Leipzig: Gentrifizierung (ehem. "Windmühle vs. Abschwiff")

  • ''Wohnen in Leipzig'': Aktuelle Diskussion im Grassimuseum

    PM der Stadt Leipzig, 06.09.2012
    http://www.leipzig.de/de/buerg…en-in-Leipzig-23852.shtml


  • Die Wohnungen werden jetzt als vollausgestattete Medizinerappartments für 399€ / 32 m² vermietet. Würde mich doch arg wundern, wenn das nicht von vorneherein geplant war. Ob man 399€ für 32 m² in Leipzig nun für teuer hält oder nicht, kompatibel mit den ursprünglichen Aussagen "behutsame Sanierung und "moderate Mieterhöhung" ist das nicht, vielmehr wird klar, dass eine völlig andere Zielgruppe und damit ein vollständiger Mieteraustausch angestrebt wurde.

  • Vielen Dank für den interessanten Hinweis. Mit den neuen Zahlen kann ja jede_r bißchen rumspielen und ganz schnell die neue Warmmiete von ganz knapp unter 12,50 Euro ermitteln. Bei 55 Ein-Zimmer-Apartments, die alle 399 Euro Warmmiete mit diversen anderen Nebenkosten wie GEZ und Kabel-TV inclusive kosten, wirft das eine Haus 21.945 Euro im Monat und 263.340 Euro im Jahr ab (minus die Nebenkosten). Gibt es Angaben oder Schätzungen, was die LWB zuletzt aus dem oder vergleichbaren Häusern an Miete erhielt?

  • Bericht z. jährlichen Überprüfung d. Höhe d. Kosten d. Unterkunft

    Ralf Julke kommentiert in der heutigen LIZ den soeben erschienenen "Bericht zur jährlichen Überprüfung der Höhe der Kosten der Unterkunft"


    L-IZ, 10.09.2012
    Kosten der Unterkunft: Leipziger Eckwerte sind nicht zu halten - billige Wohnungen fehlen
    http://www.l-iz.de/Politik/Lei…icht-zu-halten-43611.html


    Hier noch einige Zitate aus dem Bericht, der unter http://notes.leipzig.de/appl/l…91C03DEDC1257A670036046F/ einsehbar ist:


    Wohnraum, der gemäß KdU-Richtlinie zum Stichtag 30.06.2012 sofort verfügbar und vermittelbar war (geschichtet nach Haushaltsgröße und Kosten bis 100 bzw. 110%; Vergleich 2010 zu 2012)
    Verfügbar waren im Jahr 2010 3.196 Wohneinheiten (WE) und im Jahr 2012 2.453 WE


    Im Jahr 2012 wurde zum Stichtag 30.06.2012 die Verfügbarkeit kostenangemessenen Wohnraums geprüft. Bei dieser Erhebung wurden alle im Bestand der im Sozialamt geführten Wohn- und Gebäudedatei (W&G-Datei, diese enthält Angaben zum Wohnungsbestand der LWB und geförderten Wohnraums) registrierten Wohnungen untersucht, soweit sie zu diesem Zeitpunkt für eine Vermietung sofort verfügbar gewesen wären. Zweck dieser Untersuchung war es, einen Überblick zu den tatsächlichen Angeboten zu erhalten.
    Zum Stichtag 30.06.2012 waren 1.193 Wohneinheiten (WE) sofort verfügbar. Hiervon entsprachen 758 Wohnungen den städtischen Vorgaben der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und XII auf der Basis von 100 %-Kosten und damit dem strengsten Maßstab. Bis zur Angemessenheitsgrenze von 110 % waren weitere 435 WE aller untersuchten Wohnungen kostenangemessen.


    Markant ist hingegen die Veränderung 2010 zu 2012. Die durchschnittliche tatsächliche Miethöhe der 1-und 2-Personenhaushalte liegt erstmals spürbar über der Angemessenheitsgrenze (MOG).


    Ungleich schlechter verhält sich die Kostensituation bei den 1- und 2-Personen-Haushalten. Hier liegt der Durchschnittswert über dem Grundmieteneckwert und ist auch gegenüber dem Vorjahresergebnis deutlich angestiegen. Auch die frühere 110%-Grenze (2010) wäre jetzt überschritten. Der Durchschnittswert ist ein sehr starker Indikator für ein generell höheres Preisniveau bei den kleineren Wohnungen.


