Denkmalschutz in Leipzig - Der Diskussionsthread

  • Denkmalschutz in Leipzig - Der Diskussionsthread

    (Denke jetzt nur ich an die in den neunziger Jahren geplanten Wolkenkratzer für Plagwitz? :D) Mod. Cowboy: Aussage bezieht sich auf das 82m HH am Kreuz


    Neuer Absatz, neues Thema: laut BILD ist die mit vielen erfolgreichen Projekten in Leipzig bekannte VICUS AG vom Denkmalstatus des Gästehauses am Park völlig überrascht. Der Denkmalstatus stehe wohl fest und hätte ein komplettes Abrißverbot zur Folge. Unklar sei, wer den Antrag dazu gestellt hatte. Der Vertreter von VICUS streitet ab und will klagen.
    Ich schlage die Fusion von UNISTER und VICUS zu UNICUM vor

  • zum hochhaus am connewitzer kreuz: hirngespinste.


    zum denkmalstatus für das gästehaus am park: mich kann diese entwicklung - ddr-buden unter denkmalschutz zu stellen, nur weil sie in der ddr gebaut wurden - nicht erheitern.


    zumal es sich hierbei ja nicht um aktiven, baubegleitenden denkmalschutz handelt, sondern um destruktive vorgaben. damit wird vielleicht der abriss verboten, nicht aber der weitere verfall verhindert.


    das bowling-center ist ein weiteres trauriges beispiel für dieses realitätsferne verständnis von denkmalschutz. nie wieder wird dort bowling gespielt, ebenso wie das gästehaus am park als solches nie wirtschaftlich zu sanieren und zu betreiben sein wird. so werden einfach nur ruinen gegen jeden verstand künstlich ins nächste jahrzehnt geschleppt. bei der hauptpost wäre es diesen denkmalschützern auch fast gelungen.


    wenn argumentiert wird, dass ja schon so viele ddr-bauten abgerissen wurden, kann ich nur sagen: zum glück! heute wäre es unmöglich, beispielsweise das messeamt am markt mit seinem flügeldach oder die leipzig-information abzureissen. und diese gebäude waren weitaus markanter als die zuvor genannten. dennoch waren abriss und anschließende neubebauung unbestreitbar ein großer gewinn für die innenstadt.


    gleiches wäre auch dem leuschnerplatz und westlichem musikerviertel zu wünschen. statt dessen drohen dort auf unabsehbare zeit stillstand und weiterer verfall. in meinen augen ist das kein grund, weltfremden denkmalschützern auf die schulter zu klopfen und ausgebooteten investoren ins gesicht zu lachen. umgekehrt wäre es besser...

  • Nur gibt es gar keine "entwicklung - ddr-buden unter denkmalschutz zu stellen, nur weil sie in der ddr gebaut wurden". Es gilt wie bei Kirchenbauten der Gotik, Schlössern aus dem Barock und historistischen Mehrfamilienhäusern das gleiche Gesetz - eine Kombination eines "aktiven, baubegleitenden denkmalschutz(es)" mit Vorgaben, die diesen überhaupt erst ermöglichen, weil dann noch etwas zum Schützen und Erhalten da ist. Dass es sich bei einem Gebäude um ein Denkmal handelt, muss im Einzelfall und immer vom Objekt selbst her begründet werden. Aber all das haben wir bereits diskutiert: http://www.deutsches-architekt…d.php?p=327123#post327123


    Und schon vor vier Jahren wurde ein Grundproblem in der Diskussion auf den Punkt gebracht:


    Naja. Manche verwechseln ja auch gerne immernoch "erhaltenswert" mit "gefällt mir"

  • @ dj tinitus


    Das sehe ich etwas anders. Das Verständnis von Denkmalschutz ist ja nicht das Wiederauferstehen der ursprünglichen Nutzung. Das trifft auf keinen der alten Messepaläste im Zentrum zu, dennoch sollten wir dem Denkmalschutz dankbar sein, dass penibel die Materialität und Farblichkeit usw. untersucht und erneut eingefordert wurde.


