Das Zeppelinfeld - Die Stadt macht ernst!

  • Das Zeppelinfeld - Die Stadt macht ernst!

    Hallo zusammen,


    am Samstag, den 25.09.2011 gab es eine der selten gewordenen Gelegenheiten eine einstündige Führung durch und über die Geschichte, das Gelände und die Bauten am Zeppelinfeld zu machen. Das ganze wurde von der Stadt Nürnberg angeboten. Das Zeppelinfeld, hier zu finden, ist wohl das umstrittenste Erbe der Stadtgeschichte, aber wohl auch das einzigartigste, das Nürnberg an geschichtlicher Architektur zu bieten hat. Aus meiner Sicht auf jeden Fall, denn mittelalterliche Kirchen, Burgen, Brunnen und Fachwerkhäuser gibt es vielerorts. Aber - so meinte auch der Leiter der Führung - Pracht- und Zweckbauten aus der Nazizeit mit auch erhaltenen Innenräumen gibt es fast nirgends mehr. Nürnberg ist dahingehend einzigartig und bietet auch für den zweck,. die Stadt des Erinnerns, des Mahnens und als Ort der Menschenrechte hier etwas zum Anfassen zu haben. Denn - so sagte man auch - wenn es heute schon Menschen gibt, die den Holocaust verleugnen, wie wird es in 50 Jahren sein?


    Daher hat sich die Stadt nun vorgenommen, nach zurückliegenden Jahrzenten der notdürftigen Notreparaturen nun eine kompletterhaltung gleichsam einer Sanierung durchzuführen. Hierzu werden natürlich auch Ideen und Unterstützung gesucht. Maxime dabei soll sein, dass das Zeppelinfeld ein ort des Lernens ist, und das alles bleibt wie es ist. Es soll nichts weiter entfernt und auch nichts wieder aufgebaut werden. Derzeit präsentiert sich das Zeppelinfeld so:


    http://www.abload.de/img/zeppelinfeld2eqc1.png


    Es wird vor allem als Sportplatz genutzt, und 1 x im Jahr für die DTM Norisring. Die am Samstag gezeigten Vorhaben (zumindest was ich mir gemerkt habe) beinhalten folgende Ideen:


    1. Das Vereinshaus, das einst von den amerikanischen Streitkräften errichtet wurde, soll weg. Die Amerikaner waren bis in die Neunziger Jahre Nutzer des Geländes und haben es im großen und Ganzen kaum verändert, aber pragmatischen Zwängen folgend verändert - eben um diese Baracke und einen Baselplatz in der Nortwestlichen Ecke. Von der Haupttribüne aus gesehen ist die Sichtachse von dieser Baracke gestoppt.


    2. Die m.E. größte Veränderung sieht vor, den Nördlichen Teil der Zuschauertribünen, die derzeit komplett zugewuchert sind, wieder frei zu machen und in einen Zustand zu versetzen, die der Hauptribüne entspricht. Die Nordhälfte deswegen, da die Tribüne dann dem Süden und der Sonne zugewandt ist, und sich daher zum Sonnentanken anbieten würde. Demgegenüber ist geplant die Südtribüne im derzeigen Zustand zu belassen (womit sie aber weiter verfallen würde.)


    3. Die in den fünfziger Jahren angelegte Baumreihe von verpflanzt. Wohin wurde nicht gesagt, aber sie beeinträchtigt das erleben der Größe der Gesamtanlage, da sie, wie das Vereinshaus, die Sichtachse stören. Wir erinnern uns, es soll darum gehen die Geschichte des Nationalsozialismus an diesem Ort in Stein begreifbar zu machen.


    4. Die Haupttribüne wird vermutlich am wenigsten vom heutigen Zustand verändert werden, dennoch wird es der teuerste Teil der Instandhaltung werden. Einst befanden sich Pfeilerkolonaden auf der Tribüne. Diese wurden u.a. aus baulichen Gründen 1967 gesprengt. Man sagt aber auch, dass sie weg mussten, da sie ein Dach trugen in dem Insignien des Nationalsozialismus zu sehen waren. Diese Kolonnaden werden nicht wieder aufgebaut.
    Die grundsätzliche Herausforderung dabei ist nur, dass die überdachten kolonaden auch eine schützende Funktion gegenüber dem Unterbau hatten, der nun Wind und Wetter ausgesetzt ist - wie man auf den Fotos auch gut sehen kann. Weiterhin hat man den Schutt nach der Sprengung einfach in die Treppenhäuser gekippt, und diese damit stark beschädigt. Und einmal beschädigt bröckelt alles immer schnelelr werdend voran.


