfte-Bedarf an einer Fertigungsstraße halbiert, dann hat sich die Produktivität der verbliebenen Arbeiter statistisch gesehen verdoppelt – ohne dass sie mehr oder länger arbeiten würden als vorher.


    In Bayern liegt der Schwerpunkt der Wertschöpfung im produzierenden Gewerbe, in dem sich die Produktivität durch neue Maschinen steigern lässt. In Berlin liegt er auf dem Dienstleistungssektor, in dem Rationalisierungsmaßnahmen (noch) schwierig sind. Die hiesige Industrie ist im Zuge der Teilung zu großen Teilen abgewandert, und was noch da ist, hat mit einem langjährigen Innovationsrückstand zu kämpfen, der mangels Investitionsvolumen kaum einzuholen ist.


    Also: Der Gründe für die geringere Produktivität sind viele. Dafür die Beschäftigten verantwortlich zu machen, entspringt dem selben neoliberalen Theorienkasten, demzufolge der Arbeitslohn pro Vollzeitstelle nicht zum Leben reichen muss – das wird nämlich auch statistisch an der Produktivität festgemacht.

  • ^ Vergleiche der Produktivität in Berlin und in Bayern entfernen sich leider vom Thema - leider hat seit meinem letzten Posting niemand ausgeführt, ob denn wirklich alle Möglichkeiten der Wohnungsbau-Steigerung ausgeschöpft werden. Diesem MoPo-Artikel nach meiden Entwickler zunehmend die Stadt bzw. den Wohnungen-Sektor - wegen Enteignungen-Debatten und dem Mietendeckel. Dies dürfte die Lage eher verschlimmern als verbessern.


    Bei Gelegenheit noch - junge Berliner sehen den Hochhausbau als einen der Lösungsansätze. Man sollte allerdings gleich Illusionen aufgeben - es gibt Berechnungen, nach den gegenwärtige Baukosten Neubau-Mieten um 11-12 EUR/Qm bedeuten, da ist nix mit 9,50 oder 5,50. Hochhäuser sind generell noch etwas teurer. Oft wird aber auch auf Umzugsketten hingewiesen - wer in eine teure Neubau-Wohnung zieht, mach häufig eine billigere im Altbau frei.

  • @Architektenkind:Ich hab mich unglücklich ausgedrückt, natürlich soll nichts irgendwo bereinigt werden, ich wollte lediglich drauf hinweisen, dass Berliner an mehr Tagen arbeiten müssen als in anderen Bundesländern. Ich z.B. erhalte das gleiche Gehalt wie meine Kollegen in München, arbeite aber 3 Tage ( früher 4 Tage) mehr. Ich verteile die Arbeit nicht auf mehr Tage sondern bin an den Tagen zusätzlich produktiv.


    @ Bau LCFR: Gut das tut nichts zum Mietdeckel, trotzdem kann es nicht sein, dass es heisst: Die Berliner sollen sich nicht so anstellen, die verdienen ja auch immer mehr.
    Nein das tuen sie eben nicht, und daher sind Mieterhöhungen hier der Grund warum in ganzen Stadtteilen mittlerweile die Bevölkerung komplett ausgetauscht wird, Stück um Stück.


    Und selbst wenn man nun das Tempelhofer Feld bebauen würde, würden Mieten in anderen Bezirken trotzdem nicht sinken! Man könnte dann im Münchner Englischen Garten auch Studentenheime bauen, auch dort würde kein Vermieter in anderen Stadtteilen hergehen und seine Miete senken!

  • leider hat seit meinem letzten Posting niemand ausgeführt, ob denn wirklich alle Möglichkeiten der Wohnungsbau-Steigerung ausgeschöpft werden.


    Da kann ich helfen: Nein, wurden sie nicht. Wohnungsneubau im großen Stil ist ein mühsames Geschäft, bei dem viele Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen – wirtschaftliche, baurechtliche, politische und soziale. Von ästhetischen ganz zu schweigen. Und damit tun sich m.E. derzeit alle Beteiligten schwer.


    Aber: Der Neubau von Wohnungen und der Mietendeckel haben nichts miteinander zu tun. Das schon für die Enteignungsdebatte erfundene Argument: "Schafft keine einzige neue Wohnung..." ist a) banal und geht b) an der Sache vorbei. Der Mietendeckel soll nicht den unbestrittenen notwendigen Wohnungsneubau ersetzen, sondern den überhitzten Mietenmarkt für die ca. 1,5 Mio. Bestandswohnungen abkühlen.