    Warum das alles: Weil nicht nur stadtgestalterisch sondern aus dem historischen Kontext heraus die Bauwerke ein Stück Kulturgut darstellen. Das trifft ebenso auf die DDR-Phase zu. Die Höfe am Brühl zeigen sogar, dass die Wiederherstellung der alten Baukanten städtebaulich (aufgrund anderer Defizite) sogar schlechter wirkt als die durchgezogene (radikale) Moderne der vormaligen 11-Geschosser.


    Das Kunstmuseum mit den nunmehrigen Bauwinkeln ist hingegen städtebaulich ein Gewinn, hier trifft in der Tat die Abwägung Zwischenbebauung versus Neubau zu.


    Wenn ein Investor ein altes Gebäude erwirbt, sollte vorher immer ein Blick auf die Denkmalliste geworfen werden. Falls nicht, dann ist es offenbar egal, dann bitte nicht wimmern.

  • Nur weil DDR-Bauten erhalten oder unter Denkmalschutz gestellt werden, liegt das doch nicht gleich daran, weil sie in der DDR errichtet wurden. Dann kann man auch ganz Grünau unter Denkmalschutz stellen. Wobei es die Paunsdorfer Platte mehr verdient hätte. Da ist die Fassade schöner. Man kann solche Bauwerke doch auch erhalten, weil sie schön aussehen. Wurde in der heutigen BRD schon ein Neubau unter Denkmalschutz gestellt, weil es in der "Neuen/Erweiterten BRD" gebaut wurde? Gewandhaus, Oper und Wintergartenhochhaus sind auch DDR-Bauten!

  • oje.


    ich wollte niemanden die besten ddr-bauten der ganzen welt wegnehmen. sondern darauf hinweisen, dass eine unterdenkmalschutzstellung allein kein gebäude vor dem verfall bewahrt. dafür bedarf es schon eines investors - für den sich die sanierung auch rechnen muss.


    und diese rechnung wird bei den von mir genannten gebäuden nie aufgehen. weder beim gästehaus am park, noch beim bowlingzentrum. dort hat selbst die stadt ihre pläne verworfen, es für das naturkundemuseum zu sanieren - weil es schlicht unwirtschaftlich wäre.


    anstatt das eigene urteil zu akzeptieren und daraus die logische konsequenz zu ziehen, wird nun die gesamte leuschnerplatz-neubebauung rund um diese ruine geplant und damit zu schunden geritten.
    und das alles nicht etwa, weil das bowlingzentrum so grandios wäre. sondern nur, weil die ddr in ihren 40 jahren kein besseres zustande gebracht hat.


    ähnliches gilt für das gästehaus am park. wie soll sich jemals so wenig nutzfläche bei so viel umbauten raum rechnen? das ist völlig absurd. wertvoll ist das grundstück. man wird sehen, ob es 3 oder 30 jahre brauchen wird, bis es neu bebaut werden kann. mir wären 3 jahre lieber...

  • ^ ich sehe das bekanntlich ähnlich. Was soll diese städtebaulich falsche Entscheidung dem Gebäude bringen? So mal eine reine wohnliche Nutzung dem Gebiet sowieso besser tun würde. Mit der neuen Schule (welche übrigens im Rohbau so gut wie fertig sein sollte) und einem gezwungenermaßen neuen Hotel im GAP lässt sich auch der Verkehr schlechter und schlechter verteilen. Mit dem Zuschnitt der Zimmer lässt sich sicher schwer eine Hotel mit überdurchschnittlicher Qualität realisieren. Geschweige denn eine sinnvolle Nutzung als Wohngebäude. Demnach freue ich mich auf Jahre-/Jahrzehntelangen Verfall, eine *** Hotel, oder ein schönes Altersheim mit großer Cafeteria. Das sind dann der selbe Unsinn wie der Erhalt des Bowlingcenters mit einem "Musik-Club". Eine Zwischennutzung welche nicht im Ansatz der eigentlichen Bestimmung nachkommt.


    Absolut negative Entscheidung welche - wie dj tinitus schon sagte - im Kontext der anderen Entscheidungen bzgl. Gebäuden aus der Zeit zwischen 1949 und 1990, dann doch eine rein auf "emotionaler" Ebene zu sein scheint. Denn eine auf sachlich rationaler Ebene kann es nicht sein. Vielleicht nimmt man sich noch die Zeit beim Denkmalschutz und stellt die zwei unsanierten Wohnblöcke unter Denkmalschutz....

