Neubebauung am Schinkelplatz/Werderscher Markt

  • ^ Eben :-), da lobe ich mir doch eine Pariser Peepshow des 19ten Jahrhunderts, die die mittelalterlichen Hütten die zu sehr an Notre Dame klebten einfach eingerissen und so erst die Schönheit der Kathedrale wie wir sie heute noch erleben dürfen, erfahrbahr gemacht hat.
    Paris hat nicht dieses paranoide Verhältnis zu seiner Vergangenheit, zu einem mittelaterlichen Stadtgrundriss, wie Berlin. Wenn etwas als schön und herausstellenswert erachtet wird, dann handelt man auch demensprechend. Es sind die großen Gesten die eine Metropole charakterisieren nicht der Rückbau ins klein-klein.


    Da stimmt ja (fast) alles nicht, mon Cher,


    1) Notre-Dame ist äußerlich lange kein Original mehr sondern zu 80 % eine Kopie aus den Händen M. Viollet-le-ducs. Das wird zwar häufig unterschlagen (wegen des nicht-paranoiden Verhältnisses der Franzosen zur eigenen Geschichte).


    2) Die "mittelalterlichen Hütten", die M. Haussmann abgerissen hat, stellen zusammen mit ihren Typengenossen den mittelalterlichen Kern der französischen Metropole da und wurden rückstandslos entsorgt. Seitdem ist eben nicht mehr erfahrbar, wie z.B. Notre-Dame auf die menschen vor diesem Eingriff auf die Menschen gewirkt hat. Durch die "Hütten" (Häuser vor 1850) enstand ein Mastabssprung, der nun auf die bloße Dekoration reduziert ist.


    3) An "großen Gesten" litt Paris schon zu Zeiten Haussmanns nicht. Da muss man sich nicht gleich an den mittelalterlichen Kirchen vergreifen und die Tuilerien anzünden.

  • @ Camondo, Konstantin, Rotes Rathaus:
    Wenn in Berlin-Mitte die durchschnittliche GFZ von 3,7 (wie in Paris) erreicht ist, können wieder Diskussionen über Freistellen und Freiräume-schaffen angestellt werden. Wenn keine Bebauung da ist, kann auch nichts freigestellt oder abgerissen werden. Die Diskussionen über Dichte haben immer etwas belustigendes wenn man bedenkt, dass Berlin 1930 4,2 Mio Einwohner hatte auf eine bebaute Fläche von maximal 60%.

  • Der Gedanke kam mir beim Lesen auch. Eine innerstädtische Bebauungsdichte, die sich Pariser Verhältnissen auch nur annähert, würde bei vielen hier wahrscheinlich zu akuter Schnappatmung führen.

  • ... Eine innerstädtische Bebauungsdichte, die sich Pariser Verhältnissen auch nur annähert, würde bei vielen hier wahrscheinlich zu akuter Schnappatmung führen.


    ... Eben, deswegen sollte man tunlichst von weiteren Unternehmungen dieser Art Abstand nehmen. Einmal ist es einer der großen Vorzüge Berlins, dass es nicht so dicht bebaut ist wie Paris. Und zweitens erklärt sich die jetzige Bebauungsdichte nicht mit der Situation um die ehemals freigestellte Friedrichswerdersche Kirche und der schönen Grün- und Parkfläche des MEF/RF sondern eher dadurch, dass man in beiden Stadthälften nach dem Krieg ganz gezielt auf Entkernung der Mietskasernenviertel gesetzt hat. Also Abriß von Hof- und Seitengebäuden in Quartieren wie Kreuzberg, Schöneberg, Wedding, Friedrichshain, Prenzlauer Berg etc. Oder auch Totalabriß wie in Kreuzberg der 70er und frühen 80er Jahre.

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  • Der Gedanke kam mir beim Lesen auch. Eine innerstädtische Bebauungsdichte, die sich Pariser Verhältnissen auch nur annähert, würde bei vielen hier wahrscheinlich zu akuter Schnappatmung führen.

    Was die Anzahl der Menschen angeht zurecht. Paris ist wunderschön, aber die Masse der Menschen auf so kleinem Raum ist im Vergleich zu Berlin absolut nicht erstrebenswert. Das liegt aber nicht an der Bebauungsdichte der Stadt, sondern eher an den Pendlermassen aus den Banlieus, wo nochmal 6 mal so viele Menschen leben, wie im eigentlichen Paris.