    Soweit kurz skizziert die Pläne. Nun Bilder:
    zu 1. Die Zuschauertribünen sind in Form einer Burganlage errichtet worden, die von 34 Türmchen gesäumt sind. In einen dieser Türme konnte man hinein. Errichtet wurden Sie als Toilettenhäuser (immer eines für Männer, das nächste für Frauen usw.), heute befinden sich in keinem mehr Toiletten. Sie werden nur noch als Lager genutzt. Die Türme sind allesamt in baulich schlechtem Zustand. Die Wände sind feucht und die Decken undicht.




    Beeindruckend, wie sich die Natur die steinernen Treppen bereits zurück erobert hat. Es sieht eher aus wie eine Deichanlage.

    Blick auf das riesige Sportfeld in Richtung Osten zur Haupttribüne:


    Die Haupttribüne ist von Albert Speer dem Pergamonaltar nachempfunden worden. Das lässt sich heute noch erahnen. bemerkenswert ist der Erhaltungszustand der Innenräume, der durchaus noch als sehr gut zu bezeichnen ist. Hinein ging es über die Rednerempore, also dort wo die Redner ins Freie gekommen sind:




    Über mehrere Treppengänge ging es hinein in den Bau bis zur "Ehrenhalle". Wer da verehrt werden sollte ist unbekannt. Ziel der Stadt ist aber, die Ehrenhalle zu öffnen, um auch Mysterien, die entstehen, wenn man sie nicht betreten kann, entgegen zu wirken. Trotzem wirkt dan alles etwas geheimnisumwittert. Der Plan sieht vor, von den an der Nordseite befindlichen Türen eine zu öffnen und in einem abgetrennten Bereich den Zutriff für wenige Meter in den Raum hinein zu ermöglichen. Kompletter Zutritt wird nur während der Führungen möglich bleiben, da die ganze Anlage einfach zu groß ist und vermutlich Vandalismus anheim fallen würde.







    An den Seiten führen die Treppenhäuser nach oben. Je weiter man nach oben gelangt, desto schlimmer ist der bauliche Zustand.






    Der Treppenausgang oben ist schließlich gegen Wind und Wetter mit Brettern vernagelt. An dieser Stelle wachsen nun auch Stalaktiten von der Decke, da das eindringende Regenwasser den Kalksandstein stück für stück auflöst.





    In der Ehrenhalle schließlich finden sich auch die Schalen, die früher an den Eckpfeilern der Haupttribüne standen.


    Die nördliche Außenfassade schließlich soll gesichert werden, sodass man wie früher, sie wieder mit Tennisbällen beschießen kann.





    Vielleicht hat ja noch jemand Bilder von der Führung, und kann sie hioer posten. Zwischen 10 und 16 Uhr starteten alle 15 Minuten Führungen zu je etwa 100 Personen. Es müsste doch einiges an Bildmaterial dabei entstanden sein!!

  • Ich bin sogar dafür, die Kollonaden wieder zu errichten! Sehr schöne Bilder! Hätte nicht gedacht, dass in der Steintribüne die Räume so prächtig ausgestattet wurden. Wurde ein konkreter Zeitplan genannt? Ich hoffe, dass zukünftig dann die Anlage regelmäßig gewartet wird, und nicht erst alle 40 Jahre.

  • Man kann nur hoffen, dass der ganze Schandfleck dem Erdboden gleichgemacht wird.


    Was für ein konstruktiver Beitrag. Dieser Satz könnte in die Geschichte eingehen. Allerdings gehe ich nicht davon aus, dass man sich positiv an ihn erinnern wird.


    Wenn ich gerade so am überlegen bin ... vielleicht sollten wir sämtliche Plätze innerhalb der Burgmauern Nürnbergs auch dem Erdboden gleichmachen. Immerhin haben damals Schlachten um die Stadt stattgefunden. Außerdem gab es innerhalb der Burgmauern immer wieder Hexenverbrennungen. Was wir da nur für Schandflecken haben ...

  • Plattmachen?
    Nein!
    Es sind Zeugnisse der Geschichte.