  • (Off-Topic, ggf. bitte verschieben)
    Ich bin wirklich nicht vom Fach und kenne auch die Hintergründe kaum bis gar nicht. Trotzdem möchte ich gern mal ein paar Anmerkungen machen.


    Abgesehen vom ästhetischen Empfinden und den wirtschaftlichen Interessen des Investors verstehe ich nicht, warum z.B. ein Buchgewerbehaus oder ein Ringmessehaus die Berechtigung haben, über Jahre hinweg als "Ruine" dazustehen und ein GAP oder Bowlingcenter dafür lieber abgerissen werden sollten. Beides sind sehr individuelle Bauten (ja, aus der DDR-Zeit), keinesfalls vergleichbar mit irgendwelchen einfachen "Wohnblöcken". Den Denkmalschutz verfluche ich auch gelegentlich, trotzdem empfinde ich es historisch gesehen als Fortschritt, dass über den Erhalt von Gebäuden diskutiert wird, wir nicht mehr den "Zwang" der Anpassung in Ästhetik und Gebäudestruktur haben und man so auch Brüche weiterhin im Stadtbild wahrnehmen kann. Das würde ich auch nicht bei sämtlichen DDR-Bauten durchsetzen wollen, aber grade diese beiden Gebäude sind eben nicht irgendwelche Gebäude. Und ja, ich finde es gut, dass man sieht, dass zwischen der Planung des Musikviertels im 19. und den Villen aus dem 21. Jahrhundert noch eine andere Zeit dazwischen kam. Warum soll man das nicht sehen dürfen?


    (Abgesehen davon wüsste ich nicht, warum eine (Zwischen-)nutzung als Musikklub im Kontrast zur Gebäudestruktur des Bowling-Centers stehen sollte. Da finde ich die Verwerfung der Naturkundemuseumsidee sehr viel verständlicher.)

  • Ich bin weder ein Freund des Bowlingtreffs noch des Gästehauses. Auch teile ich die Ansicht, dass insbesondere der Bowlingtreff bei einer Neuentwicklung des Areals WLP/Rossplatz ein erhebliches Hindernis darstellt.


    Es sei dennoch der Hinweis darauf erlaubt, dass das sächsische Denkmalschutzrecht eben nicht - wie in einigen anderen Bundesländern der Fall - darauf basiert, dass bestimmte Gebäude oder Ensemble per Verwaltungsakt unter Denkmalschutz "gestellt" werden (konstitutives System). Vielmehr folgt der Denkmalstatus ipso iure aus der Erfüllung der in § 2 SächsDSchG genannten Kriterien.


    Demnach sind Kulturdenkmale u. a. Gebäude, "deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen, städtebaulichen oder landschaftsgestaltenden Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt".


    Die Denkmaleigenschaft von Bauwerken mit geschichtlicher Bedeutung hängt nach der ständigen Rechtsprechung des sächs. OVG "nicht von vorrangig ästhetischen Gesichtspunkten, sondern vom Bestehen eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung des im Schutzobjekt verkörperten besonderen Aussagewerts, Erinnerungswerts oder Assoziationswerts ab." Der Denkmalbehörde steht insoweit kein Ermessen und kein Beurteilungsspielraum zu.


    Die Denkmalfähigkeit von Bowlingtreff und Gästehaus wird sich aus ihrer geschichtlichen Bedeutung ergeben. Mit diesem Schutzgrund wird laut OVG bezweckt, historische Ereignisse oder Entwicklungen anschaulich zu machen. Die geschichtliche Bedeutung ist dadurch gekennzeichnet, dass durch das Schutzobjekt stadtgeschichtliche Entwicklungen sichtbar gemacht werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Schutzobjekt "einen im Bewusstsein der Bevölkerung vorhandenen Bezug zu bestimmten politischen, kulturellen oder sozialen Verhältnissen seiner Zeit herstellt. Die geschichtliche Bedeutungskategorie ist nicht auf übergeordnete oder besonders bedeutsame Entwicklungen oder Verhältnisse beschränkt. Entscheidend ist letztlich der dokumentarische und exemplarische Charakter des Schutzobjektes als eines Zeugnisses der Vergangenheit."