    Berlin hatte 1939 sogar 4,5 Mio. Einwohner auf deutlich weniger bebauter Fläche als heute. Diese Dichte wieder zu erreichen ist ebenfalls nicht erstrebenswert, wenn man sich die Wohnqualität der damaligen Wohnungen anschaut bzw. vor Augen führt, wie viele Leute damals in einer Wohnung gelebt haben, um diese Dichte an Menschen überhaupt zu erzielen. Ich habe das Gefühl, das wird bei den Kampfbegriffen "Einwohnerzahl" und "Bebauungsdichte" hier ganz gerne mal ausgeblendet. Bebauungsdichte wieder ähnlich wie vor dem Krieg ja, aber nicht zu den katastrophalen Konditionen wie damals.

  • Ich finde eine deutliche Verdichtung innerhalb des S-Bahn-Ringes absolut erstrebenswert und denke, dass sie sowohl ökonomisch als auch ökologisch Sinn macht, wenn Berlin attraktiv genug für Menschen ist und auch Arbeitsplätze bieten kann.


    Ich sehe daher den momentanen Schub in Richtung baulicher Verdichtung sehr positiv, befürchte nur, dass zu wenig für die Verkehrsinfrastruktur getan wird.


    Das Niveau von Paris wird man in diesem Jahrhundert sicher nicht erreichen und schon gar nicht die Dichte der 30er Jahre im Berliner Zentrum.


    Wenn Berlin nicht mehr die Hauptstadt der Brachen und des freien Himmels ist, finde ich das jedenfalls gut. Ich lebe im Friedrichshainer Südkiez und damit im am dichtesten Bewohnten Viertel Berlins. Zu eng finde ich es hier nicht. Ein bisschen mehr gutes Benehmen wäre manchmal schön. Da hat Paris uns halt auch etwas voraus. ;) Eine ähnliche Verdichtung wie hier oder im Prenzlauer Berg könnte ich mir durchaus für die ganze Innenstadt vorstellen, wo dann sicherlich mindestens 50% mehr Einwohner leben würden.


    Die konsequente Nachverdichtung in den Gründerzeitvierteln oder hier im Stadtzentrum finde ich nach wie vor sehr gut und auch die Hochhausplanung für den Alex. Wer nicht erkennt, wie die Friedrichstadt durch die Bebauung der letzten Jahrzehnte gewinnt und wer hier den tristen DDR-Zustand und seine Brandwände lobt, der ist in meinen Augen ein Freak.

  • ... Eben, deswegen sollte man tunlichst von weiteren Unternehmungen dieser Art Abstand nehmen. Einmal ist es einer der großen Vorzüge Berlins, dass es nicht so dicht bebaut ist wie Paris. Und zweitens erklärt sich die jetzige Bebauungsdichte nicht mit der Situation um die ehemals freigestellte Friedrichswerdersche Kirche und der schönen Grün- und Parkfläche des MEF/RF sondern eher dadurch, dass man in beiden Stadthälften nach dem Krieg ganz gezielt auf Entkernung der Mietskasernenviertel gesetzt hat. Also Abriß von Hof- und Seitengebäuden in Quartieren wie Kreuzberg, Schöneberg, Wedding, Friedrichshain, Prenzlauer Berg etc. Oder auch Totalabriß wie in Kreuzberg der 70er und frühen 80er Jahre.


    Lustigerweise zählen ja gerade die kaum von den städtebaulichen Segnungen der Nachkriegszeit betroffenen Gründerzeitviertel zu den beliebtesten ganz Berlins. Von Entkernung kann bspw. im Prenzlauer Berg keine Rede sein, da sind so gut wie alle Hinterhofgebäude in den Blöcken erhalten und dürfen bei Lückenfüllungen sogar neu gebaut werden.
    Wohingegen die nach Totalbrissen als Ersatzneubau in den 60er und 70er Jahren hochgezogenen Innenstadtviertel heute häufig soziale Brennpunkte darstellen.

  • ...Ich finde eine deutliche Verdichtung innerhalb des S-Bahn-Ringes absolut erstrebenswert und denke, dass sie sowohl ökonomisch als auch ökologisch Sinn macht, wenn Berlin attraktiv genug für Menschen ist und auch Arbeitsplätze bieten kann.


    Keine Frage da bin ich völlig d'accord. Es gibt genügend Brachen, Baulücken die es vertragen verdichtet zu werden. Wie das Tacheles-Gelände, die Brache vor dem Finanzmnisterium, die ganzen Baulücken die von Gebrauchtwagenhändlern in Beschlag genommen werden, besonders in Westberlin.
    Nur würde ich die engere Umgebung der Friederichswerderschen Kirche und das MEF/RF nicht dazu rechnen mögen. Das eine ist nun nicht mehr zu retten das andere schon.

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  • Ein bisschen mehr gutes Benehmen wäre manchmal schön. Da hat Paris uns halt auch etwas voraus. ;)


    Ist das wirklich so?
    [url=http://www.berliner-zeitung.de/politik/blick-von-berlin-nach-frankreich-so-geht-gentrifizierung-und-ballermannisierung-in-paris,10808018,31285104.html]Klick mich[/url]


    An besagter Stelle ist das wohl eh nicht zu befürchten.