    Die Ergebnisse der Untersuchung des operativen Datensatzes zeigen, dass die tatsächlichen Kostenwerte der Kosten der Unterkunft (KdU) im Verhältnis zu den kommunal festgelegten Eckwerten in einem angespannten Verhältnis stehen.

  • oder gleich hier: die laut diesem bericht seit jahren stetig steigende zahl der diebstahlsdelikte in connewitz lässt jetzt nicht unbedingt auf galoppierende "gentrifizierung" schließen...


    ...und auch nicht die schaffung von studentenapartments in der windmühlenstraße.
    12,50 euro pro qm all inclusive rechnen sich hoffentlich für den investor, aber ganz sicher für (austausch-)studenten, die nur für ein (paar) semester in leipzig sind und sich für diese zeit nicht komplett neu einrichten wollen.


    es tut mir weh es zu schreiben, aber die in #305 gemachte rechnung ist komplett idiotisch, weil dieses thema schon hundert mal ausdiskutiert wurde: die lwb hatte billige mieten kassiert und die häuser dafür verrotten lassen. der neue eigentümer kaufte und saniert die häuser kreditfinanziert und muss nun zusehen, dass die mieteinnahmen zumindest für zinsen und tilgung reichen.
    da ist es doch wohl logisch, dass er schaut, wie er das am besten hinbekommt. und dafür brauchte er sich nur in der nachbarschaft umzusehen: das studentenwerk als - laut selbstbeschreibung - "dienstleister mit sozialem auftrag" verlangt für seine vergleichbar ausgestatteten apartments in der seeburgstraße satte 16,50-20 euro/qm.


    darum möchte ich mich an diesem pseudo-sozialen investoren-bashing nicht beteiligen. denn ohne private sanierer würde das leben in der stadt weitaus schmuddeliger und teuer sein.

  • Kriminalität und Wohnungsmarkt

    oder gleich hier: die laut diesem bericht seit jahren stetig steigende zahl der diebstahlsdelikte in connewitz lässt jetzt nicht unbedingt auf galoppierende "gentrifizierung" schließen...


    Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Da ja beim Thema Gentrifizierung immer gern auf Hamburg, Berlin oder München verwiesen wird:


    Straftaten je 1 000 Einwohner
    Connewitz (2011): 119
    Leipzig (2011): 117


    Berlin (2011): 145
    Hamburg (2011): 128
    München (2011): 76


    Hamburg:
    Die Diebstahlskriminalität blieb 2009 zu 2010 nahezu gleich und stieg zu 2011 um 4,5 Prozent.
    http://www.hamburg.de/contentb…s-2011-kurzfassung-do.pdf


    München:
    Nach einem geringen Anstieg 2010 ist im Auswertejahr beim Diebstahl ein Rückgang insgesamt um 3,0 % oder 1.098 Fälle festzustellen.
    http://www.polizei.bayern.de/c…1_intraneteinstellung.pdf


    Berlin:
    Die meisten Taschendiebstähle gab es 2011 in Mitte. Stadtweit wurden 2011 rund 15.100 Fälle gemeldet – ein Plus von fast 15 Prozent. Im ersten Halbjahr 2012 stieg die Zahl weiter: gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp 23 Prozent.
    http://www.berliner-zeitung.de…st,10809148,16964864.html


    Für Berlin hier mal der "Kriminalitäts-Atlas" von 2009 mit über 170 Straftaten je 1.000 Einwohner_innen in Mitte, Friedrichshain und Kreuzberg und 150-170 in Charlottenburg-Willmersdorf
    http://www.morgenpost.de/berli…Kriminalitaets-Atlas.html , ganz ähnlich sieht auch das Bild im aktuellen Atlas aus:


    Die meisten Straftaten passieren in Friedrichshain
    http://www.berliner-zeitung.de…in,10809148,11749810.html


    Nun könnte man auch behaupten: Geklaut wird vor allem da, wo es etwas zu holen gibt. Und sehr hohe bzw. steigende Diebstahlsraten lassen auf Gentrifizierung schließen. Das wäre dann allerhöchstens genauso falsch wie Deine Argumentation.


  • das studentenwerk als - laut selbstbeschreibung - "dienstleister mit sozialem auftrag" verlangt für seine vergleichbar ausgestatteten apartments in der seeburgstraße satte 16,50-20 euro/qm.