    Das lässt sich allein durch ein größeres Angebot (also Neubau) nicht bewerkstelligen. Erstens dauert Bauen zu lange, um mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Zweitens ist der Bauplatz in Zentrumsnähe begrenzt, und ein neues Baugebiet zwischen Spandau und Falkensee ändert am Preisdruck in Friedrichshain gar nichts. Drittens – und vor allem – ist die gestiegene Nachfrage nur einer der Gründe für die Preisexplosion, und nicht einmal der wichtigste.


    Entscheidender ist die seit der Finanzkrise gestiegene Rolle von Immoblien für die Anlagestrategien der Finanzindustrie – und die damit verbundenen Renditeerwartungen, die dazu führen, dass sich die Preisspirale immer schneller nach oben schraubt. Denn in den Berliner Gründerzeitvierteln werden ganze Häuserzeilen von Immobilienfonds aufgekauft und bis an die Grenze des Machbaren "monetarisiert", und über die entsprechend steigenden Mietspiegel überträgt sich die Preisdynamik auch auf kleine Firmen oder Privatvermieter, die sich eigentlich völlig korrekt verhalten.


    Diesem MoPo-Artikel nach meiden Entwickler zunehmend die Stadt bzw. den Wohnungen-Sektor - wegen Enteignungen-Debatten und dem Mietendeckel. Dies dürfte die Lage eher verschlimmern als verbessern.


    Sie zitieren sehr selektiv. Enteignungen und Mietendeckel werden unter "außerdem" als Stimmungsbremse genannt. Als Hauptgründe nennt der Artikel schlicht die höhere Rendite bei Bürogebäuden und den Streit um den Sozialwohnungs-Anteil. Vom Mietendeckel sind Neubauten überhaupt nicht betroffen – Erstbezüge sind von der Regelung explizit ausgenommen.


    Natürlich ist der Mietendeckel kein Allheilmittel für den Berliner Wohnungsmarkt. Ich hoffe, er wird effektiver sein als die Mietpreisbremse, aber ich rechne auch mit Nebenwirkungen. Einen hohen Verwaltungsaufwand und zusätzliche Bürokratie für Kleinvermieter zum Beispiel. Oder die vorgezogenen Mieterhöhungen in letzter Minute. Oder eine Verunsicherung aller Beteiligten, bis die Sache gerichtsfest ist.


    Medien und Lobby-Verbände sollten aber trotz berechtigter Kritik die Kirche im Dorf lassen: "Chaos auf dem Wohnungsmarkt" (Mopo), "Beweis grenzenloser Überforderung" (SZ), "Auf dem Weg zur Staatsmiete" (Die Welt), "Menschenrechtswidrig" (Haus & Grund) – das erinnert in Tonfall und Wortwahl sehr an die Debatte um die Einführung des Mindestlohnes. Damals wurde das Ende der Tarifautonomie, der Untergang des deutschen Mittelstandes, Massenarbeitslosigkeit und das Verschwinden des Friseurberufes prognostiziert. Nichts passiert. Ich rate also zur Gelassenheit.


    @Architektenkind:Ich hab mich unglücklich ausgedrückt, natürlich soll nichts irgendwo bereinigt werden, ich wollte lediglich drauf hinweisen, dass Berliner an mehr Tagen arbeiten müssen als in anderen Bundesländern. Ich z.B. erhalte das gleiche Gehalt wie meine Kollegen in München, arbeite aber 3 Tage ( früher 4 Tage) mehr. Ich verteile die Arbeit nicht auf mehr Tage sondern bin an den Tagen zusätzlich produktiv.


    Ah, alles klar. War ein Missverständnis. Kürzlich tauchte hier irgendwo die These auf, die Strukturschwäche im Osten sei auf eine mangelnde Leistungsbereitschaft der Bevölkerung zurückzuführen. Das im Hinterkopf, habe ich Deinen Satz genau falsch herum interpretiert. Sorry...

  • Ich möchte Architektenkind da voll und ganz beipflichten!


    Ein gutes Beispiel, wie ich finde, ist der "Riemers Hofgarten" in Kreuzberg. Eine wunderschöne Wohnanlage aus der Gründerzeit. Wird derzeit immer stärker "entmietet" und steht zu großen Teilen nunmehr leer. Die Wohnungen sind zu reinen Renditeobjekten geworden. Neue Besitzer ziehen nichtmal ein. Ein kleiner Rest Mieter harrt noch aus, meisst ohne Nachbarn!


    Da ist teurer Wohnraum mitten in Berlin, der nichtmal von zahlungskräftigen Mietern benutzt werden kann, von den Eigentümern wird er auch nicht genutzt aber auch nicht vermietet.


    Ich finde das ist die Pervertierung der Immobilienwirtschaft schlechthin...