    Vor diesem Hintergrund ist es kein rechtlicher Fehler, sondern vielmehr geboten, in Bezug auf die Denkmaleigenschaft auch auf die "politischen, kulturellen oder sozialen Verhältnisse" der DDR abzustellen, die nun mal eine "wichtige Epoche" in der Geschichte der Stadt darstellt. Daraus einer an Recht und Gesetz gebundenen Behörde einen Vorwurf zu machen, erscheint mir wenig sinnvoll.

  • Leo2505
    Also mir geht es per se nicht um den Vorwurf einer "falschen Vorliebe" des Denkmalschutzes zu Bauten der "DDR-Zeit". Eher betrachte ich die Einstellung des Amtes in Richtung 1949-1990. Und das ist so auch absolut gerechtfertigt. Ich will und werde dem Denkmalschutz auch keine Unfähigkeit vorwerfen.

    Die Denkmalfähigkeit von Bowlingtreff und Gästehaus wird sich aus ihrer geschichtlichen Bedeutung ergeben. Mit diesem Schutzgrund wird laut OVG bezweckt, historische Ereignisse oder Entwicklungen anschaulich zu machen. Die geschichtliche Bedeutung ist dadurch gekennzeichnet, dass durch das Schutzobjekt stadtgeschichtliche Entwicklungen sichtbar gemacht werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Schutzobjekt "einen im Bewusstsein der Bevölkerung vorhandenen Bezug zu bestimmten politischen, kulturellen oder sozialen Verhältnissen seiner Zeit herstellt. Die geschichtliche Bedeutungskategorie ist nicht auf übergeordnete oder besonders bedeutsame Entwicklungen oder Verhältnisse beschränkt. Entscheidend ist letztlich der dokumentarische und exemplarische Charakter des Schutzobjektes als eines Zeugnisses der Vergangenheit."


    Dennoch ist es für mich eine Grundsatzfrage in wie weit man diesen beiden Gebäuden einen "kulturhistorischen Wert" bemisst, welcher den Gebäuden jeglichen Schutz vor einer anderen Nutzung ermöglicht. Auch wenn es keinerlei imminentes Interesse daran gibt genau diesen Bezug herzustellen.


    Die Frage stellt sich doch, warum nun dieses Gebäude einen emotionalen "Wert" für die Stadt, das Land, oder gar die Gesellschaft besitzt? Weil Honecker dort mal Geld von Strauß bekam? Wo hören wir dann auf mit der Erinnerung um nicht eine völlige Überlagerung von geschichtlichen Ereignissen zu erzeugen? Als Analogie zur Stadt Rom, welche seit 60 Jahren versucht mit einem U-Bahn System die Stadt vom täglichen Kollaps des Individualverkehrs zu befreien, es aber nicht kann weil der Boden der Geschichte mit Zeugnissen überlagert ist. Es kann nicht gebaut werden, weil man nicht weiß ob es nicht doch noch Zeugnisse im Boden gibt. Zeugnisse welche man seit 2.000 nicht sah, aber welche ggfs. wichtig genug sind um eine Erinnerung an eine Epoche wieder zu beleben. Aber wem fehlten die Zeugnisse in den letzten 2.000 Jahren? Das GAP hatte ja keine übergeordnete Funktion im System der DDR. Daran anknüpfend, gab es ja schon den Ausverkauf der Möbel. Es ist also irgendwie eine halb fiktive Interpretation eines "kulturhistorischen Werts", da ja nur eine Hülle enthalten ist, und selbst diese ist ruinös.


    Dennoch hat Boxcutter absolut recht, wenn er/sie argumentiert, dass es natürlich mit zweierlei Maß gemessen wird.

    Abgesehen vom ästhetischen Empfinden und den wirtschaftlichen Interessen des Investors verstehe ich nicht, warum z.B. ein Buchgewerbehaus oder ein Ringmessehaus die Berechtigung haben, über Jahre hinweg als "Ruine" dazustehen und ein GAP oder Bowlingcenter dafür lieber abgerissen werden sollten. Beides sind sehr individuelle Bauten (ja, aus der DDR-Zeit), keinesfalls vergleichbar mit irgendwelchen einfachen "Wohnblöcken". [...]