    Das stimmt, wobei die Zimmer in der Seeburgstr. 47 deutlich und der Gesamtpreis etwas kleiner sind. Die Wohnfläche pro Appartment beträgt zwischen 17 und 22 qm, der Preis alles inklusive 340-360 Euro. In der Talstr. 12a kosten die 24 Ein-Raum-Wohnungen 300 bis 335 Euro.
    http://www.studentenwerk-leipz…urgstr-flyer-komplett.pdf
    http://www.studentenwerk-leipz…tent/talstrassenflyer.pdf


    Doch wie wurde die beiden Häuser Seeburgstr. 47 und Talstr. 12a vor der Sanierung genutzt und wie hoch war/ist die Miete der [nicht vorhandenen] Altmieter_innen?


    Und nur nebenbei, aber weil wir gerade schon beim Thema sind:


    LVZ-Online, 08.09.2012
    Tausende Studenten auf Wohnungssuche in Leipzig - Andrang auf Wohnheime in Dresden
    http://www.lvz-online.de/leipz…n/r-bildung-a-154362.html

  • Lieber Geograph,
    wenn Ihnen die Appartments zu teuer sind, brauchen Sie dort nicht zu wohnen. Auch in Plaußig oder Anger-Crottendorf lässt es sich günstig und bequem wohnen. Niemand hat Anrecht auf innenstadtnahes Wohnen. Fragen Sie mal die Münchner Studenten - die kommen aus Ismaning und Hohenbrunn zum Studieren in die Münchner Innenstadt. Da also keiner der Leipziger Studenten "gezwungen" wird aus Borna oder Grimma nach Leipzig zu pendeln, geht mir das theatralische Gegreine schon wieder arg gegen den Strich.


  • - immer mehr Menschen, die eine Wohnung benötigen, finden keine preislich passende mehr oder müssen mit weniger qm leben, obwohl ihnen per Richtlinie mehr zusteht


    Ich wäre vorsichtig mit dem Wort "zustehen", wenn die Mehrheit der Arbeitenden die Wohnkosten der Minderheit zu tragen hat. Was jemandem zusteht oder nicht, hängt von der Tragfähigkeit und Finanzkraft der anderen ab. Und die Diskussion wie sie hier geführt wird, ist nicht dazu geeignet die Finanzkraft der Bürgerschaft zu steigern.



    - die "Gängelung" von Arbeitslosen, gefälligst Kosten zu sparen oder umzuziehen durchs Arbeitsamt wird zunehmen (gibt es bereits)
    - Umzüge aus nach KdU-Richtlinie zu teuren Wohnungen werden zunehmen, was für das Arbeitsamt auch nur mit Mehrkosten verbunden ist


    Das man als Arbeitsloser nicht in der Position ist, große Forderungen zu stellen sollte der allgemeine Anstand gebieten. Von Faulheit und Dummheit kann nicht die Rede sein. Problematisch ist es dann, wenn einer Anspruchsmentalität Vorschub geleistet wird.



    Es kann wohl kaum Ziel der Stadtentwicklung sein, dass alle "Armen" in Grünau, Paunsdorf und Volkmarsdorf abgegrenzt vom Rest wohnen.


    Schon mal darüber nachgedacht, dass eben das Umherschieben von Arbeitslosen durch die soziale Umverteilungsmaschine das so ziemlich Übelste an Gängelung ist was man einem selbstständigen Menschen zumuten kann? Ziel muss doch wohl sein Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu holen und das geht nun mal nur durch wirtschaftliche Entwicklung wie sie jetzt hier umgesetzt wird. Das hier nicht alles und jedes zur Zufriedenheit lösbar ist, ist auch klar. Es macht mich rasend, dass hier eine elende, knickrige Umverteilungsdiskussion geführt wird, wo doch Konsens sein müßte, daß es die Umzuverteilenden erst gar nicht geben dürfte. Wirtschaftliche Aspekte werden hier nur vom Gesichtspunkt eines absoluten Untergrenzenniveaus, der staatlichen Alimentierung diskutiert. Genau das tötet jede Eigeninitiative ab, entmündigt die Leute und macht sie erst zu Klienten der Sozialbürokratie, die sich würdelosen KdU-Vorschrifteleien unterwerfen müssen. Das ist die Perversion der wirtschaftlichen Entwicklung!! Ich wohne übrigens selber in Volkmarsdorf. Darf ich jetzt Ihrer mildtätigen Anwürfe anteilig werden oder bin ich der böse Kapitalist der die letzten Refugien der Unterschicht durchgentrifiziert? Diese Diskussion ist geradezu grotesk! Stattdessen sollten wir uns darum kümmern, dass die Anzahl derer die jene tragen können, die Unterstützung benötigen, größer wird. Stattdessen geht es hier nur darum, möglichst viel bei den Arbeitenden und Verdienenden rauszuholen. So kann man höchstens sein eigenes TVöD-Plätzchen in der Sozialmaschinerie retten. Wäre ja zu dumm, wenn einem die Zielgruppe ausgeht.