    Und dann müsste man als Münchner auch das Haus der Kunst abreißen!


    Und rein ästhetisch gibt es in anderen Ländern ähnliche Bauwerke. Es war teilweise eben auch so der Stil der Zeit.
    Was mich aber gewaltig ärgert ist, dass die Kosten wohl vor allem an der Stadt Nürnberg hängen bleiben werden. Das kann nur Aufgabe des Bundes sein. Es wäre sicherlich wichtiger als ein kitschiger Neubau eines nicht mehr vorhandenen Stadtschlosses in Berlin.

  • Naja, der Vergleich hinkt insofern, als dass der "Kitsch", also die Fassade des Schlosses ja über Spenden finanziert werden soll, nicht vom Bund.
    Ich freue mich über die Sanierung dieses eindrucksvollen nahezu einmaligen Bauensembles. Im Inneren kann man ne Vorstellung bekommen, wie es in der Berliner Reichskanzlei ausgesehen hat.
    Mir tut Nürnberg schon leid, dass es als Nazistadt und jetzt Ort des Mahnens herhalten muss, was eigentlich München sollte. Da ist die Partei nämlich groß geworden, da war der Hitlerputsch und später die Hauptzentrale der NSDAP. Der Grund, dass Hitler Nürnberg für die Reichsparteitage wählte, hatte nichts damit zu tun, dass die Nürnberger 105 %ige Nazis waren. Im Gegenteil, Nürnberg war als Arbeiter- und Industriestadt wesentlich stärker rot gefärbt als München. Aber Nürnberg war optisch viel mehr das, was sich Hitler unter deutsch vorstellte, Fachwerk, Stadtmauer und Burg, noch dazu ehemalige Reichsstadt. München, Hitlers Wahlheimat, war viel "welscher", viel barocker.

  • Danke für diesen sehr treffenden Beitrag Baukunst!


    Zu Forderungen eines Abrisses:
    Völlig absurd. In der Tat, Geschichte lässt sich nicht durch Abriss baulicher Vermächtnisse verwischen. Und es wäre naiv wenn man in einer Art vorauseilender, falsch verstandener politischer Korrektheit diese Gebäude einebnet um den in der Tat vorhandenen ewig gestrigen ihre Pilgerorte zu nehmen.


    Vielmehr ist die Stadt Nürnberg nun in der Pflicht, ihren inzwischen recht konsequenten Weg der Aufarbeitung des deutschen Faschismus weiter zu gehen und diese Orte wieder ins breitere, öffentliche Bewusstsein rücken. War bislang der Fokus dabei eher von lokal zu national (die Stadt der Reichsparteitage im III. Reich), sollte am Zeppelinfeld nun einen Schritt weiter gegangen werden. Das Gelände bietet sich ja förmlich als nationale Gedenkstätte an!


    Bund, Land und Kommune sind hier gemeinsam gefordert. Das Gelände sollte als Gedenkstätte von nationalem Rang gesellschaftlich neu bespielt und so dem braunen Spuk endgültig entzogen werden. Dazu muss es erhalten und teils auch umgebaut werden.



    D.

  • "Dem Erdboden gleichmachen", wäre der falsche Weg. Wer nicht versteht warum, sollte mal nach Birkenau in Polen fahren.


    Meiner Meinung war es auch ein Fehler, den Palast der Republik abzureißen. Auch das ist deutsche Geschichte.

  • So wie es der Bericht vermittelt, sind die Chancen zum Erhalt der Anlage sehr gering... Über das geschichtliche Interesse zum Erhalt der Anlage hinaus hat die Stadt Nürnberg sicherlich jedoch auch finanzielle Interessen am Erhalt. Immerhin zieht der Kollos sicher den ein oder anderen Touristen nach Nürnberg. Vom DTM Rennen am Norisring ganz abzusehen...


    Sollte das Gelände wirklich verfallen - und somit auch abgerissen werden, was könnte man damit anstellen?


  • Sollte das Gelände wirklich verfallen - und somit auch abgerissen werden, was könnte man damit anstellen?


    Baugebiet für einige Reihenhäuser mit exzellenter Lage und perfektem Verkehrsanschluss, gleich zentral gelegen und direkt neben dem Grünen, da natürlich auch ein kleiner Park integriert wird. Das ganze wird mit Büros und Dienstleistern abgerundet, so dass es der ideal Ort für junge und dynamische Familien sein wird.