    Dessen Problem der reinen eigenen Interpretation was erhaltenswert ist und was nicht sollte man sich schon in diesem Diskurs stellen. Genau wie Denkmalschützer übrigens auch. Deswegen lege ich mich bei diesen Fragen auf den städtebaulichen Aspekt fest, und da haben beide Gebäude für mich keinen Mehrwert welcher zur Erhaltung zwingt. Das Ringmessehaus und Buchgewerbehaus wiederum schon, weil diese noch in einem städtebaulich Kontext agieren. Während das GAP gegen den städtebaulich wichtigen Villengürtel am Park arbeitet. Auch wenn das nur minder passiert, finde ich die Entscheidung nicht logisch. Es gibt zur Zeit keinen Investor welcher das Ensemble so erhalten möchte. Aber es gibt einen Investor welcher mit einem Abriss und Neubau auf die alten Maße des Villengürtel gezwungen werden kann. Was passiert also nun mit der Entscheidung? Nichts - weder wird das Gebäude in seiner Ästhetik noch der Villengürtel wiederhergestellt.


    (Abgesehen davon wüsste ich nicht, warum eine (Zwischen-)nutzung als Musikklub im Kontrast zur Gebäudestruktur des Bowling-Centers stehen sollte. Da finde ich die Verwerfung der Naturkundemuseumsidee sehr viel verständlicher.)


    Weil diese neue Nutzung als Tempo für mich nicht zu übertreffen ist. Eine Nutzung als Musik-Club für nur ein paar Stunden am Tag bzw. in der Nacht auf einer Fläche welche dadurch völlig de-strukturiert wird. Für mich grenzt das schon an Lächerlichkeit. Ein Naturkundemuseum hätte ja wenigstens noch eine Beständigkeit zum Ausdruck gebracht. Wegen eines Gebäudes zu welchem nur noch ein sehr kleiner Teil der Leipziger Bevölkerung emotionale Erinnerungen hat.

  • ^ Was ist denn nun ausschlaggebend, der historische Wert oder die städtebauliche Situation? ;)


    Über ersteren kann man sich natürlich vortrefflich streiten, aber bei der städtebaulichen Situation möchte ich ganz gerne noch einmal nachhaken.
    Das Musikviertel wurde im 19. Jahrhundert geplant und praktisch in einem Guss angelegt (oder zumindest die Villengürtel). Seitdem sind deutlich mehr als 100 Jahre vergangen und es ist einiges passiert. Warum sollte die Planung aus dem 19. Jahrhundert heute nun die Grundlage sein, auf die alles wieder ausgerichtet wird? Welchen "Mehrwert" hat diese Planung/städtebauliche Struktur und für wen? Abgesehen davon, dass man ja sogar die Geschosshöhe der Neubauten von heute offensichtlich dem ursprünglichen Plan anpasst (also auch wieder die alten Pläne verfolgt), finde ich es etwas bedenklich, dass man nicht einmal diesen einen städtebaulichen Bruch zulassen möchte, der halt einmal da ist und zeigt, dass seit der Gründerzeit doch noch ein bisschen was passiert ist in Leipzig. Hinzu kommt, dass das GAP wie gesagt ein natürlich nicht bahnbrechendes architektonisches Zeugnis, aber dennoch ein durchaus besonderer Einzelbau ist, weshalb ich tatsächlich nicht sehr glücklich über einen Abriss wäre. Verkraftbar wäre er natürlich trotzdem.


    Und nochmal zur Investorfrage: Klar, am liebsten wollen alle immer abreißen und neu bauen, deshalb ist der Denkmalschutz ja da. Wenn man nachgeben würde, nur weil jemand da was anderes hinbauen möchte, müsste man den Sinn dieses Status' ein wenig hinterfragen.