    ^ Lieber WolfsheimJena, ich bin kein Student (mehr), wohne nicht mehr in Leipzig und brauche insofern kein stylisches WindmühlenAppartment. Den Sinn meines Postings nicht verstanden, oder? Es ging vorrangig darum, dass Casa Concept vorher etwas anderes erzählte (nur energetische Sanierung ohne krasse Preissteigerungen und auch nichts von Studentenappartments, d.h. dass mindestend die wohnen bleiben können, die nicht total "arm" sind)... jetzt ist ja ein vollständiger Bewohneraustausch in Gange, der so vorher nie kommuniziert wurde, weil dann der Aufschrei noch größer gewesen wäre.


    Na und? Soll der Eigentümer erst höflich Ansuchen stellen ob die seit Jahren billig, satt und sauber wohnenden Mieter geruhen, ihn etwas in sein Eigentum investieren zu lassen? Seitens CasaConcept besteht keinerlei Notwendigkeit, Verpflichtung, etc einen Diskurs über Nutzungsweise ihres Eigentums zu sprechen. Wo leben wir eigentlich? Dann sollen sich die Leute ihren Freiraum eben selbst erwerben,ein Haus kaufen oder mit Genossenschaftsmodellen herumexperimentieren. Das findet ja auch bereits ohne viel Aufhebens statt. Einigen der am lautesten Schreienden scheint harte bürgerliche Weg der Eigentumsbildung wohl zu steinig.



    Und dass dort vielen Menschen ihre Lebensgrundlage genommen wird, geht Ihnen als Kapitalist sicher am Arsch vorbei.


    Erstens ist der Fakt unwahr. Niemand ist für kreatives Arbeiten auf innenstadtnahes Wohnen angewiesen. So ein Unsinn. Wischt die Krokodilstränen endlich ab! Desweitern sind die Mehrheit der dort Lebenden Leute, die einfach billig wohnen wollten. Als ob dort Leipzigs Kunsthaus par excellance in die Luft gejagt würde. Masslos übertrieben. Bevor sich in dieser Ecke etwas tat, hat man von der ach so rührigen Community nie etwas vernehmen können. Und zweitens geht es mir wirklich am Arsch vorbei. Gut bemerkt. Kapitalist sind Sie übrigens selber, der Sie sich mit Ihrer Arbeitskraft zu Markte tragen und einkommensmaximierend verdingen. Willkommen im Club.


    Die restlichen Haarspaltereien um Centbeträge und KdU-Sätze (Schon dieses bürokratiemiefende Wort sollte bestraft werden) lasse ich unkommentiert. Es ist nämlich belanglos, solange nicht mal diskutiert wird, wie denn wirtschaftliche Aktivität den Zustand der Arbeitslosigkeit an sich beseitigt wird.
    Sie scheinen es aber gerade zu als Beleidigung aufzufassen, wenn es in Leipzig durch wirtschaftliche Aktivität aufwärts geht. Die sanierte Windmühlenstrasse samt Markthalle und Königsplatz wird ungleich mehr Arbeitsplätze bringen als die zwar bunte aber unproduktive Situation jetzt. Vielleicht würden einige jetzt in prekären Verhältnissen lebende Bürger durch den neuen Zustand in die Lage kommen, ihr Leben selbst zu bestimmen, anstatt wegen unzureichender KdU-Sätze beim Amt antichambrieren zu müssen. Da würde Würdelosigkeit gegen aufrechten Gang getauscht, unselbständige Empfängerschaft gegen Bürgerlichkeit. Fragt sich, ob das in Ihrem Interesse ist...

    9 Mal editiert, zuletzt von WolfsheimJena ()

  • ^
    dann eben angemessen ... auch ein Arbeitsloser muss nicht in einer Bruchbude von 20qm p.P. leben. Da es mich nicht selbst betrifft und ich mittlerweile auch für alle zahle, die nicht selbst arbeiten, bin ich natürlich dafür, dass alle auf Staatskosten keine "Luxus"wohnungen erhalten.