    Was besonderes wird Nürnberg da sowieso nicht hinstellen. Hätte schon besser Stellen und Chance gegeben und sowas verfallen zu lassen ... da fehlen mir echt die Worte.

  • ...... Hätte schon besser Stellen und Chance gegeben und sowas verfallen zu lassen ... da fehlen mir echt die Worte.


    Ich glaub das auch nicht so Recht. Zumindest die Tribühne hat ne gewisse Symbolwirkung und ließe sich dank geräumigen Innenraum auch gut als Gedenkstätte oder sowas herrichten. Was das Zeppelinfeld mit den Türmen usw. angeht ist ein Teilabriss finde ich gar nicht so unwahrscheinlich. Außerdem hat die Stadt sicherlich ein gewisses Interesse daran, die DTM hier zu halten. Das geht nur solange es dort kein Wohngebiet gibt.


    Ich glaube das mediale Echo wäre nicht das beste, würden Planierraupen anrücken und dort alles wegschieben. Allein es fehlt an der zündenden Idee für ein Konzept. Die urprüngliche Nutzung, nämlich für Sport und Spiele, ist da die naheliegendste.

  • Also abreißen wäre wohl eine ziemliche Schande. Die Stadt hätte zwar ein recht unbequemes Denkmal los, aber das Gelände ist nun mal ein wichtiges Denkmal, das ist einfach Fakt.
    Auf der anderen Seite ist die Erhaltung meiner Meinung nach nicht unbedingt die Aufgabe der Stadt, in der nach den Ideen der Nazis die Reichsparteitage abgehalten wurden. Nürnberg war eben eine Art Stellvertreter für das alte Deutschland. Die ganze Angelegenheit ist in jedem Fall von gesamtdeutschem Interesse, sollte also vom Bund übernommen und auch finanziert werden.
    (Schließlich hat Berlin auch die Akropolis inzwischen schon mehrfach finanziert.)

  • Hm... Schwierig, schwierig! Auf dem Zeppelinfeld einen Businesspark zu errichten, würde meiner Meinung nach einen zu großen Kontrast zur Steintribüne schaffen. Das lässt sich eigendlich nicht vereinbaren.
    Ein eventueller Stadionneubau des Clubs wäre direkt neben dem Frankenstadion auch etwas seltsam anmutend.
    Man könnte die Seitentribünen abtragen und andeutungsweise Erdhügel dort stehen lassen. Die restliche Fläche würde sich vermutlich am ehersten als erweiterter Dutzenteich-Park anbieten.


    Schade dass die Diskussion unter solchen Vorzeichen geführt werden muss! Ich würde mir eher das Gegenteil wünschen! Komplett Renovierung und noch eventuell ein Infogebäude auf dem Zeppelinfeld.

  • Zweifellos eines der schwierigsten architektonischen Erbmassen der Stadt Nürnberg ist die Zeppelintribüne. Die Nürnberger Nachrichten befassen sich mit einem Artikel in der heutigen Ausgabe mit dessen Erhalt und Instandsetzungsplänen: http://www.nordbayern.de/regio…-in-nazi-bauten-1.2805794


    So wie ich das sehe wird man um eine Überdachung der Zeppelintribüne nicht herum kommen, sonst wird sie von Wind und Wetter irgendwann zerfressen. Wenn man das verhindern will, muss man diese Einwirkungen eliminieren. Ich könnte mir sehr gut ein dreieckiges Glasdach auf dem Gang vorstellen Das wäre von unten deutlich als nicht zugehörig erkennbar, würde aber dennoch nicht den Eindruck einer Rekonstruktion erwecken. Außerdem ist es kostengünstig.

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    Das sehe ich ein wenig anders.Wenn man schon den Größenwahn der Nazis zeigen will, dann müsste man auch die ehemalige Säulenkonstuktion wieder Orginalgetreu herstellen.

  • Das hätte den Vorteil, das so das gebäude wieder wettergeschützt ist und seine ursprüngliche Bauphysik wieder funktioniert. Allein, ich halte es nicht für durchsetzbar. es ist soweit ichd as mitbekomme derzeit Konsens, dass es keine Reko geben wird. Soll soviel heissen, die Tribüne soll mehr oder wenniger so konserviert werden wie sie heute aussieht ohne auch nur einen Stein zu ergänzen.