  • Die konsequente Nachverdichtung in den Gründerzeitvierteln oder hier im Stadtzentrum finde ich nach wie vor sehr gut und auch die Hochhausplanung für den Alex. Wer nicht erkennt, wie die Friedrichstadt durch die Bebauung der letzten Jahrzehnte gewinnt und wer hier den tristen DDR-Zustand und seine Brandwände lobt, der ist in meinen Augen ein Freak.


    Freak ist hier nicht der richtigen Begriff. Fehlgeleitet würde ich es eher nennen. Wir sind nun fast ein Jahrhundert der anti-urbanen Propaganda der Modernen ausgesetzt, die bei Städteplanern und Architekten sowie interessierten Laien ganze Arbeit geleistet hat. Gerne wird Werner Hegemann, der in 1930 ein düsteres Bild über das steinerne Berlin geschrieben hat, als Zeuge hinzugezogen. Leider wurde Symptom (die verdichtete Stadt) mit der Krankheit (Armut, soziale Missstände) verwechselt. Die Gründerzeit Quartiere sind interessanter weise im Stande auch mehr als hundert Jahre nach ihrer Errichtung, sowohl den Aspekt der bösen, hochverdichteten Stadt als auch des wünschenswerten, gern bezogenen Altbaus zu bedienen.


    Wiederholt empfohlener Link: http://www.stadtbaukunst.tu-do…lnerErklaerungMai2014.pdf

    2 Mal editiert, zuletzt von Taxodium ()

  • Auf der Baustelle verfestigt man den Untergrund mit Flüssigbeton. Alles wirkt sehr grünlich und vorsichtig, teils per Hand, dann wieder mit viel Technik.


    Heute hat man Bewährungsstahl für die Grundplatte angeliefert. Tiefer wird es also nicht mehr gehen.




  • ^Danke für den Hinweis. Bisher hat man lediglich die Ostfassade zum Teil abgerüstet. Ich bin heute Mittag vorbeigekommen. Hier die Bilder:






    Kleine Anekdote am Rande:
    Auf dem Schinkelplatz stand zu der Zeit eine Gruppe junger Architekturstudenten. Jan Kleihues war gerade dabei, Ihnen einiges Wissenswertes über die neuen Bauten zu erzählen. Er ist auf dem letzten Bild zu sehen und guckt in die Kamera.

  • Ich bin heute auch vorbeigeradelt, leider ohne Kamera im Gepäck. Und ich bin schwer begeistert: Das ist ein Stück hochwertige, im Detail edel ausgeführte und gleichzeitig zurückhaltende Architektur, die sich wunderbar in ihren historischen Ort einfügt. Ich weiß, das sehen die meisten hier anders, und manche sind wahrscheinlich enttäuscht, dass ihre Unkenrufe unbgründet waren – aber ich freu mich wie Bolle über diese Fassade! :59:

  • Da muss auch ich meine zunächst äußerst negative Meinung revidieren. Das sieht alles andere als schlecht aus. Meine Kritik ist aber, dass sich der Fassadeneffekt mit etwas Entfernung, zumindest den Bildern nach zu urteilen, schnell verflüchtigt. Da man den Schinkelplatz ja weit einsehen kann, hätte man hier m.E. stärker auf Fernsicht bauen müssen. Von der anderen Uferseite wird es arg monolithisch daherkommen. Auch dass der Nachbar scheinba die gleiche Farbgebung verpasst bekommt, ist etwas unglücklich. Umso wichtiger ist die Rekonstruktion der Bauakademie als farblicher Kontrapunkt.

  • Zwei Bilder zur Baustelle am Werderschen Markt:




    Es wird sehr akribisch gearbeitet, aufwendig mit Flüssigbeton der Boden verfestigt. Mir ist immer noch nicht klar, ob man doch noch tiefer geht.

  • Das Foto mit Kleihues ist Klasse :daumen:


    Ich kann ein paar Ergänzungen beisteuern. Es stimmt, dass alles sehr elegant und sehr handwerklich wirkt. Ein bisschen zu glatt finde ich es.





    Aber dennoch: Der Schinkelplatz wird grandios (wenn die Bauakademie kommt!)

  • Von nahem hui, von weitem pfui. (Sonst ist es meist anders rum. ;)) Sieht letztendlich wirklich interessant vom Design und sehr schick ausgeführt aus. Leider verflüchtigt sich das alles mit etwas Abstand. So vom Lustgarten aus. Da erkennt man nur eine weiße Kiste mit Rasterfassade.