    Es geht vielmehr darum, Wachstumspotenziale auszuschöpfen. Wo investiert werden soll, ist dies gerade im schwachen Leipzig an jeder Stelle zu fördern. Und mit Verlaub: Wenn die Sozialstaatsbürokratie mit ihren KdU-Sätzen ob dessen aus den Angeln gehoben wird, stört mich das wenig.



    Aber der WOHNUNGSMARKT worum es HIER geht, ist nicht verantwortlich dafür, Leute in Arbeit zu bringen! Das ist nicht Thema einer Diskussion um Verdrängung von einkommensschwachen Haushalten in bestimmte Gebiete. Die Arbeitslosigkeit kann ich dadurch nicht einfach aufheben, da sind ganz andere Dinge nötig, die aber nicht Aufgabe der Wohnungswirtschaft ist.


    Indirekt in jedem Fall. Durch Investitionen in den Wohnungsmarkt, in die Aufwertung von Vierteln entstehen vielfältige positive Externalitäten (indirekte Nebeneffekte), die vollkommen ausgeblendet werden. Die sind aber das Element, die sinkende Arbeitslosigkeit mit Gentrifizierungsprozessen in einen positiven Zusammenhang bringen.



    Dass Eigentumsbildung in Deutschland weit hinter dem EU-Schnitt hinterher hinkt ist ebenso bekannt, es gibt viele Länder wo Eigentumsbildung für arme (arbeitende!) Haushalte viel besser gefördert wird, ohne Steuergelder en masse zu verschenken.


    Es kann nicht angehen, dass der Bürger durch ständiges Fördern von allem und jeden letzten Endes nur dann aktiv wird, wenn seine Aktivität mit "öffentlichen Mitteln" (also dem Geld anderer Leute) bezuschlusst wird. Eigentumsbildung ist aus meiner Sicht ein zutiefst unabhängiger Prozess, da drin hat der Staat nichts zu suchen. Aber in Deutschland lohnt Eigentum vielfach eben nicht, weil die Mieten durch überbordende Bürokratie, sozialstaatliche Regelungen etc zu niedrig sind, als das Wohneigentum lohnen würde



    PPS: noch ein letztes Mal: Der Investor hat Stadt und Bewohner belogen, indem er vorgab, kostengünstig zu sanieren und nun teure Studentenbuden auf den Markt bringt (siehe Posting von Dase). Das war der Kern meiner Aussage, wo Sie aber sofort dran vorbei reden und noch nicht einmal explizit drauf eingegangen sind. Hätte Casa gleich reinen Wein eingeschenkt, wäre klar gewesen, dass die Leute umziehen müssen. Das war aber nicht der Fall. Die Leute wurden sprichwörtlich verarscht, konnten nicht "planen" wie es weitergeht und mussten dann am Ende doch raus. Unter dem Umstand hätte die LWB aber wohl ihren Verkauf nochmal überdacht. Mich wundert sowieso, dass hier keine Auflagen waren (beschränkte Anhebung der Miete etc.).


    Doch, ich bin darauf eingegangen. Dieser Umstand ist mir egal und obendrein nicht justiziabel. Der Eigentümer entscheidet was passiert. Wenn er meint, mit Studentenbuden die Investition lukrativer zu machen, soll er das doch tun. Er KANN aber MUSS sich auf keine Diskussion mit Mietern einlassen. Zwei bis drei Jahre nach Sanierung verkauft CasaConcept sowieso wieder an eine Fondsgesellschaft oder sonstwen, da muss die Rendite stimmen, sonst ist der erzielbare Kaufpreis zu niedrig.

  • ^ Und, was würde denn passieren, wenn der KdU-Satz angehoben werden würde?


    Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir die Diskussion schon mal hatten. Es wäre eindeutig von Nachteil, denn nicht wenige Vermieter würden in absehbarer Zeit die Mieten bis knapp unter die neue Grenze für die Kosten der Unterkunft anheben. Dies ist bereits nach der letzten Erhöhung auf 4,22 Euro ab 7. Juni 2011 in vielen Fällen geschehen ( http://www.leipzig.de/de/buerg…nftskosten-an-20446.shtml ). Damit steigen die Kosten für die Stadt immens und außerdem würden auch viele Familien und Haushalte mit geringem Einkommen davon betroffen sein bzw. zusätzlich auf Sozialleistungen angewiesen sein.