  • Boxcutter:


    da machst du allerdings gleich mehrere denkfehler.


    zum einen können ja auch gebäude ohne denkmal-status saniert werden (wie die ddr-wohnplatten im musikerviertel beweisen). zum anderen können auch als baudenkmäler eingestufte gebäude abgerissen werden (beispiel "kleine funkenburg").
    das zeigt: ob ein gebäude erhalten wird oder verschwindet, entscheidet letztlich dann doch nicht der denkmalschutz, sondern der eigentümer.


    buchgewerbehaus und ringmessehaus hatten allein schon deshalb "jahrelang die berechtigung als ruine dazustehen", weil ihre eigentümer nie einen abrissantrag gestellt hatten.


    das macht auch deinen letzten absatz so unsinnig. keineswegs wollen investoren am liebsten alle immer abreißen und neu bauen. doch es muss sich für sie irgendwie rechnen.


    darum lautet die eigentliche frage: welchen sinn macht es, gebäude unter denkmalschutz zu stellen, für die sich in den letzten 25 jahren aus guten gründen - brandschutz, entfluchtung - kein investor gefunden hat (bowlingcenter), bzw. für die ein investor aus ebenso gutem grund - wirtschaftlichkeit - neubaupläne in der tasche hat (gap)?


    und damit klar wird, dass das nichts mit ddr-architektur-bashing zu tun hat, noch folgendes beispiel:
    wenn trotz mehrfacher ausschreibung das stadtbad von 1913 niemand für 500 000 Euro quasi geschenkt haben will, müsste doch eigentlich jeder verstehen, wie kontraproduktiv sich investorenverschreckende maximalauflagen von denkmalschützern und nostalgischen stadträten auswirken können. das wird auch nie wieder ein bad.


    in einem hast du aber sicher recht: in den letzten 100 jahren ist viel passiert.
    in den nächsten 100 jahren wird auch viel passieren. und da man es sowieso nicht verhindern kann, sollte man sich besser darauf konzentrieren, es zu ermöglichen.

  • dj tinitus


    Grundsätzlich gebe ich Dir in deinen Ausführungen bezgl. Investoren und Machbarkeiten Recht. Auch wenn ich mich selbst zu den Nostalgikern zähle.
    Es muß halt alles im Gesunden Verhältnis stehen.


    Die unter Denkmalschutz Stellung von Gebäuden welche Stadt Geschichtlich prägend sind wie eben das alte Bowlingcenter am Leuschner Platz halte ich jedoch sehr wohl für wichtig.


    Was eine Nutzung des alten Stadtbades mit historischen Vorbild angeht, gibt es anderswo Beispiele wo auch das funktionieren kann und es auch für Investoren sicher nicht gänzlich uninteressant macht;


    http://www.augsburg.de/freizei…lenbaeder/altes-stadtbad/

  • ^ der Bowlingtreff ist gerade einmal 30 Jahre an diesem Ort, welcher zur Zeit der Entstehung auch einen ganz anderen Kontext besaß. Dessen einer Riesenbrachfläche. Nun will man wieder Verdichtung und Raumkannten. Wie gesagt, architektonisch erhaltenswert ist die Eingangshalle absolut. Aber bei einer temporären Nutzung und den Effekt der de-Strukturierung des kompletten Platzes, für mich nicht mehr nachvollziehbar.


    ^ Was ist denn nun ausschlaggebend, der historische Wert oder die städtebauliche Situation? ;)


    Über ersteren kann man sich natürlich vortrefflich streiten, aber bei der städtebaulichen Situation möchte ich ganz gerne noch einmal nachhaken.
    Das Musikviertel wurde im 19. Jahrhundert geplant und praktisch in einem Guss angelegt (oder zumindest die Villengürtel). Seitdem sind deutlich mehr als 100 Jahre vergangen und es ist einiges passiert. Warum sollte die Planung aus dem 19. Jahrhundert heute nun die Grundlage sein, auf die alles wieder ausgerichtet wird? Welchen "Mehrwert" hat diese Planung/städtebauliche Struktur und für wen? Abgesehen davon, dass man ja sogar die Geschosshöhe der Neubauten von heute offensichtlich dem ursprünglichen Plan anpasst (also auch wieder die alten Pläne verfolgt), finde ich es etwas bedenklich, dass man nicht einmal diesen einen städtebaulichen Bruch zulassen möchte, der halt einmal da ist und zeigt, dass seit der Gründerzeit doch noch ein bisschen was passiert ist in Leipzig. Hinzu kommt, dass das GAP wie gesagt ein natürlich nicht bahnbrechendes architektonisches Zeugnis, aber dennoch ein durchaus besonderer Einzelbau ist, weshalb ich tatsächlich nicht sehr glücklich über einen Abriss wäre. Verkraftbar wäre er natürlich trotzdem.