    Leider greift auch hier kein Mietdeckel. Eher ein Verweis auf "Eigentum verpflichtet"

  • ^ Bei Riehmers Hofgarten müsste das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum greifen – das untersagt auch Leerstand über mehr als ein paar Monate. Laut BZ hat der Bezirk ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Ist aber ein stumpfes Schwert: Dem Investor drohen 500.000 Euro Bußgeld. Kann er bei einem Projekt dieser Größenordnung wahrscheinlich als Werbungskosten verbuchen – oder es sich mit etwas Glück sogar von Haus & Grund erstatten lassen: Als Vorkämpfer für das Menschenrecht auf Eigentum-darf-alles ;)

  • Das überlappt sich mit starken Preissteigerungen überall in Europa u.a. durch die Urbanisierung. Die von mir gesehenen TV-Nachrichten zeigten übrigens eine Kurve, laut der sich die Berliner Mietpreise in den letzten Monaten gerade entspannten.


    Die Mietpreise ziehen gerade stark an. Meine eigene jetzt um 15%, das Einkommen steigt wie bei vielen nicht in der Höhe. Der aktuelle Mietspiegel liegt sogar deutlich darüber. Der Berliner Mieterverein kann sich gerade vor Anfragen kaum retten.
    Der Mietendeckel verhindert dass viele die hier schon lange wohnen aus der Stadt wegziehen müssen, und das ist gut so!

  • Ersmal möchte ich mich bednken für diese hochinteressanten Beiträge, anhand derer man erkennen kann, wie vielschichtig und kompliziert die Mieten-Thematik ist.


    Soweit ich weiß, darf man absichtlichen Leerstand nicht von der Steuer absetzen, somit dann auch nicht das Bußgeld für die Zweckentfremdung, aber versuchen kann man es bestimmt :Nieder:
    Dennoch fehlen da einfach Mittel und Wege, um dagegen vorzugehen, da es manchen Eigentümer schlichtweg nicht stört, solange die Kosten niedriger sind als die Wertsteigerung oder der sonstige Nutzen, den ihm der leerstehende Wohnraum bringt.


    Reiner Tee bringt einen wichtigen Punkt ins Spiel, der seitens der Politik in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt wurde: Die Löhne sind oft zu niedrig (bestimmte Branchen und bestimmte Lohngruppen ausgenommen)! Wären sie amgemessen gestiegen, bestünde die Problematik vermutlich nicht in diesem Ausmaß, wie wir es gerade erleben.

  • Ein super interessanter Beitrag komt zur Thematik vom Deutschlandfunk:


    https://www.deutschlandfunkkul…ml?dram:article_id=450545


    Hier geht es unter dem Titel "Berlin am Scheideweg" um die wachsende Stadt, Mangel an öffentlichen Investitionen (besonders bezahlbaren Wohnraum und überforderte Infrastruktur) und Verdrängungsphänomene.


    Zu Wort kommt auch der Rotterdamer Stadtplaner Martin Aarts, der seine Stadt mit Nachverdichtung und Wiederansiedelung von Gewerbe vällig umgekrempelt hat und ganz ähnliche Ideen für Berlin hat – wenn er auch im letzteren Fall eher pessimistisch ist.


    Hatte nicht irgendwer hier Aarts neulich in einem ähnlichen Kontext erwähnt?


    Marco

  • Ich glaube nicht, dass die Brache des Tempelhofer Felds mit dem Münchner Englischen Garten verglichen werden kann (und ja, ich war genauso dort wie da vor Ort). Schrebergärten übrigens auch nicht - gibt es konkrete Planungen, wenigstens einige dieser Flächen anders zu nutzen?


    Im meist linken Spiegel wird im Artikel vom 23.06 gewarnt, dass das Abschalten der Preismechanismen die Realität verzerrt - die Metropolen würden dann billiger scheinen, als sie wirklich sind. Sonst ist noch im Artikel von Umzügen vom Flachland in die Großstädte die Rede - egal, wie man die Gleiche-Verhältnisse-Aussagen im Grundgesetz interpretieren möchte, in einer Metropole wird es immer weit mehr kulturelle Angebote, Einkaufs- und Arbeitsmöglichkeiten geben. Einige Aussagen wie zur CO2-Hysterie ignoriere ich lieber (wer will, kann gerne mein CO2 kaufen) - mit der Formulierung "desaströse Energiewende" als Mit-Ursache des teureren Wohnens gleicht der Autor es aus. (Eine CO2-Steuer würde übrigens das Wohnen sicherlich nicht billiger machen.)


    Doch zumindest erkennt die Zeitschrift, wie fatal es wäre, würde das Berliner Beispiel Verbreitung finden - und wer garantiert, dass nach 5 Jahren keine Verlängerung auf weitere 5 Jahre kommt? (Falls RRG am Drücker bleiben sollte.)