    Nur wird die Stadt nicht umhinkommen, denn das Sozialgericht Leipzig hat in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (S 25 AS 641/12 ER) am 8. März 2012 festgestellt, dass "die seitens des Antraggegners (Jobcenter) angewandte Richtlinie den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der aktuellen BSG-Rechtsprechung nicht entspricht.“ Weiter heißt es da: „Liegt ein schlüssiges Konzept nicht vor, so ist die zu übernehmende Miete nach dem Urteil des BSG vom 17. Feb. 2009, B 4 AS 50/09 Rdnr. 27 begrenzt nach der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz."


    Für die Stadt Leipzig wurde die Mietenstufe III festgelegt:
    http://www.wohngeld.org/wohngeldgesetz-wogg/paragraph12.html
    http://www.leipzig.de/imperia/…etraege_mietenstufe_3.pdf


    Die Kommune ist nun gefordert, den Nachweis dafür zu erbringen, dass ausreichend Wohnraum im Rahmen der festgelegten Bemessungsgrenze vorhanden ist. Das dürfte mit dem aktuellen "Bericht zur jährlichen Überprüfung der Höhe der Kosten der Unterkunft" noch einmal schwieriger werden. Hier heißt es: "Die Angemessenheitsquote über alle Haushaltsgrößen von 71,3% (2008) ist weiter gefallen (in 2010 um 3,6 Prozentpunkte auf 67,7%) und liegt aktuell bei 55,1% (-12,6 Prozentpunkte). ... Beinahe die Hälfte aller Hilfefälle ist mittlerweile rechnerisch unangemessen. Insbesondere betrifft dies die 1-Personen-Haushalte (+16,0 Prozentpunkte) und die 2-Personen-Haushalte (+13,7 Prozentpunkte). ... Die Quote der rechnerischen Unangemessenheit innerhalb dieser Untergruppe [1-Personen-Haushalte] ist absolut um rund 31% angestiegen. ...


    Selbst nach Abzug der nur „geringfügigen“ Wohnflächenüberschreitungen (vorletzte Zeile der Tabelle) verbleibt noch fast ein Drittel der 1- und 2 Personen-Haushalte in einer deutlichen Wohnflächenüberschreitung, die sich zwangsläufig auf die Angemessenheit der Brutto-Kosten auswirkt. ..."


    Wenn bei der Hälfte der 37.763 hilfebedürftigen Haushalte die Miete rein rechnerisch unangemessen ist, dann müsste sich die Mehrheit davon billigeren, d.h. "angemessenen" Wohnraum suchen. Die Tabelle III nennt 15.885 Haushalte mit unangemessenen Kosten der Unterkunft.


    Nun wurde zum Stichtag 30.06.2012 die Verfügbarkeit kostenangemessenen Wohnraums geprüft. "Bei dieser Erhebung wurden alle im Bestand der im Sozialamt geführten Wohn- und Gebäudedatei (W&G-Datei, diese enthält Angaben zum Wohnungsbestand der LWB und geförderten Wohnraums) registrierten Wohnungen untersucht, soweit sie zu diesem Zeitpunkt für eine Vermietung sofort verfügbar gewesen wären. Zweck dieser Untersuchung war es, einen Überblick zu den tatsächlichen Angeboten zu erhalten.
    Zum Stichtag waren 1.193 Wohneinheiten (WE) sofort verfügbar. Hiervon entsprachen 758 Wohnungen den städtischen Vorgaben der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft und Heizung im SGB II und XII auf der Basis von 100%-Kosten und damit dem strengsten Maßstab. Bis zur Angemessenheitsgrenze von 110% waren weitere 435 WE aller untersuchten Wohnungen kostenangemessen.


    Da die Wohnflächengrenzen je nach Haushaltsgröße sowohl über- als auch unterschritten werden können, solange der Brutto Kostenrahmen eingehalten wird, können Wohnungen folglich für zwei unterschiedliche Haushaltsgrößen passend sein und sind dann hier mehrfach erfasst. Aus den kostenangemessenen 758 bzw. 435 WE hätten folglich insgesamt 2.957 unterschiedliche Wohnungsangebote unterbreitet werden können."


    15.885 Haushalten kann man also im Moment 2.957 unterschiedliche Wohnungsangebote unterbreiten, aber real sind nur 1.193 Wohneinheiten sofort verfügbar.