    Und nochmal zur Investorfrage: Klar, am liebsten wollen alle immer abreißen und neu bauen, deshalb ist der Denkmalschutz ja da. Wenn man nachgeben würde, nur weil jemand da was anderes hinbauen möchte, müsste man den Sinn dieses Status' ein wenig hinterfragen.

    Naja - so unverändert ist der ehemalige Villengürtel ja nicht. Neben dem GAP wurden ja auch etliche andere Lücken neu bebaut. Dazu zählen die Schule, die beiden kleinen Blöcke, die drei Hochhäuser am Kreisverkehr, und der Teil des GfzK.


    Das GAP könnte bei Interesse der Sanierung auch gerne stehenbleiben. Nur scheint das Interesse gerade nicht da zu sein. Deswegen würde ich mich eher auf den städtebaulichen Aspekt festlegen und einen Neubau nach "altem Muster" vorschlagen. Dennoch: historischer Wert oder städtebauliche Situation? Tja - ich weiß es auch nicht :)

  • Historisches LE:
    das erfreuliche schicksal des augsburger alten stadtbades ist mir bekannt.
    nur gilt es dabei auch die rahmenbedingungen zu beachten: augsburg verfügt bei knapp 300 000 einwohnern einschließlich altem stadtbad über 4 hallenbäder.


    in leipzig gibt es derzeit - also ohne stadtbad - bei "knapp" 600 000 einwohnern insgesamt 10 hallenbäder. selbst wenn man einer wachsenden stadt wachsenden bedarf an hallenbädern unterstellt, bleibt außerdem zu konstatieren: für vereinssport sind die becken zu klein, für ein spaßbad ist die fünfetagige dreiflügelanlage zu komplex - und ihre sanierung schlicht zu teuer.


    und damit schließt sich der kreis zu den anderen objekten: wenn sich für die öffentliche hand sanierung und betrieb als unwirtschaftlich erweisen, ist es doch geradezu irrsinnig, von privat wirtschaftenden investoren das unmögliche einzufordern.


    beim gap soll nun wohl zumindest nicht länger auf eine hotelnutzung bestanden werden. mal sehen, wie viele jahre es noch brauchen wird, bis beim stadtbad nicht mehr eine nutzung als hallenbad gefordert wird. mehr realismus und pragmatismus können nie schaden.

  • Landesbischof Carsten Rentzing:
    "Barbarischer, kulturloser Akt der Zerstörung."



    Die Stiftung Universitätskirche erinnert zudem 50 Jahre nach der Sprengung der Kirche mit der Uraufführung der Komposition „Visionen“ an den barbarischen Akt.



    Stanislaw Tillich: "Der Neubau kann den „Frevel der Sprengung“ nicht tilgen."


  • ^Du weißt natürlich, dass es die Kirche war, die die alte Probsteikirche verkauft und damit selbst den Weg zu deren Abriss geebnet hat.

  • Ich bin Restauratorin und arbeite ausschließlich in Leipzig auf dem Gebiet Denkmalschutz. Man muß dabei mehrere Aspekte im Hinterkopf behalten. Für den Investor ist lediglich die Sonderabschreibung interessant. Ob da Mickeymäuse oder Tannenbäume an der Fassade stehen ist ihm im Regelfall schnurz.

    Für Leipzig ist es jedoch eine Identitätsfrage. Ich erlebe es schlicht so, daß ohne Denkmalschutzstatus und ohne Umgebungsschutz Gebäude schlicht und einfach sehr billig und mit Baumarktteilen saniert werden. Laminat, Stuck weg, alte Türen weg, moderne Grundrisse, Plastikfenster... etc. Und alle hier Anwesenden können sich vorstellen, daß rein geschmacklich die Anreihung nach unten offen ist.

    Auch wenn Denkmalschützer für den einen oder anderen Bauherren manchmal nervig sind: es hat wenigstens einer den Finger drauf, daß nicht alles versaut wird.

    Es ist unser kulturelles Erbe, was hier bewahrt wird.

  • Das mit dem Bowlingcenter hab ich auch noch nie verstanden. Eine beliebige 80er Jahre Architektur. Out of date bezüglich der Nutzung. Weg damit