    Da sollte die Frage erlaubt sein, wie die Studie dann zu dem Ergebnis kommen kann: "Die Untersuchung der Verfügbarkeit kostenangemessenen Wohnraums hat belegt, dass Wohnraumalternativen (diese stammen bei der Stichprobenuntersuchung vorzugsweise aus den Beständen der LWB) vorhanden sind und eine alternative Wohnraumversorgung somit zum Stichtag sofort möglich gewesen wäre."


    http://www.l-iz.de/Politik/Lei…icht-zu-halten-43611.html
    http://www.l-iz.de/Melder/Meld…r-Unterkunft-Leipzig.html

  • Differenz mittlere Nettokaltmieten pro m² von 2011 und 2008

    Ich komme auch noch mal kurz auf den kürzlich erschienenen Statistischen Quartalsbericht II/2012 (http://www.leipzig.de/imperia/…k-und-wahlen/lz_qb122.pdf ) zurück. Im Artikel von Andrea Schultz über die "Attraktivität des Wohnviertels" finden sich zwei Abbildungen, die hier als Datenbasis für weitere Schlußfolgerungen dienen, aber darüber hinaus auch an sich für unsere Diskussion von Interesse sein dürften. Sie sind bereits in der Kommunalen Bürgerumfrage 2011 enthalten.


    S. 15, Abb. 6: Mittlere Nettokaltmiete pro m² (Median) nach Ortsteilen
    Abb. 7: Differenz mittlere Nettokaltmieten pro m² (Median) von 2011 und 2008 nach Ortsteilen


    Um 0,50 Euro pro m² und mehr sind die Mieten gestiegen in Zentrum-Ost, -Süd und Gohlis-Süd bei bereits vergleichsweise hohen Mieten, aber auch in Volkmarsdorf und Sellerhausen-Stünz sowie um 0,25 bis unter 0,50 Euro in Neustadt-Neuschönefeld sowie Zentrum-Nordwest und -Nord.

  • phantomdiskussion, hundertfünfzehnte runde.


    wenn alle gleichzeitig krank würden, gäbe es auch nicht genügend spitalbetten. aber das passiert ja nicht.


    der wohnungsmarkt ist dynamisch wie das richtige leben. es ziehen laufend leute um, aber nicht alle auf einmal.


    wenn leute in neue stadthäuser, lofts oder eigentumswohnungen umziehen, werden ihre alten wohnungen frei. die sind in der regel kleiner, einfacher ausgestattet (und damit günstiger), schließlich will man sich - wer es sich leisten kann - beim umzug verbessern.
    und in gebieten wie grünau oder mockau ist der altersduchschnitt so hoch, dass in den nächsten jahren dort jede menge günstige wohnungen frei werden.


    wenn le.mon.hist. lust hat, kann er ja mal den aktuellen "bellevue städtetest" verlinken. daraus geht hervor, das leipzig mit 40,1 qm wohnfläche pro einwohner (tendenz steigend) den zweithöchsten wert hat und die kaufpreise pro qm für eingentumswohnungen, einfamilienhäuser und bauland hier am billigsten sind. aller hysterie zum trotz kann man also auch künftig von einem entspannten wohnungsmarkt bei steigenden bauaktivitäten ausgehen.


    fazit: sowohl oben als auch unten wird auch in den nächsten jahren der bedarf gedeckt werden.

  • Lieber dj, nun ist es aber so, dass das Jobcenter Leipzig die Bezieher_innen von ALG II auffordert, ihre Kosten für die Wohnungen zu senken, sobald diese über der Bemessungsgrenze liegen. Dies geht entweder, indem der Vermieter die Miete senkt (nicht sehr aussichtsreich), man noch einen Untermieter aufnimmt (gerade bei kleinen Wohnungen, wo es die größten Engpässe gibt, kaum möglich), man die Kosten, die über der Bemessungsgrenze liegen, selbst übernimmt (auf die Dauer für die allermeisten kaum machbar) oder man sich eine neue Wohnung suchen muss.


    "Die Kosten der Wohnung einschließlich der Heizkosten werden zunächst in tatsächlicher Höhe übernommen, wenn der Mietvertrag bereits besteht. Dies erfolgt so lange wie es dem Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, Untervermietung oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für 6 Monate."
    http://www.leipzig.de/de/busin…t-und-Heizung-07351.shtml


    http://www.leipzig.de/de/busin…enter-Leipzig-07133.shtml


    Das oberste Ziel, das die Stadt Leipzig mit dem Jobcenter Leipzig vereinbart hat, lautet: "Ziel 1 – Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung (LfU) so gering wie möglich halten." Es ist allerdings die besondere soziale Situationen bei der Prüfung zu beachten. Daher können in einigen Fällen diese Mietobergrenzen um bis zu 10 % überschritten werden.


    LIZ, 03.09.2012
    Kosten der Unterkunft: Jobcenter verliert vor Gericht - Stadt spart weiter
    http://www.l-iz.de/Politik/Lei…der-Unterkunft-43496.html


    Es ist also wahrscheinlich, dass die meisten der 15.885 Haushalte mit unangemessenen Kosten der Unterkunft in absehbarer Zeit einen Brief vom Jobcenter bekommen. In Berlin wurden zu Beginn des Jahres 65.511 ALG II-Bezieher_innen - fast ein Drittel aller Empfänger_innen von Arbeitslosengeld II - durch die dortigen Jobcenter aufgefordert, ihre Wohnkosten zu reduzieren. Lediglich circa 1.036 Betroffene konnten eine Verminderung der Mietkosten erzielen, etwa durch die Aufnahme einer Tätigkeit auf 400 Euro Basis (das soll wohl heissen, sie konnten die gestiegenen Kosten selbst auffangen) oder durch Untervermietung. 36.335 Empfänger_innen zählen zu den sogenannten Härtefällen (ältere Menschen über 60 Jahre, Alleinerziehende und Schwangere), die höhere Wohnzuschüsse erhalten. http://www.deutsches-architekt…d.php?p=328798#post328798 Nimmt man in etwa die gleiche Quote für Leipzig an, so wären das immerhin etwa 7.000 Haushalte, die umziehen müssten - derzeit sofort verfügbaren 1.193 Wohneinheiten.


    Um in Deinem Beispiel zu bleiben, wenn sich alle Einwohner_innen bei Androhung von Geld- oder Gefängnisstrafen innerhalb eines halben Jahres eines kompletten Gesundheitschecks (EKG, Belastungs-EKG, Blutwerte ... - ca. einwöchige Beobachtung im Krankenhaus ...) unterziehen müssten, dann würde es in den Krankenhäusern ganz schnell recht eng werden.

  • wenn leute in neue stadthäuser, lofts oder eigentumswohnungen umziehen, werden ihre alten wohnungen frei. ...


    Allerdings entfallen bei Neubezug die Bestimmungen für die Miethöhe, diese kann im Rahmen des allgemeines Mietspiegels frei neu festgesetzt werden. Übersichten über die Angebotsmieten in den einzelnen Stadtteilen wurden hier ja schon verlinkt:


    Die durchschnittlichen Angebotsmieten lagen 2011 unter oder nahe dem KdU-Satz von 4,22 Euro/qm in folgenden Stadtteilen:


    Althen-Kleinpösna (4,40 ▼), Grünau-Mitte (4,60 ▲), Grünau-Nord (4,60 ▲), Grünau-Siedlung (3,90 ▲), Hartmannsdorf-Knautnaundorf (4,40 ►), Lausen-Grünau (3,80 ▼), Leutzsch (4,60 ►), Marienbrunn (4,40 ►), Miltitz (4,60 ►),
    Mockau-Süd (4,40 ▼), Neustadt-Neuschönefeld (4,20 ►), Paunsdorf (4,50 ▲), Schönau (4,60 ▲), Schönefeld-Abtnaundorf (4,50 ▲), Schönefeld-Ost (4,60 ►), Thekla (4,50 ▲), Volkmarsdorf (4,20 ▲).


    http://www.deutsches-architekt…d.php?p=330490#post330490



    und in gebieten wie grünau oder mockau ist der altersduchschnitt so hoch, dass in den nächsten jahren dort jede menge günstige wohnungen frei werden.


    Die Leute werden nicht unter die Brücke ziehen müssen, sondern es wird sicherlich weiterhin Wohnungen für Bezieher_innen von Sozialleistungen geben. Aber eben in größerer Zahl nur an der Peripherie und/oder in der Platte oder im Leipziger Osten (wo die Angebotsmieten mittlerweile auch steigen). Nun ist genau das aber bereits Gentrifizierung und soziale Segregation, die für Leipzig immer noch als unwahrscheinlich deklariert wird.